Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürger – es sind sehr wenige im Saal; ich hoffe, zu Hause am Stream sind sehr viel mehr! Seit 2009, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon, ist das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten in der Europäischen Union als
Dabei hängen für uns Datenschutz und die Achtung des privaten Familienlebens eng zusammen. Beides sind Grundpfeiler unserer modernen Gesellschaft im digitalen Zeitalter. Beides wird durch die Grundrechtecharta der EU geschützt.
Doch der rasche technologische Fortschritt stellt an den Datenschutz erhebliche neue Anforderungen, denen das Datenschutzrecht aus den 90ern bei Weitem nicht gerecht wird. Alle Redner haben darauf hingewiesen. Unser deutsches Datenschutzrecht wird ihnen übrigens auch nicht gerecht.
Mit dem EU-Datenschutzreformpaket hat die Europäische Kommission im Januar dieses Jahres Verordnungs- und Regulierungsvorschläge auf den Tisch gelegt, um den Datenschutz in Europa an die Gegenwart und vor allen Dingen an die Zukunft anzupassen. Zurzeit wird im Europäischen Parlament und in den Ausschüssen darüber beraten und teilweise kontrovers diskutiert. Es gibt viele Eingaben und Änderungswünsche, vor allem aus der Wirtschaft und von den Regierungen der Mitgliedsländer. Für mich ist das im Übrigen ein Zeichen dafür, dass der Entwurf für die Bürger im Moment in die richtige Richtung geht – noch.
Gerade deshalb sehen wir es als eine Selbstverständlichkeit an, dass sich der Landtag in gebührender Tiefe mit der EU-Datenschutzreform befasst. Bei der Auseinandersetzung in der Detailtiefe habe ich mit Blick auf den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen meine Bedenken. Völlig unabhängig von der inhaltlichen Bewertung der Kommissionsvorschläge, bei der wir sicherlich gar nicht so weit auseinanderliegen, haben Sie es in Ihrem Antrag versäumt, die Datenschutzreform in Gänze zu behandeln.
Neben der Grundverordnung schlägt die EUKommission eine Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten im Sicherheitsbereich vor. Ich will nur kurz anreißen, was Ihnen anscheinend entgangen ist. Der Richtlinienvorschlag formuliert die datenschutzrechtlichen Vorgaben für Polizei und Justizbehörden derart vage, dass von einem effektiven Schutzniveau nicht die Rede sein kann. Wir können dabei nicht akzeptieren, dass Behörden in Zukunft weitreichende Datenerhebungs- und -übermittlungsbefugnisse haben, nur weil sie angeben, „im öffentlichen Interesse“ zu handeln.
gesehen und so behandelt werden. Sonst setzen wir uns auf der einen Seite für die dringend notwendige Modernisierung des Datenschutzes durch die Grundverordnung ein und machen auf der anderen Seite mit laschen Regelungen für Behörden, die zum Datenmissbrauch einladen, wieder alles zunichte.
Ein zweiter zentraler Aspekt für uns ist die Einbindung der Bevölkerung in den laufenden Reformprozess. Bei einer so wegweisenden Reform, die die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unmittelbar betrifft – und zwar beruflich wie privat –, ist das Einbeziehen der Bürger entscheidende Vorbedingung für den Erfolg des gesamten Reformvorhabens. Hier ist insbesondere die Landesregierung in der Pflicht, über die EU-Datenschutzreform zu informieren und die Bedeutung und den Wert eines europaweit einheitlichen Datenschutzrechts herauszustellen.
Aus diesem Grund haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, um die genannten Lücken im rotgrünen Antrag zu schließen. Wir als Landtag NRW müssen uns gemeinsam für ein modernes und effektives EU-Datenschutzrecht einsetzen, das diesen Namen auch verdient. Sie wissen, wir Piraten stehen im Sinne der Sache immer für den konstruktiven Dialog mit Ihnen allen bereit. Lassen Sie uns gemeinsam in den Ausschüssen die EU-Datenschutzreform breit debattieren und ein kraftvolles Signal aus Nordrhein-Westfalen für höchste Datenschutzstandards – europaweit – nach Brüssel senden. Stimmen Sie der Überweisung der Anträge an die Fachausschüsse zu. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen dort. – Vielen Dank.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, heute hat fast schon eine Fachausschussberatung im Plenum stattgefunden. Deshalb will ich mich auf einige wenige Sätze beschränken und hoffe, dass wir diese Diskussion im Ausschuss fortführen können.
Es ist ein gutes Ziel, die Europäische Datenschutzverordnung auf ein Niveau zu heben, welches in etwa dem nationalen deutschen Niveau entspricht. Das ist überhaupt keine Frage.
Es gibt in diesem Verfahren Chancen und Risiken. Es gibt die Chance, ein höheres Niveau zu erreichen, aber auch das Risiko, dass datenschutzrechtliche Regelungen, auf die wir in Nordrhein-Westfalen stolz sein können, möglicherweise abgeschmolzen werden. Das ist ein Austarieren. Es geht um eine Gratwanderung, die wir begleiten und diskutieren
Ich kann Ihnen versichern, dass sich die nordrheinwestfälische Landesregierung in diesem Verfahren schon mehrfach eingebracht hat, um die nordrheinwestfälischen Standards zu erläutern und als solche zu erklären, die erstrebenswert für die gesamte Europäische Union gelten sollten. Das ist in der Tat noch nicht vollständig gelungen. Das Ziel weiterzuverfolgen, lohnt sich aber allemal. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/1626 einschließlich des Änderungsantrags Drucksache 16/1674 an den Ausschuss für Europa und Eine Welt – federführend –, an den Innenausschuss, an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und
Handwerk, an den Ausschuss für Kultur und Medien sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt der Überweisung zu? – Stimmt jemand dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag einstimmig überwiesen.
Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf nachhaltige Rohstoffbasen, Produkte und Produktionsverfahren
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen beschäftigt uns die Opel-Krise. Gerade diese bedrückende Entwicklung zeigt, wie wichtig es ist, politische Verantwortung für eine rechtzeitige und zukunftsfeste Weiterentwicklung unseres Industriestandortes zu übernehmen.
Das bedeutet, was weg ist, ist praktisch für immer weg.“ – Ich habe soeben Dr. Klaus Engel zitiert, den Vorstandsvorsitzenden von Evonik Industries und ehemaligen Präsidenten des Verbandes der Chemischen Industrie in Deutschland.
Die Erfahrungen der Finanz- und Wirtschaftskrise haben uns in der Tat deutlich vor Augen geführt, dass uns das Vorhandensein starker und gesunder industrieller Kerne insgesamt besser durch die Krise gebracht hat als nahezu alle anderen europäischen Volkswirtschaften. Unsere Volkswirtschaft ist eine der ganz wenigen traditionellen Industriegesellschaften, die überhaupt noch nennenswerte industrielle Kerne aufzuweisen hat.
Auch deswegen wollen wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in dieser Legislaturperiode die Enquetekommission zur Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen auf den Weg bringen.
Ziel der Enquetekommission ist es, an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und im Konsens mit allen im Landtag vertretenen Fraktionen in zwei Jahren Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, die der Schlüsselfunktion der chemischen Industrie als Innovationsmotor für die gesamte Industrie gerecht werden.
Die Fragestellungen der Enquetekommission bewegen sich hierbei entlang fünf großer ökonomischer und ökologischer Herausforderungen unserer Zeit:
Wir wollen hiermit den Chemiestandort NordrheinWestfalen durch Nachhaltigkeit sichern und zukunftsfest ausbauen. Unsere moderne Industriepolitik denkt nicht mehr in Gegensätzen, sondern versteht sich als Gesamtkonzept, das ökonomische, ökologische und soziale Verantwortung zusammenführt.
Aber warum eigentlich die chemische Industrie? – Die chemische Industrie mit ihren über 100.000 Beschäftigen in Nordrhein-Westfalen ist wie kaum eine andere Industriebranche eng mit anderen Branchen verknüpft. Rund 70 % aller von der chemischen Industrie hergestellten Stoffe gehen in die industrielle Weiterverarbeitung. Als zentraler Materiallieferant stößt die chemische Industrie einen hohen Anteil von Innovationen in diesen Wertschöpfungsketten
an. Daher kommt der Chemie eine entscheidende Rolle bei der großen ökologischen Zukunftsfrage unserer Zeit zu.
Studien der OECD belegen, dass es trotz aller Effizienzbemühungen ein „Weiter so!“ nicht geben kann. Diese Studien führen uns unsere Verantwortung vor Augen. Die modernen Industriegesellschaften der Nordhalbkugel sind dafür verantwortlich, dass seit Mitte des 20. Jahrhunderts geschätzte 60 % der weltweiten Ökosysteme zerstört, geschädigt oder übernutzt worden sind.