Protocol of the Session on June 8, 2016

Ich kenne keinen Fußballprofi, der Bier vor einem Bundesligaspiel trinkt. Es tut mir leid, Herr Marsching.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Oh! Das ist ein dünnes Eis!)

Mag sein, dass Sie da bessere Informationen haben. Das müssen Sie hier dann doch noch einmal ausführen. Da wäre ich auch sehr interessiert.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Wir reden von Breitensport, nicht von Profis!)

Herr Kollege Stein, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Sommer zulassen?

Ja, gern.

Dann los.

Vielen Dank, Herr Kollege Stein, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Um die Gepflogenheiten von Fußballprofis sollte die sich jetzt allerdings nicht drehen. Ich glaube, da ist die Bandbreite auch relativ groß.

Ich möchte Sie Folgendes fragen: Sie gehen gerade darauf ein, dass es beim eSport eine Tendenz zum Doping gibt und es deshalb eine Problematik sein könnte, diesen Sport auch als gemeinnützig anzuerkennen bzw. seine vereinsmäßigen Ausprägungen.

Wenn ich dieser Logik folgen darf: In welcher Form darf es dann noch Bezuschussung oder Anerkennung von Gemeinnützigkeit zum Beispiel bei der Leichtathletik gewähren? Gerade in den letzten Monaten werden, was Leichtathletik betrifft, aber zum Beispiel auch den Radsport, sehr viele Skandale aus den letzten Jahren öffentlich. Wenn ich da die gleichen Maßstäbe anlege, die Sie hier anlegen …

Herr Sommer, ich glaube, die Frage ist gestellt. Herr Stein sieht sich auch in der Lage, sie zu beantworten.

Ja, ich sehe mich in der Lage, diese Frage zu beantworten. – Erst einmal vielen Dank für die Frage, Herr Sommer. Wir haben gehört, dass jetzt auch bei diesen Events mit der NADA, der Nationalen Anti-Doping Agentur, kooperiert werden soll. Das ist sicherlich ein Schritt, der notwendig ist. Aber ich denke, wir sind in einem sehr frühen Stadium, und es ist sicherlich auch nur ein Kriterium, welches zu erfüllen ist, während ich in den anderen Sportarten nicht bewerten kann, wie gut die Kontrolle funktioniert. Sicherlich kann man immer etwas tun, um es noch besser zu gestalten.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Ist doch lächer- lich!)

Aber dort gibt es zumindest schon diese Kooperationen und diese Strukturen, die in dem hier in Rede stehenden Bereich einfach noch nicht gegeben sind.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Bei allen ande- ren auch!)

Ich fahre fort. – Darüber hinaus wurde zum Beispiel auch in der Berliner Anhörung deutlich, dass viele Spieler im jugendlichen und schulpflichtigen Alter sind und nächtelang durchspielen. Es wurde auch von einem Betreiber einer eSport-Bar eingeräumt, dass diese Spieler am nächsten Tag oftmals der Schule fernbleiben. Auch das ist sicherlich eine Problematik, über die man generell reden muss.

Zu guter Letzt – wir haben es gerade schon gehört – lässt sich kritisieren, dass Sie mit Ihrem Antrag wirklich etwa Gravierendes fordern, nämlich die Aufhebung der Autonomie des Sports, und – wenn man das zu Ende denkt – im weiteren Verlauf auch noch eine Anerkennung als gemeinnützig wollen und dieses dann einmal salopp im Plenum – ohne Diskussion im Ausschuss, ohne Expertengespräch oder ohne Anhörung – durchpeitschen wollen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Am Thema vorbei! Schade!)

Ein solches Vorgehen lässt einfach die nötige Seriosität vermissen.

(Beifall von der CDU)

Insofern ist Ihr Vorgehen bestenfalls ein einfacher Versuch, so etwas wie Wahlkampf zu betreiben. Anerkennung und Wertschätzung verdient der eSport sicherlich, aber nicht mit diesem Antrag. Deshalb werden wir diesen auch ablehnen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Paul.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich auch einmal der Bewertung der Kolleginnen und Kollegen anschließen und zum Ausdruck bringen, dass ich es sehr schade finde, dass wir diesen Antrag heute direkt abstimmen. Denn ich denke, dass – das hat die Debatte bislang durchaus deutlich gemacht –, dieses Thema viel Anlass zu intensivem Austausch bietet und es auch noch intensiven Anlass dazu gibt, also es notwendig ist, dieses Thema eingehender zu diskutieren. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass Sie den Antrag überweisen lassen. Das wollen Sie so nicht. Das ist schade. Das stellen wir erst einmal so fest.

Wir können aber auch feststellen, dass eSport ein wachsender Markt mit einer wachsenden Profiszene, aber auch ein wachsender Bereich der Freizeitgestaltung ist. Vor wenigen Wochen – Herr Kollege Lamla hat es schon erwähnt – ist auch der traditionsreiche FC Schalke 04 in den Profi-eSport eingestiegen. Also, aus S 04 wird wohl nun „Königsblau 4.0“.

Unbestritten ist also, dass eSport viele Menschen begeistert, ob als aktiver Spieler oder Spielerin oder aber als Zuschauerin und Zuschauer. Ich denke, wir können auch davon sprechen, dass eSport eine eigene Jugendkultur ist. Jugendkulturen zeichnet allerdings auch aus, dass sie nicht immer mit den gängigen Formen von Strukturen usw. kompatibel sind, sodass sie sich nicht immer ganz so leicht in diese Formen pressen lassen.

Das wiederum macht aber auch einen gewissen Grad ihres Innovationspotenzials aus, mit dem sie oftmals auch gesellschaftliche Entwicklungen befördern. Wir werden beobachten, in welche Richtung sich der eSport weiterentwickelt, und wir werden auch weiter diskutieren, was das für die Struktur und Organisation des eSports bedeutet und damit eben auch möglicherweise für eine strukturelle Einbindung und Einbettung des eSports.

Kernfrage der heutigen Debatte ist aber, ob es sich beim eSport auch um einen Sport im Sinne der Anerkennung durch den organisierten Sport bzw. der Anerkennung als gemeinnützig handelt. Sport, das hat der Kollege Lamla ja richtigerweise schon gesagt, ist als Begriff nicht genau definiert.

Der DOSB hat einige Kriterien in seiner Aufnahmeordnung festgeschrieben, unter anderem, dass die jeweilige Sportart eine eigene sportbestimmende motorische Aktivität zum Ziel haben muss. Weiter führt er aus – ich zitiere –:

„Diese eigenmotorische Aktivität liegt insbesondere nicht vor bei Denkspielen, Bastel- und Modellbautätigkeit, Zucht von Tieren, Dressur von Tieren ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen und Bewältigung technischen Gerätes ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen.“

Damit wären wir auch bei einem ersten Problem, nämlich der Fragestellung: Wie viel ist beim eSport technisches Gerät und wie viel ist tatsächlich motorische Aktivität der Spielenden? Auch der vom Kollegen Lamla schon erwähnte Prof. Ingo Froböse der Sporthochschule in Köln kommt zu dem Schluss, dass vor allem im Bereich des Profisports bzw. der intensiven leistungsbezogenen Ausübung des eSports tatsächlich eine körperliche Anspannung und nervliche Belastung – typisch für Sportler und Sportlerinnen – anzutreffen ist, beispielsweise vergleichbar mit der Belastung beim Bogenschießen.

Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, das von Ihnen im Antrag aufgegriffene Beispiel des Schachs finde ich persönlich kein ganz so treffendes Beispiel. Zwar ist Schach tatsächlich als Sportart anerkannt, aber ich denke, das ist eher zurückzuführen auf die Gnade der frühen Anerkennung. Denn nach den geltenden Kriterien würde Schach heute auch nicht mehr so einfach als Sport anerkannt werden.

Prof. Froböse stellt allerdings auch fest – und das finde ich in der Tat interessant auch mit Blick auf Ihren Antrag –, dass es im Bereich des eSports an Transparenz und Organisation fehlt. Die Tatsache, dass Unternehmen oftmals als Veranstalter großer Turniere auftreten, erschwert dabei die Anerkennung durch den traditionellen Sport. Auch bei der Frage der Gemeinnützigkeit muss die Frage erlaubt sein, welche Rolle Spielehersteller etc. eigentlich spielen.

Dass sich eine Demokratisierung der Strukturen aus der Anerkennung als gemeinnützige Sportart ergeben würde, darf in diesem Zusammenhang durchaus als gewagte These bezeichnet werden. Und vielmehr müsste aus meiner Sicht andersherum ein Schuh daraus werden.

Das heißt, wir brauchen eine transparente demokratische Organisation auch der Gamerszene, um anschließend sagen zu können: Hier handelt es sich möglicherweise auch um eine Organisationsform, die gemeinnützig ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das aktive Spielen ist sicherlich weit weniger dröge als die recht bürokratische Debatte über die Anerkennungsfähigkeit als gemeinnützig im Sinne des Sports.

Trotzdem kann ich uns ein paar rechtliche Anmerkungen nicht ersparen; denn das von der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus beim wissenschaftlichen Dienst in Auftrag gegebene Gutachten kommt zu dem Schluss, dass es sich bei eSports nicht um Sport im Sinne der Aufnahmeordnung des DOSB handelt.

Es kommt aber auch zu dem Schluss, dass die Handlungsmöglichkeiten – darauf ist ja bereits hingewiesen worden – der Landespolitik mehr als begrenzt sind:

Zum einen haben die Länder gar keine Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Abgabenordnung des Bundes, und zum anderen gilt es auch immer, die Autonomie des Sports zu beachten. Das heißt, und darauf wurde ja auch bereits hingewiesen, dass eine Anerkennung konträr zur Auffassung des DOSB, was eben die Sportmäßigkeit des eSports angeht, wenn man diesem Gutachten folgen würde, einen unzulässigen Eingriff in die Autonomie des Sports darstellen würde. Und die ist immerhin auch verfassungsrechtlich verbrieft.

Und Sie, liebe Piraten, fordern die Landesregierung ja lediglich – das will ich Ihnen mal zugutehalten – auf, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen – was auch immer das in seiner Unzielgerichtetheit heißen mag.

Trotzdem glaube ich nicht, dass es mit diesem wohlfeilen Appell getan ist. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema erfordert breiteren Raum zur Debatte. Das ist jetzt schon oft gesagt worden: Diesen Raum zu dieser Auseinandersetzung, zu dieser notwendigen Debatte wollen Sie uns ja nicht einräumen.

Ich komme an dieser Stelle noch einmal darauf zurück, dass es eine intensive Diskussion dazu braucht. Und der Antrag in der von Ihnen vorgelegten Form überspringt schlicht und ergreifend diese aus meiner Sicht notwendige Debatte. Dazu will ich Ihnen auch fünf Punkte nennen, die ich noch für sehr diskussionswürdig halte:

Erstens. Computerspiele sind heute ein modernes Kulturgut. Ich denke, darüber können wir uns soweit einig sein. Das wirft für mich aber die Frage auf, ob wir die Diskussion um die Gemeinnützigkeit rein über § 52 Abs. 2 Nr. 21 Abgabenordnung, also den Bereich des Sports, führen sollten, oder ob wir nicht

auch – ich meine, das wäre durchaus ein, zwei Gedanken wert – über Nr. 5, also Kunst und Kultur, in diesem Zusammenhang sprechen sollten.

Zweiter Punkt. Wie sieht es denn überhaupt aus mit dem Diskussionsstand mit dem Landessportbund? Haben Sie hinsichtlich dieser Frage auch schon einmal Gespräche mit dem Landessportbund geführt? – Denn die Aufnahmerichtlinien des DOSB besagen, dass eine Sportart von mindestens acht Landessportverbänden anerkannt werden muss, bevor eine Anerkennung beim DOSB beantragt werden kann. Das heißt im Umkehrschluss, dass dem Landessportbund Nordrhein-Westfalen insoweit wesentlich mehr Handlungsspielräume zukommen, als sie die Landesregierung hat.

Frau Kollegin, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Lamla zulassen?

Ja, natürlich.

Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Ich sitze hier und frage mich – das ist eine relativ einfache Frage, vielleicht können Sie mir die beantworten –: Wenn Sie doch so gerne im Ausschuss darüber sprechen wollen, wieso haben Sie oder die Grünen diesen Antrag noch nicht gestellt?

Das ist ungefähr die witzigste Verkehrung von Ursache und Wirkung, die ich heute gehört habe.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie stellen einen Antrag, wollen nicht darüber debattieren, wollen eine Schaufensterdebatte führen, damit Sie sich bei den Gamern auf der gamescom lieb Kind machen können,