Protocol of the Session on November 30, 2016

Weitergehende Änderungen müssen wir aber bei der Erstellung und Umsetzung des Psychiatrieplans

NRW aufnehmen. So muss der Ausbau ambulanter und komplementärer Versorgung und Hilfe vielerorts vorangebracht werden. Dabei stellen Krisennotdienste und ambulante Einrichtungen eine wichtige Entlastung für die Angehörigen psychisch kranker Personen dar. Gleichzeitig ermöglichen sie es, dass die bestehenden sozialen Kontakte und persönlichen Ressourcen nicht gänzlich wegbrechen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Für die FDP-Landtagsfraktion spricht Frau Kollegin Freimuth.

Schönen guten Abend! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Vertretung für die Kollegin Susanne Schneider möchte ich hier für die Freien Demokraten ganz klar herausstellen, dass auch wir für eine möglichst weitgehende Selbstbestimmung von Menschen mit psychischen Erkrankungen einstehen.

Allerdings verschließen wir uns nicht den Anregungen, die aus der Praxis in das Beratungsverfahren gekommen sind.

Im Gegensatz zu den Fraktionen der Regierungskoalition wollen wir nicht durch vermeintlich wohlwollende gesetzliche Regelungen Hoffnungen und Ansprüche wecken und dabei letztlich aber die Probleme bei der Umsetzung aus dem Blick verlieren.

Wir befürchten, dass durch die vorgesehene Regelung eine Intervention in Notfällen erschwert wird. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei den Patienten in den Kliniken um Schwerkranke handelt, deren Verhalten in einer akuten psychotischen und depressiven Phase kaum berechenbar ist.

Wir wollen nicht, dass bei einer Uneinsichtigkeit von betroffenen Patienten und zum Beispiel der Verweigerung von Insulingaben die fehlende Möglichkeit einer Zwangsbehandlung von somatischen Begleiterkrankungen zu einem diabetischen Koma führt. Wir wollen auch nicht, dass eine festgeschriebene Forderung nach längeren Aufenthalten im Freien zum Beispiel zu vermehrten Selbsttötungen führen kann. Wir wollen auch keine erhöhte Gefährdung des Pflegepersonals in der Psychiatrie. Denn wir haben die Stimmen aus der Praxis, die Stimmen der Beschäftigten in der Psychiatrie gehört.

Deswegen haben wir im Ausschuss auch unseren Änderungsantrag eingebracht, der darauf abzielte, dass der vorgesehene Vorrang des Festhaltens gegenüber einer mechanischen Fixierung gestrichen werden sollte. Das Festhalten wird vom Personal eindeutig nicht bevorzugt, sondern abgelehnt. Die Bedingungen sind bei uns eben nicht mit dem Beispiel

Großbritannien vergleichbar. Denn dort sind etwa potenziell schmerzhafte Hebeltechniken zulässig. Zudem sehen die Personalschlüssel anders aus. Leider wurde im Ausschuss auf unseren Vorschlag und unseren Änderungsantrag nicht eingegangen.

Der Vorschlag der CDU, der ebenfalls im Beratungsverfahren diskutiert wurde, hätte das Verfahren aus unserer Sicht weiter verkompliziert, wenn bei Minderjährigen sowohl eine richterliche Entscheidung als auch die Zustimmung der Sorgeberechtigten eingeholt werden müsste.

Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen enthält – das ist nicht weiter verwunderlich – viel Eigenlob, aber vor allem auch die Forderung nach verstärkten ambulanten Hilfen. So sinnvoll das sicherlich in vielen Fällen sein mag, ist jedoch vor unrealistischen Erwartungen und Illusionen zu warnen, dass fast alle psychisch kranken Menschen ambulant behandelt werden könnten. Gerade bei akuten Phasen und schweren Krankheitsbildern werden wir nicht auf eine stationäre Unterbringung und Behandlung verzichten können.

Wir hätten uns in der gesamten Debatte mehr Realismus und mehr Orientierung an der Praxis gewünscht. Deswegen werden wir weder dem Gesetz noch dem vorliegenden Antrag zustimmen können, sondern beides ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Düngel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch zu fortgeschrittener Zeit sollten wir selbstverständlich mindestens einmal plenar über einen Gesetzentwurf reden. Gleichwohl werde ich mich verhältnismäßig kurzfassen, weil schon vieles von meinen Vorrednerinnen und -rednern gesagt wurde.

Ich fange mit den Anträgen an, und zwar zunächst mit dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen. Er enthält in der Tat, wie gerade schon gesagt worden ist, viel Eigenlob. Das nehme ich auch gar nicht übel. Letztlich zeigt der Entschließungsantrag jedoch, dass wir viele ungeklärte Punkte haben. In diesem Zusammenhang gibt es viele offene Baustellen, die im laufenden Gesetzgebungsverfahren zumindest nicht abschließend geklärt oder geregelt wurden.

Wir als Piratenfraktion meinen: Vielleicht hätten wir noch ein bisschen warten und weiter an dem Gesetz arbeiten müssen. – Es gab ja von allen Fraktionen Anregungen, welche Kritikpunkte landesgesetzlich sofort aufgegriffen werden sollten.

Ich werde hier noch einmal zwei Punkte aus den Anhörungen aufgreifen, und zwar zunächst einmal den Schutz von Minderjährigen. Die CDU-Fraktion hat diesen Punkt in ihrem Änderungsantrag aufgegriffen. Wir sehen das als durchaus vertretbare Möglichkeit an. Deswegen habe ich meiner Fraktion empfohlen, dem CDU-Antrag zu diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Sicherlich ist das auch nicht der ganz große Wurf, wie wir ihn uns vielleicht vorstellen könnten. Zumindest ist das aber besser als die Regelungen, die jetzt im bisherigen Entwurf stehen.

Leider wurde der Punkt der richterlichen Anhörung – wir hatten das im Ausschuss erwähnt; in der Anhörung haben wir mehrfach Zustimmung von Betroffenen, aber auch von den Fachkräften erhalten – überhaupt nicht aufgegriffen. Für uns wäre er im Interesse des Schutzes der Patientinnen und Patienten tatsächlich elementar. Es wäre von elementarer Bedeutung, wenn dort die richterliche Anhörung noch einmal erweitert und geregelt werden würde.

Alles in allem werden wir aufgrund des nicht ganz zufriedenstellenden Verfahrens und auch nicht ganz zufriedenstellenden Ausgangs dieses Verfahrens dem CDU-Antrag zustimmen. Den Entschließungsantrag von Rot-Grün werden wir ebenso wie den jetzt vorliegenden Gesetzesentwurf ablehnen.

Ich hoffe dennoch, dass einige der im Entschließungsantrag aufgeführten wichtigen Punkte aufgegriffen werden und am Ende für die betroffenen Patientinnen und Patienten sinnvoll und vernünftig geregelt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Düngel.

Bevor ich Frau Ministerin Steffens für die Landesregierung das Wort erteile, möchte ich, weil es jetzt zweimal in Redebeiträgen angesprochen worden ist, darauf hinweisen, dass Frau Birkhahn selbst eben in ihrem Redebeitrag deutlich gemacht hat, dass es keinen Änderungsantrag der CDU-Fraktion mehr geben wird. Ich sage das nur, damit kein Missverständnis besteht. – Frau Ministerin Steffens, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herzlichen Dank, dass das gerade noch einmal klargestellt worden ist. Ich bin der CDU auch dankbar dafür, dass sie den Antrag zurückgezogen hat, auch wenn ich mit ihr bei diesem Punkt in der Sache übereinstimme.

Wir haben als Ministerium selber versucht, diesen Punkt zu prüfen. Denn ich finde es sehr problematisch, dass es bei Kindern eine alleinige Elternentscheidung gibt und überhaupt kein Richter einbezogen ist. Wir mussten leider im Laufe des Verfahrens

feststellen, wie Sie es gerade auch gesagt haben, dass wir das als Land nicht abschließend befriedigend lösen können. Eine Landeslösung wäre immer eine, bei der das Verwaltungsgericht entscheiden würde. Und wir wissen, dass ein Verwaltungsgericht eine solche Entscheidung nicht treffen kann.

Deswegen muss es eine bundesrechtliche Regelung geben, damit in Bezug auf die Familien auch Betreuungsrichter einbezogen werden können. Wir brauchen an dieser Stelle einfach die Unterstützung der Bundesregierung. Inhaltlich gibt es aber, glaube ich, eine breite Unterstützung dieser Position. Die entsprechende Notwendigkeit besteht auch, glaube ich.

Wir haben heute den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten hier vorliegen. Wir haben auch eine Reihe von Begründungen für die Notwendigkeit dieses Gesetzes gehört. Klar ist, dass das noch geltende Gesetz aus dem Jahr 1999 stammt und es damit auch viele Regelungen zu Unterbringungsmaßnahmen enthält, die den heutigen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr entsprechen, aber auch der UN-Behindertenrechtskonvention konträr entgegenstehen. Deswegen war es wichtig, diese Probleme zu heilen. Natürlich waren in Teilbereichen auch die Probleme aus der Umsetzungspraxis zu behandeln.

Wir haben die Gesetzesänderung breit diskutiert. An vielen Stellen haben wir sie gemeinsam mit den unterschiedlichen Akteuren – natürlich auch in den Anhörungen des Ministeriums – diskutiert. Deswegen verstehe ich auch nicht die Positionen, die als Kritikpunkte vonseiten der FDP noch einmal eingebracht worden sind.

Zum Beispiel geht es dabei darum, dass wir eine Alternative zur Fixierung, nämlich das Festhalten, anbieten. Sie haben auch heute wieder hier gesagt, das ginge ja nicht; das sei mit der Regelung in Großbritannien nicht vergleichbar. Baden-Württemberg praktiziert das mit dem baden-württembergischen PsychKG schon seit zwei Jahren sehr erfolgreich. Das heißt, auch diese Punkte, die in der Anhörung von dem einen oder anderen kritisch gesehen worden sind, funktionieren in der Praxis in Ländern, in denen sie eingeführt wurden, hervorragend. Deswegen halte ich es auch für wichtig, dass wir in Nordrhein-Westfalen einen solchen Weg aufzeigen. Es ist keine zwingende Maßnahme, aber eine, die adäquat und alternativ eingesetzt werden kann.

Uns war bei dem gesamten PsychKG und den Änderungen wichtig, dass wir die Bedenken in Bezug auf die heutigen Gesetze und vor allen Dingen auch auf die erlebten Behandlungspfade und Behandlungswege – sie wurden von Menschen vorgebracht, die psychiatrieerfahren sind – mit aufgreifen. Deswegen ist es wichtig, dass die Menschen, die in die Psychiatrie kommen, umfassende Informationen erhalten,

dass Angebote der Behandlungsvereinbarung gemacht werden, die dann auch wirklich Beachtung finden, dass Patientenverfügungen in die Behandlungen einfließen und dass Zwangsmaßnahmen am Ende wirklich nur die Ultima Ratio sein können und dürfen. Das alles regelt das Gesetz. Dies ist ein, wie ich finde, wichtiger Punkt.

Es ist auch entscheidend, dass bei Zwangsbehandlungen bei krankheitsbedingter Einsichtsunfähigkeit die Grenzen heute starr gesetzt werden, sodass das nur noch möglich ist, wenn eine rechtzeitige Ankündigung erfolgt ist und eine weniger eingreifende Maßnahme aussichtslos ist, wenn der Nutzen für die Betroffenen die Beeinträchtigung überwiegt und wenn der Versuch vorausgegangen ist, die Zustimmung der Betroffenen zu erreichen. Das sind also Maßnahmen, bei denen die Haltung und das Selbstbestimmungsrecht der Menschen auch immer wieder im Vordergrund stehen müssen.

Es ist mir wichtig, weil vonseiten der CDU auch die Kritik kam, die Milieutherapien würden noch keinen Einfluss finden, noch Folgendes klarzumachen: Wir haben jetzt das PsychKG. Dann kommt der Landespsychiatrieplan. Aus den Erfahrungen des Landespsychiatrieplans heraus werden dann weitere Maßnahmen und Änderungen bezüglich der Umsetzung in der Praxis kommen.

Wenn Sie vonseiten der FDP sagen, es müsse mehr ambulante Versorgung geben, und das Ganze auf Bundesebene als ein Stück weit unrealistisch beschreiben, erwidere ich, dass wir gerade erst auf Druck der Länder vonseiten der Bundesregierung das Home Treatment, also die ambulante Versorgung, auch als Finanzierungssystem verankert bekommen haben.

Lassen Sie mich, weil keiner der Redner darauf eingegangen ist, noch einen letzten Punkt ansprechen. Ich bin dankbar dafür, dass die Koalitionsfraktionen in Art. 2 ihres Änderungsantrags eine Novellierung im Krankenhausgestaltungsgesetz vorschlagen.

Diese ist notwendig, weil es im Krankenhausstrukturgesetz und im SGB V auf Bundesebene insoweit Änderungen gab, als dass der Gemeinsame Bundesausschuss Qualitätsindikatoren für Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität beschließen kann.

Wir brauchen diese Änderung; denn durch die vorgesehene Änderung des § 13 des Krankenhausgestaltungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen sind Qualitätsindikatoren im Landeskrankenhausplan selber zu verankern. Damit unterliegen wir letztendlich nicht dem G-BA, sondern machen hier unsere Regelung.

Zugleich wird mit der Änderung des § 21 den Krankenhäusern ein begrenzter rückwirkender Einsatz der Pauschalmittel für die Rückzahlung von Darlehen ermöglicht. Auch das ist wichtig, damit die Krankenhäuser teure Altkredite ablösen können.

In diesem Sinne bin ich froh über diese Änderungsanträge und freue mich darüber, dass wir dieses Gesetz auch so auf den Weg bringen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Steffens. – Obwohl Frau Ministerin Steffens ihre Redezeit um gut eine Minute überzogen hat, gehe ich davon aus, dass niemand mehr das Wort wünscht. – Das bleibt auch so. Dann schließe ich an dieser Stelle die Debatte zum Tagesordnungspunkt 8.

Wir kommen erstens zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/12068. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in Drucksache 16/13551, den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses anzunehmen. Damit kommen wir zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und nicht über den Gesetzentwurf. Wer der Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die CDU, die FDP und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Beschlussempfehlung Drucksache 16/13551 mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen und der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses in zweiter Lesung verabschiedet.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/13623. Wer möchte diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch der Entschließungsantrag mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen worden.

Ich rufe auf:

9 Neuntes Gesetz zur Änderung der gesetzli

chen Befristungen im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/13260