Protocol of the Session on April 5, 2017

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Düngel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

(Günter Garbrecht [SPD]: Es sind keine mehr da!)

Ein paar sind noch da – das können Sie aber von da aus nicht sehen, Herr Kollege Garbrecht –, genau über Ihnen. Also einen schönen Gruß nach oben. Vielleicht sind auch ein paar im Stream. Ich hoffe, nicht über 500; das gibt ja Ärger.

Die Finanzierung des Gesundheitswesens ist ein wichtiges Thema. Natürlich können wir hier in NRW darüber reden, gleichwohl können wir nicht darüber entscheiden.

Der FDP ist dieses Thema immer dann besonders wichtig, wenn ein Bundestagswahlkampf in unmittelbarer Nähe ist. 2013 haben wir schon einen entsprechenden Antrag beraten, so machen wir es auch heute.

Getan hat sich in der Zwischenzeit in dem Bereich – leider auch hier im Ausschuss – nicht viel. Man hätte fachlich durchaus einmal darüber reden können, auch wenn wir hier nicht entscheiden können. Aber leider … Na ja! Es lag ja kein Bundestagswahlkampf dazwischen.

Die Finanzierung des Gesundheitswesens muss auf eine solide Basis gestellt werden. Die nächsten 20 bis 30 Jahre müssen in den Blick genommen werden. Wir müssen uns neue Ideen und Konzepte

überlegen, sonst werden wir die Probleme der Kostenträger mit der Überalterung der Bevölkerung und der demografischen Entwicklung nicht lösen können. Das heißt konkret, Denkverbote im Hinblick auf neue Konzepte in der Krankenversicherung helfen bei der Lösung des Finanzierungsproblems nicht weiter. Zukunftsorientierte, progressive Politik sieht an dieser Stelle anders aus. Aber nun ja, das wird seitens der Antragsteller auch nicht erwartet.

Zukunftsorientierte Politik wäre zum Beispiel, das bedingungslose Grundeinkommen in die Thematik einzubeziehen. Wie sieht ein Finanzierungskonzept mit einem bedingungslosen Grundeinkommen aus? Wie sehen unsere Sozialversicherungssysteme mit einem bedingungslosen Grundeinkommen aus?

Wir beschäftigen uns immer wieder mit Lösungen für die nächste Wahlperiode, anstatt tatsächlich über den Tellerrand hinauszuschauen und festzustellen, was wir bei unseren Sozialversicherungssystemen zumindest überdenken und auf den Weg bringen müssen, um die Sozialversicherungssysteme für die Zukunft richtig aufzustellen.

Die einfache Darstellung, dass das Finanzierungsproblem des Gesundheitswesens mit der Einführung einer Bürgerversicherung gelöst werden könnte, ist schlicht und ergreifend falsch. Es ist natürlich erwiesen, dass viele Leistungen für GKV-Patienten nur deswegen möglich sind, weil Ärzte lukrative PKVPatienten versorgen. Die FDP schreibt das auch in ihrem Antrag. Das ist nun einmal so. Das können wir doof finden, es ist aber so. Natürlich muss die Frage erlaubt sein, ob das so richtig ist.

Liebe Kollegen von der FDP, liebe Frau Schneider, ein Hauptargument in Ihrem Antrag sind die Arbeitsplätze. Immer dann, wenn sachlich-argumentativ nicht mehr ganz so viel kommen kann, reden wir über möglicherweise wegfallende Arbeitsplätze. Ich

kenne die entsprechende WifOR-Studie; das sei Ihnen versichert. Vermutlich bin ich der Letzte in diesem Parlament, der das Risiko wegfallender Arbeitsplätze in der privaten Krankenversicherung abstreiten würde. Ich arbeite seit 1995 – mit Unterbrechung ab 2012 – bei einem der größten privaten Krankenversicherer. Natürlich kenne ich die Angst der Kolleginnen und Kollegen in den Versicherungen und weiß, wie sie um ihren Arbeitsplatz fürchten.

Wir werden in den nächsten Jahren generell viele Arbeitsplätze durch Digitalisierung, Automatisierung und Robotik verlieren. Wir müssen unsere Sozialversicherungssysteme diesen geänderten Bedingungen anpassen. Ich habe vorhin schon gesagt, dass der Lösungsweg für uns Piraten definitiv über ein bedingungsloses Grundeinkommen führt.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich frage Sie daher: Darf das Argument wegfallender Arbeitsplätze hier der ausschlaggebende Faktor

sein? Müssen wir uns nicht von diesen Denkverboten frei machen? Müssen wir uns nicht von ideologischen Vorstellungen in sämtliche Richtungen frei machen? – Teilweise haben wir heute wirklich viel Ideologie gehört. Ich habe in dieser Debatte mehr Ideologie als Sachverstand gehört.

Ideologische Verblendung enthält aber auch der rotgrüne Entschließungsantrag. Für Sie scheint der Weg klar zu sein: Die Bürgerversicherung ist das Allheilmittel für alles. Wieso, weshalb und warum das so ist, bleibt aber auch der Antrag irgendwie schuldig.

Sie haben sich vorhin ein bisschen über den Antrag der FDP lustig gemacht, Kollege Yüksel. Aber er war es Ihnen doch wert, einen eigenen rot-grünen Entschließungsantrag aus der Schublade zu holen. Nun denn!

Wenn ich dann Sätze lese wie: „Zugleich wird die PKV für viele Versicherte zu einem nicht mehr zu finanzierenden Risiko“ – wir haben vorhin gehört, im Alter steigen die Beiträge automatisch an –, stelle ich fest: Sie erzählen Fabeln.

(Ministerin Barbara Steffens: Nein, Quatsch!)

Das ist Wahlkampfrhetorik. Das ist einfach falsch, es ist nicht so. Ich darf Sie bitten, sich tatsächlich mal mit dem Thema zu beschäftigen.

Die Redezeit.

Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Auch die Vorstellung auf Bundesebene, die Beihilfe einfach abzulösen und in die GKV einzubringen, hilft nicht weiter. Wir benötigen eine wirkliche Reform aller sozialen Sicherungssysteme. Ein Weiter-so darf es nicht geben. In Legislaturperioden zu denken, wie wir es heute und in der Vergangenheit immer wieder gemacht haben, hilft hier nicht.

Die Redezeit.

Meiner Fraktion habe ich empfohlen, beide Anträge abzulehnen, weil sie tatsächlich nicht zielführend, sondern reine Wahlkampfrhetorik sind. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Steffens.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz zum Einstieg:

Herr Düngel, wir können Ihnen gerne die Zuschriften der PKV-Versicherten zur Verfügung stellen, die uns wöchentlich erreichen, weil sie ihre Beiträge im Alter nicht mehr bezahlen können. Es gibt Menschen, die die Hälfte ihrer Rente für die PKV-Beiträge zahlen müssen. Das ist kein Gerücht, das ist Fakt. Das können Sie nicht negieren. Die Höhe der Beiträge ist für diese Menschen wirklich ein massives Problem. Das einfach so wegzuwischen, halte ich all denjenigen gegenüber, die mit der Belastung leben müssen, für eine ziemliche Sauerei.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Zu dem FDP-Antrag: Herr Yüksel hat schon gesagt, dass das Thema immer dann aufkommt, wenn Bundestagswahlkampf ist. Es ist in etwa der Antrag aus 2013, deswegen hatten wir keine große Mühe damit. Aber seitdem hat sich schon das eine oder andere in der Welt verändert, Frau Schneider, auch wenn Ihre Forderung wieder dieselbe ist.

Verändert hat sich, dass die Probleme für viele Menschen in der PKV größer geworden sind. Das anhaltend niedrige Zinsniveau und die Altersrückstellungen, die an Wert verlieren, haben zu einem wachsenden Kostendruck geführt. Gerade Anfang 2017 gab es einen sprunghaften Anstieg der Beiträge. Das ist ein massives Problem für die Versicherten, das auch zu einem steigenden Mitgliederverlust in der PKV führt. Man kann nicht einfach die Augen zu- und so weitermachen.

Problematisch sind die exorbitant hohen Beiträge insbesondere für ältere Menschen, die schnell steigenden Prämien für die jungen Menschen sowie die Tatsache, dass Rechnungen nur noch teilweise erstattet werden – das beschäftigt die Menschen real, wir bekommen regelmäßig Zuschriften dazu –, ganz abgesehen von geschiedenen Ehepartnern und -partnerinnen von Beamten, die plötzlich in die Vollfinanzierung rutschen. Das führt zu einer massiven Belastung der Menschen. Das ist Ihnen völlig egal, das negieren Sie. Das ist zutiefst unsolidarisch und nicht die Haltung der Landesregierung.

Es überrascht niemanden, dass mindestens 25 % der PKV-Versicherten zurück in die GKV möchten.

Natürlich geht das nicht. Ist man einmal raus aus der Solidargemeinschaft, kann man nicht zulasten der Solidargemeinschaft die Finanzierung plötzlich wieder kompensieren.

Es ist auch kein Zufall, dass die PKV-Versicherungen plötzlich Steuerungsmöglichkeiten haben wollen, wie sie in der GKV vorhanden sind, also auch Rabattverträge, Öffnungsklauseln bei der GOÄ. Das heißt, sie wollen ähnliche Instrumente einführen wie in der GKV, um Kostensenkungen zu betreiben. Daran sehen wir, wie massiv der Druck ist.

Jetzt kommen Sie wie immer mit dem Argument der Arbeitsplätze. Frau Schneider, wie Sie auf die Idee kommen, dass, wenn man ein System von der einen Versicherung in die andere überführt, die Fälle, die bearbeitet und betreut werden müssen, nicht mehr vorhanden sind, es also die Arbeit nicht mehr gibt, verstehe ich nicht. Die Arbeitsplätze bleiben bestehen. Es gibt kein einziges Bürgerversicherungskonzept, bei dem die Menschen plötzlich überflüssig werden. Sie müssen dann nur eine andere Versicherung in einer anderen Form begleiten. Das ist ein Totschlagargument, das immer herangezogen wird. Das haben wir auch schon beim letzten Mal, als Sie diesen Antrag vorgestellt haben, dargestellt.

Für die Landesregierung ist klar: Wir wollen die Rückkehr zur Parität. Denn die Parität ist notwendig und wichtig.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie sprechen immer wieder von den armen Unternehmen. Klar ist doch: Das Teuerste für die Unternehmen ist ein schlechtes Gesundheitssystem, in dem die Menschen nicht ordentlich versorgt werden. Deswegen brauchen wir eine Parität, ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem. Das dient den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen.

Frau Ministerin Steffens.

Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Düngel würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Selbstverständlich kann Herr Kollege Düngel mir eine Zwischenfrage stellen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Ministerin Steffens. Können Sie garantieren, dass die PKV-Beschäftigten bei einer Überführung in eine Bürgerversicherung in dieser Bürgerversicherung – Klammer auf: in der gesetzlichen Krankenversicherung – weiterbeschäftigt würden?

Herr Düngel, ich kann nicht garantieren, dass irgendein Beschäftigter bei der PKV weiterbeschäftigt wird, weil die PKVen massive Verluste machen. Genauso wenig wie ich das garantieren kann, kann ich auch keinen anderen Arbeitsplatz garantieren.

Dahinter steht aber das Prinzip: Wenn Rechnungen von Versicherten beglichen werden müssen, wenn deren Versicherungsstatus weiterhin begleitet werden muss, dann brauche ich jemanden, der das macht, ob in einer privaten Versicherung oder in einer Bürgerversicherung. Jemand muss sich um die Fälle kümmern. Ich kenne kein Konzept einer Bürgerversicherung, bei der die heutigen Versicherungen nicht weiterhin in einer Form existieren und es dann dieselben Tarife gibt und Angebote gemacht werden müssen.

Diese Frage ist wieder ein bisschen weit hergeholt. Arbeitsplatzgarantien kann man nie abgeben, erst recht nicht eine Landesregierung für private Unternehmen. Das kann nicht funktionieren.