Protocol of the Session on April 21, 2016

Zunächst gebe ich Ihnen einige statistische Informationen über das erste Halbjahr 2015. In dieser Zeit haben den Ausschuss über 2.600 Eingaben erreicht. In der gleichen Zeit erfolgte die Erledigung von 2.700 Petitionen. Davon hat der Ausschuss über 200 Eingaben im Verfahren nach Art. 41a der Landesverfassung behandelt. Der Schwerpunkt dieser Eingaben aus diesem Zeitraum lag in den Bereichen Schule und Hochschule. Dort haben uns insbesondere Einzelpetitionen und sogenannte Sammelpetitionen zum Thema Inklusion erreicht, aber auch Eingaben zu anderen schulischen Themen.

Wie in den zurückliegenden Jahren auch, ist die Zahl der Eingaben aus dem Sozialrecht mit annähernd 400 einzelnen Petitionen unvermindert hoch. Aus den Bereichen öffentliches Dienstrecht, Bauen, Wohnen und Verkehr und Umwelt haben wir jeweils rund 200 Eingaben erhalten.

An unserer Erfolgsquote halten wir weiter fest. Diese beträgt üblicherweise 35 %. Durch die Sammelpetitionen im Schulrecht stieg sie in besagtem Halbjahr

jedoch auf über 50 % – eine kleine statistische Besonderheit.

Seit vielen Jahren stabil ist unsere Erfolgsquote in den Verfahren nach Art. 41a der Landesverfassung. Dort erreichen wir in über der Hälfte der Petitionen ein für Petenten positives Ergebnis. Dies war und ist uns ein Ansporn, diese aufwendigen Verfahren durchzuführen und, wenn es erforderlich ist, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen und eine Mediation durchzuführen. Die ausführliche Statistik hierzu finden Sie als Anlage des schriftlichen Berichts.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wie auch in den vergangenen Jahren hat der Ausschuss Bürgersprechstunden hier im Landtag und in den Kommunen vor Ort – in Hagen und in Kleve – durchgeführt.

Bereits vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle von den steigenden Eingaben im Bereich der schulischen Inklusion berichtet. Dieser Trend hat sich fortgesetzt. Inzwischen tun sich an vielen Stellen Menschen zusammen, um gemeinsam in Massen- oder Sammelpetitionen ihrem Anliegen Gehör zu verschaffen.

Zu den Petitionen aus dem Bereich Schule mit zahlreichen Unterstützern gehörte beispielsweise eine Eingabe aus dem Sauerland, die die Mutter eines Kindes an einer Förderschule an uns gerichtet hatte. Ihr Anliegen war die Abschaffung der Verordnung über die Mindestgrößen der Förderschulen. Hintergrund war die Zusammenlegung mehrerer Schulen – darunter auch die Schule ihres Kindes –, und sie befürchtete Nachteile für ihr Kind und alle anderen Kinder an der Schule.

Die gewünschte Abschaffung der Mindestgröße konnte der Petitionsausschuss jedoch nicht unterstützen. Art. 12 der Landesverfassung gibt dem Gesetzgeber auf, dass alle Schulen entsprechend ihren Bildungszielen nach Organisation und Ausstattung die Voraussetzungen eines geordneten Schulbetriebs erfüllen müssen. Hierzu gehört auch das Erreichen der gesetzlich vorgegebenen Mindestgrößen. Nur so kann letztendlich sichergestellt werden, dass der Unterricht qualitativ hochwertig erteilt wird.

Die Petition wurde aber an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung gegeben, damit die Sorgen auch dort bekannt sind und in die schulfachlichen Diskussionen einfließen können.

In einer weiteren Eingabe, ebenfalls durch zahlreiche weitere Petitionen unterstützt, meldete sich die Schulpflegschaftsvorsitzende und beklagte gemeinsam mit Schülern, Eltern und Lehrern eine Verschlechterung der Lernbedingungen an ihrer Schule. Die personellen und räumlichen Voraussetzungen für das gemeinsame Lernen seien in den letzten Jahren schlechter geworden.

Der Ausschuss setzte sich intensiv mit den einzelnen Kritikpunkten auseinander. Er konnte die Fragen nach dem Stellenbudget im Bereich der Lern- und

Entwicklungsstörungen, zusätzlichen Fachkräften für Sonderpädagogik und der Schaffung von neuen Räumen beantworten. Wir konnten auch auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Schulpflegschaft gemäß § 72 des Schulgesetzes hinweisen.

Zudem überwies der Ausschuss auch diese Petition an den Schulausschuss, damit die Anregungen der Petenten zu dieser Problematik in die schulpolitische Willensbildung einfließen können.

In diesen Eingaben war es dem Petitionsausschuss wichtig, dass die Petentinnen und Petenten mit ihren Anliegen und Fragen gehört wurden. Die Kolleginnen und Kollegen des Schulausschusses bitte ich herzlich, die an Sie überwiesenen Petitionen genau zu studieren. Sie werden weiterhin die Gesetze und Verordnungen schaffen, die das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen an Schulen gestalten sollen. Der Weg zur Inklusion muss als Prozess verstanden werden, und es ist die Verantwortung aller, das gemeinsame Lernen in der Schule zu stärken.

Neben diesen Sammelpetitionen erreichten uns zahlreiche Einzeleingaben zum Thema „Inklusion“. Zumeist geht es darum, in konkreten Fällen nach Lösungen zu suchen, wenn Eltern und zuständige Behörden uneinig über die weiteren Maßnahmen sind. Häufig sind verschiedene Kostenträger betroffen, was leider immer wieder dazu führt, dass Eltern von einem Amt zum nächsten geschoben werden.

So erreichen uns viele Petitionen zum Thema „Autismus“. Die Diagnose ist für viele Familien eine schwere Belastung. Experten gehen davon aus, dass bis zu 1 % der Bevölkerung von einer autistischen Störung betroffen ist. Wenn es um die Beantragung und Bewilligung von Therapien geht, zeigt sich, wie schnell es zu einer zeitlichen, nervlichen und finanziellen Belastungsprobe für Familien kommen kann.

Das Petitionsverfahren hat sich bei solchen Querschnittsproblematiken als besonders taugliches Mittel erwiesen, alle Beteiligten zu einem fruchtbaren Austausch zu bringen und Lösungen abzustimmen. Dann werden Schulamt, Jugendamt, Sozialamt und Krankenkassen an einen Tisch geholt, und das Spiel um den schwarzen Peter hat ein Ende.

Uns haben weit über 100 Eingaben zum Thema „Förderberufskollegs in Nordrhein-Westfalen“ erreicht. Darunter waren Briefe und E-Mails von Schülern, Lehrern und Schulleitungen. Der Ausschuss hat diese Eingaben umfassend geprüft und mit den Petenten und Vertretern der beteiligten Behörden mehrere Erörterungstermine durchgeführt.

Die Schicksale der jungen Menschen waren höchst unterschiedlich: Behinderungen, psychische Erkrankungen, Drogenabhängigkeit, zerrüttete Familien oder eine frühe, ungeplante Schwangerschaft. Es

stellte sich jedoch heraus, dass die meisten dieser jungen Menschen nicht mehr schulpflichtig waren und somit von den Förderberufskollegs nicht hätten aufgenommen werden dürfen. Der Besuch von Förderschulen soll nämlich den Schülerinnen und Schülern vorbehalten sein, bei denen Förderbedarf festgestellt ist, was aber nur bis zum 18. Lebensjahr möglich ist. Wir unterstellen den Schulen, dass die Aufnahme in bester Absicht geschah, um diesen noch jungen Menschen die vielleicht letzte Chance zu geben, eine ordentliche Ausbildung zu machen.

So haben wir uns in einem Fall mit dem Schicksal eines 21-jährigen jungen Mannes beschäftigt. Er machte einen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung geltend, weil er an Epilepsie leidet. Der Antrag war abgelehnt worden, und das Förderberufskolleg hätte ihn nicht aufnehmen dürfen. Nun hatte der junge Mann seine Ausbildung aber bereits begonnen und machte sich große Sorgen, ein weiteres Mal in seinem Leben zu scheitern und etwas abbrechen zu müssen. Bereits einmal hatte er wegen seiner Erkrankung eine Ausbildung aufgegeben und war in ein tiefes seelisches Loch gefallen. Nun hatte er neuen Mut gefunden.

Der Ausschuss sah es als notwendig an, für die vielen Fälle eine Übergangsregelung zu schaffen. Er handelte mit der Landesregierung eine Zusage aus, wonach angefangene Bildungsgänge auch dann zu Ende geführt werden dürfen, wenn die Voraussetzungen für eine Aufnahme in das Förderberufskolleg nicht erfüllt sind.

So kann der junge Mann seine Berufsausbildung mit der entsprechenden schulischen Prüfung abschließen und wird ganz sicher im August 2017 als Bürokaufmann für Büromanagement seinen Abschluss schaffen.

Einige der Förderkollegs wurden als sogenannte Bündelschulen genehmigt. Sie können nun auch Schülerinnen und Schüler aufnehmen, die nicht mehr schulpflichtig sind, aber der besonderen Unterstützung bedürfen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Arbeit des Ausschusses ist vielfältig. Neben dem Schwerpunkt Schule hat der Ausschuss viele andere Themen zu beraten. Aus dieser Arbeit möchte ich Ihnen folgende Fälle vortragen.

Nicht immer kann der Petitionsausschuss helfen. Manchmal kann er nur Verständnis für die Entscheidungen von Behörden schaffen, indem er das Augenmerk auf die Belange anderer Menschen lenkt. Dies war im folgenden Fall nötig:

Der Petent, Herr P., ist Halter von zwei großen Hunden. Er ist wegen seiner Querschnittslähmung aufgrund eines Unfalls auf einen Rollstuhl angewiesen, hatte aber durch viel Training und Sport erreicht, sehr aktiv am Leben teilnehmen zu können. Er schrieb, er

habe beide Hunde so abgerichtet, dass sie problemlos ohne Leine neben ihm am Rollstuhl liefen.

Das Landeshundegesetz NRW ermöglicht aber keine Ausnahme von der Anleinpflicht. Aus diesem Grunde waren auch bereits dreimal Bußgeldbescheide ergangen. Nun sah sich Herr P. gezwungen, seine beiden Hunde am Rollstuhl anzubinden. Dieses könne jedoch für ihn zu einer gefährlichen Situation führen, erklärte er. Er wünschte sich deshalb eine Ausnahmeregelung im Landeshundegesetz, die die Bedürfnisse von Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, berücksichtigt.

Der Ausschuss konnte den Wunsch des Petenten nachvollziehen. Allerdings dienen die gesetzlichen Regelungen dem Schutz der Bevölkerung vor Gefahren durch freilaufende Hunde. Der Gesetzgeber hat die aus der gesetzlichen Anleinpflicht entstandene Problematik für Rollstuhlfahrer erkannt und im Gesetz eine Befreiung vorgesehen – allerdings nur für Behindertenbegleithunde. Bei diesen kann aufgrund ihrer besonderen Ausbildung davon ausgegangen werden, dass keine Gefährdung zu erwarten ist. – Für die Hunde des Petenten, die keine Begleithunde sind, gilt diese Ausnahmeregelung nicht.

Bei allem Verständnis für die Bedürfnisse des Petenten wog das Interesse der Allgemeinheit am Schutz vor Gefahren schwerer als das Interesse des Petenten, seine Hunde frei laufen zu lassen. Zudem war es bei seinen Hunden in den letzten Jahren zu mehreren Beißvorfällen mit anderen Tieren gekommen. – In diesem Fall konnten wir dem Petenten nur empfehlen, die Hunde an die Leine zu nehmen.

In vielen Petitionen aus dem Verkehrsbereich geht es um das Thema „Lärm“. Beispielhaft möchte ich Ihnen über eine Eingabe berichten, bei der wir helfen konnten. Frau K. engagierte sich in einer Bürgerinitiative und beklagte den zunehmenden Schwerlastverkehr auf einer Landesstraße, der die dortige Wohnbevölkerung stark belastet. Im Wesentlichen bemängelte sie ein fehlendes Routenkonzept sowie mangelnde Verkehrsüberwachungsmaßnahmen auf den für den Schwerlastverkehr gesperrten Straßen.

Tatsächlich führte der Verkehr zu einem in der Nähe gelegenen Logistikzentrum, das eigentlich über die Autobahnen A40 und A57 erreichbar sein sollte, zu einer großen Belastung. Nicht die dazu ausgewiesene Landesstraße wurde als Weg zur Autobahn benutzt, sondern es wurden auch Abkürzungen über Strecken genommen, die bewusst gesperrt und durch eindeutige Verbotsschilder kenntlich gemacht waren. Zusätzlich nutzten Lkw sogar Straßen, die nur für Anlieger freigegeben waren.

Die Petentin regte an, auf eine neue Methode zurückzugreifen und eine besondere Radarfalle zu installieren. Die zuständigen Behörden lehnten dies zunächst ab. Erst durch das Engagement des Aus

schusses ließen sie sich überzeugen und installierten eine neue Messanlage zur Kontrolle des Durchfahrtverbotes. Durch eine intelligente Kameratechnik werden nun nicht nur Nummernschilder, sondern auch das Gewicht und die Achsbreite der durchfahrenden Lkw gemessen. Dadurch konnten die Verkehrssünder schnell gestellt werden. Die hohen Bußgelder sprachen sich schnell herum, und die Lkw benutzten zur großen Freude der Anwohner nun wieder die ursprünglich vorgesehenen Wege. – Sie dürfen auch gerne einmal klatschen.

(Beifall)

Danke schön.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die junge Frau J. meldete sich beim Petitionsausschuss wegen einer angeborenen Dysmelie der rechten Hand. Bei ihr handelte es sich um einen verkürzten Unterarm mit einer kleinen Hand ohne Finger. Diese körperliche Einschränkung sollte nun dazu führen, dass sie keinen normalen Pkw fahren sollte.

Sie trug dem Ausschuss engagiert vor:

„Ich habe Handball gespielt, ich spiele Gitarre, fahre Ski, klettere und bin auch an der Computertastatur schneller als manch Zweihänder.“

Weiter schrieb sie:

„Wie alle in meinem Alter möchte ich gerne meinen Führerschein machen und ohne Handprothese und auch ohne irgendwelche anderen Hilfsmittel oder Fahrzeugumbauten fahren – halt ganz normal, wie jeder andere auch.“

Bei der Erteilung der Fahrerlaubnis aber fühlte sie sich diskriminiert. Wegen ihrer Behinderung hatte die Behörde ein fachärztliches Gutachten und eine Fahrprobe angeordnet. Der Mediziner hatte keine Bedenken gegen die Erteilung des Führerscheins, wenn denn die praktische Fahrprobe gelingen würde. Der praktische Gutachter hingegen tat sich sehr schwer. Er prüfte, stellte aber viele Bedenken in den Vordergrund und forderte eine Reihe von teuren technischen Änderungen am Fahrzeug. Frau J. sollte nur ein Auto mit Schalensitz, besonderem Lenkrad und einer Schaltautomatik nutzen dürfen. Dies war aus Sicht der jungen Frau nicht hinnehmbar.

Der Petitionsausschuss ging der Sache nach. Schnell machte man der jungen Frau das Angebot, die praktische Begutachtung kostenfrei zu wiederholen. Das Ergebnis war erfreulich. Durch den Wechsel des Sachverständigen kam man nunmehr zu dem Ergebnis, dass die in Rede stehenden Auflagen nicht erforderlich sind. Ich freue mich, dass die junge Frau, die ich selbst kennengelernt habe, mit Schwung und Energie nun auch mittels eines normalen Autos die Welt erobern kann.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Ver- einzelt Beifall von der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Bericht kann ich nicht halten, ohne auf den Schwerpunkt unserer aktuellen Arbeit einzugehen. Sprunghaft gestiegen sind derzeit die Eingaben von Menschen, die nicht aus unserem Land stammen. Sie melden sich bei uns in ausländer- und aufenthaltsrechtlichen Fragen – viele, weil sie aufgefordert wurden, Deutschland zu verlassen, oder weil ihnen die Abschiebung droht. Alle diese Eingaben prüfen wir als Einzelfälle, als Einzelschicksale, die uns vorgetragen werden.

Es ist nicht die Aufgabe des Petitionsausschusses, die aktuelle Flüchtlingspolitik zu kommentieren; wir nehmen die Menschen in den Blick, die sich an uns wenden.

Da ich heute viel über Behörden gesprochen habe – wenn auch in anderen Zusammenhängen –, möchte ich zunächst einen Dank an alle Beschäftigten in den Ausländerbehörden aussprechen. Sie hatten schon immer einen schwierigen, hochbelasteten Job. Die Politik mutet ihnen derzeit aber besonders viel zu, denn trotz des öffentlichen Drucks und der nach wie vor steigenden Zahlen dürfen sie in ihrer Arbeit nicht nachlässiger werden, weil sie über die Schicksale von Menschen entscheiden.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Gleichzeitig möchte ich aber ein mahnendes Wort an alle in politischer Verantwortung richten – die Bürgermeister, die Oberbürgermeister und Landräte. Möglicherweise wollen sie durch den öffentlichen Druck in der sogenannten Flüchtlingskrise auch Durchsetzungskraft zeigen und die vielleicht viel zu lasche Ausweisungspolitik der letzten Jahre wieder wettmachen. Dies sollte jedoch nicht zu Entscheidungen führen, die ohne Augenmaß getroffen werden.