Protocol of the Session on March 15, 2017

weil es in den Bereichen häufigere Praxis ist als erfreulicherweise im Schulbereich.

Danke schön, Frau Ministerin. – Herr Witzel stellt jetzt seine zweite Nachfrage. Damit ist auch seine Fragemöglichkeit erschöpft.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich wollte der Antwort des Innenministers nicht vorgreifen. Frau Löhrmann hat gerade an Herrn Minister Jäger verwiesen. Ich stelle meine Frage zurück, bis er im Zusammenhang geantwortet hat.

Herr Minister Jäger, bitte.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Frau Kollegin Schmitz, ich will Ihnen zumindest den allgemeinen Teil Ihrer Frage dahin gehend beantworten, dass es eine Definition der Reichsbürger-Mitgliedschaft in diesem Sinne nicht gibt. Reichsbürger sind keine homogene Gruppe. Sie sind nicht durchgängig organisatorisch strukturiert, sondern setzen sich eher aus Waffennarren, Querulanten, Verwirrten, Steuerhinterziehern bis hin zu Rechtsextremisten zusammen.

Grundsätzlich gehen die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen immer dann gegen Reichsbürger vor, wenn sie beispielsweise im Besitz von Waffen oder Ähnlichem sind. Sie unterstützen natürlich auch Behörden der Landesverwaltung NordrheinWestfalen bei der Einschätzung von Bediensteten im

öffentlichen Dienst – seien es Angestellte oder Beamtinnen und Beamte – dahin gehend, wie eine solche Mitgliedschaft zu bewerten ist.

Wichtig ist für die Unterscheidung, dass Reichsbürger zum Teil offen, zum Teil auch verdeckt ihre Ideologie betreiben. Das heißt, dass sie in ihrem Wirken sowohl innerhalb der Landesverwaltung als auch außerhalb der Landesverwaltung oftmals nicht unmittelbar erkennbar sind.

Frau Kollegin Löhrmann – das gilt aber auch für mein Ressort – hat gerade beschrieben, dass wir beide der Auffassung sind: Wer eine solche Ideologie vertritt, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen. – Das sage ich ganz deutlich.

Gleichwohl ist eine Entfernung aus dem öffentlichen Dienst insbesondere für Beamtinnen und Beamte zu Recht mit hohen Hürden verbunden. „Hohe Hürde“ heißt, dass im Rahmen eines Disziplinarverfahrens nachzuweisen ist, dass eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis erforderlich ist. Ein solches Disziplinarverfahren beinhaltet übrigens auch die Rechte des Betroffenen. Deshalb sind öffentliche Diskussionen über einzelne Fälle insofern schwierig, als die Nennung von personenschützenden Daten und Umständen einer Entlassung aus dem öffentlichen Dienst oder aus dem Beamtenverhältnis zum Schluss entgegenstehen kann.

Fazit ist – um den allgemeinen Teil Ihrer Frage zu beantworten –: Diese Landesregierung geht konsequent innerhalb und außerhalb der Landesverwaltung gegen Reichsbürger vor. Wir achten das Landesbeamtengesetz mit seinen hohen Hürden bei Entlassungen aus dem Beamtenverhältnis, aber wir gehen ganz konsequent vor, denn Reichsbürger, die diesen Staat ablehnen, dürfen nicht für ihn arbeiten.

Vielen Dank, Herr Minister Jäger. – Herr Witzel, möchten Sie jetzt Ihre Nachfrage stellen?

(Ralf Witzel [FDP] nickt.)

Sie haben jetzt die Möglichkeit zu fragen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, für die Gelegenheit zu einer weiteren Nachfrage, zu der mich Schulministerin Löhrmann mit dem Hinweis motiviert hat, vieles sei jetzt neu zu bewerten oder erst neuerlich bekannt.

Meine Frage zielt darauf ab, dass durch die Berichterstattung der „WAZ“ vom 25. Februar 2017 ein denkwürdiges Bild über inakzeptable Zustände in unseren Schulen sowie über die mangelnde Handlungsfähigkeit bzw. den fehlenden Handlungswillen der Schulaufsicht des Landes gezeichnet wird. Das wird aber mit einer Zeitschiene unterlegt. Offenbar

gibt es im Bereich Ihres Ressorts seit drei Jahren Erkenntnisse, die brach liegen, sodass vieles, was jetzt durch die Berichterstattung öffentlich geworden ist, nicht materiell neu, sondern bei Ihnen schon seit Jahren aktenkundig ist und bei Ihnen nicht zu Handlungen geführt hat.

Deshalb meine Frage an Sie auch vor dem Hintergrund dieser von den Medien dargestellten Zeitschiene mit dem Wissen von heute: Wie ist der Sachverhalt zu bewerten? Welche einzelnen Fehler und Unterlassungen sind am vorliegenden ReichsbürgerFall des Essener Berufskollegs von Landesbehörden bzw. Landesbediensteten begangen worden? Bitte Klartext: Wer hat konkret in den letzten Jahren was zu verantworten und versäumt?

Sehr geehrter Herr Witzel, ich habe auch das eben angesprochen, und zwar in der Allgemeinheit, in der es für das jetzt laufende Verfahren nicht abträglich ist.

Wie Sie es beschreiben und wie es auch in der Berichterstattung erfolgt ist, entspricht es nicht den uns vorliegenden Informationen über das Agieren der Schulaufsicht. Sie haben eine Kleine Anfrage zu dem gesamten Sachverhalt gestellt. Sie liegt noch nicht so lange vor.

(Zustimmung von Ralf Witzel [FDP])

Wir sind natürlich bestrebt, sie rechtzeitig zu beantworten. Dafür werden wir die Informationen so aufbereiten, dass es unschädlich ist. Wir werden die Informationen, die wir haben, vernünftig dokumentieren: Wer hat wann was gemacht? Das tun wir aber mit dem Ziel, nicht die disziplinarischen Konsequenzen unmöglich zu machen, die die Bezirksregierung als personal- und aktenführende Stelle für richtig hält. Dafür bitte ich um Verständnis.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Herr Kollege Ellerbrock möchte eine Frage stellen. Ich schalte das Mikrofon nur unter der Bedingung frei, dass er den üblichen Funktionstest durch Hineinpusten unterlässt.

(Heiterkeit)

Frau Ministerin Löhrmann, Sie sagten eben auf die Frage von Kollegin Schmitz, es habe eine Handvoll Fälle gegeben. Jetzt ist Ihre Antwort natürlich sehr allgemein gefasst gewesen.

Selbstverständlich ist uns bewusst, dass Sie den Schutz der Persönlichkeit auch in diesem Verfahren wahren müssen; das ist klar. Herr Jäger hat noch einmal deutlich gemacht – was uns auch klar ist –, dass es vor einer Entlassung zahlreiche Stufen innerhalb

eines Disziplinarverfahrens gibt. Das ist ja im Endeffekt die vorletzte Stufe in einem solchen Verfahren. – Und dass Sie zum Schluss sagen, Sie achten die Verfassung und die Gesetze, nehme ich zur Kenntnis. Das habe ich auch nicht in Abrede gestellt; das tut niemand.

Frau Löhrmann, unter Berücksichtigung dieses Schutzes der Persönlichkeit kann man doch aber konkreter fassen, was Frau Kollegin Schmitz wissen wollte: Wo ist diese Handvoll Fälle gewesen – es ist ja anscheinend eine ganz überschaubare Zahl, wo gehandelt wurde –, und welche Konsequenzen sind daraus gezogen worden? Darum ging es doch eigentlich.

Sehr geehrter Herr Ellerbrock, ich kann es wiederholen: Eine Handvoll heißt fünf. Der eine Fall ist eben aufgrund der ganz konkreten Frage erläutert worden.

Ich habe darüber hinaus gesagt, dass es einen weiteren aktuellen Fall gibt – als Vermutung, da die Sachlage dort noch nicht geklärt ist – und dass es zwei Fälle aus dem Jahr 2015 gibt, bei denen sich der Verdacht, dass die betroffene Person nicht auf dem Boden der demokratischen Grundordnung steht, nicht erhärtet hat, wobei eine der beiden betroffenen Lehrkräfte im Ruhestand ist und die andere Lehrkraft gleichwohl weiterhin beobachtet wird.

(Zurufe von Holger Ellerbrock [FDP])

Ich bin nicht gebeten worden, die Einzelbeispiele hier nach Orten aufzulisten, und habe die Aktenlagen der Bezirksregierungen nicht angefordert; da bitte ich auch um Verständnis.

Gut, das Verständnis scheint bei den fragestellenden Kollegen vorhanden zu sein. – Weitere Fragen liegen nicht vor. Ich stelle fest, dass die Mündliche Anfrage 89 beantwortet ist und weitere Anfragen nicht vorliegen. Damit können wir die Fragestunde beenden.

Ich rufe auf:

12 „Fit für mehr“ – Mangelhafte Bildungsmaß

nahme verschärft Probleme an Berufskollegs

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/14391

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die antragstellende FDP-Fraktion Frau Kollegin Schmitz das Wort. – Da eilt sie auch schon herbei. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei vielen nicht mehr schulpflichtigen jungen Flüchtlingen droht die Integration durch Bildung langfristig zu scheitern. Eine verbindlichere Regelung des Schulbesuchs wird nicht nur von der FDP, sondern auch von Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden gefordert.

Ebenso einhellig wird die Meinung geteilt, dass insbesondere die grüne Schulministerin blockiert.

Sehr geehrte Damen und Herren, statt nun aber ein klar strukturiertes, längerfristig planbares und personell unterlegtes Konzept zu präsentieren, kommt jetzt „Fit für mehr!“. Um sich politisch zu entlasten, hat Ministerin Löhrmann Ende letzten Jahres verkündet, dem Berufskolleg dieses unverbindliche Programm überzustülpen. Öffentlichkeit und Schulausschuss wurde suggeriert, dieses Programm werde umfassend begrüßt. Das Gegenteil ist der Fall.

Der Landkreis beklagt, dass kein ordnungsgemäßes Beteiligungsverfahren stattgefunden habe und die Rechtsgrundlagen fehlten. In ganzen Regionen erklären Schulleitungen, dass sie das Programm keinesfalls wollen, weil es den Bildungsauftrag der beruflichen Schulen aushöhlt. Ich zitiere aus einem gemeinsamen Artikel der beiden Vorsitzenden der betroffenen Lehrerverbände. Dort heißt es: „Fit für mehr!“ – nicht leistbar, inakzeptabel. Und es wird die Konzeptionslosigkeit von Rot-Grün kritisiert. Unterstützung klingt völlig anders.

Das Problem ist, dass hier Berufskollegs vollkommen systemwidrig Alphabetisierungsmaßnahmen und Integrationskurse übergestülpt werden. Laut Kritik der Schulen ist diese Maßnahme im Vergleich zu den Internationalen Förderklassen nicht berufsbezogen. Diese Aufgabe muss daher prioritär von anderen Trägern erfüllt werden – also durch Weiterbildungsträger, BA-finanzierte Angebote. So gab es zum Beispiel zur Hochzeit großer Spätaussiedlerzahlen gute Beispiele mit freien Trägern. Hieran sollte man anknüpfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, während Berufskollegs eine mangelhafte Maßnahme aufgezwungen wird, ist an den Schulen nicht einmal die berufsbezogene Lehrerversorgung gesichert. Sehr spät wurde ansatzweise mehr der von der FDP lange geforderten personalen Freiheit ermöglicht. Gleichzeitig hat Rot-Grün aber an Berufskollegs die Kienbaum-Lücke von 1.400 Stellen nicht geschlossen, die strukturellen Unterrichtsausfall bedeutet, und zudem noch willkürlich 500 Stellen gestrichen.

Die personelle Situation der Berufskollegs ist bereits schwierig. Durch weitere haushaltspolitische Festlegungen droht den Berufskollegs ein Desaster. Bevor das Gegenteil behauptet wird: Die FDP begrüßt zusätzliche und durchaus unbefristete Einstellungen. Für Berufskollegs besteht aber das Problem, dass sie viele allgemeinbildende Lehrkräfte einstellen

müssen – wenn Stellen überhaupt besetzt werden können. Und hier schnappt die rot-grüne Falle zu, die den Bildungsauftrag der Berufskollegs auszuhöhlen droht.

Rot-Grün hat in den nächsten Jahren Tausende Lehrerstellen als künftig wegfallend verankert. Damit würden Schulen nur wenige oder keine Einstellungsmöglichkeiten für ausscheidende technische oder kaufmännische Lehrkräfte erhalten. Weil sie die Fachkräfte nicht ersetzen können, werden Knowhow und Bildungsauftrag der Berufskollegs schrittweise entkernt. Schon jetzt erleben die Schulen ein solches Vorgehen bei „Fit für mehr!“. Die Schulen wissen nicht, wie viel potenzielle Schüler kommen werden. Weil die Stellen aber absehbar nicht reichen, muss Unterricht im berufsbezogenen Bereich gekürzt werden.

Es kann nicht sein, dass jetzt Bezirksregierungen Berufskollegs auswählen und diese Schulen die fehlkonzipierte Maßnahme durchführen müssen. Bezirksregierungen erklären schon jetzt kritischen Schulleitungen, dass sie bei fehlenden Lehrkräften für diese Maßnahme doch Fachschulen streichen sollen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, es kann nicht sein, dass jetzt berufsbezogene Bereiche weggekürzt werden müssen. Alle jungen Menschen haben ein Recht auf Bildung und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Diesem Ziel sollte Rot-Grün folgen, statt durch eine mangelhafte Maßnahme und durch eine falsche Ausgestaltung die Berufskollegs langfristig zu beschädigen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Spanier-Oppermann.