Protocol of the Session on September 14, 2016

Diese Beschlussfassung des Bundesrates hat auch heute noch Gültigkeit. Wir müssen allerdings darauf setzen und hoffen, dass die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag diese Beschlusslage des Bundesrates nunmehr endgültig aufgreifen.

Ich habe, auch nach dem, was ich heute aus der Union hier gehört habe, erhebliche Zweifel, so sehr ich mir das wünschen würde, sodass ich im Augenblick keine realistischen Handlungsmöglichkeiten aus Sicht des Landes Nordrhein-Westfalen sehe. Ich glaube, da helfen nur die nächsten Bundestagswahlen, einen Dispodeckel zu bekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Kutschaty. – Weitere Wortmeldungen liegt nicht vor.

Wir können also abstimmen. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Antrag zu? – Die Fraktion der Piraten und der fraktionslose Abgeordnete Schwerd. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – SPD und Grüne sowie CDU und FDP stimmen gegen diesen Antrag. Gibt es Enthaltungen? – Wir sehen von hier aus keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag Drucksache 16/12839 mit breiter Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe auf:

17 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den

Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (Verfassungsschutzgesetz NRW – VSG NRW)

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 16/11892

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses Drucksache 16/12861

zweite Lesung

In Verbindung mit:

Sechstes Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes NRW

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/12120

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses Drucksache 16/12861

zweite Lesung

Die Aussprache ist eröffnet. Für die SPD-Fraktion erhält zunächst Herr Kollege Körfges das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will für die SPDLandtagsfraktion darum bitten und dafür werben, dem Beschluss des zuständigen Innenausschusses zu folgen.

Wir haben es hier heute abschließend mit zwei unterschiedlichen Ansätzen zu tun, in denen es im Wesentlichen darum geht, die Rechte und Verpflichtungen des Verfassungsschutzes hinsichtlich der Speicherung von Daten anzupassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns wie bei verschiedenen anderen Fällen auch nicht über die Beurteilung der Sachverständigenanhörung und die wesentlichen Ergebnisse einigen können. Die SPD-Landtagsfraktion fühlt sich in jedem Fall durch die Ergebnisse der Anhörung darin bestätigt, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung die leider notwendigen Anpassungen rechtsicherer, ausgewogener und verhältnismäßiger löst, als dies im Gesetzentwurf der CDU-Fraktion der Fall ist.

Eine Änderung war auch aus unserer Sicht deshalb erforderlich, weil die bisherige Altersgrenze für die Speicherung von personenbezogenen Daten der Tatsache nicht mehr Rechnung trägt, dass extremistische Organisationen gezielt versuchen, minderjährige Menschen anzuwerben und für ihre Ziele einzusetzen.

Beispiel dafür ist die gestiegene Anzahl junger Menschen, die ausreisen, um sich im Ausland terroristischen Organisationen anzuschließen. Wir haben aber auch innerhalb der Bundesrepublik Vorfälle, die diese Tendenz deutlich bestätigen. Ich denke zum einen in Nordrhein-Westfalen an den Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen, zum anderen allerdings auch an das Messerattentat durch eine Minderjährige in Hannover zulasten eines Polizisten.

Wir unterscheiden uns allerdings bei unserem Lösungsansatz im Wesentlichen in einem Punkt, nämlich darin, dass wir nach wie vor eine Altersgrenze vorsehen, die wir allerdings auf 14 Jahre absenken

wollen. Darüber haben wir uns als Koalitionsfraktionen mit unserem Änderungsantrag ergänzend geäußert. Gerade wegen der Frage der Zweckmäßigkeit, aber auch wegen des besonderen Interesses des Schutzes von jungen Menschen legen wir Wert darauf, dass die Regelung innerhalb einer absehbaren Zeit evaluiert wird, damit wir ihre Auswirkungen und ihre Wirksamkeit überprüfen können.

Grundsätzlich stimme ich der Auffassung zu, dass es ein legitimes Interesse gibt, dass der Verfassungsschutz auch eine Radikalisierung Minderjähriger in den Blick nimmt. Auch ist es richtig, dass es, wohlverstanden, sogar auch dem Schutz von jungen Menschen dienen kann, den Anreiz für verfassungsfeindliche Organisationen und Bestrebungen zu mindern, Minderjährige für die Verwirklichung radikaler Interessen zu gewinnen. Nur eines bleibt trotz und alledem, nämlich der spezielle Aspekt der besonderen Schutzwürdigkeit von Minderjährigen, den es auch in diesem Fall zu beachten gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise ganz ausdrücklich auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Michael hin, der zutreffend feststellt, dass der Regierungsentwurf dem entfalteten verfassungsrechtlichen Schutzgedanken für Minderjährige eher Rechnung trägt. – Ja, ich sehe bei den Piraten, dass sie sich meine Worte auf der Zunge zergehen lassen. Das ist immer gut.

Dazu beigetragen, dass wir einen Änderungsvorschlag gemacht haben, hat auch die Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Gusy. Ich möchte darauf hinweisen, dass es Herrn Prof. Dr. Gusy zu danken ist, dass er, bezogen auf das, worüber wir reden, festgestellt hat, dass – ich zitiere jetzt – „der CDU-Antrag an der Stelle ein wenig old fashioned ist“, weil da noch von Akten die Rede ist, die im Endeffekt nicht mehr das widerspiegeln, um was es wirklich geht, nämlich um elektronische Daten.

Wir haben eine weitere Änderung eingebracht. Da geht es um die Frage, ob und inwieweit Abgeordnete bezogen auf Dinge auch verfassungsrechtlich durch Datenspeicherung betroffen werden können.

Wir haben in unserem Änderungsantrag exakt die Formulierung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem sogenannten Ramelow-Urteil übernommen und gehen davon aus, dass damit auch der besonderen Bedeutung des freien Mandates von Abgeordneten Rechnung getragen wird.

Lassen Sie mich abschließend eines sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind auch der Meinung, dass Prävention notwendig, wirksam und sinnvoll ist. Nur sollten wir keine Scheindebatten führen. Wir gehen davon aus, dass man beides machen muss: nämlich auf der einen Seite junge Menschen davon abhalten, in die Fänge von Radikalisierern zu geraten, und sie unterstützen, sich aus solchen Verbindungen wieder zu lösen. Auf der anderen Seite ist

das kein Ersatz dafür, dass wir auch im repressiven Bereich das Notwendige tun.

Insoweit bitte ich um Zustimmung für den Gesetzentwurf der Landesregierung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Körfges. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Korte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Körfges, eines eint uns im Zweifelsfalle immer: Die Sichtweisen auf das Ergebnis von Sachverständigenanhörungen sind mit schöner Regelmäßigkeit unterschiedlich. Uns eint aber auch, dass wir in Bezug auf das Verfassungsschutzgesetz etwas tun müssen.

Gestatten Sie mir, die Zusammenhänge vielleicht noch einmal ein wenig aufzudröseln. Beide Gesetzentwürfe sind als Reaktion auf den Anschlag jugendlicher Salafisten auf einen Sikh-Tempel in Essen am 16. April 2016 zu verstehen. Es war der erste islamistische Terroranschlag in Nordrhein-Westfalen, der zu Ausführung gelangt ist. Zum Zeitpunkt des Sprengstoffanschlages hielten sich rund 100 Mitglieder einer Hochzeitsgesellschaft in diesem Tempel auf, drei von ihnen wurden verletzt. Als Haupttatverdächtige wurden kurz darauf zwei als salafistisch eingestufte 16-Jährige aus Essen festgenommen. Später kamen dann drei weitere – ebenfalls minderjährige – Salafisten dazu.

Die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden konnten die beiden Hauptverdächtigen jedoch erst überführen, nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz ihnen die dort gespeicherten Erkenntnisse zu den beiden Jugendlichen übermittelt hatte.

Im Gegensatz zum nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz darf das Bundesamt für Verfassungsschutz entsprechende Daten nämlich bereits dann speichern, wenn die Jugendlichen das 14. Lebensjahr vollendet haben. Dies ist übrigens in 13 anderen Bundesländern auch der Fall. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hingegen darf personenbezogene Daten von minderjährigen Extremisten nach geltender Rechtslage erst speichern, wenn diese Personen mindestens 16 Jahre alt sind.

Wir, die CDU-Fraktion, haben bereits am 3. Mai 2016, also zweieinhalb Wochen nach dem Anschlag, unseren Gesetzentwurf zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes vorgelegt, der eine Angleichung an die Bundesgesetzgebung beinhaltet. Er sieht vor, dass künftig auch Daten von Jugendlichen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, in Akten – wir sind gerne auch mal old fashioned, Herr Körfges, dazu stehen wir – gespeichert werden dürfen. In zu

ihrer Person geführten Akten dürfen nach unserem Entwurf die Daten von unter 16-Jährigen gespeichert werden, wenn diese Personen eine schwere staatsgefährdende Straftat planen, begehen oder begangen haben.

Am 8. Mai 2016, also fünf Tage nach dem Vorliegen des CDU-Gesetzentwurfes, kündigte Innenminister Jäger im WDR an, dass es einen weiteren Gesetzentwurf durch die Landesregierung geben solle. Dieser solle weitergehender sein als der der CDU. Das war er auch, und zwar beim Themenkomplex „Abgeordnetenüberwachung“ – Herr Körfges, Sie haben darauf hingewiesen.

Der Sachverständigenanhörung konnte man entnehmen, dass dazu keine zwingende Notwendigkeit besteht, denn in einer Kleinen Anfrage hatte das Innenministerium mitgeteilt, dass zurzeit bei den Abgeordneten gar keine Beobachtungen laufen. Das nur mal nebenbei. – Ihr Entwurf lag aber rund einen Monat später vor als unserer.

Jetzt beginnt aus unserer Sicht eine Verzögerungstaktik, über die ich persönlich nur den Kopf schütteln kann. Unser Antrag wurde erstmals am 2. Juni 2016 im Innenausschuss aufgerufen. Unserer Meinung nach hätte man auf eine Expertenanhörung verzichten können; zum einen, weil der Regelungsinhalt des Gesetzentwurfs eine Eins-zu-eins-Anpassung an die Bundesgesetzgebung war, zum anderen, weil es die Umsetzung zeitlich unnötig verzögerte. Ohne die Anhörung hätte die zweite Lesung des CDUGesetzentwurfs noch vor der Sommerpause erfolgen können. Die SPD jedoch bestand auf Durchführung der Anhörung.

Meine Damen und Herren, das hat unnötig Zeit und auch unnötig Steuergeld gekostet. Letzten Endes haben die Experten unsere Sichtweise bestätigt. Eines ist klar: Diese Gruppe von jungen Menschen wird immer jünger und immer zahlreicher. Das haben wir aus der Anhörung mitgenommen, und ich glaube, dass wir uns in diesem Punkt einig waren. Eine flexible Altersgrenze ist daher sinnvoll; denn immerhin sind 5 % der Ausgereisten minderjährig. Und noch einmal: Die Zahl steigt.

Der Verfassungsschutz hält übrigens die Speicherung von Daten in Akten, wie wir sie für minderjährige Extremisten fordern, für das mildere Mittel als die Speicherung in Dateien.

Die jetzige Lücke im NRW-Verfassungsschutz wurde aus parteitaktischem Gehampel der SPD völlig unnötig lange offengehalten. Liebe Genossinnen und Genossen, Sie wollten doch nur nicht zustimmen, weil es ein CDU-Antrag war

(Beifall von der CDU)

und Sie Ihrem mehr oder minder gleichlautenden Antrag der Landesregierung zur Umsetzung verhelfen wollten. Dafür fehlt uns das Verständnis. Ich bin mir

aber sicher, Herr Minister Jäger, Sie werden in Ihrem üblichen Wortschwall die nötigen Nebelkerzen zünden, um so Begründungen zu liefern. Wir warten darauf. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Peinlich!)

Vielen Dank, Frau Korte. – Für die grüne Fraktion hat nun Frau Schäffer das Wort.