Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Ganz konkret: Was genau vermissen Sie? Können Sie bitte konkretisieren, was Ihnen an dieser Stelle fehlt?
Ja. Ich hätte von Ihnen eine ganz genaue Definition dessen erwartet, was Sie unter „allgemeiner Bildung“ verstehen. Ich finde, dass Sie da mit Begrifflichkeiten umgehen, die Sie eben nicht genau definieren. Und genau das fordern Sie von uns in Ihrem Antrag eigentlich.
Stattdessen benennen Sie auf den folgenden zwei Seiten die neuen Eigenschaften der digitalisierten Welt. Die habe ich wirklich mehrmals gelesen; trotzdem haben sie bei mir immer noch eine gewisse – vornehm ausgedrückt – Ratlosigkeit und auch Fassungslosigkeit an der einen oder anderen Stelle hinterlassen.
Zum Beispiel sagen Sie unter a: „Digitale Güter benötigen kein materielles Pendant“. Und was ist mit den digitalen Endgeräten? Unter b sagen Sie: „Daten sind jederzeit in Echtzeit und (fast) überall verfügbar“. Hier sprechen Sie gar von einer „philosophischen Debatte“ in Bezug auf die Diskussion über die Speicherung von Daten. Sie attestieren dabei den meisten Entscheidern in Politik und Gesellschaft nur ein eingeschränktes Bewusstsein hierfür. Das empfinde ich persönlich als anmaßend.
Sie stellen fest: „Wissen wächst exponentiell“, und fordern ein grundlegendes Wissen darüber, wie Maschinen dies tun, um zu verstehen, welche Daten und welches Wissen diese Maschinen produzieren. Ich gebe mal den Kommentar einer angehenden Lehrerperson dazu wieder: Ogottottott, bitte nicht auch das noch; ein entsprechender technischer Support ist ausreichend.
Sie stellen weiterhin fest – auch das ist eine Wahnsinnsaussage –: „Raum und Zeit verlieren an Bedeutung“. Abgehakt habe ich diesen Abschnitt unter der Kategorie „banal“.
Aber dann kommt Abschnitt f: „Kreativität und Empathie gewinnt (überproportional) an Bedeutung“. Ich dachte, jetzt kommt etwas, was die Debatte hier bereichert. Aber Sie stellen fest, man brauche „zunehmend ein erwartungsunabhängiges Kommunikationsverhalten in Bezug auf Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Position“. Lassen Sie uns wenigstens hierin einig sein: Kommunikation ist immer an Empathie oder Emotionalität in einer mehr oder weniger
Abschließend stellen Sie unter h fest: „Sprache ist die Basis in einer virtuellen Welt“. Verehrte Piraten, Sprache ist die Basis unseres Menschseins. Zumindest wenn man die auf ihr Smartphone starrenden und in ungesund gebeugter Haltung auf dieses Endgerät eintippenden Mitmenschen beobachtet, kann der Gedanke aufkommen, dass mehr Face-to-faceKommunikation und weniger digitales Miteinander durchaus von Wert sein können.
Auf den Seiten 4 bis 8 folgt die Beschreibung der schulischen Bedeutung und der Rolle der Lehrerinnen und Lehrer aus Ihrer Sicht. Sie stellen fest: „Die übergeordneten Bildungsziele bleiben erhalten“. Aha, es gibt also noch etwas Bedeutsames neben der digitalen Bildung. Das fand ich persönlich sehr erfreulich, und ich finde, das ist wohl auch wahr.
„Gesellschaftliche Errungenschaften (sind) an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben“, stellen Sie fest. Meine sehr verehrten Piraten, das nennt man „Tradition“, und das ist in unserem Land gelebte Praxis. Sie verweisen auf die Bedeutsamkeit der Grundschulen und wünschen sich die Vermittlung von „kritischem Denkvermögen“, „Kreativität“ und lösungsorientiertem bzw. „problemlösendem Denken“. Im Ernst: Wenn ich Lehrerin wäre, würde ich mich von Ihnen hierdurch stark veräppelt fühlen. Ich finde einzelne Passagen Ihres Antrags ganz einfach unglaublich.
Letztendlich landen Sie beim „emotionalen Stress“, den die digitalisierte Welt produziert, und wünschen sich:
„Deshalb sind sofort passende Angebote zu den Grundlagen der Informatik in allen Lehramtsstudiengängen verpflichtend einzuführen.“
Informatik als Pflichtfach fordern Sie gleich mit. Da wusste ich, wohin Sie wollen. Ich frage mich da: Haben Sie mal etwas von der freien Berufswahl in unserem Land gehört, von Hochschulfreiheit und von selbständigen Schulen?
Ganz bei Ihnen bin ich, wenn Sie „Glasfaser bis zur Schulpforte und flächendeckendes WLAN in allen Schulgebäuden“ fordern. Aber als pragmatisch veranlagter Mensch und Ratsmitglied weiß ich, dass das die Aufgabe des Schulträgers ist. Ich möchte auch nicht wie Sie jeder Schule vorschreiben, welche Endgeräte zum Einsatz kommen.
Anschließend folgt unter VI.1. a bis j der Katalog der Forderungen an die Landesregierung. Jetzt fällt es mir wirklich schwer – wir meckern ja auch gern über die Landesregierung –: Die Forderungen sind alle
samt bekannt und werden hier recht unpräzise aufgelistet. Sie sind zum Teil banal, wenn man bedenkt, dass Sie sich in revolutionärer Zustandssituation fühlen.
Die Erklärung darüber, was Sie unter VI 1. b als Elemente einer informatorischen Allgemeinbildung in der Grundschule verstehen, bleiben Sie, wie gesagt, dem Leser schuldig.
Sie haben sich in Ihrem Antrag unverkennbar an dem Entwurf der Strategie der Kultusministerkonferenz „Bildung in der digitalen Welt“ abgearbeitet und müssen doch eigentlich erkennen, dass unsere Schulen und alle Akteure des Bildungssystems einen Riesenbedarf haben, der aber Gott sei Dank bekannt ist und an dem man sich abarbeitet, zugegeben mit gewissem Nachholbedarf und zeitlicher Verzögerung.
Abschließen darf ich mit einem Zitat aus der Anhörung zum Antrag der FDP zur Stärkung der digitalen Bildung und Medienkompetenz in den Schulen. Ich zitiere Herrn Dr. Konrad Paul Liessmann vom Institut Philosophie der Universität Wien. Der Mann sagte in unserer Anhörung – Sie sind dabei gewesen –:
„Ich bin etwas skeptisch gegenüber diesem grundsätzlichen Paradigma, ob die Digitalisierung unter allen Umständen gut sein muss. Es wird so getan, als sei das nicht mehr diskutierbar. Meine These ist, dass der Prozess der Digitalisierung insbesondere im Bereich des Bildungswesens höchstkritisch und ambivalent betrachtet werden muss, ungeachtet der Tatsache, dass die Digitalisierung natürlich ein Teil unserer Lebenswelt geworden ist und wir sie natürlich unter bestimmten Bedingungen nutzen können und – ich füge hinzu – auch nutzen müssen.“
Sie sehen, meine Damen und Herren, es wird bereits philosophiert. Sie mussten das Philosophieren mit Ihrem Antrag nicht erfinden. Wir philosophieren diesen Antrag im Ausschuss mit Ihnen gerne weiter. – Danke fürs Zuhören.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Bunse. Bitte bleiben Sie noch einen Moment vorne. Frau Kollegin Pieper hat von ihrer Fraktion eine Kurzintervention anmelden lassen und bekommt jetzt für 90 Sekunden das Wort. Danach, Frau Kollegin Dr. Bunse, haben Sie die Möglichkeit zur Replik. – Frau Kollegin Pieper.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir haben möglichweise komplett unterschiedliche Vorstellungen, was Schulen leisten müssen. Ich gehe davon aus: Wenn wir die Lebensbedingungen der Schüler und Schülerinnen in unserem Land ernst nehmen, dann müssen wir sie auch in Schule reinlassen. Insofern halte ich Digitalisierung erst einmal für ein wichtiges Thema.
Ich sage aber noch einmal: Es geht mir nicht um die Digitalisierung von Schule. Ich stimme durchaus zu, dass nicht nur deshalb, weil man dort ein Gerät stehen hat, der Unterricht besser wird. Darum geht es uns nicht.
Ich frage Sie: Was ist daran verkehrt, bevor man Forderungen stellt, eine ordentliche Analyse zu machen, wie wir das in diesem Antrag getan haben? Wenn Sie die möglicherweise nicht verstehen, dann will ich gerne noch das eine oder andere Wort dazu sagen, zum Beispiel was die Unabhängigkeit von Zeit und Raum betrifft.
Welche Fächer in der Schule unterrichtet werden, das hat nichts mit selbstständiger Schule zu tun. Das entscheidet immer noch die Politik.
Sie sagen, wir bräuchten kein Pflichtfach Informatik. Ich habe durchaus Physikkenntnisse, obwohl ich nicht Physikerin geworden bin. Mir reicht es auch nicht, einfach nur einen Schalter umzulegen. Es mag durchaus sinnvoll sein, Grundkenntnisse darin zu haben.
Ich möchte ein Beispiel nennen, wo es überhaupt kein Problem war, wo alle sehr schnell erkannt haben, wie wichtig das ist: Das war, als wir das Fach Englisch in der Grundschule eingeführt haben. Alle wussten, dass alle Kinder solide Englischkenntnisse brauchen. Da war es kein Problem. Ich verstehe nicht, wenn wir jetzt sagen, dass auch Informatik für alle Schüler wichtig ist, warum sich hier derart Widerstände aufbauen.
Frau Pieper, hier bauen sich weniger Widerstände auf. Bei mir hat sich wirklich Fassungslosigkeit aufgebaut in Anbetracht dieses Antrags, so, wie Sie den gestellt haben.
Wir sind in ganz vielen Ausschüssen mit dieser Thematik beschäftigt gewesen. Wir haben Anhörungen dazu durchgeführt. Sie haben gerade gehört – das mussten Sie nicht erst hören, das wussten Sie –, dass sich die KMK damit beschäftigt. Ich habe durchaus Sympathie dafür, dass Kinder lernen, in dieser digitalisierten Welt mit Medien umzugehen. Aber ich
glaube, das geschieht in Schulen. Das geschieht auch in sehr verschiedenen Bereichen schon heute im Fach Informatik,
nicht angedockt an ein eigenständiges Fach – da gebe ich Ihnen recht –, aber das ist auch eine sehr populistische Forderung von Ihnen. Sie wissen wahrscheinlich genauso gut wie ich, dass aktuell gerade einmal 50 Informatiklehrer pro Jahr ausgebildet werden.
Dann kann man aber nicht gleichzeitig einen flächendeckenden Unterrichtseinsatz fordern, sondern dann muss man andere Wege suchen. Und da sind wir auf dem Weg.