Protocol of the Session on July 7, 2016

Die Gesundheitsministerkonferenz hat die Bundesregierung in einem einstimmigen Beschluss – übrigens auf Antrag von Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern – längst zur Prüfung aufgefordert, inwieweit die Beiträge des Bundes an die gesetzliche Krankenversicherung für Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II noch adäquat sind. Ziel dieser Überprüfung ist es, dass nicht alleine die Versicherten und Beitragszahler über den Zusatzbeitrag für mögliche Defizite aufkommen, sondern dass der Bund über höhere Beiträge für Arbeitslosengeld-II-Empfänger dem Entstehen einer Finanzierungslücke in der gesetzlichen Krankenversicherung vorbeugt.

Zudem hat Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Bayern im Bundesrat zum Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, bei der Umsetzung von § 232 Satz 1 Nr. 2 SGB V transparent und zeitnah die Leistungsausgaben der Krankenkassen und die geleisteten Beiträge für ALG-II-Bezieher zu evaluieren.

Außerdem wurde die Bundesregierung gebeten, im Falle einer zunehmenden Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen durch unzureichende Beiträge für Arbeitslosengeld-II-Bezieher in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren Abhilfe zu schaffen. Insofern

ist die nordrhein-westfälische Landesregierung bereits aktiv geworden. Es bedurfte Ihres Antrags also nicht.

Wir teilen die Auffassung, dass ein einmaliger Eingriff in die Rücklagen des Gesundheitsfonds keine langfristige Problemlösung darstellen würde. Doch der Antrag der FDP beinhaltet keine konstruktiven Lösungsvorschläge zur Weiterentwicklung einer nachhaltigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir brauchen eine zukunftsorientierte Finanzierungsregelung für die gesetzliche Krankenversicherung. Die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags und der Zusatzbeitragsregelung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehören nicht dazu. Es ist dringend notwendig, langfristig stabile Konzepte zu entwickeln.

Ein erster Schritt ist die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung. In diesem Zusammenhang hat NordrheinWestfalen zusammen mit anderen SPD-geführten Bundesländern bereits Anfang des Jahres eine Bundesratsinitiative gestartet und die Bundesregierung aufgefordert, zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Im Übrigen, lieber Herr Alda, bevor Sie Anträge im Plenum einbringen, die sich auf Pressemitteilungen und allgemeine Äußerungen des Bundesgesundheitsministers stützen, hätten Sie in der letzten Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales auch dem von uns eingebrachten Entschließungsantrag zustimmen können, mit dem wir die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung verbessern wollten.

In dem Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piraten zur betrieblichen Altersvorsorge fordern wir die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung und eine Überprüfung der Modelle zur Bürgerversicherung, um ernsthafte Lösungsmöglichkeiten für die Problematik der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung aufzuzeigen.

Der heute eingebrachte wenig innovative Antrag der FDP ist deshalb abzulehnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Yüksel. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Burkert das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der letzten Woche ist im Bundestag eine Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jens Spahn auf die Berichtsanforderung von Frau Ekin Deligöz genau zu diesem Thema erfolgt. Ich rate jedem, diese Antwort nachzulesen; wir brauchen das hier nicht vorzulesen.

Durch die Schwankungen des Fonds ergibt sich ein regelmäßiges Auf und Ab, sodass die Versicherten nicht immer wieder mit Zusatzbeiträgen be- oder entlastet werden. Lassen Sie mich nur ein Beispiel nennen: 2013 haben wir die Praxisgebühr abgeschafft. Die Ausgleichszahlungen sind ebenfalls durch die Liquiditätsreserve umgesetzt worden. Damals war das kein Thema, und ich glaube, das braucht es auch heute nicht zu sein. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Burkert. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Ünal.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst sei gesagt, dass auch wir den in Ihrem Antrag angesprochenen Vorgang sehr problematisch finden. Danach hat das Bundesgesundheitsministerium angekündigt, den Krankenkassen aus dem bestehenden Gesundheitsfonds 1,5 Milliarden € zukommen zu lassen.

Begründet wird das unter anderem mit den Kosten für die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge. Die Krankenkassen übernehmen hier einen Teil der Kosten. Die Flüchtlinge sind nach 15 Monaten krankenversichert, und weil sie keine Vorversicherungszeiten haben, erfolgt zum Teil eine Übernahme durch die Krankenkassen.

Zudem würde ein einmaliger Eingriff in die Rücklagen des Gesundheitsfonds zu keiner langfristigen Problemlösung bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung führen. Wir sagen schon seit Jahren, dass wir eine stabile Finanzierung der GKV benötigen. Es besteht weiterhin eine einseitige Belastung der Versicherten bei den Beitragssatzsteigerungen aufgrund der Festschreibung des Arbeitgeberbeitrages; denn dieser bleibt auch bei steigenden Kosten und Ausgaben gleich. Auf diese Weise werden alle Risiken sowie die Kosten und Kostensteigerungen im Gesundheitswesen einseitig bei den Versicherten abgelegt.

Wir begrüßen deshalb die Initiative der Landesregierung, die sie hierzu gemeinsam mit anderen Bundesländern Anfang dieses Jahres im Bundesrat gestartet hat. Ich hoffe, dass wir wieder zu einer paritätischen Finanzierung kommen.

Herr Yüksel hat Ziffer II.2. des Antrags erwähnt, wonach wir im Bundesrat keinem einzigen Gesetz zustimmen sollten, mit dem weitere Ausgabensteigerungen verbunden sind. Allerdings gibt es durchaus sinnvolle Verbesserungen, die eine Kostensteigerung verursachen. Einige Beispiele haben Sie selber erwähnt: den Pflegebedürftigkeitsbegriff, das Zweite Pflegestärkungsgesetz, eine Verbesserung bei der

Hospiz- oder Palliativversorgung oder die häusliche Pflege im Krankenhausbereich.

Das alles verursacht Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Weil wir diesen Steigerungen im Hinblick auf die Zielsetzung gelegentlich auch zustimmen, kann man nicht pauschal fordern, dass wir keinem Gesetz zuzustimmen haben, wenn es zu einer Kostensteigerung führt. In dieser Pauschalität ist das eigentlich verantwortungslos.

Richtig ist doch, dass die FDP in den vier Jahren, in denen sie den zuständigen Minister gestellt hat, nichts für die Stabilität des Gesundheitsfonds getan hat. Das müssen wir in diesem Zusammenhang auch erwähnen. So wurden in dieser Zeit …

(Zuruf von der FDP)

Natürlich nicht. Zudem hatten Sie damals eine schwarz-gelbe Regierung.

(Zuruf von Angela Freimuth [FDP])

Ich habe akustisch nicht verstanden, was Sie gesagt haben. – Die schwarz-gelbe Regierung hat damals diesen hälftigen Beitrag – 14,6 % – eingefroren, was die Versicherten einseitig belastet hat. Diese große Belastung für die Versicherten müssen wir beseitigen.

(Beifall von den Grünen – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir Grüne wollen zu einer paritätischen Finanzierung bei der gesetzlichen Krankenversicherung zurückkehren. Die FDP hat selber zu diesem Zustand beigetragen und klagt jetzt darüber, dass die Versicherten belastet sind. Das kann natürlich nicht angehen.

Insgesamt muss man sagen, dass wir sehr wohl einen Reformbedarf der gesetzlichen Krankenversicherung sehen. Diesen Reformbedarf diskutieren wir seit Jahren. Ich bin sicher, wir werden eine stabile Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf Basis der Bürgerversicherung hinbekommen.

Abschließend muss man zu Punkt 3 des Antrags eigentlich nichts sagen. Herr Yüksel hatte im Zusammenhang mit dem Beziehen von ALG II erwähnt, dass hier eine Bundesratsinitiative gestartet wurde; die Bundesregierung wurde entsprechend beauftragt. Sie präsentieren also auch in diesem Punkt nichts Neues. Das ist erledigt, dafür brauchen wir keinen FDP-Antrag.

Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Danke, Herr Kollege Ünal. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Düngel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles ist schon gesagt worden, nichtsdestoweniger möchte ich mich nochmals auf die wesentlichen Punkte konzentrieren.

Um es noch einmal festzuhalten: In dem Antrag geht es nicht um die Gesundheitsversorgung der Menschen – also weder um Flüchtlinge noch um die Empfänger von ALG II –, sondern es geht – in Anführungszeichen – „nur“ um die Frage der Finanzierung. Wer kommt letzten Endes für die entsprechende Entlohnung auf? – Wir Piraten sprechen uns dabei für eine gesamtgesellschaftliche, solidarische Lösung aus. Wir sind der Meinung, dass die Gesundheitskosten für die Langzeitarbeitslosen von der Gesellschaft getragen werden sollten.

Ich komme zum Antrag der FDP. Lieber Kollege Uli Alda, in dem Antrag ist der Kritikpunkt enthalten, dass die Bundesregierung möglicherweise Wahlgeschenke verteilen möchte. Diesen Ansatz kann ich durchaus nachvollziehen, aber was machen Sie dann als FDP-Fraktion daraus? – Sie holen diesen Antrag als reinen Wahlkampfpositionierungsantrag in den Landtag Nordrhein-Westfalen, obwohl der Landtag letzten Endes mit dieser Thematik überhaupt nichts zu tun hat. Das kann man machen – es ist aber irgendwie nicht so richtig gut.

Zu den einzelnen Forderungspunkten des Antrags:

Zu Ziffer 2 ist nicht mehr viel zu ergänzen. Herr Yüksel und Herr Ünal hatten das gerade schon gesagt: Wir wollen keine Schuldenbremse in der gesetzlichen Krankenkasse, keine Ausgabenbremse. Es gibt sinnvolle medizinische Innovationen etc. pp., die wir uns vorenthielten, wenn wir sagten, die Landesregierung dürfe im Bundesrat entsprechenden Gesetzen nicht mehr zustimmen. Bei allem Respekt muss ich sagen: Dieser Forderungspunkt ist wirklich ziemlicher Schwachsinn.

Im Punkt 1 ihres Antrags spricht sich die FDP gegen einen Eingriff in die Rücklagen des Gesundheitsfonds aus. Dem können wir so weit zustimmen. So viel kann ich an dieser Stelle feststellen.

Wie ich eingangs gesagt hatte, wollen wir, dass das Ganze solidarisch finanziert ist. Wenn wir diese Aufgabe letzten Endes nur aus dem Gesundheitsfonds bezahlen wollen, frage ich mich, was mit den Privatversicherten ist, die bei der Finanzierung dann komplett außen vor bleiben, und was mit Besserverdienenden ist, deren Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegt, sodass sie tatsächlich nur einen Teil zur Finanzierung beitragen. Das ist aus unserer Sicht ungerecht.

Wir wollen die Gesundheitskosten nicht den Schwachen auferlegen und das Geld aus dem Gesundheitsfonds nehmen. Insofern findet der Forderungspunkt 1 sicherlich unsere Zustimmung.

Ähnlich sieht es beim Forderungspunkt 3 aus. Zwar haben wir jetzt hier gehört, dass im Bundesrat schon entsprechende Initiativen auf den Weg gebracht worden sind. Das ist auch alles schön und gut. Nichtsdestotrotz kann sich natürlich ein Landtag noch einmal dahin gehend positionieren. Diesem Punkt kann ich so weit zustimmen.

Was den Antrag insgesamt angeht, machen Sie mit Ihrem Forderungspunkt 2 aber wirklich einen ziemlichen Unfug. Ich weiß nicht, welcher Hintergrund dahintersteckt.

Ich komme langsam zu meinen Schlussbemerkungen zum gesamten Thema. Statt endlos erschöpfende Debatten über Budgets und Finanzierungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu führen, fände ich es viel wichtiger, uns um die Lebensbedingungen der hier angesprochenen Menschen zu kümmern und uns zu fragen, was wir machen können, um zum Beispiel die finanzielle Situation der ALG-IIEmpfänger zu verbessern, um die es in dem Antrag auch geht.

Wir werden solche Debatten natürlich begleiten. Das ist gar keine Frage. Nichtsdestotrotz erinnere ich daran, dass wir Piraten uns für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens einsetzen. Das würde letzten Endes viele der hier angesprochenen Probleme lösen. Wir wollen nicht an einem durchlässigen sozialen Netz herumdoktern. Das hilft nicht. Wir wollen ein neues soziales Netz spannen.

Ich möchte Sie einladen, zusammen mit uns über alternative Lösungswege nachzudenken und gemeinsam mit uns zum Beispiel an einem bedingungslosen Grundeinkommen zu arbeiten. Dafür herzlichen Dank. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Düngel. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Steffens das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorab sagen: Wir reden hier nicht über irgendeine Initiative der Bundesregierung, sondern wir reden eigentlich über eine Presseberichterstattung; denn bis heute hat die Bundesregierung noch an keiner Stelle ein Konzept vorgelegt, was mit diesen 1,5 Milliarden € verbunden ist und wie die Summe verteilt werden soll.

Deswegen ist die Bewertung, die ich im Folgenden vornehmen kann, ganz klar nur eine erste Bewertung, weil wir nicht wissen, wie es dann wirklich sein soll. Wir wissen nur, dass es die Presseberichterstattung gab, nach der 1,5 Milliarden € aus dem Gesundheitsfonds genommen werden sollen.

Herr Alda, der Antrag der FDP versucht letztlich, das Thema mit drei Punkten anzugehen.