Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion Frau Kollegin Spanier-Oppermann das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Man hört es schon im Titel dieses Antrages: Stichworte rund um eine neue Form der Arbeitswelt: Microworking, Collective Knowledge, Creative-Content-Marktplätze, Clickworking und vieles mehr.
All das sind Formen des Crowdworking. Unter dem Begriff Click- und Crowdworking versteht man Projekte, die von Unternehmen in einzelne Arbeitsaufgaben, sogenannte Microtasks, zerlegt werden und – das ist neu – über das Internet eine Konkurrenz zwischen den Beschäftigten schaffen – weltweit, sieben Tage, 24 Stunden am Tag. Die Crowdworker sind also eine Vielzahl voneinander unabhängiger, quasi anonym arbeitender Beschäftigter, die sich online um Aufträge bewerben. Das ist ein Paradebeispiel für die Digitalisierung der Arbeitswelt.
Wie in den meisten Bereichen existieren aber auch hier sowohl Licht- als auch Schattenseiten. Besonders die Kreativbranche und die Startup-Unternehmen profitieren durch das Crowdworking von der kreativen Power der Crowds. Die Möglichkeiten und Ressourcen sind beinahe unbegrenzt. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich Unternehmen die Masse der Crowd und die weitgehende Anonymität zunutze machen und sozialversicherungspflichtige Jobs durch Microtasks ersetzen.
Auch ist nicht wirklich klar, welchem Daten-, Gesundheits-, Rechts- und Eigentumsschutz die Arbeiten und Daten der Crowdworker unterliegen, da diese über unterschiedlichste Plattformen angeworben und angeboten werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Crowdworking wurden in der Rechtsprechung bislang nur ansatzweise beleuchtet. Weder das Arbeits- noch das Sozialversicherungsrecht sind auf die Besonderheiten des Click- und Crowdworking eingestellt.
Crowdworking hat das Potenzial, die Arbeitswelt erheblich zu verändern und tut dies teilweise auch schon. Das Potenzial, das es birgt, darf jedoch nicht zu einer „Ausbeutung 4.0“ werden.
(Im Plenarsaal herrscht eine hohe Geräusch- kulisse. – Ina Spanier-Oppermann [SPD] wen- det sich dem Präsidenten zu.)
Es ist hier doch ein bisschen laut, muss ich Ihnen ehrlich sagen. Im Moment stört es mich. Ich bin sonst nicht so empfindlich.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer wichtige Gespräche führen möchte, der möge das möglichst außerhalb des Plenarsaals tun. – Bitte schön.
Okay. Das war jetzt doch etwas störend. – Sollten Unternehmen massenhaft auf die Arbeitskraft der Crowd und der Community zurückgreifen, muss auch sichergestellt werden, dass die Arbeit mit geltendem Recht vereinbar ist und die Arbeitnehmer entsprechend entlohnt werden. Ansonsten bekommen wir mit den Click- und Crowdworkern eine weitere Gruppe, die prekär beschäftigt sein wird.
Grenzenlose Vernetzung von freien Kapazitäten und Ressourcen darf nicht zu einer grenzenlosen Ausnutzung von Humankapital führen. Nach meiner Erfahrung ist diese Arbeitswelt schon fast am Punkt der maximalen Flexibilität angekommen, die von Unternehmen oft gefordert, von den Menschen jedoch häufig aus der Not heraus gewählt wird. Ich persönlich habe über 25 Jahre in einem ähnlichen Bereich gearbeitet und weiß: Menschen brauchen Anker. Sie können nicht auf Dauer diese maximale Flexibilität leben, denn sie macht sie krank. An dieser Stelle haben wir als Gesetzgeber dafür zu sorgen, Pflöcke einzuschlagen und Grenzen zu setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem gemeinsamen Antrag wird ein wichtiger Aspekt im Rahmen der digitalisierten Arbeitswelt angesprochen, den wir im politischen Fokus behalten müssen. Die SPDFraktion stimmt daher dem Entschließungsantrag zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird unsere beruflichen Tätigkeiten nachhaltig beeinflussen. Die bereits bestehende Entwicklung hin zur Wissensgesellschaft wird durch die Digitalisierung weiter fortgesetzt.
Der digitale Wandel läuft im globalen Maßstab ab und bringt selbst weit entfernte Regionen und Personen in engen Kontakt miteinander. Dies hat zur Folge, dass der weltweite Wettbewerb sowie die internationale Arbeitsteilung zunehmen werden – eine Arbeitsteilung bis ins Kleinste. Sowohl in den Büros als auch in den Fabriken wird die digitale Arbeit immer mehr zum Standard. Knapp ein Viertel der Produktion in Deutschland läuft bereits heute voll- oder hochautomatisiert ab.
Dieser Wandel bietet für Unternehmen wie im technologiestarken Deutschland viele Chancen. Industrie 4.0 mit den neuen Produktionswelten ermöglicht Produktivitätssteigerungen, mehr Kundennähe und bietet zum Beispiel dem Maschinen- oder Automobilbau große Exportchancen.
Darüber hinaus ermöglicht der digitale Arbeitswandel vermehrt Arbeitsmodelle wie die Telearbeit und weitere neue Arbeitsformen. Während die Arbeit in der Fabrik meist zeit- und ortsgebunden ist, können viele Dienstleistungen und Verwaltungstätigkeiten mit digitalen Arbeitsmitteln potenziell von jedem Ort und zu jeder Zeit ausgeübt werden. Dies bietet neue Freiräume für ein stärker selbstbestimmtes Arbeiten und verbesserte Möglichkeiten, Arbeit, Familie und Freizeit flexibler nach den individuellen Bedürfnissen auszubalancieren. Das hat auch die Anhörung im Ausschuss zu diesem Thema sehr deutlich ergeben.
Diese Entwicklung kann aber auch zu einer zeitlichen und räumlichen Entgrenzung von Arbeit führen. Die Arbeit wird nicht mehr in den Unternehmen während der üblichen Kernarbeitszeiten erbracht, sondern auch am Abend und am Wochenende. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. In Zukunft wird die Erledigung der Aufgabe im Vordergrund stehen. Was bedeutet es für die bekannten Arbeitsmodelle, wenn Aufträge im Internet vergeben werden, sich mehrere Beteiligte daranmachen, sie gemeinsam virtuell zu erledigen – und das auch noch in unterschiedlichen Zusammensetzungen?
Die CDU-Landtagsfraktion sieht in der Digitalisierung der Arbeitswelt eine Herausforderung und eine Entwicklung, die man aktiv beeinflussen kann und beeinflussen muss. Sie bietet Chancen auf Wohlstand und qualifizierte Arbeit, birgt aber auch Herausforderungen für die Beschäftigten und für die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen.
Durch die Digitalisierung werden sich Tätigkeitsfelder und Berufsbilder verändern. Es ist die Aufgabe der Politik, die damit verbundenen Veränderungsprozesse im Interesse der Menschen zu begleiten und
die richtigen Rahmenbedingungen durch Maßnahmen im Bereich der Arbeitswelt, des Rechts, der Infrastruktur sowie der Bildungsangebote zu setzen. Mobile Arbeit oder grenzüberschreitende Telearbeit müssen durch entsprechend angepasste und flexible arbeitsrechtliche Regelungen flankiert werden.
Allerdings sollte man nicht den Fehler machen, zu versuchen, vorauseilend Dinge zu regulieren, die noch gar nicht zu fassen sind. Herr Minister Schmeltzer hat bei dem vorherigen Tagesordnungspunkt sehr deutlich gemacht, dass sich die Auswirkungen der Digitalisierung noch nicht fassen lassen, und er hat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass auf der Bundesebene bereits intensiv über das Thema diskutiert wird. Im April des vergangenen Jahres startete der große, durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales angestoßene Dialog „Arbeiten 4.0“. Der Dialog soll Ende 2016 mit einem Weißbuch seinen Abschluss finden.
Meine Damen und Herren, das ist auch der Grund, warum wir derzeit keine Notwendigkeit sehen, eine Studie zu dem Thema „Click- und Crowdworking in Nordrhein-Westfalen“ durchzuführen, wie es in dem Antrag der Piratenfraktion und jetzt auch in dem vorliegenden Entschließungsantrag gefordert wird. Stattdessen sollten unserer Ansicht nach zunächst die Ergebnisse des Dialogs in Ruhe abgewartet und dann ausgewertet werden, um in einem nächsten Schritt nach möglichen Handlungsoptionen zu suchen. Deshalb lehnen wir die Anträge heute ab. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirtschaft und Gesellschaft durchlaufen derzeit grundlegende und richtungsweisende Veränderungen. Die Digitalisierung wirkt sich schon heute auf unser Leben aus: auf die Art, wie wir kommunizieren, wie wir uns informieren, wie wir produzieren und wie wir konsumieren.
Bisher erfolgreiche Geschäftsmodelle verlieren ihre Grundlage. Völlig neue Produktionsweisen und Vermarktungskonzepte entstehen und entwickeln sich weiter. Noch kann niemand sagen, wie unsere Arbeitswelt zukünftig genau aussehen wird. Vieles spricht aber dafür, dass sie kommunikativer, vernetzter, flexibler und sicher technologischer sein wird als je zuvor.
Den Umbruch, in dem wir uns durch die Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung befinden, müssen wir gestalten, auch politisch. Dabei müssen
die Interessen der Beschäftigten und der Wirtschaft in ein ausgewogenes Verhältnis gesetzt werden. Die Digitalisierung stellt uns vor neue Herausforderungen. Sie kann dauernde Verfügbarkeit und Mehrarbeit erzeugen. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, abhängiger und selbstständiger Tätigkeit sowie zwischen Selbstbestimmung und Selbstausbeutung verschwimmen.
Viele Menschen versuchen ihr Glück als Selbstständige in der digitalen Wirtschaft. Sie sind dabei oft nicht ausreichend gegen Arbeitslosigkeit sowie die Folgen von Alter und Krankheit abgesichert. Avantgarde trifft Prekariat – oft ist es beides zugleich.
Über die Rolle von Onlineplattformen für Dienstleistungen muss politisch und rechtlich diskutiert werden. Onlineplattformen müssen sich ihrer Verantwortung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Mitbestimmung und der Entlohnung der vermittelten Dienstleistungen stellen.
Die Digitalisierung birgt das Risiko der Entgrenzung von Arbeit. Immer häufiger treten Selbständige als sogenannte Cloud-, Crowd- oder Clickworker auf. Hierdurch wird globales Arbeiten möglich. Unternehmen können Menschen auf der ganzen Welt beschäftigen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können als Selbstständige auf der ganzen Welt Arbeitsaufträge über das Internet annehmen und ausführen. Es fehlt jedoch eine durchschaubare Gehaltsstruktur. Es fehlen Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte. Es fehlt der Sozialversicherungsschutz.
Deshalb begrüßen wir Grüne es, dass wir uns in Nordrhein-Westfalen, ausgehend von einem Antrag der Piraten, dieses Themas annehmen und eine Studie in Auftrag geben. Ich bedauere es, dass die CDUFraktion da nicht mit aufspringen konnte; denn wir sind uns fachlich einig, und es wäre gut gewesen, wenn wir diese Studie gemeinsam in Auftrag gegeben hätten. Schade, dass Sie da nicht mitmachen.
Wir wollen durch diese Studie erfahren, in welchem Umfang Click- und Crowdworking in NRW praktiziert wird und welche Chancen dies für unseren Arbeitsmarkt bietet, aber auch, wie man den Risiken entgegenwirken kann. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt ähnlich grundlegend verändern wie viele andere Lebensbereiche. Wir sind auf dem Weg
zu Industrie 4.0, zu neuen Formen der Produktion. Wir erleben neuartige Dienstleistungen und die Verlagerung von Wertschöpfung in die digitale Welt. Die digitale Arbeitswelt oder Arbeit 4.0 ist daher sicher ein Megathema sowohl für die betroffenen Beschäftigten wie auch für die Gesellschaft insgesamt.
Wir sehen dabei aber vor allem die Chancen dieser Entwicklung – ganz im Gegensatz zu SPD, Grünen und Piraten, die vorrangig die Risiken betonen. Wir wollen nicht nur relativ einfache Tätigkeiten im Click- und Crowdworking betrachten. Sicher gibt es eine Aufteilung von simplen Prozessen in kleinteilige Arbeitsschritte, die mit wenigen Klicks zu bearbeiten sind und keine besondere Qualifikation erfordern. Wir dürfen aber nicht vernachlässigen, dass dies auch Einstiegschancen für Menschen bietet, die bisher nur schwer einen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt gefunden haben. Darüber hinaus können sich so zum Beispiel Studenten auch ohne großen Aufwand etwas hinzuverdienen. Herr Fuß von der IG Metall hat in der Anhörung gerade auf diese Chancen hingewiesen.
Crowdworking besteht aber ebenso aus Aufträgen, die für die Bearbeitung komplexer Problemlösungen spezielles Fachwissen erfordern und entsprechend honoriert werden. In der digitalen Arbeitswelt entstehen viele hochqualifizierte und spezialisierte Tätigkeitsfelder, wie zum Beispiel bei der Entwicklung von Apps oder auch bei der Erstellung von anspruchsvollen und ansprechenden Inhalten.
Aus liberaler Sicht bietet die digitale Arbeitswelt Menschen mehr Chancen, selbstbestimmt zu arbeiten, sich die Arbeitszeit und Organisation selber einzuteilen. Dies kann auch zu besserer Vereinbarkeit von Arbeit, Familie, Weiterbildung und Freizeit beitragen. In der Anhörung hat Frau Falkenberg das schön am eigenen Beispiel beschrieben. Ich zitiere:
„Ich profitiere sehr davon, ortunabhängig und zeitunabhängig arbeiten zu können. Ich genieße es, dass ich, wenn eine meiner Töchter krank ist, vielleicht abends oder am Wochenende nacharbeiten kann.“
Wir dürfen natürlich die Gefahren nicht übersehen, wenn Einnahmen aus Click- und Corwdworking nicht ausreichen, um neben dem Lebensunterhalt auch eine Absicherung für den Krankheitsfall oder das Alter zu finanzieren. Doch Ihre Antwort hierauf ist zu einfach.
Der vorliegende Entschließungsantrag stellt zwar zunächst wissenschaftliche Untersuchungen in den Vordergrund, fordert aber letztendlich neue bundesgesetzliche Regulierungen. In der Konsequenz zielen sie darauf ab, selbstständige Tätigkeiten zu regulieren und einzuschränken und möglichst in abhängige Beschäftigungsverhältnisse zu überführen. Wollen das aber die betroffenen Menschen überhaupt?
Wollen sich all diese Click- und Crowdworker überhaupt in eine abhängige Beschäftigung zwängen lassen? Oder wollen sie nicht viel lieber selbstständig tätig bleiben?
In der Anhörung wurde auf einen weiteren Aspekt hingewiesen. Wenn Tätigkeiten für entsprechende Plattformen mit einer Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verbunden werden, dann wird dies bei einer globalen Auftragsvergabe zum Nachteil deutscher Auftragnehmer führen. So werden Click- und Crowdworker in unserem Land entweder gar keine Aufträge mehr erhalten oder ihnen wird deutlich weniger vom Honorar übrigbleiben.
Diese zunehmende Regulierung und Einschränkung von selbstständigen und neuen Arbeitsformen ist aber nicht nur in diesem Antrag zu finden. Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze stellt unter anderem unter dem Schlagwort „Bekämpfung vermeintlichen Miss