Die Sprachstandsfeststellung und die anschließende pädagogische Förderung können einen Beitrag dafür leisten, die soziale Herkunft vom Bildungserfolg zu entkoppeln und entsprechende Potenziale zu entfalten. Um die Pädagogen bei dieser Potenzialentfaltung zu unterstützen, war es daher auch wichtig, ein verpflichtendes Modul, nämlich
„Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“ in die Lehrerausbildung aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, die Zahl der Kinder mit festgestelltem Förderbedarf liegt alljährlich konstant bei rund einem Viertel. Es ist sehr erfreulich, dass nun 93 % der erfassten Kindertageseinrichtungen angeben, dass die Wirksamkeit der Sprachförderprogramme nachgewiesen wird, und zum Beispiel 59 % positive Rückmeldungen aus den Grundschulen anführen.
Aber allein die Vielzahl der Sprachförderprogramme und die entsprechenden abweichenden Bewertungen machen deutlich, dass man an dieser Stelle über die Effektivität sprechen muss. Die Landesregierung erklärt, wissenschaftliche Einschätzungen über die Nachhaltigkeit der Sprachförderprogramme gingen hier sehr weit auseinander.
Es ist an dieser Stelle grundsätzlich positiv zu bewerten, dass ein Bund-Länder-Forschungsvorhaben die Diagnoseinstrumente und Förderansätze ab 2013 fünf Jahre lang wissenschaftlich prüft, aber es stellt sich die Frage: Was will Rot-Grün? Was wollen Sie in der Zwischenzeit tun? Diese Frage stellt sich besonders nach der vorliegenden Antwort.
Wo sind die Konzepte von Rot-Grün an dieser Stelle? Sie verweisen auf die Leitgedanken in der Vorbemerkung. Dort findet sich die Kritik ihrerseits, aber leider keine Auskunft darüber, welche Verbesserungen Sie vornehmen.
Sie kritisieren – das hat Frau Stotz noch einmal erwähnt –, dass Sprachstandsfeststellung und -förderung nicht in einer Hand liegen. Die rechtliche Anbindung an die Schulpflicht und das Schulgesetz erfolgte in diesem Zusammenhang aber, um alle Kinder zu erreichen und eben nicht die Kinder durchs Raster fallen zu lassen, die wir durch den Kindergarten nicht erreichen.
Ich sage aber auch ganz klar: Wir sind gerne bereit, uns hier Ihre Verbesserungsvorschläge anzuschauen und uns mit diesen an entsprechender Stelle
Wir haben gehört – und gerade war das in den Ausführungen von Frau Stotz auch noch einmal zu vernehmen –, dass Delfin 4 ab dem kommenden Jahr modifiziert bzw. abgeschafft werden soll.
Wir schreiben jetzt September 2013. Bisher haben wir auf die Alternativen an dieser Stelle vergeblich gewartet. Die Antworten in der Großen Anfrage im Schulbereich beschränken sich vielfach auf die Aussage: Sprachförderung ist generell Aufgabe der Schulen. – Genaue Zahlen sind hier nicht bekannt. Es liegen keine wissenschaftlichen Daten vor. Wie man hier eine durchgängige Sprachbildung sichern möchte, erschließt sich nicht.
Sie haben bei der damaligen Einführung der Sprachstandserhebung und -förderung heftig Kritik geübt und Eltern an dieser Stelle gezielt verunsichert. Wir warten nun auf Ihre eigenen Vorstellungen, auf Ihre Verbesserungsvorschläge und sagen noch einmal ganz deutlich: Sinnvollen Verbesserungsvorschlägen stehen wir im Sinne der Sprachförderung der Kinder selbstverständlich offen gegenüber. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe Dank in dreierlei Hinsicht auszusprechen, einmal für die Antwort auf die Große Anfrage der CDUFraktion, die uns Aufklärung darüber verschafft hat, wie vielfältig die Landschaft beim Thema Sprachförderung ist, zum anderen der Landesregierung, die sich die Mühe gemacht hat, diese Fragen auch zu beantworten und damit eine Grundlage für weitere Diskussionen geschaffen hat, und natürlich den vielen Einrichtungen vor Ort, die sich die Mühe gemacht haben, die Fragen zu beantworten.
Es ist schon eine beeindruckende Vielfalt, die vor allem eines aussagt, dass nämlich das Thema Sprachförderung, Sprachstandserhebung vor Ort in den Einrichtungen, in den Schulen intensiv angekommen ist, und zwar intensiver, als Sie das hier zunächst einmal angesprochen haben.
Denn es wird deutlich, dass sich die befragten Einrichtungen sehr viele Gedanken gemacht haben und das Instrument gewählt haben, von dem sie glauben, dass es für ihre Kinder, für die Kinder in ihrer Einrichtung besonders hilfreich und besonders gut sei.
Ein paar überraschende Punkte aus dieser Antwort möchte ich gerne noch ansprechen. Zu erwarten ist natürlich, dass bei Kindern aus bildungsfernen Mili
eus und Kindern mit Zuwanderungsgeschichte eine zusätzliche Sprachförderung oder eine Sprachtherapie häufiger vorkommt als bei anderen. Überraschend ist aber, dass dieser Bedarf zum Teil erst bei den schulärztlichen Eingangsuntersuchungen aufgedeckt wird. Denn sowohl in den Vorsorgeuntersuchungen sowie auch bei der Sprachstandserhebung nach Delfin 4 oder 5 hätten zwei Jahre vor der Einschulung diese Probleme bereits auftauchen können.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf das Thema Delfin 4 eingehen. Delfin 4 misst bestimmte Defizite nicht. Delfin 4 kümmert sich um die Frage der Kenntnis der deutschen Sprache und nicht um die Frage der Mehrsprachigkeit. An dieser Stelle haben wir das Problem, dass die Kinder, insbesondere die Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, dann nicht so gefördert und wertgeschätzt werden, wie es sein sollte, neben der Problematik, dass es sich um eine punktuelle Untersuchung handelt.
Die Daten, die hier vorgelegt worden sind, zeigen deutlich, dass Delfin 4 und das dazugehörige Förderprogramm keine Akzeptanz in den Einrichtungen finden, und es bestehen erhebliche Zweifel an der Validität der dort erzielten Ergebnisse. Daher gehört nach meiner Auffassung Delfin 4 abgeschafft.
Vielmehr muss in den Kitas von Beginn mit geeigneten und in den pädagogischen Alltag integrierbaren Instrumenten eine durchgängige Beobachtung und Dokumentation der Entwicklung und die Sprachbildung in einem ganzheitlichen Konzept erfolgen. Das betrifft auch die Zusammenarbeit mit den Grundschulen und die Übergänge zwischen dem Elementarbereich und dem Primarbereich sowie zwischen dem Primarbereich und den weiterführenden Schulen.
Als Sprecherin für Migrationspolitik habe ich ein besonderes Augenmerk auf die Passagen gerichtet, die den Spracherwerb von Kindern mit Migrationshintergrund betreffen. Zu dem Thema hätte ich mir tatsächlich etwas mehr Fragen seitens der CDUFraktion gewünscht. Deswegen fand ich es gut, dass die Landesregierung bei der Beantwortung auch ungefragt noch einmal auf die Vorzüge einer wertschätzenden Einbeziehung der Herkunftssprachen eingegangen ist. Das hat auch ganz viel mit der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern zu tun.
Die Frage der Herkunftssprache, der Familiensprache gehört auch zur Identität und zur Persönlichkeitsentwicklung von Kindern. Deswegen ist es wichtig, dass diese Mehrsprachigkeit, dieses
Deswegen ist es bei aller Freude an der Förderung der Bildungssprache Deutsch auch wichtig, sich auch um die Frage der Mehrsprachigkeit weiter zu bemühen und sie in den Alltag der Kinder, in den Alltag der Einrichtungen, in den Alltag der Schulen stärker zu integrieren. Schon allein aus dem Grunde freue ich mich auf die Diskussion in den Ausschüssen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch von uns geht ein herzlicher Dank an alle, die sich mit dieser Anfrage beschäftigt haben, die Landesregierung und die vielen Einrichtungen.
Frau Scharrenbach, betrachten wir einmal die von Ihnen geforderte Evaluation. Lassen Sie uns diese Antwort als einen Anfang nehmen. Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass das Beherrschen der deutschen Sprache in unserem Bildungssystem eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, um überhaupt den Zugang zur Bildung zu finden.
Weder die soziokulturelle Herkunft noch die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Elternhauses dürfen einen Einfluss auf den individuellen Zugang zur Bildung haben.
Sprachentwicklungsauffälligkeiten bei Kindern noch vor der Einschulung festzustellen und bei diesen Kindern mit individuellen Maßnahmen Sprachförderung zu betreiben, sind wichtige Aufgaben im Elementarbereich.
Seit 2007 testet man vierjährige Kinder mit dem Spiel „Delfin“, und ebenfalls seit 2007 gibt es massive Kritik an diesem Test. Logopäden verziehen mittlerweile das Gesicht, wenn sie das Wort „Delfin“ nur hören. Der Test ist realitätsfern; er berücksichtigt weder kulturelle Voraussetzungen noch die Fähigkeiten von mehrsprachigen Kindern – das erwähnte Frau Velte eben –, noch erfasst er, ob für das Kind eine allgemeine Sprachförderung ausreichend ist oder ob es vielleicht eine Sprachtherapie benötigt. Das liegt daran, dass dieser Test starr und unsinnig ist. Die Kinder werden in Rot und Grün eingeteilt: „kann er“, „kann er nicht“, „kann sie“ oder „kann sie nicht“. Die vielfältigen individuellen Ursachen für
Hinzu kommt – das wurde gerade auch schon gesagt –, dass dieser Test in einer prüfungsähnlichen Situation stattfindet, die für die Kinder völlig ungewohnt ist. Ein fremder Mensch kommt in die Kindertageseinrichtung. Viele Kinder verweigern sich dieser Situation – zu Recht.
Eine Sprachstandsfeststellung ist meiner Ansicht nach ein Prozess und kein punktuelles Verfahren. Das heißt, die Erzieherinnen und Erzieher können wochen- und monatelang feststellen und beobachten, wo Defizite sind und wo Förderbedarf besteht. Ich glaube, dass ein beobachtendes Verfahren sehr viel mehr als ein punktuelles Prüfen bringt.
Leider haben viele Kindertagesstätten gar nicht die Ressourcen, damit sich Erzieherinnen darum ausgiebig kümmern könnten. Ich schaue mir an, wie groß einige Gruppen und wie überlastet Erzieherinnen sind. Daher muss ich mich nicht wundern, wenn einige Kinder auch durch dieses Raster fallen.
Ähnlich stellt sich das in der Schule dar. In den ersten Klassen werden zum Teil bis zu 30 Kinder unterrichtet. Dort ist es unmöglich, bei jedem Kind festzustellen, wie der Sprachstand ist, dementsprechende Förderprogramme aufzustellen und diese durchzuführen. Auf dem Papier liest es sich ganz gut, was Lehrer und Erzieherinnen alles tun und leisten sollen. Leider ist die Situation vor Ort anders.
Zusammenfassend ergibt die Beantwortung dieser Großen Anfrage für mich das Bild, dass in NRW seit 2007 eine Sprachstandsfeststellung ohne Sinn und Verstand durchgeführt wird. Das aktuelle Verfahren wird der Rolle der Erzieherinnen und Erzieher nicht gerecht. Es vernachlässigt die Einbeziehung der Eltern, und die Leidtragenden sind die Kinder, die tatsächlich eine individuelle Sprachförderung benötigen.
Ich appelliere an die Landesregierung, endlich dort vernünftig zu unterstützen, wo das Kind im Mittelpunkt steht und individuelle Sprachförderung geleistet wird, nämlich bei den Erzieherinnen und Erziehern. – Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Pieper. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Löhrmann das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den kollektiven Dank haben sicherlich alle Beteiligten mit Freude gehört. Manche Fragen in der Großen Anfrage verwundern. Eigentlich müssten Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, doch aus eigener Erfahrung und Verantwortung wissen, welche Antworten das von Ihnen 2007
Wir sind uns alle einig: Sprache und sprachliche Bildung sind von zentraler Bedeutung. Mündliche und schriftliche Verständigung sowie ausreichende Lese- und Schreibkompetenz sind elementare Voraussetzungen für einen qualifizierten Schulabschluss, eine zukunftsfähige Berufsausbildung und das Zurechtkommen im Alltag.
Ihr Ziel, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, war absolut richtig. Aber nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht. Insofern haben Ute Schäfer und ich mit Freude Ihre selbstkritischen Anmerkungen gehört. Als Sie damals möglichst schnell ein Sprachstandsfeststellungsverfahren eingeführt haben, haben Sie wesentliche Aspekte außer Acht gelassen. Dadurch sind Ihnen Fehler unterlaufen.
So haben Sie leider bei der Einführung des Verfahrens die Expertise und die Erfahrung der Erzieherinnen und Erzieher weitgehend außen vor gelassen. Dafür waren zwar vor allem rechtliche Gründe ausschlaggebend, doch ist das aus Sicht der jetzigen Landesregierung falsch. Diagnose und Förderung gehören in eine Hand.