Dann interessiert mich: Was spricht eigentlich aus Ihrer Sicht oder aus Sicht der FDP dagegen, die Vermittlung in Arbeit an tarifliche oder ortsübliche Bezahlung zu koppeln?
Ich komme zunächst zu Ihrer ersten Frage. Ich kann die nackten Zahlen, die Sie hier gegenüberstellen, nicht vergleichen. Lassen Sie mich aber grundsätzlich eines sagen: Unter den 540.000 Austritten wird es mit Sicherheit etliche Arbeitnehmer geben, die übernommen worden sind, zumal der vorhin genannte Zwang eine Rolle spielt.
Zu Ihrem zweiten Punkt: was gegen eine Koppelung spricht. Die Antwort ist ganz einfach: Ihre Regulierung. Sie wollen doch noch ein zweites Tariftreuegesetz bringen. Was für Bandagen wollen Sie der Wirtschaft eigentlich noch anlegen?
Der Unterschied im Ansatz besteht nur darin, dass Sie alles regulieren und in gewisse Bahnen lenken wollen. Wir hingegen sagen: Lasst den Menschen doch einfach ihre Freiheit. Das hat bislang doch gut funktioniert. Ich sehe nicht die Schreckgespenster, die Sie immer heraufbeschwören.
Wir sind uns darüber einig, dass wir helfen müssen, aber doch nicht mit immer mehr Bandagen, die den Menschen in der Wirtschaft und dann auch noch in den Tarifverträgen angelegt werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und natürlich auch im Livestream! Auch wenn draußen die Wolken ein bisschen aufziehen, habe ich es trotzdem geschafft, in den letzten Tagen meinem Namen alle Ehre zu machen, hoffe ich.
Leider sieht es nicht ganz so sonnig aus, was die BA und ihr Steuerungssystem angeht. Das hat der Zwischenbericht – ich möchte deutlich darauf hinweisen: Es ist ein Zwischenbericht vom November 2012 – des Bundesrechnungshofes gezeigt und vor allen Dingen, wie manipulierbar dieses Steuerungssystem und wie leicht es zu missbrauchen ist. Das ist eine ganz schlimme Geschichte. Es muss dagegen gearbeitet werden.
Zu den Details; Beispiele sind teilweise gerade schon genannt worden. Junge Menschen, die noch vor einem Schulabschluss stehen, werden von Berufsberatern im System VerBIS registriert, wenn die Berufsberater die Schulen besuchen. Bis dahin ist das nichts Schlimmes. Ab diesem Moment gelten sie als ratsuchend – bei Eltern, die allerdings schon im SGB-II-Bezug stehen, direkt als arbeitssuchend. Finden die Jugendlichen einen Job oder eine Lehrstelle ohne die Vermittlung der Agentur, zählt das System der Agentur das Ganze trotzdem als erfolgreiche Vermittlung. Das ist definitiv ein richtiger
Fehlanreiz – übrigens mit acht Punkten im System viel zu hoch angesetzt für zwei Klicks im Endeffekt. Das geht gar nicht.
Anders sieht es bei Langzeitarbeitslosen aus. Hier wird ein sogenanntes – ich darf zitieren – Creaming betrieben. Wenn ich mir anschaue, wie wenige Abgeordnete leider nur noch hier sind, gehe ich davon aus, dass diejenigen, die hier sind, sich darunter wahrscheinlich etwas vorstellen können. Ich finde es in bisschen schade. Wir sollten vielleicht zu einer etwas anderen Mittagszeitregelung kommen. Das wird dem Thema hier nicht gerecht.
(Beifall von den PIRATEN – Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist richtig! Wir werden es auch ändern! Das ist auch mein Ansinnen!)
„Creaming“ bedeutet, dass sogenannte marktferne Langzeitarbeitslose durch erheblich weniger Vermittlungsanstrengungen betreut werden als leichter oder marktnahe zu vermittelnde Arbeitslose. Erschwerend kommt hinzu, dass bei den marktfernen Arbeitslosen keine Protokollierung erfolgt, falls ein Suchlauf durch die Systeme stattfindet, der nicht erfolgreich ist, also keine Stelle auswirft. Das wird nicht protokolliert. Das macht das System an der Stelle noch weniger aussagekräftig. Danke für den Hinweis, Herr Alda. Darauf haben wir im Gespräch mit der Agentur hingewiesen. Man sicherte uns zu, dass man das ändern möchte. Wir sind sehr gespannt.
Insbesondere Arbeitssuchende mit sogenannten multiplen Hemmnissen fallen einfach durch das Raster. Dieses Steuerungssystem gibt die absolut falschen Anreize. Wir müssen auf eine großartige Änderung dieses Systems hinwirken. Wir erwarten von der Bundesagentur, dass sie die Änderungen dieses Systems sehr transparent und sehr offensiv kommuniziert. Ändert sich daran und im Kommunikationsverhalten der Agentur nichts – das Zitat von Herrn Weise ist eine ordentliche Nebelkerze und leider nicht mehr …
Ich finde schon, dass es viel sinnvoller wäre, offensiv zu kommunizieren. Das mit richtigen Zahlen unterlegt hat wesentlich mehr Sinn. Wenn einmal ein Fehler passiert, ist das nicht schlimm. Dann erläutern, nachbessern – schön.
Allerdings enthält der Bericht des Bundesrechnungshofes auch Hinweise darauf, dass die Gesamtsystematik des SGB-III-Bezuges dringend verbesserungsbedürftig ist. Über das katastrophale SGB-II-System wollen wir an der Stelle gar nicht reden, sondern uns nur auf die Fehler des SGB III beziehen. Hier muss es eine Selbstverständlichkeit sein, Menschen in Arbeit zu bringen. Alter, Erkrankungen oder eine nicht vorhandene Ausbildung dürfen hier auf keinen Fall ein Hindernisgrund sein. Die
schon genannten Hemmnisse müssen für die Agentur erst recht ein Ansporn sein, alle Menschen in Arbeit zu bringen.
Hilfestellung, Orientierung und Weiterbildungsmaßnahmen können dauerhaft nur ohne Sanktionen funktionieren. Menschen, die nur durch Sanktionen in Beschäftigungsverhältnisse gepresst werden, wird so nicht geholfen. Hier wird der gesamten Gesellschaft ein Bärendienst erwiesen. Es ist keine Seltenheit, dass die so vermittelten Erwerbslosen innerhalb von sechs Monaten – Herr Garbrecht referierte gerade dazu – bei drei oder mehr Zeitarbeitsunternehmen kurzfristig beschäftigt sind. Diese kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisse helfen
niemandem und beschädigen die Betroffenen. Damit ist übrigens auch den Zeitarbeitsfirmen selbst nicht geholfen. Hier müssten deutlich mehr individuelle Maßnahmen zur persönlichen Förderung her. Statt auf Quantität sollte hier auf Qualität gesetzt werden.
Aufstockung, Ausweitung von Minijobs und das Unterlaufen von Lohnuntergrenzen durch Werkverträge wie gerade erst im fleischverarbeitendem Gewerbe missbraucht sind sozialer Sprengstoff und gehören grundsätzlich auf den Prüfstand und wahrscheinlich sogar abgeschafft.
An dieser Stelle muss auch der Gedanke über ein Grundeinkommen zugelassen sein. Wir werden das in nächster Zeit noch weiter ausführen.
Ein letzter Satz zum Entschließungsantrag der CDU: Er geht komplett an der aktuellen Problematik vorbei. Mich würde auch interessieren, wer ihn geschrieben hat. Er ist in sich widersprüchlich. Dementsprechend werden wir den Entschließungsantrag auch ablehnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung hören wir jetzt Herrn Minister Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Alda, zunächst eine Vorbemerkung: Auch wenn in den letzten Minuten viele Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion ins Plenum gekommen sind, wage ich zu behaupten, dass alle Mitglied einer Gewerkschaft sind.
Schneider, bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Der Kollege Alda möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?
Danke, Herr Präsident. Schönen Dank auch, Herr Minister. Können Sie mir sagen, an welcher Stelle ich gesagt habe, dass alle Mitglieder in der Gewerkschaft sind? Das habe ich nicht gesagt. Ich habe konkrete Namen von Abgeordneten genannt, die nicht da waren.
Einige waren nicht da. Daraus haben Sie geschlossen, einige sind eben nicht gewerkschaftlich organisiert. Ich wollte Sie nur darüber informieren, dass dem nicht so ist. Das ist doch in Ordnung.
Die Landesregierung freut sich über jeden zusätzlichen Arbeitsplatz, der aufgrund eines durchaus nennenswerten Wirtschaftswachstums anderer Faktoren zustande gekommen ist. Schaut man allerdings näher hin, muss man feststellen, dass vieles auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt in Unordnung geraten ist.
Ich erinnere an die schon angesprochene Leiharbeit, die sprunghaft zunimmt, ähnlich wie das System der Werkverträge.
Ich erinnere daran, dass in vielen Unternehmen das Aufstocken zu einem Geschäftsmodell geworden ist. Im letzten Jahr mussten die Kommunen in Deutschland etwa 11 Milliarden € bereitstellen, um aufzustocken.
7 Millionen Minijobberinnen und Minijobber haben, die zum Teil aus dieser Beschäftigungsform heraus ihren Lebensunterhalt gänzlich bestreiten müssen.
Ich denke aber auch an nicht immer freiwillig geleistete Teilzeitarbeit, die auch zu Teileinkommen und letztendlich zu Teilrenten führt.
Ökonomisch betrachtet können wir nicht darüber hinwegsehen, dass die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden in Deutschland trotz der Zunahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung kaum gestiegen ist. Hier gibt es also eine volkswirtschaftliche