Auch dir, lieber Markus, ganz lieben Dank für die tolle Zusammenarbeit. Viel Glück im September bei dem, was du da neu anstrebst! Selbst wir – wir hatten ja eine hohe Hürde; wir spielen quasi in zwei Ligen, ich Fortuna Düsseldorf, du Schalke 04 – haben es im Laufe der Jahre geschafft, diesen tiefen Graben
durch gemeinsame Besuche von Spielen zu überwinden. Selbst das ist uns gelungen. Tausend Dank an der Stelle für dein Wirken hier im europäischen Sinne. Viel Glück!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema „Europa“ möchte ich gerne von einer Begebenheit berichten, die ich persönlich am Tag nach dem Referendum in Großbritannien erlebt habe. Das Referendum – das wissen wir alle – ist nicht so ausgegangen, wie ich es mir gewünscht hätte, wie wir uns das gewünscht hätten. Als mich Freunde und Bekannte im Vorfeld dieser Entscheidung in Großbritannien gefragt haben: „Wie schätzt du das ein? Wie geht das aus?“, habe ich immer allen gesagt: Ich glaube ganz ernsthaft, wenn es hart auf hart kommt, werden die Briten einfach klare Kante zeigen, und sie werden sich mehrheitlich für Europa entscheiden.
Sie haben es nicht getan. Als ich das Ergebnis morgens im Fernsehen gesehen habe, war ich echt überrascht und wirklich schockiert. Am nächsten Tag war es mir dann möglich, als ich nach einem Arbeitstag nach Hause kam, am Fernseher durch die Programme zu zappen und zu ergründen, warum das eigentlich passiert ist. Man muss fairerweise sagen: England, Wales, Schottland, Nordirland und auch London haben ja proeuropäisch gestimmt.
Als ich mich also durch die Fernsehkanäle gezappt habe, habe ich eine Sequenz gesehen, die ich bemerkenswert fand. Ich meine, es war auf BBC, ich weiß es nicht mehr genau Da ist ein Reporter durch London gelaufen und hat wahllos Menschen befragt: Die Entscheidung ist gefallen. Was sagen Sie persönlich dazu?
Es gab nun diese Situation, in der er auf eine Gruppe von Menschen zugegangen ist, die an einer Fußgängerampel stand, und von hinten jemanden angetippt hat. Das war ein Mann um die 40, der dann auf die Frage: „Was sagen Sie denn jetzt dazu?“, als er sich umdrehte, und ohne nachzudenken ins Mikrofon gesagt hat: Look, you can destroy in a day, what took a whole generation to build.
Ich fand das so bemerkenswert, weil er einerseits das, was da wirklich passiert ist, gut auf den Punkt brachte, aber weil er andererseits auch Mahnung für mich ist, nämlich: Leute, guckt euch das an! Eine Wahl, eine Entscheidung – so schnell könnt ihr das kaputtmachen, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Vor allen Dingen war es am Ende des Tages für mich eine unglaubliche Motivation, zu sagen: Genau das möchte ich hier nicht erleben. Ich möchte nicht den
Menschen in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland irgendwann erklären müssen, warum wir aus der Europäischen Union ausgetreten sind.
Denn ich bin der absolut festen Überzeugung, dass wir unsere Zukunft in Nordrhein-Westfalen nur positiv gestalten können – um den Frieden auf diesem Kontinent zu erhalten, um den Wohlstand zu erhalten und um die Freiheit hier zu sichern –, wenn wir dies gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn und nicht im Alleingang tun.
1989 sind viele Zehntausend Menschen in Deutschland auf die Straßen gegangen, haben friedlich demonstriert und haben mit ihren Demonstrationen dafür gesorgt, dass Mauern eingerissen wurden. Heute erleben wir wieder, dass Zehntausende auf die Straße gehen, wie beispielsweise – meine Vorredner haben es gesagt – bei Pulse of Europe oder beim March of Rome anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Europäischen Union.
1989 haben die Menschen in diesem Land gerufen: „Wir sind das Volk!“ Ich hoffe, viele von Ihnen werden in den nächsten Tagen auch bei Pulse of Europe auf der Straße stehen. Ich hoffe, dass auch dieses Haus gemeinsam ausrufen wird: Wir sind Europa! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige Antrag der CDUFraktion ist natürlich geeignet, die Europäische Union zu würdigen, zugleich aber auch die Frage zu stellen: Quo vadis, Europa? Quo vadis, Europäische Union?
Wir alle sind uns einig – das hat ja der Vortrag des Kollegen Engstfeld gerade gezeigt –, dass wir in den Grundannahmen sicherlich übereinstimmen. Mit 70 Jahren Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa haben wir eine Erfolgsgeschichte zu verzeichnen, die ihresgleichen sucht. Und wenn man in der Geschichte noch ein Stück weiter zurückschaut, stellt man fest, dass auch das passiert ist, was kaum einer geglaubt hätte: dass sich nämlich auf europäischem Boden jahrhundertelange Erzfeinde wieder zusammengetan und eine gemeinsame Zukunft aufgebaut haben.
Wir haben eine weltweite Oase, was die Themen „Rechtsstaatlichkeit“, „Demokratie“, „Freizügigkeit“ und „Freihandel“ anbetrifft, natürlich mit den Beden
ken – die gerade angesprochen worden sind – in einigen wenigen europäischen Staaten, die abzudriften drohen. Das Problem muss man ernst nehmen. Die aktuelle sogenannte Krise der EU ist eben auch gekennzeichnet durch die aktuellen Themen „Flüchtlingsstrom“, „Rechtsextremismus“, „Brexit“, aber auch durch das Scheitern der TTIP-Verhandlungen.
Was die Akzeptanz der Bürger angeht, muss man sicherlich feststellen, dass die EU in den vergangenen Jahren auch Fehler gemacht hat – wobei die EU immer auch die Mitgliedsstaaten gewesen sind. Das wollen wir an der Stelle sagen, weil es nicht um ein EU-Bashing geht, sondern um einen Vorwurf an uns selber. Es geht darum, dass wir bei den kleinen Themen zu übergriffig gewesen sind. Sie alle erinnern sich: Die Normierung von Duschköpfen, Staubsaugern und auch Pizzagrößen ist nichts, womit man Freunde gewinnt.
Wir haben dann auch festzustellen, dass wir alle miteinander in Europa bei großen Themen versagt haben: bei der Migration, der Sicherung der Außengrenzen, einer gemeinsamen Energiepolitik, der Gewährleistung von Haushaltsdisziplin in den Mitgliedstaaten, mit Sanktionierung, Einhaltung des Haftungsverbots. Alles das hat Schwierigkeiten ausgelöst. Ich glaube, wenn man nach einer Lösung sucht, dann gilt es, vor allen Dingen auch zu sagen: Schuster, bleib bei deinen Leisten!
Wir müssen – und da stimme ich Ihnen durchaus zu, Frau von Boeselager – zu einer strikten Subsidiarität zurückkommen. Harmonisierung dort, wo es einen Nutzen für alle gibt. Das müssen wir weiterhin vorantreiben. Ich erinnere nur an die Abschaffung des Roamings, die wir erleben. Auch das Thema „Ladekabelvereinheitlichung“ klingt klein, ist aber groß. Ich nenne die Regelungen im verkehrlichen Transitbereich. Da müssen wir ansetzen. Wir brauchen aber keine Kleinteiligkeit oder machen etwas nur, weil einige ein spezielles Pferdchen reiten wollen.
Die CDU hat in ihrem Antrag unterschiedliche Geschwindigkeiten vorgeschlagen. Das ist eine der Möglichkeiten, die man natürlich auch kritisch sehen kann; das ist ja schon beleuchtet worden. Ich glaube, wenn man den richtigen Weg einschlägt, kann es sehr gut gelingen, alle mitzunehmen. Das ist beschwerlich, wie Demokratie immer beschwerlich ist, gerade auch auf europäischer Ebene. Aber es ist natürlich hilfreich.
SPD und Grüne wollen – das ist noch einmal deutlich geworden – eine Sozialunion. Dabei wird gern übersehen, dass durch die Umverteilung im EU-Haushalt diejenigen, die an anderer Stelle nicht so weit sind, schon sehr gut unterstützt werden. Das weiter auszudehnen halte ich für ausgesprochen schwierig und kritisch, gerade auch bei den Themen, die die Juncker-Kommission jetzt angesprochen hat.
Anfang April 2017 ist nicht nur das Modell mit den fünf Varianten vorgestellt worden, sondern auch ganz konkret die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion mit gebündelter Verbriefung von Staatsanleihen ins Spiel gebracht worden. Ich sage nur: Eurobonds durch die Hintertür. – Das ist ganz kritisch; denn gerade diese Haftungsunion ist ja nicht gewollt. Damit kann man, aus meiner Sicht jedenfalls, keine Freunde gewinnen.
Das Gleiche gilt für die gemeinsame Wirtschaftsregierung. Ich sage nur: Gemeinsame Investitionsbudgets und eine europäische Arbeitslosenversicherung in diesen Zeiten aufzurufen und damit sozusagen noch mehr Inhaftungnahme von denjenigen zu verlangen, die ordentlich gewirtschaftet haben, das wird schwer. Wir haben auch schon gehört, wie die Antwort der Bundesregierung lautet.
Wir Freie Demokraten stehen für eine bessere Europäische Union in dem Sinne, dass sie Stabilitätsanker und Wettbewerbsunion zugleich ist, keine Haftungs- und Transferunion. Ich halte es nicht für sinnvoll, die Schuldenpolitik, die in vielen Ländern getrieben wird, weiter auszuweiten. Wir stehen in einem weltweiten Wettbewerb, und da heißt es, die entsprechenden Haushalte zu konsolidieren.
Die Ziele, um die Bürger bei diesem Thema auch mitzunehmen, lauten: sichere Außengrenzen, gemeinsame Flüchtlingspolitik, Haushaltsdisziplin, Investitionen in Bildung sowie in verkehrliche und digitale Infrastruktur. Da liegt die Zukunft der Europäischen Union.
Wir brauchen auch Freihandelsabkommen mit Drittstaaten. Hoffentlich gelingt es uns, CETA jetzt über die Ratifizierungsrampe zu bringen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Wir sollten auch – Trump hin, Trump her – nichts unversucht lassen, gerade in der westlichen Wertegemeinschaft auf gemeinsame Abkommen hinzuarbeiten. Das wird hoffentlich wieder möglich werden; wir müssen daran arbeiten.
Wir sollten letztendlich die Subsidiarität ernst nehmen, genauso wie wir in unserem Land ernst nehmen, dass die Kommunen nicht durch landespolitische Vorschriften gegängelt werden, wenn sie es selber regeln können, und dass das Land nicht durch den Bund gegängelt wird. Genauso muss man auch in Europa sagen: Wir beschäftigen uns nur mit den Dingen, die für alle von Relevanz sind, die übergreifend geregelt werden müssen; wir wollen nicht in Kleinteiligkeit verfallen. – Das ist echte, gelebte Subsidiarität, meine Damen und Herren!
Abschließend formuliert für uns Freie Demokraten: Die Europäische Union ist und bleibt unsere Zukunft. Wir werden sie verteidigen. Wir werden auch versuchen, das nach vorne zu bringen, was ich gerade vorgeschlagen habe.
Lassen Sie mich zum Abschluss dieser Rede auch einige Worte des Abschieds sagen. Nachdem Frau von Boeselager schon die letzte Rede gehalten und Herr Töns seinen Abschied erklärt hat, möchte auch ich mich, nachdem ich nun sieben Jahre das Europarecht in meiner Fraktion vertreten durfte, mit meiner letzten europapolitischen Rede von Ihnen verabschieden.
Insgesamt 17 Jahre Landtag – das ist eine beachtliche, ich will nicht sagen, beängstigende Zeit – im Gegenteil: Es hat mir immer Freude gemacht. Wir haben gerade wieder die unterschiedlichen Lösungsansätze für Politik, gerade auch beim Thema „Europa“, kennengelernt. Das gehört dazu. Wir haben uns in vielen grundlegenden Fragen Gott sei Dank immer wieder einig gezeigt. Es gibt aber natürlich auch Weichen, die unterschiedlich gestellt werden. Das muss auch so sein in einer gelebten Demokratie. Ich habe mich in diesem Thema nach meinem Wechsel aus dem Amt des Innenministers in die Außen-, in die Europapolitik immer sehr wohl gefühlt. Wir haben gemeinsam immer für Europa gestritten. Ich wünsche mir, dass dieses gemeinsame Streiten, auch mit den unterschiedlichen positiven Ansätzen, weiter der Fall ist.
Ich wünsche dem Hohen Haus alles Gute und bedanke mich für die Zusammenarbeit. Alles Gute für Sie alle! Gottes Segen!
Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. Auch Ihnen als Kollege im Hohen Haus vom Präsidium aus herzlichen Dank für Ihre 17 Jahre Dienst am Volk, wenn ich das so sagen darf, davon fünf Jahre als zuständiger Innenminister dieses Landes! Das ist sicher eine Perspektive, die hier nicht viele teilen. Insofern haben Sie einen besonderen Blick auf diese Dinge.
Wir alle wünschen Ihnen von Herzen alles Gute für Ihre weitere Zukunft, Gesundheit und den Segen desjenigen, an den Sie glauben. Wir hoffen, dass es Ihnen und Ihrer Familie weiter gut geht und Sie gedeihliche Erlebnisse haben jenseits des Landtags, was ja beizeiten auch der Fall sein kann. Manche, die hier sitzen, wissen das noch nicht, und manche ahnen es. Sie gehören zu denjenigen, die es bald wissen. Alles Gute dafür und vielen Dank!
Vielen Dank, lieber Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! – 2017 markiert das Jubiläumsjahr der Römischen Verträge, das Fundament der heute so viel gescholtenen Europäischen Union. Schon damals, 1957 – übrigens mein Geburtsjahr –, wurde der Grundstein für das Europäische Parlament, einer weltweit einmaligen Institution der Demokratie, gelegt. Das sollte man nicht vergessen.
Auch nicht vergessen darf man – bei aller angebrachten Kritik an den europäischen Institutionen –, dass die EU weltweit als eines der erfolgreichsten Demokratie- und Freiheitsprojekte der jüngeren Geschichte angesehen wird. Doch trotz ihrer Verdienste haben die Verantwortlichen in der Kommission, im EU-Parlament und vor allem die Staats- und Regierungschefs das Einlösen zahlreicher zentraler Versprechen sträflich vernachlässigt, und das viel zu häufig einzig und allein aufgrund mangelnden politischen Willens, dem undemokratischsten aller möglichen Gründe.
Der wohl gravierendste Konstruktionsfehler der EU ist ihr Defizit an demokratischer Legitimation. Das besteht seit ihrer Gründung. Der Einigungsprozess konzentrierte sich vornehmlich auf wirtschaftliche Integration mit guten, aber teils auch verheerenden Resultaten, wie die Finanzkrise 2007/2008 zeigte. Politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene müssen europaweite öffentliche Debatten vorausgehen, an denen sich alle Menschen angemessen beteiligen können. Ohne eine gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Kommunikation ist das unmöglich.
Mit dem Internet steht uns heute ein Werkzeug zur Verfügung, das den Menschen in der EU politische Entfaltungschancen eröffnen kann. Wir Piraten wissen das: Zur Überwindung des Demokratiedefizits brauchen wir eine echte europäische Öffentlichkeit auf der Basis eines freien Internets. Daran arbeiten wir jeden Tag.
Auch die EU muss hier einen eigenen Beitrag leisten. Im Zuge der digitalen Revolution muss beispielsweise ein Recht auf digitale Teilhabe an der Gesellschaft in der europäischen Grundrechtecharta verankert werden.
Ich möchte aber auch auf die tagesaktuellen und dringenden Herausforderungen Europas zu sprechen kommen – weg von den wichtigen und teilweise sehr abstrakten Langzeitproblemen.