Studien der OECD belegen, dass es trotz aller Effizienzbemühungen ein „Weiter so!“ nicht geben kann. Diese Studien führen uns unsere Verantwortung vor Augen. Die modernen Industriegesellschaften der Nordhalbkugel sind dafür verantwortlich, dass seit Mitte des 20. Jahrhunderts geschätzte 60 % der weltweiten Ökosysteme zerstört, geschädigt oder übernutzt worden sind.
Daher stoßen wir alleine mit Effizienzstrategien, die natürlich nach wie vor zentral bleiben, aber auch mit herkömmlichem nachgelagertem Umweltschutz zunehmend an unsere Grenzen. Die Fragestellungen dieser Enquete zielen daher auf eine politische Ökologie, indem wir rechtzeitig neue Rohstoffbasen, Produktionsverfahren und Produkte erforschen. Damit zielen die Fragen auch auf die Märkte der Zukunft und, wie ich eingangs erwähnte, auf Erhalt und Ausbau unserer industriellen Kerne in der Chemie.
Es ist kein Zufall, dass wir gerade aus dieser Industrie sehr viel Zuspruch für diesen Ansatz erfahren haben. Gefragt sind vorausschauendes Denken, Pioniergeist und Mut zum unternehmerischen Risiko.
Meine Damen und Herren, deswegen möchte ich Sie im Namen meiner Fraktion sehr herzlich einladen, gemeinsam mit gesellschaftlichen Akteuren aus Industrie, Wissenschaft und Gesellschaft in der Enquetekommission Handlungsoptionen für die nachhaltige Sicherung und den nachhaltigen Ausbau der Chemieindustrie in Nordrhein-Westfalen zu entwickeln. Ich lade Sie für die nächsten zwei Jahre sehr herzlich zu einer guten Zusammenarbeit ein. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Markert, die SPD-Fraktion nimmt diese Einladung sehr gerne an, und wir freuen uns darüber, dass gerade ein industriepolitisches Thema die erste Enquetekommission dieser Legislaturperiode prägen wird. Das dokumentiert nicht nur die Bedeutung, die die Industrie für unser Land hat, sondern zeigt auch, dass Industrie – hier: die chemische Industrie – für die nordrhein-westfälische Zukunft unverzichtbar ist.
Nordrhein-Westfalen gehört zu den führenden Industrieregionen der Welt. Industrielle Produktion war und ist eine Grundlage unseres Wohlstands in Nordrhein-Westfalen. Im Zuge der Globalisierung werden industrielle Wertschöpfungsketten weltweit neu strukturiert, fortwährend überprüft und neu gestaltet. Es entstehen neue weltweite Leitmärkte. Dies berührt alle Branchen in unserem Land. Die 16 Landescluster, die wir in NRW haben, zeigen das.
Der Antrag der Grünen fokussiert die Chemieindustrie mit ihren spezifischen Herausforderungen. Investitions- und Innovationszyklen der chemischen Industrie sind langfristig angelegt. Um die für langfristige Investitionen notwendige langfristige Planungssicherheit herzustellen, braucht es einen gesellschaftlichen Konsens über die Zukunft des Industriestandorts Deutschland, insbesondere über die langfristige Sicherstellung einer sicheren und wettbewerbsfähigen Energie- und Rohstoffversorgung.
Die chemische Industrie kann in Nordrhein-Westfalen auf einer breiten Akzeptanz aufbauen. Je präsenter die Unternehmen vor Ort sind, desto größer ist auch die Unterstützung. Dies erfährt jeder, der zum Beispiel in Marl oder Leverkusen, in Dormagen oder Uerdingen, in Gelsenkirchen, in Köln oder bei mir im Kreis Unna in Bergkamen mit den Menschen spricht.
Erstens. Für die globalen Herausforderungen, auch Megatrends genannt, stellt die Chemie die entscheidenden Lösungsbeiträge bereit. Die zentrale Herausforderung besteht darin, Wohlstand für eine wachsende Weltbevölkerung umweltschonend zu gestalten. Chemie als Problemlöser oder Produktanbieter stellt entscheidende Lösungsbeiträge bereit. Ob es um Gesundheit geht oder um sauberes Wasser, um Ernährung oder Energieversorgung, um Mobilität oder einen geringeren Ressourceneinsatz – wir brauchen Chemie, um all das vernünftig zu organisieren.
Zweitens. Die Innovationsfähigkeit praktisch aller Wertschöpfungsketten hängt an der Chemieindustrie. Die chemische Industrie ist eine Schlüsselbranche für den Standort NRW und die Umwelt. Die Werkstoffe der chemischen Industrie oder der Kunststoffindustrie sind Innovationstreiber für die Industrie insgesamt und sind zentrale Materiallieferanten für die wichtigen industriellen Wertschöpfungsketten.
Drittens. Die Bedeutung der Chemieindustrie – Herr Kollege Markert hat es bereits angesprochen – zeigt sich nicht zuletzt in den Arbeitsplätzen. Mehr als 107.000 Frauen und Männer sind in NordrheinWestfalen hier beschäftigt.
Viertens. Auch die Ausbildungsquote dokumentiert deutlich, dass die Chemie auf gute Arbeit setzt. Die Unternehmen der chemischen Industrie in Nord
Schwerpunkt unter anderem mit der Rohstoffbasis befassen. Es ist zu erwarten, dass mit zunehmender Knappheit von Erdöl und entsprechend steigenden Preisen langfristig die Attraktivität alternativer Rohstoffe wie Erdgas, Kohle oder Biomasse zunimmt. Die Verbreiterung der Rohstoffbasis ist bekanntermaßen ein wichtiges Forschungs- und Entwicklungsziel der chemischen Industrie. Die Rohstoffe, die als Kohlenstoffquelle für die Chemie dienen, sind prinzipiell austauschbar.
In welchem Maße die in Europa heute dominierenden Erdölderivate ergänzt oder ersetzt werden können, wird uns in Nordrhein-Westfalen sehr stark berühren. Zum Ersatz gehört natürlich auch mögliches Recycling.
Die Niederländer haben im Rahmen einer steuerlichen Neuordnung zum Beispiel beim Abfall Ende der 80er-Jahre bereits Recycling-Verfahren entwickelt, die den Abfall von Produkten mit Polypropylen und Polyethylen annähernd zu 100 % aufarbeiten und damit das Müllaufkommen erheblich reduzieren können und somit den Einsatz neuer bzw. zusätzlicher Rohstoffe erheblich verringert. Die Erfolge sehen wir in den Niederlanden nahezu an jeder Straße, in jedem Park und auf jedem Spielplatz. Auch solche Best-Practice-Beispiele können inhaltlich eine Rolle spielen.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen aus vielen Gründen das Interesse, dass die Chemieindustrie die vor ihr liegenden Herausforderungen meistern wird. Dazu braucht die chemische Industrie eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz und politische Unterstützung, die wir mit der Enquetekommission auch geben wollen.
Ich bin mir sicher, diese Kommission wird einen guten Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen und zur gesellschaftlichen Akzeptanz leisten können. Deswegen, Herr Markert, wird die Einladung von uns herzlich angenommen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag auf Einrichtung einer Enquetekommission zur Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen wird von uns begrüßt.
Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Chemieland. 25 % aller Arbeitsplätze der chemischen Industrie befinden sich in Nordrhein-Westfalen. 29 % des Gesamtumsatzes werden hier erwirtschaftet. Des
halb ist es im Interesse des Landes, einen Beitrag zu leisten, damit dies auch in Zukunft so bleibt, und wenn wir als Landtag durch die systematische Befassung in einer Enquetekommission dazu beitragen können, sollten wir dies tun.
Wer die chemische Industrie dabei unterstützen will, stark zu bleiben, kann zunächst als ersten Schritt etwas ganz Banales tun, nämlich alles unterlassen, was ihr schadet. Damit sind wir mitten in der tagespolitischen Diskussion über das Klimaschutzgesetz, das gerade in diesem Bereich die Gefahr in sich birgt, die Investitionsneigungen zu hemmen. Es ist nicht im Interesse des Landes und nicht im Interesse vieler Arbeitsplätze in der chemischen Industrie und anderswo.
Meine Damen und Herren, wenige Tage vor Weihnachten ist auch die Zeit für Wünsche. Ich würde mir wünschen, dass die Arbeit der Enquetekommission einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Chemiestandortes Nordrhein-Westfalen leistet. Dafür muss aber ihr Arbeitsauftrag, ihr Arbeitsprogramm weiter gefasst werden, als es der vorliegende Antrag tut.
Der Antrag erweckt streckenweise den Eindruck, dass Sie sich eine Branche so zurechtschrauben wollen, damit Sie sie akzeptieren können. Wer Ihren Antrag liest, könnte an der einen oder anderen Stelle den Verdacht hegen, dass Sie am Ende der Diskussion in der Enquetekommission die Branche in gute und böse Chemie unterteilen, bestimmte Produktionsverfahren und Produkte stigmatisieren und den Unternehmen der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen vorschreiben wollen, welche Produkte sie zukünftig noch produzieren dürfen und wie diese Produktion auszusehen hat.
Wenn Sie in dem Antrag sagen, dass derzeitige Verfahren zur Produktion von Grundchemikalien ersetzt werden sollen, dann legen wir den Schwerpunkt darauf, dass sie durch andere ergänzt werden sollen. Wir wollen keine Brüche, wir wollen keine Verbote, sondern wir wollen Übergänge zu ressourcenschonenderen Verfahren gestalten.
Der vorliegende Antrag geht aus unserer Sicht nicht weit genug. Damit die Enquetekommission einen Mehrwert für die politische Arbeit leisten kann und der Bedeutung des Standorts gerecht wird, raten wir dringend dazu, den Arbeitsauftrag weiter zu fassen, als derzeit im Antrag geschehen.
So sollten zum Beispiel die Beiträge der chemischen Industrie von der Grundstoff- bis zur Spezialitätschemie für den Wirtschafts- und Innovationsstandort NRW untersucht werden. Ebenso müssen nach unserer Auffassung die Beiträge der chemischen Industrie zu den Wertschöpfungsketten un
tersucht werden. Auch der Beitrag der Verbundstandorte der chemischen Industrie für nachhaltige Problemlösungen sollte Gegenstand der Beratungen werden. Dies gilt gerade im Hinblick auf die immer noch aktuelle Diskussion um die COPipeline.
Wenn wir über Zukunft reden, gehört ebenfalls dazu, dass wir uns hier auch über das Thema der Fachkräftebasis Gedanken machen. Was nützen die besten Methoden, wenn es in einigen Jahren nicht mehr genügend Fachleute gibt, die diese umsetzen können?
Meine Damen und Herren, wir gehen davon aus, dass die Antragsteller und die Enquetekommission an einer ganzheitlichen Betrachtung interessiert sind und sich diesen sinnvollen Ergänzungen auch nicht verschließen werden. Wir freuen uns auf die gemeinsame Arbeit in der Enquetekommission, damit auch noch morgen und übermorgen die Chemie in Nordrhein-Westfalen stimmt. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Markert, auch wir nehmen sehr gern das Angebot auf die gute Zusammenarbeit an, und ich hoffe, dass dies nicht allein auf die zwei Jahre der Kommissionsarbeit befristet ist.
Es ist kurz vor Weihnachten. Da kann man doch auch einmal gute Wünsche äußern und versuchen, die unterschiedlichen Interessen hier im Hause einmal zusammenzuführen.
Es freut mich, dass wir das gerade bei der Chemie machen. Denn die Chemieindustrie, meine Damen und Herren, ist eine Schlüsselindustrie. Zu Recht wird sie als Fortschrittsmotor bezeichnet. Denn als Querschnittsindustrie kommt ihr eine wesentliche Bedeutung auch für die anderen industriellen Wertschöpfungsketten gerade in Nordrhein-Westfalen zu.
Rund 70 % aller von der chemischen Industrie hergestellten Stoffe gehen in die industrielle Weiterverarbeitung, wo sie weitere Innovationen anstoßen.
Die chemische Industrie ist auch ein herausragender Wirtschaftsfaktor. Sie repräsentiert in NordrheinWestfalen nach der Metallbranche gemessen am Umsatz den zweitgrößten Industriezweig. Fast 100.000 Menschen arbeiten in Nordrhein-Westfalen in der Chemieindustrie. Über 30 % der gesamten Chemieproduktion in Deutschland stammen aus
Nordrhein-Westfalen. Damit, meine Damen und Herren, bildet Nordrhein-Westfalen das Rückgrat der chemischen Industrie in Deutschland.
Daher, Herr Kollege Markert, ist es gut und richtig, eine Enquetekommission zur Zukunft des Chemiestandorts Nordrhein-Westfalen einzurichten, gerade auch vor dem Hintergrund der Energiewende, denn die Chemie spielt auch hier eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz. Wir brauchen Innovationen bei Klimaschutztechnologien, bei Isolierung und Wärmedämmung für die energetische Gebäudesanierung, für Stromspeicher und vieles mehr.