Diese Frage ist wieder ein bisschen weit hergeholt. Arbeitsplatzgarantien kann man nie abgeben, erst recht nicht eine Landesregierung für private Unternehmen. Das kann nicht funktionieren.
Erstens. Die Menschen haben massive Probleme durch wachsende Beiträge. Sie kommen aus der Misere nicht mehr heraus und rutschen so in die Altersarmut. Das sind Unternehmer und Unternehmerinnen, die früher selbstständig waren und heute mit den PKV-Beiträgen nicht mehr klarkommen. – Frau Schneider, dass die Ihnen nicht schreiben, kann ich verstehen. Mir als Ministerin schreiben sie.
Zweitens. Wir haben heute das große Problem – das haben Sie alle überhaupt nicht bestritten – einer Quersubventionierung. Über die großartigen Summen, die die Ärzte bei den Privatversicherten kassieren können, werden die gesetzlich Versicherten querfinanziert. Das heißt aber doch, dass wir im System der gesetzlich Versicherten zu wenig für Leistungen zahlen.
Bei den Privatversicherten besteht eine soziale Ungerechtigkeit durch Überversorgung. Auch das wissen Sie ganz genau. Wer privat versichert ist, muss aufpassen, dass er nicht operiert wird, bevor er die entsprechende Frage mit Ja beantworten konnte; denn mit den Geldern wird quersubventioniert.
Deswegen: Wir brauchen eine adäquate, richtige Finanzierung im Gesundheitssystem für alle über eine Bürgerversicherung.
Letzter Punkt: Wir bekommen ja alle immer wieder Zuschriften, auch Sie zum Teil. Die Menschen beklagen lange Wartezeiten. Die Menschen haben Angst, dass sie keinen Termin bekommen. Mit diesem System haben wir eine Zweiklassengesellschaft, weil Privatversicherte nach drei Tagen einen Termin haben und gesetzlich Versicherte nach drei Monaten. Das System wird den Versorgungsbedarfen der Menschen nicht gerecht.
Als Gesundheitsministerin kann ich dazu nur sagen: Es ist nicht zu verantworten, an einem solchen System festzuhalten. In dem Sinne hoffe ich, dass es bald eine Mehrheit für die Einführung einer Bürgerversicherung gibt. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Bleiben Sie bitte am Redepult. Frau Kollegin Schneider hat eine Kurzintervention angemeldet.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin Steffens, Sie haben eben von den vielen Briefen erzählt, die Sie erhalten. Ich bekomme auch Briefe, und zwar von den Menschen aus diesen Unternehmen, die sich Sorgen um ihre Jobs machen. Sie haben anscheinend noch nicht verstanden, dass Beschäftigte bei der PKV und bei der GKV überhaupt nicht vergleichbar sind. Die in der GKV könnten mit den PKV-Leuten überhaupt nichts anfangen. – Das aber nur am Rande.
Dann haben Sie von den massiven Beitragserhöhungen in diesem Jahr bei der PKV gesprochen. Woran liegt es denn, dass die PKV ihre Beiträge nicht so erhöhen kann, wie es notwendig wäre, sondern – das wissen Sie; zur Not Brille aufsetzen nachlesen – dass die verschiedenen Faktoren zum Tragen kommen müssen?
Dass die GKV die Beiträge jedes Jahr viel mehr erhöht, das lassen Sie hier außen vor. Jedes Jahr steigt die Beitragsbemessungsgrenze. Jedes Jahr wird den Arbeitnehmern mehr von ihrem Einkommen für die GKV abgenommen, was sie sich nicht aussuchen können. Vielleicht sind Sie einmal bereit, nachzugucken, wer mehr erhöht.
Würde man der PKV ein bisschen mehr Freiheiten lassen, könnte sie ganz andere Beiträge für die Menschen gestalten, die ihre Jobs verlieren, oder für die Selbstständigen, die keinen Betrieb mehr haben.
Frau Schneider, zu den Arbeitsplätzen: Natürlich ist ein Mitarbeiter der PKV heute zum Teil mit anderen Sachen befasst als ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der GKV. Aber wenn Sie sich die beiden Versicherungssysteme angucken, dann ist die Möglichkeit, sich in neue Systeme und neue Finanzierungsstrukturen einzuarbeiten, glaube ich, sehr hoch. Deswegen habe ich kein Problem damit.
Auch heute schon bieten die GKVen private Zusatzversicherungen an, und die PKVen haben ähnliche, vergleichbare Tarife wie die GKVen. Auch in der Basisversorgung, was die Finanzierung angeht, gibt es eine sehr große Ähnlichkeit mit der GKV. Deswegen: Das den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der beiden Versicherungssysteme nicht zuzutrauen, finde ich schon wieder anmaßend. Ich traue den Menschen in
Zu der Beitragssteigerung: Natürlich gibt es auch innerhalb der GKV Beitragssteigerungen, und zwar von Menschen mitten in ihrem Berufsleben. Da haben wir nicht mehr die Parität. Die hätte ich gerne; denn dann würde die Hälfte der Beitragserhöhungen der Arbeitgeber zahlen.
In der privaten Versicherung gibt es aber im Alter eine andere Beitragshöhe. Sie tragen mit dazu bei, dass bei privat Versicherten Altersarmut entsteht, weil die Beiträge ungleich höher steigen. Sehenden Auges sagen Sie: Das ist mir egal. – Die Altersarmut der ehemals von Ihnen so hoch geschätzten Unternehmer ist Ihnen also egal. Uns ist sie nicht egal, sondern wir wollen gerade an der Stelle die Altersarmut bekämpfen. Dafür brauchen wir ein anderes Versicherungssystem. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Weitere Redebeiträge liegen nicht vor. Somit schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 9.
Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/14505. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Die führen wir jetzt auch durch, und zwar über den Inhalt des eben genannten Antrags. Wer also dem FDP-Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die FDP- und die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der FDP-Antrag mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.
Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/14766. Wer diesem Antrag zustimmt, den möchte ich bitte jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – FDP, CDU und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Fahrgäste am Livestream! NRW ist das Stauland, das Sanierungsland. Das ist das Ergebnis einer Verkehrspolitik, wie sie bis heute, bis zu diesem Moment von der Landesregierung fortgeführt wird.
NRW ist auch Autoland. Die Automobilindustrie ist sehr wichtig für Nordrhein-Westfalen – noch. Wer weiß, wie lange das noch so ist.
Die 130-jährige Geschichte des Automobils darf ja durchaus als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Wie startete dieser Erfolg? 1888 war die Initialzündung ein Modellprojekt. In der Theorie war alles prima, aber erst als Bertha Benz mit einer Fernfahrt einen Modellversuch durchführte, begann der Erfolg des Automobils – ein Erfolg, der 130 Jahre später in neue Erfolge in der Mobilität unserer Gesellschaft münden muss.
Wir haben heute andere Möglichkeiten, andere Anforderungen und auch andere Probleme. Kaum jemand bezweifelt, dass das Straßenverkehrssystem mit dem Individualverkehr bald an seine Grenzen stößt und wir mehr Bus und Bahn brauchen.
Der öffentliche Nahverkehr aber hat Defizite. Nicht nur die ÖPNV-Finanzierung über Tarife und die kostenneutrale interne Optimierung sind am Ende, Busse und Bahnen kommen bei den Menschen auch nicht an. Für viele ist nämlich der Weg zum Arbeitsplatz mit Bus und Bahn nicht oder nur sehr schwer möglich.
Doch auch die Menschen, die Bus und Bahn bisher nicht nutzen, lassen sich vom öffentlichen Nahverkehr begeistern, vor allem dann, wenn die Nutzungshindernisse wegfallen würden: keine Tarife, keine Zonen, kein Tarifdschungel, kein Ticketfrust, kein Expertenwissen mehr, wie man Bus fährt, einfach einsteigen und losfahren, mehr Fahrgäste, besseres Angebot, Busse dort, wo bisher keine fuhren, weniger warten, schneller und bequemer fahren. Dann sagen mir auch Autofahrende: Das sind bedeutende Ziele für die Politik. Und ihnen ist dabei klar, dass auch sie einen Beitrag dazu leisten müssen, damit es billiger und besser für alle wird. Vom Gesundheits- und Klimaschutz reden wir da noch gar nicht.
Das Konzept zur Verwirklichung, die Initialzündung, der intelligenteste Weg zum Erreichen der Ziele ist „Bus und Bahn fahrscheinfrei“. Wir wissen, dass das Konzept in der Theorie funktioniert. Wir haben es in der Enquetekommission auseinandergenommen und mit vielen Experten gemeinsam studiert, sogar juristisch analysiert. Wir haben uns einige Aspekte vor Ort in Tallinn angeschaut. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, Doktorarbeiten, Berechnungen
Aber nun geht es darum, praktisch auszuprobieren, wie groß die Effekte sind. Dazu muss das Land Nordrhein-Westfalen den Gemeinden, die Modellprojekte durchführen möchten, diese auch gesetzlich ermöglichen. Nur dann können wir in der Praxis erproben und wissenschaftlich untersuchen, wie gut der fahrscheinfreie Nahverkehr zu einer besseren Mobilität für alle und zu einer smartgerechten Verkehrswende beitragen kann.
Wir in NRW sind so weit. Die jahrelange Arbeit vieler Menschen, auch dank der Piraten hier im Landtag, ist in die Vorbereitung geflossen. Nicht nur dadurch übrigens unterscheidet sich „Bus und Bahn fahrscheinfrei“ deutlich von der billigen 2-€-Kopie, die uns die Grünen gerade auftischen. Das Konzept der Grünen nämlich fügt ein Ticket hinzu und verkompliziert dadurch den Tarifdschungel. Das Grünen-Ticket hat keine Lenkungswirkung und ist sozial ungerecht.
Denn für Gelegenheitsfahrgäste ändert sich gar nichts. Es profitieren nur die Abokunden, also Menschen, die heute sowieso schon Bus und Bahn fahren, die dann noch eins der 333.000, also der viel zu knappen Tickets ergattern können. Zahlen müssen dieses Sonderangebot aber alle über die Steuer. Wie das Ganze insgesamt finanziert werden soll, ist bei dem eher unausgegorenen Konzept noch völlig unklar.
„Bus und Bahn fahrscheinfrei“ dagegen kommt mit einem neuen innovativen Finanzierungsinstrument, auch mit mehreren Finanzierungsinstrumenten. Wir tun etwas für die öffentlichen Haushalte, für die gebeutelten Kommunen, damit sie nicht mehr am Nahverkehr sparen müssen.
Wir tun das auch für die Mobilität der Menschen in NRW, für die Wahlfreiheit bei den Verkehrsmitteln, ohne den Zwang, ein Auto kaufen oder fahren zu müssen, für die freiwillige Entscheidungsmöglichkeit jederzeit für alle.
Wir tun das für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik, für ein zukunftsfähiges Verkehrssystem und auch für die Wirtschaft, die eine gute Verkehrsinfrastruktur und ganz neue Ideen und neue Wege braucht, so wie sie Bertha Benz aufzeigte, aber dieses Mal von einem Land wie Nordrhein-Westfalen ausgehend, einem Land, …
… in dem ganz reale Utopien verwirklicht werden können wie Bus und Bahn fahrscheinfrei. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe ja in gewisser Weise Verständnis dafür, dass die Fraktion der Piraten politisch ihre Schreibtische aufräumt, die Schubladen leert und Anträge wie diesen noch schnell ins Parlament einbringt. Ich hoffe allerdings umgekehrt auch darauf, dass die Piraten Verständnis dafür haben, dass wir hinsichtlich der Abarbeitung der Ergebnisse der Enquetekommission IV bei dem bleiben wollen, was wir erst im Januar – am 26. Januar, glaube ich – hier im Plenum beschlossen haben.