Im Online-Leserforum der WAZ bestätigen Schüler die behaupteten Vorfälle. Eine davon betroffene Auszubildende schreibt exemplarisch im Wortlaut folgendes:
„Er ist einer meiner Lehrer. Ich gehe wegen meiner Ausbildung zu dem Berufskolleg und habe seit zwei Jahren immer wieder bei diesem Lehrer Unterricht. Es wird Zeit, dass etwas gegen ihn unternommen wird, da unser Unterricht meistens nur daraus besteht, was für verrückte Thesen er wieder zu erzählen hat und was er wieder zu der Polizei oder anderen gesagt hat.“
Nach Darstellung in der Berichterstattung besitzt die Schulleitung offenbar doch ein Problembewusstsein in dieser Angelegenheit, erfährt aber wohl keinerlei Unterstützung des Landes, um wieder einen geordneten Unterrichtsbetrieb zu ermöglichen.
Das spektakuläre Dauerproblem am Essener Berufskolleg West dürfte nicht der einzige Fall in der Amtszeit dieser Schulministerin sein, der in puncto Radikalisierung von Lehrkräften bislang aktenkundig geworden ist. Der Vorfall wirft daher die Frage auf, wie verbreitet derlei Geschehnisse sind und warum seitens des Landes bislang keine wirksamen Reaktionen auf diese Vorfälle erfolgen. Die Schulministerin sollte dem Landtag daher detailliert darlegen, wie sich der konkrete ReichsbürgerFall in Essen nach ihrem Kenntnisstand darstellt und wie viele ähnlich gelagerte Beschwerden über radikalisierte Lehrkräfte ihr in ihrer Amtszeit vorgelegen haben. Politisch ist auch aufklärungsbedürftig, wie die Schulministerin mit den vorliegenden Fallkonstellationen in der Zukunft umzugehen gedenkt und es bislang gehandhabt bzw. eher unterlassen hat. Die Schulministerin sollte hierzu eine ausführliche Darlegung gegenüber dem Landtag vornehmen.
Politisch radikale oder verirrte Pädagogen dürfen im Unterrichtsgeschehen nicht länger eine Chance haben, ihr inakzeptables Gedankengut an junge Menschen zu vermitteln.
Wie reagiert Schulministerin Löhrmann konkret auf Fälle wie den „Reichsbürger-Vorfall“ am öffentlichen Essener Berufskolleg West?
Die Landesregierung hat angekündigt, dass Frau Ministerin Löhrmann antworten wird. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Schmitz, erneut beschäftigt uns aufgrund Ihrer Frage die sogenannte Reichsbürgerbewegung. Nachdem diese Bewegung im letzten Jahr nach dem
Tod eines Polizisten in Bayern als Folge eines Schusswechsels anlässlich einer Durchsuchung bei einem sogenannten Reichsbürger für intensive Diskussionen gesorgt hat, ging es in der aktuellen Berichterstattung um eine Lehrkraft, die dieser Bewegung angehören soll.
Ich schicke vorweg – ich glaube, hier besteht bei allen Anwesenden Einigkeit –: Personen, die mit dem Gedankengut der Reichsbürger sympathisieren und die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verneinen, können nicht gleichzeitig Repräsentantinnen und Repräsentanten unseres Staates sein. Personen, die nicht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, dürfen nicht im öffentlichen Dienst tätig sein.
Eine solche Haltung, wie Reichsbürger – ich nehme gedanklich immer Anführungsstriche dazu – sie in der Regel vertreten, widerspricht jedem Diensteid und jedem Gelöbnis, das Beamtinnen und Beamte oder Tarifbeschäftigte bei Antritt ihrer Tätigkeit ablegen – unabhängig davon, ob sie in Schulen oder anderen Dienststellen arbeiten. Ich unterstreiche: Personen, die diese antidemokratische Haltung zum Ausdruck bringen und sich nicht hinreichend und glaubwürdig davon distanzieren, haben im öffentlichen Dienst nichts zu suchen.
Damit ist sowohl für den von Ihnen, Frau Schmitz, angesprochenen Fall im Ruhrgebiet wie auch für alle anderen ähnlich gelagerten Fälle das weitere Vorgehen klar. Nicht nur mein Ziel, sondern Ziel der gesamten Landesregierung ist es, solche Personen aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Kurzfristig ist dies nur durch Suspendierung oder Freistellung vom Dienst zu erreichen. Dauerhaft kann dies bei Lebenszeitbeamten und -beamtinnen nur durch ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel der Entfernung aus dem Dienst erreicht werden und im Bereich der Tarifbeschäftigten durch eine fristlose Kündigung.
Genau diese Schritte sind in dem von Ihnen angesprochenen Fall durch die Bezirksregierung Düsseldorf erfolgt.
Nach den mir vorliegenden Informationen ist es allerdings nicht so gewesen, dass es hier eine seit Jahren virulente Beschwerdelage gegeben hat. Vielmehr ist das Problem aktuell aufgetreten, und eine Reaktion seitens der zuständigen Bezirksregierung ist in Form einer Suspendierung und Einleitung disziplinarischer Ermittlungen unverzüglich erfolgt.
Auch zurückliegende Beschwerdevorwürfe – ich will allerdings daran erinnern, dass der Begriff „Reichsbürger“ seinerzeit zum Teil noch nicht die inhaltliche Bedeutung hatte, die wir ihm heute beimessen – wurden gewissenhaft geprüft. Dienst- und disziplinarrechtliche Schritte sind erfolgt. Da solche Maßnahmen jedoch dem Personaldatenschutz unterliegen, wurden diese Ergebnisse selbstverständlich weder in
Die Aussage oder Unterstellung, dass bereits eine Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen während meiner Amtszeit aktenkundig geworden sei, kann ich aber deutlich verneinen. Es handelt sich – wir haben die Rückmeldungen der Bezirksregierung bis gestern Nachmittag ausgewertet – maximal um eine Handvoll Fälle. Bei 180.000 Lehrerinnen und Lehrer kann man da wohl nicht von „Vielzahl“ sprechen.
Darunter gibt es unter Umständen – ich betone auch das und bitte zu berücksichtigen, dass ich meine Worte mit Vorsicht wähle, um eventuelle Verfahren nicht mit Vorverurteilungen zu beschweren; ich hoffe, da sind wir uns einig – einen ganz aktuellen Fall, bei dem aber derzeit die Sachlage noch völlig ungeklärt ist.
In einem anderen Fall, der bereits länger zurückliegt, ist die betroffene Lehrkraft längst nicht mehr im Schuldienst tätig. In zwei weiteren Fällen hat sich der Verdacht, dass Lehrkräfte den Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung verlassen haben, nicht bestätigt. Selbstverständlich hat die Schulaufsicht diese Fälle weiter im Blick.
Ich erlaube mir den Hinweis, dass die Reichsbürgerdiskussion in dieser Vehemenz erst seit ungefähr eineinhalb Jahren geführt wird. Unabhängig davon, wie wir das nennen, ist es bei der sogenannten Reichsbürgerideologie vorgekommen, dass Lehrkräfte mit provokanten und/oder radikalen politischen Thesen aufgefallen sind. Auch für diese Fälle gilt das eben Gesagte. Wer sich von den Werten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung abwendet, kann nicht im öffentlichen Dienst tätig sein. Dazu stehe ich mit aller Konsequenz, und ich versichere Ihnen, dass die Schulaufsicht alle rechtsstaatlich möglichen Maßnahmen ergreift, um solche Personen nicht in unseren Schulen wirken zu lassen.
Vielleicht erlaube ich mir noch den Hinweis, dass Ihnen nicht entgangen sein sollte, mit welcher Intensität ich die historisch-politische Bildung und die Demokratiepädagogik gestärkt habe – dies im Übrigen dankenswerterweise mit der Patenschaft der inzwischen leider verstorbenen, der besonderen Hildegard Hamm-Brücher. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage. Erlauben Sie mir eine Nachfrage. Ich möchte das Ganze noch ein bisschen konkretisiert haben. Die bisherige Medienberichterstattung zum Essener Reichsbürgerfall erweckt den Eindruck,
Schulleitungen vor Ort würden vom Land mit den gravierenden Problemen, die das Fehlverhalten von Lehrkräften verursacht, alleine gelassen.
Wie unterstützt das Land – Sie sprachen ja schon von einer Entfernung von Lehrkräften; es gibt da aber sicherlich auch andere Möglichkeiten – die Schulleitungen bei Personalkonflikten, die ursächlich durch verfassungswidrige Bekenntnisse herbeigeführt werden, im Einzelnen konkret?
Sehr geehrte Frau Schmitz, da geschieht Folgendes: Sobald sich die Schulleitung an die Schulaufsicht wendet – das ist dann natürlich zunächst die Schulaufsicht in den Bezirksregierungen –, wird darauf geschaut und im Zweifelsfall auch der Verfassungsschutz eingeschaltet, um die konkreten Vorwürfe, die im Raum stehen, zu substantiieren.
Wenn sich dann Verdachtsfälle erhärten, wird auch eingeschritten. Das ist auch schon vor dieser Reichsbürger-Geschichte das Geschäft der Personalverwaltung der Bezirksregierungen gewesen. So wird im Bereich Schule vorgegangen, aber auch in den Bereichen von Polizei und Justiz sowie bei anderen Verwaltungsstellen des Landes.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, für die Gelegenheit zu einer ersten Nachfrage. – Frau Ministerin Löhrmann, zu der grundsätzlichen Einordnung, die Sie eingangs zu diesen Fällen vorgenommen haben, will ich ausdrücklich sagen, dass ich meinerseits zunächst keine Ergänzung vorzunehmen habe. Sie haben notwendige Dinge gesagt, die man sicherlich auch im Umgang mit sich radikalisierenden Beamten – das gilt auch für Lehrkräfte im Schuldienst – im Blick haben sollte.
Meine Nachfrage bezieht sich auf einen Punkt, an dem wir auch noch übereinstimmen: Selbstverständlich gebietet es der Rechtsstaat, dass keine Vorverurteilungen vorgenommen werden. Sie haben aber auch über ungeklärte Sachlagen gesprochen.
Deshalb möchte ich Sie fragen: Wenn ein Lehrer – für die gesamte Schulgemeinde ersichtlich – mit einem umgedrehten Kennzeichen an seinem Fahrzeug auf dem Schulparkplatz vorfährt und der Pädagoge – ausweislich von Zeugenaussagen – dieses Vorgehen auch seinen Schülern ausdrücklich als Zeichen des Protests gegen Ordnungsbehörden zur Nachahmung empfiehlt: Was sagt Ihnen dieses Verhalten über die Einstellung der Lehrkraft? Und welche Maßnahmen des Landes sind in diesem Zusammenhang zu ergreifen?
Herr Witzel, das ist eindeutig. Nach Bekanntwerden dieser Vorfälle, die Sie beschrieben haben, hat die Bezirksregierung Düsseldorf die Suspendierung vorgenommen und die Einleitung disziplinarrechtlicher Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann. Die Erlangung entsprechender Informationen über Lehrkräfte geschieht auf verschiedenen Wegen. Das Land kann eigene Kenntnisse durch Beobachtungen von Schulaufsichtsbeamten sowie über Hinweise von Schulleitern und Schülern oder auch aus Betrieben als dualen Ausbildungspartnern erlangen. Auf jeweils welchem Weg sind dem Land in dieser Legislaturperiode Meldungen über die politische Radikalisierung von bestimmten Lehrkräften bekannt geworden?
Es ist grundsätzlich so, dass sich Beamtinnen und Beamte einer politischen Betätigung im Dienst zu enthalten haben. Das möchte ich gerne genauer erläutern. Im außerdienstlichen Bereich hängt das erforderliche Maß der Mäßigung und Zurückhaltung davon ab, ob und inwieweit die politische Betätigung einen Bezug zur dienstlichen Stellung und zu den dienstlichen Aufgaben aufweist. Jedenfalls müssen Beamtinnen und Beamte auch außerhalb des Dienstes darauf bedacht sein, eine klare Trennung zwischen dem Amt und der Teilnahme am politischen Meinungskampf einzuhalten. Einschränkungen können sich insbesondere im Hinblick auf das Ziel der politischen Betätigung und die Wortwahl politischer Meinungsäußerung ergeben.
Grundsätzlich aber sind außerhalb des Dienstes getätigte politische Äußerungen von Beamten disziplinarrechtlich unerheblich, soweit diese nicht strafbar oder aus anderen Gründen pflichtwidrig sind. Der besondere Wertegehalt des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung führt zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede und vergleichbarer Meinungsäußerung in allen Bereichen.
Ich könnte Ihnen jetzt noch die Urteile, die diese Aussage hinterlegen, nennen. Sie werden ja verfolgt haben, dass, bezogen auf den Lehrer Höcke, der im hessischen Schuldienst tätig war und nun für die AfD im thüringischen Landtag sitzt, die Frage aufgekommen ist, ob er sozusagen im Rahmen seiner politischen Tätigkeit, aber nicht als Lehrkraft und Bediensteter des Staates Hessen agiert hat.
Fraglich ist, ob es allein wegen seiner Äußerungen, die wir wahrscheinlich alle nicht teilen – sie decken
sich nicht mit dem, was wir unter unserer Demokratie verstehen –, schwierig sein könnte, ihn nicht wieder einzustellen. Deswegen sind wir – da wir unsere Lehrkräfte nicht unter Generalverdacht stellen; sie haben ja alle bei Einstellung einen Eid abgeleistet – darauf angewiesen, dass, wenn Menschen sich radikalisieren oder nicht mehr der demokratischen Grundordnung entsprechen, Hinweise durch die Schülerschaft oder die Lehrerschaft bzw. das Kollegium erfolgen. Sobald wir das wissen und die Schulaufsicht eingeschaltet wird, können wir in genannter Weise tätig werden.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wehrte Frau Ministerin, die besagte Lehrkraft im Essener Reichsbürgerfall wird vom Schulministerium – beispielsweise im Internet und in der Broschüre des landesweiten Qualifizierungsprogramms „Komet“ – offiziell als wichtiger Ansprechpartner für die Qualitätssicherung bei der Förderung der Kompetenzentwicklung und des Kompetenzerwerbs in der beruflichen Bildung präsentiert.
Wie kann es geschehen, dass man durch Verlinkung des Schulministeriums zu zweifelhaften Ansprechpartnern im Schuldienst gelangt, die offenbar die staatliche Existenz in Zweifel ziehen und damit sicher nichts zur Qualitätssicherung des Unterrichtsgeschehens beitragen?
Sehr geehrte Frau Schmitz, dieser Fall bzw. dieses Beispiel ist Ende Februar/Anfang März dieses Jahres bekannt geworden. Die Benennung für die genannte Aufgaben hat stattgefunden, bevor uns der Vorfall bekannt wurde. Seitdem er uns bekannt ist, ist seitens der Bezirksregierung gehandelt worden. Damit erlöschen natürlich alle weiteren Funktionen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Kollegin Schmitz stellt Ihnen jetzt die dritte und damit auch ihre letzte Nachfrage.
Jetzt habe ich noch eine letzte Frage, mit der ich noch eine weitere konkrete Antwort erhalten möchte. Je nach Schwere des Vorkommnisses dürften dem Land unterschiedliche Befugnisse zustehen, gegen das Gedankengut politisch verirrter Pädagogen vorzugehen. Welche konkreten Maßnahmen stehen dem Land grundsätzlich zur Verfügung und sind
auch tatsächlich in Ihrer Amtszeit praktiziert worden, wenn berechtigte und gravierende Zweifel an der Verfassungstreue von Staatsdienern im Schuldienst bestehen?
Sehr geehrte Frau Schmitz, die grundsätzlichen Maßnahmen des Landes hatte ich schon in meiner ersten Antwort genannt. Das sind die sofortige Suspendierung in gravierenden Fällen, insbesondere wenn der Schulfrieden gefährdet wäre, und die Einleitung eines disziplinarischen Verfahrens. Dafür gibt es klare Spielregeln, die nicht im Schulministerium, sondern im Bereich der nachgeordneten Behörden liegen.
Diese disziplinarrechtlichen Maßnahmen bis hin zu strafrechtlichen Fragen beinhalten die Anhörung und Einträge in die Personalakte, wenn die Beteiligten bekunden, dass sie sich bessern wollen. Da gibt es eine ganze Palette bis hin zur Entlassung. Minister Jäger ist gern bereit, das noch zu ergänzen,