Sie haben hier kritisiert, dass nordrhein-westfälische Schülerinnen und Schüler sowie Studenten ins Ausland gehen und in England studieren,
Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen doch in einem gemeinsamen Europa leben. Da schließe ich Großbritannien bewusst noch mit ein; denn in einem Werteeuropa, in dem wir den Austausch brauchen, wollen wir sie ja nicht ausschließen. Wir brauchen also diesen Austausch. Wir brauchen es, dass junge Menschen nach Großbritannien gehen und dass junge Menschen aus Großbritannien zu uns kommen.
Das hat nichts mit einer Schwäche des Bildungssystems zu tun. Im Gegenteil: Unsere jungen Menschen fühlen sich augenscheinlich durch das Bildungssystem hier gut genug vorbereitet, um ins Ausland zu gehen und sich da weiterzubilden.
Wenn Sie das wirklich zum Maßstab der Politik machen wollen, dann schauen Sie sich einmal an – ich habe die Zahlen jetzt leider auf meinen Platz liegen lassen –, wie viele Studentinnen und Studenten aus dem Ausland zu uns kommen, weil sie dieses Bildungssystem in Nordrhein-Westfalen so gut finden.
Es sind doppelt so viele wie zu Ihrer Regierungszeit. Nach Ihrer Logik hat sich die Qualität der Regierungsarbeit damit mindestens verdoppelt. Nach meiner Logik und nach dem, was heute in dieser Debatte deutlich geworden ist, hat sie sich mehr als verdoppelt.
Herr Lindner, das, was Sie gerade hier ausgeführt haben, hat Sie für alle politischen Aufgaben in Land und Bund disqualifiziert.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Frau Ministerpräsidentin Kraft.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nur noch … Ich habe gar keine Zeit mehr? Doch ich habe noch Zeit.
Es ist noch ein bisschen Zeit übriggeblieben; dann kann ich nur noch antworten. – Herr Lindner, ich empfehle Ihnen einen Blick auf die Seite von NRW.INVEST. Dort ist das ausgewiesen. Die Quelle ist Deutsche Bundesbank.
Da stehen auch die Definitionen für Investition in ein Unternehmen mit einem Anteil, der 50 % übersteigt – wahrscheinlich 50,1 % –, für Erweiterungsinvestitionen und Neuinvestitionen. All das können Sie dort genau nachlesen. Dann sehen Sie auch die Größenordnung.
Ich entschuldige mich dafür, wenn ich Sie beim Arbeitsmarkt falsch verstanden habe. Das ist dem geschuldet, dass ich versucht habe, viel mitzuschreiben. Das ist mir nicht geglückt. Dafür entschuldige ich mich.
Dennoch, glaube ich, ist es gut, darauf hinzuweisen, wie die Arbeitslosenzahlen sich entwickelt haben.
Aber Sie haben noch einen großen Fehler gemacht, indem Sie Herrn Becker in den Mittelpunkt gerückt haben. Er hat sich da über die Harmonisierung von Förderungsbedingungen geäußert. Ich finde, darüber kann man sich nun wirklich nicht beklagen. Ich glaube, dass es richtig ist, das zu tun. Wenn ich das
noch etwas amüsiert sagen kann: Sie unterscheiden nicht mal zwischen Fuchs und Wolf in diesem Land. – Danke.
Vielen Dank. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt am Ende der Aussprache über das Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes NordrheinWestfalen für das Haushaltsjahr 2017.
Wir werden später das Haushaltsgesetz und das Gemeindefinanzierungsgesetz gemeinsam an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie die zuständigen Fachausschüsse überweisen.
Ich erteile Herrn Innenminister Ralf Jäger das Wort zur Einbringung des Gemeindefinanzierungsgesetzes.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren auf den Rängen! Liebe Bürgerinnen und Bürger im Stream! Und selbstverständlich: Lieber Herr Präsident! Nach der Aussprache des heutigen Vormittags, in der eher die politische Lage allgemein diskutiert wurde, wird es jetzt etwas technischer. Es geht beim Gemeindefinanzierungsgesetz um die Frage, wie wir die Rekordausschüttung von 10,56 Milliarden € aus dem Landeshaushalt möglichst gerecht auf die 396 Kommunen in NordrheinWestfalen verteilen. Das ist jedes Jahr eine Herausforderung.
In den letzten Jahren haben wir immer Zugriff auf ein bewährtes System gehabt. Dieses System haben uns mehrere Gutachter in den letzten Jahren empfohlen. Ich erinnere an das ifo Institut 1995 und 2008 und das FiFo-Institut im Jahre 2013. Dieses Verteilsystem hat unser Verfassungsgerichtshof in Münster am 10. Mai dieses Jahres noch einmal bestätigt. Nichtsdestotrotz haben wir die Begründung des Verfassungsgerichtshofs zu diesem Urteil sehr genau analysiert und wahrgenommen, es gibt Hinweise darauf, dass es in Zukunft möglicherweise in Teilen des Gemeindefinanzierungsgesetzes Modifizierungsbedarf gibt.
Den greifen wir selbstverständlich auf. Wir haben mit den kommunalen Spitzenverbänden sehr zügig Einvernehmen erzielt, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Die Ausschreibung soll bald erfolgen. Es dauert naturgemäß etwas, bis ein neues Gutachten vorliegt. Es wird etwas Zeit vergehen. Wir werden miteinander diskutieren – hier im Landtag und mit
den Fraktionen –, wie diese Gewichtungsfaktoren möglicherweise zukunftsfest verändert werden können.
In den letzten Jahren haben wir das GFG hier immer wieder diskutiert. Es gab immer Hinweise unterschiedlicher Art und Güte vonseiten der CDU und der FDP. Deshalb will ich heute, weil man mal Zeit hat, in der Haushaltsdebatte etwas mehr Minuten als sonst darauf verwenden, einiges Grundsätzliches zu sagen und etwas ausholen, um den einen oder anderen Punkt direkt richtigzustellen.
Vorweg, meine Damen und Herren, trotz sehr guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, trotz einer historischen Niedrigzinsphase, trotz der Rekorde bei der Verbundmasse des Gemeindefinanzierungsgesetzes gibt die kommunale Finanzsituation immer noch Anlass zur Sorge. Die Kassenkredite nehmen zwar längst nicht mehr so stark zu wie in den früheren Jahren. Es gibt sogar einen echten Erfolg zu vermelden. Die Stärkungspaktkommunen der Stufen 1 und 2 – das sind die mit den größten Haushaltsproblemen – haben im letzten Jahr keinerlei zusätzliche Kassenkredite aufnehmen müssen. Das ist, wie gesagt, ein echter Erfolg; aber die alten Probleme bleiben.
Alte Probleme sind insbesondere die Sozialausgaben unserer 396 Kommunen. Die Aufgaben, die sie zu erledigen haben, nehmen dabei zu.
Aber wenn man auf die tatsächlichen Ursachen schaut, muss man ein Stück weit zurückblicken. Die ersten Sozialgesetzbücher stammen aus den 70erJahren. Ihr Sinn und Zweck war, soziale Gerechtigkeit herzustellen und – wörtliches Zitat aus dem SGB I – „ein menschenwürdiges Dasein zu sichern“.
Der Bund hat in den letzten 40 Jahren viele dieser Aufgaben definiert und die Erfüllung dieser Aufgaben zum größten Teil den Kommunen aufgetragen. Daran waren alle hier vertretenen Fraktionen des Parlaments in den letzten 40 Jahren beteiligt – mit Ausnahme der Piraten, die hier einen kurzen Zwischenstep geben.
Niemand will wohl den Zweck dieser Sozialgesetzbücher infrage stellen. Das wäre auch der falsche Ansatz. Aber es darf die Frage erlaubt sein, ob es richtig ist, dass die Kommunen diese Aufgaben durch Weisung des Bundes nicht nur erfüllen, sondern darüber hinaus in großen Teilen auch finanzieren müssen.
Werfen wir einen Blick auf Nordrhein-Westfalen, was das bedeutet! Die kommunalen Haushalte in Nordrhein-Westfalen werden im Wesentlichen in einer Größenordnung von etwa 40 % durch Sozialausgaben geprägt. So hoch ist der Soziallastenanteil in keinem anderen Bundesland Deutschlands. Das sorgt vor Ort für Probleme.
Ich stelle mal dagegen, dass der Bundesfinanzminister Jahr für Jahr Überschüsse in zweitstelliger Milliardenhöhe erwirtschaftet. Ich finde, man kann einmal darüber nachdenken, ob sich der Bund in angemessener Weise an den Aufgaben beteiligt, die er gegenüber den Kommunen selbst definiert. Um es genau zu sagen, man muss die Frage stellen, ob die schwarzen Nullen des Bundes nicht auf Kosten der Kommunen erwirtschaftet worden sind.
Meine Damen und Herren, wie bereits gesagt, die finanzielle Lage der Kommunen ist entspannter; trotzdem macht sie uns nach wie vor Sorgen. Die Lage ist entspannter, weil sie längst nicht mehr so schlecht ist wie 2010. 2010 hat es in diesem Land einen Paradigmenwechsel gegeben, was das Verhältnis zwischen Land und Kommunen angeht.
Ich muss mit der Ministerpräsidentin die Zahlen noch abgleichen. Sie hat vorhin gesagt, dass im Jahre 2010 noch 139 Kommunen im Nothaushalt waren. Ich habe die Zahl 138.
Egal ob jetzt 138 oder 139 Kommunen, dass so viele Kommunen im Nothaushaltsrecht waren, bedeutet nämlich, dass diejenigen, die von den Menschen bei den Kommunalwahlen in Räte und Kreistage gewählt worden sind – eigentlich, um zu gestalten und ein Mandat wahrzunehmen in dieser Demokratie –, faktisch in ihrem Gestaltungsspielraum so eingeengt waren, dass all das, was Gestaltungsfähigkeit angeht, den Kautelen eines Beamten der Kommunalaufsicht unterlegen hat.
Wie gesagt, 138 oder 139 Kommunen waren im Jahre 2010 im Nothaushalt. Herr Höne, im Jahre 2015 waren es nur noch 9 Kommunen. Der Grund dafür liegt im Wesentlichen im Stärkungspakt. Der Stärkungspakt ist Hilfe zur Selbsthilfe. Nicht nur Geld geben, sondern eigene Konsolidierungsbemühungen von der jeweiligen Kommune abverlangen, das hat für viele oder für alle Teilnehmer zum Haushaltsausgleich geführt und endlich diese Schuldenspirale gestoppt – unter dem Stichwort „Vergeblichkeitsfalle“.
Über Jahrzehnte haben Städte wie meine Heimatstadt Duisburg sparen, sparen, sparen müssen und trotzdem jedes Jahr neue Schulden aufgenommen. Im letzten Jahr hat der Rat der Stadt Duisburg einen ausgeglichenen Haushalt für das Jahr 2016 beschlossen. Einen ausgeglichenen Haushalt zu beschließen, das hat kein Ratsmitglied des Rates der Stadt Duisburg vorher aktiv erlebt, meine Damen und Herren! Das ist nicht nur kommunale Entlastung, sondern ein Stück weit wieder kommunale Demokratie leben zu können.
Ich komme jetzt zu den Kassenkrediten. Zwischen 2005 und 2010 sind sie in Nordrhein-Westfalen um 91 % gestiegen. Von 2010 bis 2015 sind sie auch gestiegen, aber nur noch um 35 %.
Das Gute ist: Wenn es so weitergegangen wäre in der Kommunalpolitik wie zwischen 2005 und 2010, wären alle Teilnehmer des Stärkungspaktes heute überschuldet. Alle diese Kommunen, egal ob Stufe 1 oder Stufe 2, wären heute überschuldet. Wir haben diese Überschuldung in 34 Fällen aktiv abgewendet.
Dieser Stärkungspakt ist aber darüber hinaus noch sehr erfolgreich, das zeigt die Evaluierung, die wir vorgelegt haben. Es geht nämlich nicht nur darum, dass wir Landesgeld geben, sondern dass – im Verhältnis 70 zu 30 – 30 % des Defizites durch das Land abgedeckt worden sind, aber 70 % durch eigene Konsolidierungsmaßnahmen in den Kommunen erwirtschaftet wurden, und – ich greife dem Argument der Opposition schon vorweg – wiederum nur 30 % der Konsolidierungsmaßnahmen wurden durch Steuererhöhungen finanziert, 70 % durch aktive Bewirtschaftung des jeweiligen Haushaltes.
Wir haben diese unsägliche Befrachtung abgeschafft, die vor 2010 galt, dass sich das Land auf Kosten der Kommunen bereichert hat.