Protocol of the Session on November 10, 2016

So verlangt zum Beispiel die UN-Behindertenrechtskonvention, dass Barrierefreiheit als gesellschaftliche Aufgabe und nicht als individuelles Schicksal wahrgenommen wird. Um es kurz zu machen, sage ich: Behindert ist man nicht, behindert wird man.

Das muss sich aber auch bei der Finanzierung der Eingliederungshilfe bemerkbar machen. In dem Fall darf es keine Einkommensgrenzen geben. Alles andere würde die UN-Behindertenrechtskonvention nicht umsetzen.

Am 23. September befasste sich der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung und gab eine Stellungnahme an den Bundestag ab.

Anscheinend war der rot-grüne Antrag jetzt nötig; denn vieles von dem, was wir in dem Antrag lesen, war in der Stellungnahme des Bundesrats nicht enthalten. Also offensichtlich muss hier die Landesregierung von den sie tragenden Fraktionen zurechtgewiesen werden. Das ist ein schon recht einmaliger Vorgang. Aber vielleicht wird sich die Landesregierung dann im Bundesrat demnächst anders verhalten; denn das Gesetz ist zustimmungspflichtig. Gerade deshalb werden auch wir diesem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Fricke. – Als nächster Redner ist für die Landesregierung Herr Minister Schmeltzer gemeldet. Herr Minister Schmeltzer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Anhörung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat uns gezeigt, wie intensiv und wie vielfältig der Entwurf des Bundesteilhabegesetzes tatsächlich diskutiert wird. Auch bei einer Vielzahl von Terminen, die ich in den vergangenen Wochen wahrgenommen habe, erst heute hier im Hause wieder, war das BTHG natürlich ein zentrales Thema. Es hat immer wieder einen regen Austausch zwischen den Betroffenen, den Verbänden, aber auch den kommunalen Spitzen gegeben.

Das ist für mich sehr erfreulich, denn die Qualität eines Gesetzes hängt oftmals von der Vielfalt und Qualität der vorhergehenden Diskussionen ab.

Der Landtag in Nordrhein-Westfalen hat schon frühzeitig Leitplanken markiert und die zentralen Elemente festgelegt, für die wir als Landesregierung eintreten sollen. Insofern begrüße ich natürlich die erneute Initiative der Regierungsfraktionen, eine Bestandsaufnahme des bisherigen Prozesses vorzunehmen.

Ich empfinde den Antrag aber auch als Rückenwind für die weiteren Verhandlungen gegenüber der Bundesregierung. Ich muss an dieser Stelle wohl nicht extra darauf hinweisen, wie zäh und wie schwierig die Verhandlungen sind, insbesondere dann, wenn es darum geht, den Bund in die finanzielle Verantwortung für die Mehrkosten des BTHG zu nehmen.

Ich möchte auf einige wenige Punkte des Antrages eingehen, die die Landesregierung offensiv im Bundesrat vertreten hat; das ist zum einen der von meinen Vorrednern schon angesprochene § 43a.

Die geplante Erweiterung des § 43a SGB XI ist abzulehnen. Denn diese Regelung, meine Damen und Herren, ist nicht nur ungerecht, sondern sie gefährdet auch massiv den großen Erfolg Nordrhein-Westfalens bei der sogenannten Ambulantisierung. Über den weithin positiv verlaufenden Prozess des Ausbaus ambulanter Wohnformen habe ich erst kürzlich dem Sozialausschuss berichtet. Diese positive Entwicklung darf nicht durch die Bundesgesetzgebung konterkariert werden.

Zur Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege: Wir sehen es als großes Problem an, dass im Entwurf der Bundesregierung keine eindeutige und rechtssichere Lösung gefunden wurde. Wir brauchen aber eine klare Abgrenzung der Leistungen. Ohne eine klare Abgrenzung wären diejenigen, die eben auf die Leistungen angewiesen sind, die Leidtragenden. Deshalb haben wir eine Alternative entwickelt, die sich an den

Lebenslagen der Menschen orientiert und somit eine klar definierte Abgrenzung ermöglicht. Dieser Antrag hat eine deutliche Mehrheit im Bundesrat erhalten.

Drittens, die Evaluationsklausel. Keiner der heute Leistungsberechtigten darf durch das Netz des BTHG fallen. Das ist unser erklärtes Ziel. Wir haben hierzu eine sogenannte Evaluationsklausel entwickelt, mit der schon im nächsten Jahr, also vor dem endgültigen Inkrafttreten der vollständigen Reform der Eingliederungshilfe im Jahr 2020, festgestellt werden soll, ob einer der heute Leistungsberechtigten zukünftig ab 2020 aus dem Leistungskatalog herausfällt. Sollten wir eine solche Fallkonstellation feststellen, dann haben wir die Möglichkeit, hier entsprechend gegenzusteuern.

Ich halte diese Lösung für weitsichtig und zugleich pragmatisch, denn wir brauchen ein modernes Gesetz der Teilhabe, das eben keinen ausspart, der heute Leistungen erhält. Hier müssen wir dafür sorgen, den Betroffenen ihre Ängste und ihre Sorgen zu nehmen. Zudem haben Bund und Länder immer auch eine beliebige Ausweitung des Personenkreises ausgeschlossen.

Viertens, der Finanzausgleich. Die Evaluationsklausel hat auch eine zweite, sehr wichtige Funktion. Wir wissen heute nicht verlässlich, welche zusätzlichen Kosten insbesondere auch für die Kommunen durch das BTHG entstehen. Auch die Finanzübersicht des Bundes ist hier unzureichend und kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine seriöse Aussage treffen. Schlicht gesagt, wir können heute nicht mit Sicherheit sagen, welche Kosten für uns morgen entstehen.

Für uns steht fest, das BTHG darf nicht zu einem Kostenrisiko sowohl für das Land als auch für die Städte und Kommunen hier in Nordrhein-Westfalen werden. Deshalb ist an die Überprüfungsklausel auch ein robuster Finanzausgleich gekoppelt. Ergo, wird das BTHG teurer als vom Bund geplant, so hat auch dieser die Mehrkosten zu tragen. Da der Bund von keinen Mehrkosten ausgeht, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnte er also ohne Bedenken diesem Vorschlag eines Finanzausgleiches zustimmen.

Meine Damen und Herren, das BTHG gehört mit Sicherheit zu den größten sozialpolitischen Reformvorhaben des letzten Jahrzehnts. Es wird zu einer deutlichen Verbesserung der Lebenssituation der Menschen mit Behinderung beitragen.

Das erkennen auch die betroffenen Verbände ganz genauso an. Ich kann mich an die Landesdelegiertenversammlung der Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen am letzten Samstag erinnern. Dieser Lebenshilfe Nordrhein-Westfalen sitzt der CDU-Bundestagsabgeordnete Schummer vor. Ich wäre sehr dankbar, wenn nicht nur die Zustimmung auf der Landesdelegiertenversammlung dort von ihm sehr deutlich zutage tritt, sondern wenn er sich auch genauso mit die

ser Zustimmung aus der Landesdelegiertenversammlung in der CDU-Bundestagsfraktion für dieser Belange einsetzt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

An den Stellen, an denen wir in der Tat Schwächen festgestellt haben, wirken wir sehr massiv über den Bundesrat auf entsprechende Verbesserungen hin, sodass auch im Sinne des Antrags von SPD und Grünen am Ende ein gutes Gesetz stehen wird. Und das, lieber Kollege Preuß, hat nichts mit In-PanikVerfallen zu tun, vielmehr mit einer sehr verantwortungsvollen Interessenvertretung des größtes Landesparlaments für die betroffenen Menschen mit Behinderung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Schmeltzer.

Wir kommen zur Abstimmung. SPD und Grüne haben direkte Abstimmung beantragt. Wer also stimmt dem Antrag zu? – SPD und Grüne und die Piratenfraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Niemand. Wer enthält sich? – Es enthalten sich CDU und FDP. Damit ist der Antrag Drucksache 16/13318 einstimmig bei Enthaltung von CDU und FDP angenommen.

Ich rufe auf:

18 Rasenmäher statt RasenmäherIn – unsere

Sprache nicht verrenken!

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/13311

Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Schneider von der FDP-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu dieser Stunde finden derzeit in weiten Teilen Nordrhein-Westfalens die traditionellen Martinsumzüge mit vielen leuchtenden Laternen statt. Auch die Augen der Kinder beginnen zu leuchten, spätestens dann, wenn sie abschließend einen Stutenkerl oder einen Weckmann bekommen. Oder sollte ich besser in Gendersprechform Weckfrau, Stutenfräulein oder noch besser von Wecks oder Stutens sprechen?

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Den Kindern wäre das egal!)

Das versteht kein Mensch, ob groß oder klein. Genau hiermit befasst sich unser Antrag.

Vorweg möchte ich für meine Fraktion erklären, dass wir Liberale jegliche Art von Diskriminierung, sei es

aufgrund der ethnischen, der sozialen Herkunft, des Geschlechts, der Weltanschauung, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder aufgrund der sexuellen Orientierung aufs Schärfste verurteilen.

(Beifall von der FDP)

Deshalb sagen wir Ja zu sprachlichen Äußerungen, die Respekt gegenüber den Kommunikationsteilnehmern zeigen. Geschlechtergerechte Sprache kann ein Baustein für die Gleichstellung aller Geschlechter sein. Wir sagen aber entschieden Nein zu sprachlichen Äußerungen, die zur Gleichmacherei von Lebewesen und Gegenständen führen.

(Beifall von der FDP)

Was haben wir davon, wenn der Papierkorb zur Papierkörbin wird oder, wie bereits in NRW geschehen, Studentenwerke zu Studierendenwerken werden?

(Beifall von der FDP)

Unsere Sprache wird dadurch umständlich, also anwendungsunfreundlich. Außerdem sind mit solchen Umbenennungen immer unnötige immense Kosten und bürokratische Akte verbunden.

(Beifall von der FDP)

Das wollen wir Liberale nicht, zumal es auch nicht unsere Gesellschaftsstruktur widerspiegelt, geschweige denn unserer sprachlichen Realität entspricht.

Wir befürworten und befördern eine liberale, freiheitlich orientierte und tolerante Gesellschaft, in der jeder sein Leben nach seiner Vorstellung und seiner Fasson gestalten und leben darf.

(Beifall von der FDP)

Herr Präsident, wehrte Kollegen, immer wieder werden wir mit teilweise absurden Sprachverbesserungen im Bereich der geschlechtergerechten Sprache konfrontiert, die das Anliegen ad absurdum führen. Wenig überraschend begegnen Journalisten, aber auch zahlreiche Kabarettisten den Vorschlägen mit einer Mischung aus Verwunderung und Sarkasmus, und das auch nicht unbegründet. Hier ein paar Beispiele:

1994 beschließt die Oldenburgische Stadt Buchholz, viele Bezeichnungen zu verweiblichen, also Bürgerinnensteige, Nichtraucherinnenabteile, der Stadträtin mit seinem Bürgermeisterin Joachim. 2013 wurde die Grundordnung der Leipziger Universität verweiblicht. Seitdem heißt es nicht mehr Herr Professor, sondern Herr Professorin.

Die Berliner Humboldt-Universität wollte wohl keinem Geschlechtertyp auf die Füße treten. Deshalb sind dort seit zwei Jahren alle Lehrenden Profx und die Studenten Studentx. 2014 dann die Ampelzeichendebatte für Fußgänger: Ampelmännchen oder Ampelfrauchen.

Vor einem Jahr, im November 2015, brachten die Grünen die geschlechtsneutrale Sprache mit dem Gender-Star heraus

(Karlheinz Busen [FDP]: Typisch Grüne!)