Protocol of the Session on March 20, 2013

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die Piraten spricht Herr Dr. Paul.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und daheim! Bei der Durchsicht des Antrags haben wir festgestellt – leider ein bisschen spät –, dass wir ihn nicht nur gut, sondern richtig gut finden. Er entspricht einer Position, die wir 2010 in der Bundespartei diskutiert haben.

Das wichtige Thema der Arbeitsbedingungen an den hiesigen Hochschulen ist nicht nur im Landtag allgegenwärtig, sondern es wird an allen Hochschulen in Deutschland heiß diskutiert. Für uns ist es wichtig, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine verlässliche Perspektive in ihrer Karriereplanung und in ihrer persönlichen Lebensplanung haben. Das ist durch unbegründete Befristungen nicht möglich.

Die in der freien Wirtschaft gängige Argumentation, Zeitverträge seien eine Voraussetzung, um flexibel

auf die Wirtschaftslage reagieren zu können, kann nicht so einfach auf Hochschulen übertragen werden. Sicherlich hat der Arbeitsplatz Hochschule seine Eigenheiten, aber für öffentliche Einrichtungen gerade im Bildungssektor sind prekäre Arbeitsverhältnisse zu verhindern. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz hat dem Ganzen leider Tür und Tor geöffnet. Für steuerfinanzierte Einrichtungen sollte und muss es möglich sein, eine mittel- bis langfristige Personalplanung realisieren zu können.

Die Hochschulen haben durch die Übertragung des Personals die Aufgabe, neu eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie dem jetzigen Personal eine Perspektive ohne Zeitverträge und unnötige Befristungen zu bieten. Die Zahlen sind bereits genannt worden, damit möchte ich nicht weiter langweilen.

Ein Punkt ist in dieser Frage noch wichtig: Flexibilität zeichnet sich eben nicht durch befristete Verträge aus, Flexibilität wird in der Wissenschaft selbst schon garantiert. Denn Wissenschaft bedeutet, dass Horizonte erweitert werden und interdisziplinär sowie auch international agiert wird. Die grundsätzliche Unterstellung, dass Planstellen oder unbefristete Verträge zu weniger Flexibilität führen, ist im Grunde ein Ammenmärchen.

Ich möchte aber einen anderen Punkt in den Fokus stellen, der wissenschaftlich valide ist: Lyman Porter und Edward Lawler haben in den 60er-Jahren mit ihrem Weg-Ziel-Modell der Motivation dargestellt, dass die Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von einigen Faktoren abhängt. Die beiden Kernpunkte des Modells sind: Die individuelle Motivation am Arbeitsplatz wird bestimmt von den Wahrscheinlichkeiten, dass erstens erhöhte Bemühungen zu verbesserter Arbeitsleistung und zweitens gute Arbeitsleistungen auch zu den gewünschten Zielen führen, die Wert, die Valenz besitzen. Dabei unterscheidet man zwischen intrinsischer und extrinsischer, also innerer und äußerer Belohnung. Die intrinsische Belohnung wird durch herausfordernde Aufgaben, Erfolgserlebnisse, Kompetenzerweiterung und das Gefühl, mit seiner Arbeit etwas Sinnvolles zu tun, bewirkt. Die extrinsische Belohnung ist nicht mit der Arbeit selbst verbunden, sondern fließt der Person aus Quellen der Organisation zu: finanzielle Belohnung, Gewinnbeteiligung, Karrierebeförderung, Freundschaften usw.

Wir sollten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an den hiesigen Hochschulen gerade die extrinsische Belohnung im Zuge von sicheren und gut bezahlten Beschäftigungsverhältnissen nicht durch ein schlechtes Bundesgesetz vorenthalten. Das hat gerade im Sinne der Nutzung von Innovationspotenzialen in der deutschen Wissenschaft und damit auch in der Wirtschaft eine erhebliche Relevanz. Wenn die Annahme des internationalen Wettbewerbs innerhalb der Wissenschaft richtig ist, dann können wir uns einen akademischen Mittelbau auf

Schleudersitzen erst recht nicht erlauben. Die Wissenschaft wird es uns durch Ergebnisse danken, die den Namen auch verdienen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Prof. Dr. Dr. Sternberg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Was soll dieser Antrag eigentlich? Wenn die Koalitionsfraktionen ihre eigene Regierung auffordern, eine Bundesratsinitiative in die Wege zu leiten, kann das nur bedeuten, dass die Landesregierung den Absichten der Fraktionen nicht nachkommen will. Oder ist es nur ein Scheinantrag, der eine ohnehin vorgesehene Absicht der Landesregierung noch durch eine parlamentarische Debatte unterstützen soll?

(Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Das kann man nur auf Bundesebene regeln!)

Worum geht es eigentlich? – Es gab einmal eine Föderalismusreform. Danach wurde das Thema der Befristung von Verträgen in der Wissenschaft aus dem damaligen HRG herausgenommen und mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz vom 18. April 2007 ein Ersatz gefunden. Nun ist es für eine Wissenschaftspolitik, die gern von eigenem Versagen ablenken will, interessant, das zu regeln, was nicht in ihrer Kompetenz liegt. Föderalismus ist in diesem Hause offensichtlich schon lange kein Thema mehr. Anstatt sich um den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen zu kümmern, kümmert man sich lieber um Bundesangelegenheiten.

(Dietmar Bell [SPD]: Unsinn!)

Aber das passt zu Ihrer Hochschulpolitik. Sie möchten nichts lieber, als endlich wieder die Details der Hochschulplanung und -gestaltung zu übernehmen und sich um solche Fragen wie die Personalvertretung von wissenschaftlichen Hilfskräften und ähnliche Wichtigkeiten zu kümmern. Was soll das alles?

(Beifall von der CDU – Zuruf von Dietmar Bell [SPD])

Das Gesetz wurde von 2008 bis 2011 von der HIS evaluiert. Da findet sich folgende Konklusion – Zitat –:

„Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die mit Inkrafttreten des WissZeitVG neu eingeführten Vorschriften geeignete und überwiegend belastbare Instrumente sind, um befristete Beschäftigungsverhältnisse mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eingehen zu können.“

Das reicht für die Anstellungsträger von der Rechtssicherheit bei Drittmittelprojekten bis zur Festlegung wissenschaftsspezifischer Befristungen. Für die im

Hochschuldienst Tätigen bedeutet es klare Bedingungen, auch bei einer Familienkomponente.

Die HRK hat mit Sitzung vom April 2012 einige Veränderungen als Konsequenz aus dieser Evaluation vorgeschlagen. Diese Konsequenzen sind aber alle durch die Bank untergesetzlich zu regeln und bedürfen keiner großen gesetzlichen Initiative.

Aber es geht ja auch um mehr. Es geht um die Frage: Reden wir hier eigentlich über prekäre Beschäftigungsverhältnisse in dem Sinne wie in der Wirtschaft, Herr Paul? Oder reden wir über ganz andere Stellen? – Es handelt sich bei den Inhabern dieser Stellen, die hier in Rede stehen, in der Regel um Menschen unter 30 Jahren in der Dissertationsphase. Wenn sie in der zweiten Qualifikationsphase, der Habilitation, sind, sind das Menschen zwischen 29 und 35 Jahren. Das ist alles bei HIS nachzulesen.

Solche Positionen können ohne großen Schaden für die Wissenschaft nicht als Dauerstellen eingerichtet werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist im Übrigen auch den Stelleninhabern völlig klar. Ich habe selber im Moment zwei Kinder, die in solchen Arbeitsverträgen stehen. Seine Lebensplanung auf solche Assistenz- und Hilfskraftstellen auszurichten, wäre so vermessen, dass das keiner machen würde, der jemals an einer Universität gewesen ist, und es würde auch niemand empfehlen.

Ganz nebenbei schaffen Sie aber im Moment auf andere Weise Dauerstellen an den Universitäten, denn Sie lassen die Universitäten wieder volllaufen mit Studenten, deren einziges Studienziel das Semesterticket ist. Das ist aber ein anderes Thema; darauf werden wir noch zu sprechen kommen.

(Widerspruch von der SPD)

Was Ihren Antrag betrifft: Wie bereits bei der geplanten Rücknahme des Hochschulfreiheitsgesetzes und den abzusehenden Eingriffen in die Forschungsfreiheit wollen Sie reglementieren und kontrollieren. Das hilft aber weder den befristet angestellten Mitarbeitern noch dem Hochschulstandort Deutschland.

Die Fragen des Studienabschlusses und der zusätzlichen Aufnahme von Klauseln bedürfen keiner gesetzlichen Regelungen. Mindestlaufzeiten sind nicht sachgerecht. Die Familienkomponente ist zwar enthalten, wird allerdings viel zu selten genutzt.

Aber auf eines in Ihrem überflüssigen Antrag möchte ich doch näher eingehen, nämlich auf die von Ihnen so alarmistisch vorgetragenen prekären Beschäftigungsverhältnisse, die Grund für den Antrag sind, wie ich vorhin gehört habe. Es stimmt: Die Zahl dieser Verhältnisse ist in Nordrhein-Westfalen von 106.400 im Jahre 2004 auf 146.100 im Jahre 2009 angestiegen. Warum ist das so? – Ich habe

eine ganz klare Begründung dafür. Studienbeiträge ermöglichten sehr viel mehr studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte, mehr Tutoren und

Übungsleiter, mehr Lektoren und Korrekturassistenten. Diese Verbesserung des Studiums durch mehr eingestellte Doktoranden, Habilitanden und Studierende, diese Konsequenzen haben die Studenten auch als Verbesserung ihrer Studienbedingungen bemerkt – Verbesserungen, die Sie jetzt durch die Abschaffung der Studiengebühren beseitigt haben. Stattdessen haben Sie auf Pump den Hochschulen

(Dietmar Bell [SPD]: Sie reiten wieder ein to- tes Pferd!)

unzureichende Kompensation verschafft.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Was Sie hier wollen, geht ohne Weiteres untergesetzlich. Dafür brauchen wir keine große Landtagsdebatte. Die Frage ist nur: Jetzt liegt ein Antrag der FDP vor. Zumindest an einer Stelle macht er etwas anderes; er behandelt grundsätzlich die Fragen der Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisse in den Universitäten. Da kann man mitgehen, solange sich das nicht auf den Bund bezieht. Als Bundesratsinitiative würden wir das ablehnen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. – Einen größeren Gefallen würden Sie der Wissenschaft tun, wenn Sie die Tarifsteigerungen für die, die dauerhaft in der Wissenschaft tätig sind, also für die Akademischen Räte und alle Beamten über A11, nicht von den Lohnerhöhungen des öffentlichen Dienstes abkoppeln würden. Denn gute Wissenschaft verlangt nicht nur gute Arbeit, sondern auch anständige Bezahlung. – Schönen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Freimuth.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Anmerkung zu dem Beitrag der Kollegin Frau Dr. Seidl. Wenn es Ihnen wirklich um eine Diskussion gegangen wäre, dann wäre es natürlich hilfreich gewesen, hier nicht sofort eine direkte Abstimmung zu beantragen, sondern dann auch in die inhaltliche Diskussion einzusteigen.

(Beifall von der FDP)

Herr Kollege Schultheis, ich fand schon sehr interessant, wie Sie hier begründet haben, warum Sie unserem Entschließungsantrag nicht zustimmen wollen. Aber nun – geschenkt.

Wir sind uns in jedem Fall in einem Punkt einig: dass wir unseren engagierten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die besten Rahmen

bedingungen bieten wollen. Wir brauchen und wir wollen begabte und motivierte Hochschulabsolventen auch für eine Karriere in der Wissenschaft gewinnen. Denn damit wird letztlich auch die Grundlage der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Gesellschaft insgesamt gesichert.

Im Rahmen einer wissenschaftlichen Karriere ist die Promotionsphase, wenn auch nur über eine relativ kurze Dauer, eine überaus intensive Phase, in der der Grundstein für weiteres wissenschaftliches Wirken gelegt wird.

Die Erfahrungen der Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in dieser Phase prägen ihr oder sein wissenschaftliches Engagement. Daher ist es auch richtig, die Bedingungen, unter denen Doktoranden arbeiten und forschen, auch stets einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und alles daranzusetzen, die Bedingungen und Umstände immer weiter verbessern zu wollen.

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist ein Baustein. Man kann sicherlich darüber diskutieren, inwieweit an dem einen oder anderen Schräubchen noch gedreht werden sollte, wo noch Optimierungsbedarf vorhanden ist. Wir haben mit unserem Entschließungsantrag deutlich gemacht, dass auch wir das eine oder andere Optimierungspotenzial sehen.

Ich frage mich aber schon, liebe Kolleginnen und Kollegen von Grünen und SPD – die Piraten sind dann ja mit aufgesprungen –, ob der Landtag von Nordrhein-Westfalen dafür tatsächlich die richtige Plattform ist. Denn das Wissenschaftszeitvertragsgesetz kann eben nur auf der Bundesebene geändert werden; das ist ja gerade auch schon richtigerweise beschrieben worden.

Ich möchte auf die zutreffend vom Kollegen Sternberg aufgeworfene Frage „Was soll das?“ kurz eingehen. Wahrscheinlich soll hier einem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion,