Protocol of the Session on July 6, 2016

Dann kann man aber nicht gleichzeitig einen flächendeckenden Unterrichtseinsatz fordern, sondern dann muss man andere Wege suchen. Und da sind wir auf dem Weg.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Sie wissen genau, dass das ein „Henne und Ei“-Problem ist!)

Darum bleibe ich dabei: Ihr Antrag ist keine Analyse. Er ist in vielerlei Hinsicht eine Aneinanderreihung von Banalitäten. Das tut mir wirklich leid, weil ich eigentlich anders mit Ihnen diskutieren wollte. – Danke.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Bunse. So weit Kurzintervention und Gegenrede.

Als Nächste spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Schmitt-Promny.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einen geschichtlichen Rückblick. Ende der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts war es das Radio, das ein großes Potenzial bot. Bertolt Brecht schrieb:

„Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, d. h., er würde es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen.“

Bereits Brecht erwartete, dass Medien auf gesellschaftliche Entwicklungen einwirken. Ich zitiere:

„Undurchführbar in dieser Gesellschaftsordnung, durchführbar in einer anderen, dienen die Vor

schläge, welche doch nur eine natürliche Konsequenz der technischen Entwicklung bilden, der Propagierung und Formung dieser anderen Ordnung. … Sollten Sie dies für utopisch halten, so bitte ich Sie, darüber nachzudenken, warum es utopisch ist.“

Hier lässt sich meines Erachtens eine Parallele ziehen zur heutigen Situation: der Entwicklung unserer digitalisierten Welt. Heute haben wir technologisch die Dialogfähigkeit erreicht. Diese im Sinne einer fortschreitenden demokratischen Entwicklung zu nutzen bleibt eine gesellschaftliche Aufgabe.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu gibt der Antrag der Piraten keine überzeugende Antwort.

Digitalisierung heute ist allumfassend. Sie verändert unser Handeln, unsere wirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten. Sie bietet – zumindest theoretisch – die Möglichkeit der Teilhabe und Kommunikation.

Die Piraten wollen dem mit ihrem Antrag Rechnung tragen. Sie wollen eine Strategie der schulischen Bildung in der digitalisierten Welt entwickeln.

Dieser Versuch ist zu achten, auch wenn man ein wenig den Eindruck gewinnt, es handle sich bei diesem Text um Copy-and-paste.

(Zuruf von den PIRATEN: Was?)

Richtig ist, dass der grundlegende gesellschaftliche Wandel, der aus der technologischen Entwicklung folgt, auf allen Ebenen, insbesondere in der Bildung, zu Veränderungen führt.

Wissen ist über Internet jederzeit zugänglich. Doch der Zugang will gelernt sein.

Die Fähigkeit, ein Smartphone oder Tablet zu bedienen, sich in sozialen Netzwerken zu bewegen, Mails zu empfangen und Informationen aufzurufen, ist nicht hinlänglich, um ein eigenständiger Nutzer, eine eigenständige Nutzerin sein zu können. Ich muss Fragen stellen können, um Sachverhalte zu hinterfragen, Inhalte und Strukturen analysieren, urteilsfähig sein.

Daraus sind Folgerungen für die schulische Bildung zur Digitalisierung zu ziehen. Zu den Aufgaben gehört die Vermittlung der technischen Fertigkeiten und der Einsatzmöglichkeiten, die kritische Analyse der Digitalisierung und ihrer Folgen für die Gesellschaft, die kreative und kritische Nutzung und Gestaltung, verbunden mit einem Freiraum für Kinder und Jugendliche, die Entwicklung von Kommunikationsfähigkeit verbunden mit Empathie für mein Gegenüber.

Das Ziel ist, dass Schülerinnen und Schüler handelnde Subjekte ihrer digitalen Kommunikation werden, die um die Macht des technologischen Fortschritts wissen und sich mit und in einer digitalisierten Welt bewegen können.

Aber, meine Damen und Herren, die Basis für Bildung und Erziehung ist und bleibt die emanzipatorische Pädagogik, die Kinder darin begleitet und stärkt, Möglichkeiten zu entwickeln, mit Wissen, mit Allgemeinbildung selbstbestimmt an gesellschaftlichen Prozessen teilzuhaben, und zwar von der Elementarerziehung bis hin zu den vielfältigen Bildungsabschlüssen, ja bis hin zum lebenslangen Lernen.

Das gilt unabhängig von den Medien. Das gilt deshalb auch im digitalisierten Zeitalter.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Antrag der Piraten schlägt Punkte zur Beschlussfassung vor, die bereits heute – und nicht erst seit heute – Aufgaben in unserem Bildungssystem sind. Wir befinden uns mitten im Prozess. Uns braucht nicht gesagt zu werden, dass wir den Prozess anfangen sollen. Wir sind dabei, der Digitalisierung auch in der Bildung ihren Platz zu geben: in den Schulen, in der Lehrerbildung und auch in der Fortbildung für Lehrer. Daran arbeiten wir vor Ort, über die Maßgaben der Landesregierung und unsere Debatten im Parlament.

Dazu sind wir im Dialog sowohl mit Bildungseinrichtungen, Kitas, Schulen und Hochschulen als auch mit Verbänden, Kammern und anderen gesellschaftlichen Institutionen.

Der Medienpass als Instrument zur Förderung von Medienkompetenz ist der Einstieg für Schülerinnen und Schüler.

Das digitale Schlüsselprojekt ist LOGINEO NRW, das Dach für die vielfältigen Anforderungen an die digitale Unterstützung in Schulen, für die Unterrichtsgestaltung, für die Kommunikation zwischen Schülerinnen und Schülern, zwischen Lehrerinnen und Lehrern, Eltern und Schulverwaltung, für Dateimanagement und Datenschutz.

Das ist schulische Bildung in der digitalisierten Welt und für die digitalisierte Welt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitt-Promny. – Für die FDPFraktion richtet jetzt Frau Kollegin Gebauer das Wort an uns.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unzweifelhaft richtig ist, dass alle über das Thema „Digitalisierung in Schule“ reden. Aber richtig ist auch, dass diese Landesregierung leider noch immer kein Konzept für die Chancen der Digitalisierung im Bildungsbereich hat.

(Zuruf von den PIRATEN: So ist es!)

Aber genau dieses Konzept braucht es für ein konkretes und zügiges Handeln. Die ICILS-Studie hat Deutschland einen deutlichen Rückstand im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn bescheinigt. Die Untersuchung „Schule digital“ – Der Länderindikator 2015“ weist Nordrhein-Westfalen nur ein Mittelmaß zu.

Die alles entscheidende Frage ist, da wir oft die entscheidenden Erkenntnisse haben: Wie geht man, wie geht die Landesregierung mit diesen Informationen um?

In diesem Zusammenhang möchte ich gerne aus der Rede der Ministerpräsidentin vom Unternehmertag 2016 aus der vergangenen Woche – 29. Juni – zitieren. Dort sagte Frau Kraft unter anderem – ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren –:

„Die Digitalisierung wird aber nur zur Erfolgsgeschichte, wenn wir dafür sorgen, dass möglichst alle möglichst fit für den digitalen Wandel sind. Deshalb ist das Thema ‚Lernen im digitalen Wandel‘ so entscheidend.

Sie wissen, dass ich eine Sommertour gemacht habe und Unternehmen besucht habe, die bei Digitalisierung ganz weit vorne sind, und immer wieder kam die Anforderung ans Land: Ihr müsst aufpassen, ihr müsst die Bildungssysteme umstellen – frühzeitig. Wir werden anders ausgebildete junge Menschen in der Zukunft brauchen. Sie müssen Fachwissen haben, aber sie müssen viel übergreifender aufgestellt sein. Sie müssen in anderen Strukturen denken, als das bisher der Fall ist.

Deshalb sind wir hier mit einem solchen Kongress vorangegangen, und in den einzelnen Bereichen der Bildungskette passiert hier außerordentlich viel.“

An der Stelle möchte ich das Zitat beenden; es kam noch das eine oder andere dazu.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist beim großen Thema „Lernen im digitalen Wandel“ vorangegangen – vorangegangen mit einem Kongress. Die Sommertour „NRW 4.0“ von Frau Ministerpräsidentin Kraft war im Juli und im August des vergangenen Jahres. Wir sind jetzt fast ein Jahr weiter und mit diesem digitalen Kongress im Mai dieses Jahres kraftvoll vorangegangen. Frau Hendricks hat diesen digitalen Kongress sogar als Paukenschlag bezeichnet.

Ich weiß, es ist mitunter schwer, sein eigenes Tun und Handeln zu bewerten. Deshalb übernehme ich das an dieser Stelle gerne einmal für die Landesregierung.

(Heiterkeit von den PIRATEN)

Ich kann Ihnen nur sagen: Wachen Sie aus Ihrem digitalen Dornröschenschlaf auf, und lassen Sie Ihrer

vielgepriesenen Sommertour 2015 endlich Taten folgen!

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Ein Kongress allein schafft weder notwendige Strukturen vor Ort, noch stärkt er unsere Jugendlichen in der digitalen Bildung.

Und ich setze noch einen oben drauf, indem ich sage: Wie kraft- und konzeptlos Rot-Grün letztlich beim Thema „Lernen im digitalen Wandel“ ist, zeigen schlaglichtartig auch die Antworten auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion. Wir haben dort gefragt, welche Handlungsnotwendigkeiten Rot-Grün aufgrund des mittelmäßigen Abschneidens NordrheinWestfalens beim Länderindikator 2015 sieht. Die Antwort bestand darin, dass auf den bestehenden Fortschrittsbericht verwiesen wurde. Zusätzliche Aktivitäten gab es offenbar keine.

Wir haben weiter nach der von Wissenschaftlern konstatierten zu geringen Leistungsspitze und nach den rund ein Drittel ausmachenden digitalen Analphabeten gefragt. Die Antwort lautete: Wir haben den Medienpass. – Weitere Aktivitäten gab es keine.