Protocol of the Session on April 21, 2016

auch aus anderen Gebieten von Verkehr und Wirtschaft sagen uns immer wieder: Verpassen Sie den Radverkehrstrend nicht, passen Sie auf, hinken Sie da nicht politisch hinterher! Kurz: Investitionen ins Rad sind eine Investition in eine Zukunft mit hoher Lebensqualität.

Dass es hier der kleine Koalitionspartner ist, der den großen wahrscheinlich zum Jagen tragen musste, stimmt dabei schon bedenklich. Noch immer nämlich verharren weite Teile der SPD und insbesondere der kommunalen SPD im fossilen Zeitalter. Da passt es gut ins Bild, dass Mitglieder der AGFS Essen gerügt oder sogar mal ausgeschlossen wurden, weil sie auch nach Jahren der behaupteten Radpolitik das kommunale Verkehrsverständnis noch immer nicht daraufhin umgestellt haben.

In allen großen Kommunen sind die Schadstoffbelastungen infolge des Pkw-Verkehrs inakzeptabel hoch und gefährden die Menschen dauerhaft. In den klammen Ruhrgebietsstädten steht die Zukunft des ÖPNV auf dem Spiel, aber die auf kommunaler Ebene höheren Kosten des Pkw- und Lkw-Verkehrs werden an unzähligen Stellen des kommunalen Haushalts einfach versteckt.

Ja, in den vergangen Jahren ist mehr getan worden für die Aktivierung des Radverkehrs. Institutionen wie RVR und die Emschergenossenschaft sind hier mutig vorangegangen und haben wirklich etwas bewegt. Das ist zu begrüßen. Aber wesentlich handelt es sich hier um Infrastruktur für Freizeitverkehre.

Es gilt nun entschieden, auch Alltagsverkehre auf das Fahrrad zu bringen. Man muss ja nicht nach Kopenhagen schauen, um zu zeigen, dass das möglich ist. In Nordrhein-Westfalen dagegen verharrt die auf das Fahrrad entfallende Verkehrsleistung im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern auf inakzeptabel niedrigem Niveau. Da kann man noch so oft etwas anderes betonen.

Nur in wenigen Kommunen sieht das anders aus. Die erwähnt man dann. Nordrhein-Westfalen hinkt anderen Ländern und seinen eigenen Ansprüchen hinterher.

Übrigens, aus der wissenschaftlichen Ecke: Es gibt auch einen engen Zusammenhang zwischen den Möglichkeiten, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, und der eigenen Lebenszufriedenheit. Man wird glücklicher, weil man sich die Zeit besser einteilen kann. Die Förderung des Radverkehrs ist also gut für den Menschen, gut für die Gesellschaft und macht auch noch glücklich und schont die Gesundheitskassen. Worauf warten wir dann?

In der Antwort auf die Große Anfrage beweist die Landesregierung leider vor allem eines, nämlich Selbstgefälligkeit. Das hängt natürlich – wie dargelegt – auch an den Fragen. Man muss schon genau

lesen, um überhaupt selbstkritische Aussagen zu finden. Da zeigt die Landesregierung ihre Bereitschaft zu Widersprüchen und Inkonsistenz. Wenn man denn jetzt wirklich für den nichtmotorisierten Verkehr eintreten möchte, darf man nicht alle Verkehrsträger gleich behandeln, vor allem dann nicht, wenn es so zu verstehen ist, wie es zu verstehen ist, nämlich relativ gesehen von der jetzigen Situation aus, also mit Anteilen so wie jetzt. Denn bis zu der Erkenntnis, dass bei ungleicher Voraussetzung nur ungleiche Maßnahmen zu gleichen Bedingungen führen, hat die Landesregierung auch noch ein Stück Weg vor sich.

Ja, ich bin übrigens auch sehr interessiert an Herrn Rehbaums Großer Anfrage. Ich hoffe, dass da was kommt, auch wenn Sie es persönlich nicht angekündigt haben, aber die Fragen waren schon mal gut. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Bayer. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Groschek.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Bayer, ich fange mit Ihnen an. Herr Rehbaum hat schon eine Frage gestellt. Ich zitiere die gleich.

Herr Bayer, Ihnen zur Beruhigung und uns zur Ehre: Die Manta-SPD stirbt aus. Das beste Beispiel dafür ist die Einhelligkeit in der Beschlussfassung, den RS1 als gemeinsames Projekt RVR zu pushen. Das wäre vor 15 Jahren noch nicht vorstellbar gewesen. Ich erkenne da meine Pappenheimer nicht am Fahrradfahren, sondern am Auto. Von daher ist das schon ein Zeitensprung, der da gelungen ist.

(Jochen Ott [SPD]: So ist es!)

Jetzt zu Herrn Rehbaum: Herr Rehbaum stellt natürlich viel intelligentere Fragen zum Radverkehr, unter anderem eine Kleine Anfrage, die ja nicht ganz so arbeitsintensiv ist. Die Klugheit dieser Kleinen Anfrage bestand darin, zu fragen, ob denn die Radschnellwege auch für Pferdeschlitten und Hundeschlitten geeignet seien und geöffnet würden.

(Jochen Ott [SPD]: Super Frage, Herr Reh- baum!)

Finde ich auch. Das zeigt die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Also, Herr Rehbaum, vielleicht auch nur noch zur Erinnerung: Dass Sie den Münsteranern und den Münsterländern den Radschnellweg nicht gönnen,

verstehe ich nicht. Der Radschnellweg im Münsterland würde 98.000 Pkw-Kilometer am Tag einsparen. Das täte dem Münsterland und den Münsterländern gut. Also: Machen Sie die Straße frei für Radschnellwege auch im Münsterland!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir sind in Wirklichkeit seit 40 Jahren gemeinsam vorne. Warum Sie sich für die Episode von fünf Jahren von den eigenen Mit-Erfolgen distanzieren, erschließt sich mir nicht. Sie hätten doch im Grunde für kleines Geld einen großen Preis mit abkassieren können. Dass Sie das ablehnen, ist eigentlich schade.

(Jochen Ott [SPD]: Merkwürdig!)

Es ist eigentlich schade.

Wir haben 1993 die AGFS mit 76 Mitgliedern gegründet. Wir sind so gut, dass wir sagen können: Bei dem alljährlichen nationalen Fahrradklima-Test sind fünf von sechs nationalen Siegern nordrhein-westfälische Preisträger, nämlich

(Zuruf: Sehr gut!)

Reken, Herr Schemmer, Bocholt, Rhede, Wettringen und Münster. Das finde ich super. Dazu kann man nur gratulieren.

Ich frage mich aber: Wo bleiben eigentlich unsere Großen? Wo bleiben die NRW-Metropolen bei dieser Liste? Denn Herr Klocke hat ja zu Recht Kopenhagen, Paris, Amsterdam, Rotterdam, New York und London aufgelistet. Alle investieren Milliarden und Millionen in die Radverkehrsinfrastruktur. Ich würde mich freuen, wenn eine unserer Großstädte wirklich selbst investieren würde und Vorreiter werden wollte und sich nicht von Bocholt, Reken und Rhede ständig die Butter vom Brot nehmen lassen würde. Das wäre ein tolles Zeichen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Radschnellwege sind Leitprojekte. Der Radschnellweg Nummer 1 ist der Trumpf. Ich bin heilfroh, dass Oliver Wittke einen größeren Weitblick hat als Sie, Herr Rehbaum, gerade hier am Podium gezeigt haben. Denn er wirbt für den Radschnellweg Nummer 1. Er kommt jetzt wieder mit einer schleswig-holsteinischen Delegation. Unser Herr London nimmt sich extra frei, um seinen Oliver Wittke den ganzen Tag begleiten zu können, damit er abfeiern kann, was Tolles in Nordrhein-Westfalen passiert, und Schleswig-Holstein das kopieren kann. Lassen Sie uns doch froh sein, dass es auch so engagierte christdemokratische Bundestagsabgeordnete gibt!

(Jochen Ott [SPD]: Wahnsinn!)

Ich werde Herrn Wittke immer einladen, gemeinsam Rad zu fahren, wobei ich persönlich noch auf der Suche nach einem Lastenrad bin, das hundegeeignet

ist. Denn wir haben einen Schäferhund, der sich kategorisch weigert, neben dem Rad herzulaufen. Wenn Sie mir da helfen könnten, wäre ich persönlich auch ein Stückchen weiter.

Da der Radschnellweg Nummer 1 zwischen Hamm und Duisburg einen solchen Leitcharakter hat, werde ich Herrn Dobrindt noch einmal anschreiben. Ich meine, die Beratung des Bundesverkehrswegeplans ist ein idealer Zeitpunkt dafür, dass sich der Bundesverkehrsminister zu diesem Leitprojekt bekennt und am besten die Umweltministerin in den Arm nimmt, in den Förderarm nimmt. Wir brauchen beide, die dazu bereit sein sollten, diesen Radweg mit zu fördern.

Bei Dobrindt bin ich jetzt optimistischer, als die Antworten der Vergangenheit mich sein ließen. Warum? Weil Bayern viele, viele Millionen investieren will in den Ausbau der Radinfrastruktur, weil die gesehen haben, wie viel touristischen, wirtschaftlichen Wert dieses Verkehrssystem hat. Deshalb werden wir vielleicht in die Gunst der Förderung kommen, weil dann Bayern gleich mit gefördert werden kann. Sei‘s drum! Ich hoffe auf ein Einsehen von Herrn Dobrindt.

Das wäre eine große Tat und ein symbolischer Wert, bei diesem Bundesverkehrswegeplan zu sagen: Der Radschnellweg Nummer 1 ist das Leitprojekt für eine vernetzte, humane, integrierte Mobilitätspolitik, die in diesem Haus natürlich nur von Rot-Grün getragen werden kann. Wer soll denn sonst mit uns in die Zukunft radeln?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – La- chen von der CDU)

Wer soll sonst mit uns in die Zukunft radeln?

Letzte Anmerkung: Der Städtetag hat gesagt: Gut gemacht, Änderung des Straßen- und Wegegesetzes prima. Auch Radschnellwege müssen in die Verantwortung des Landesbetriebs Straßen.

Und UPS und andere haben gesagt: Lassen Sie uns doch das Lastenrad erproben für die Last Mile in der Citylogistik! – UPS, United Parcel Service, nicht irgendeine Initiative aus dem Öko-Bereich!

Diese Logistiker werden den Menschen mehr Mut machen, aufs Rad zu setzen; denn es ist schon fast zynisch, wenn innerstädtische Verkehre von unter einem Kilometer Länge mit dem Auto absolviert werden und die Kleinsten der Kleinen jetzt schon im Zweifel im dicken Cayenne zur Tagesmutter kutschiert werden, der nicht nur Gift ausströmt.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Den hat aber nicht jeder!)

Was dem einen der Cayenne, ist dem anderen der ältere R 5. Der ist unter dem Strich aber auch nicht umweltfreundlicher.

Deshalb wären wir gut beraten, mit gutem Beispiel voranzugehen. Lassen Sie uns mehr laufen und Fahrradfahren. Weil ich mit dem Hund unterwegs bin, laufe ich in Oberhausen. Folgen Sie dem Beispiel des Ministers! Laufen tut gut und hält einen einigermaßen fit. – Herr Schemmer, ich hoffe, Sie radeln zumindest in Reken.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Minister Groschek, Sie haben Herrn Schemmer angesprochen. Er wollte Ihnen gerne noch eine Frage stellen. Ich bin mir ziemlich sicher, Sie werden diese zulassen. – Herr Kollege Schemmer, bitte.

Nachdem die Klassenkampfrhetorik jetzt vorbei ist, versuche ich es ganz einfach mit einer ganz praktischen Frage. Herr Minister, Sie sprachen eben an, in welchen Kommunen wie viel für Radwege getan wird. Können Sie sich eigentlich vorstellen, dass die beiden Parteien, die hier eine Koalition bilden,

(Zuruf von der CDU: Noch! Noch!)

noch, völlig korrekt –, vor Ort dagegen sind, dass die Kommunen Flächen erwerben, um überhaupt Radwege zu bauen? Das heißt, es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen den Ansprüchen, die hier geäußert werden, und dem, was sie zu Hause tun.

Herr Schemmer, seitdem ich aus Berlin in dieses Hohe Haus zurückgekehrt bin, kann ich mir alles vorstellen. Deshalb sind wir, glaube ich, beide gut beraten, dafür zu sorgen, dass der Infrastrukturausbau vorangetrieben wird und wir uns in Nordrhein-Westfalen bemühen, die Niederlande Deutschlands zu werden. Dann wird nicht darüber diskutiert, welche Schwerpunkte wir setzen,