Protocol of the Session on April 20, 2016

es geht doch heute eigentlich darum, deutlich zu machen, dass der Benchmark für die Zuteilung in einem Maße unterhalb der technischen Möglichkeiten gefordert wird, sodass die besten Unternehmen noch zusätzliche Zertifikate kaufen müssen. Die Begründung liegt darin, dass die Bundesregierung Umweltprogramme in der Hoffnung auf hohe Zertifikatspreise durchfinanziert hat. Das ist nicht eingetreten. Das ist das Problem, über das wir uns unterhalten müssen.

Sehen Sie das auch so, Frau Kollegin? – Vielen Dank für die Frage, Herr Ellerbrock.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Danke für die Frage, Herr Kollege Ellerbrock. Ich sehe das so, dass Sie der Debatte immer etwas hinterherhinken. Mittlerweile diskutieren bereits Vertreter der Stahlindustrie und der Belegschaften, den Zertifikatehandel durchaus nicht abschaffen zu wollen. Letzten Endes wird diskutiert, dass man Ausnahmen für die effizientesten Standorte möchte, aber nicht ausgerollt über die gesamte Stahlindustrie.

Auch die Stahlindustrie weiß: Wenn wir den Klimawandel nicht als Innovationstreiber erkennen, ist dauerhaft keine nachhaltige Zukunft an den Standorten möglich. Sie wissen, in Bezug auf die Preise und Qualitäten werden wir schnell eingeholt. Deshalb sind wir gerade in Europa immer dazu verdammt, besser zu sein als die anderen, mehr Qualität günstiger und klimafreundlicher anzubieten. Das werden wir auch nicht abschaffen können.

Wir brauchen auch einen funktionierenden Emissionshandel, um letzten Endes wieder zu einem faireren Wettbewerb zu kommen.

Ich kann, wie gesagt, verstehen, dass die Nervosität auch in den Belegschaften aufgrund dieser Debattenlage steigt. Es geht ja immerhin auch um die Zukunft der Kolleginnen und Kollegen vor Ort. In Duisburg, in der Stadt, aus der ich komme – Sie kommen ja auch daher –, reden wir insgesamt über 20.000 Arbeitsplätze allein in der Stahlindustrie. Daran hängt noch ein ganzer Rattenschwanz von Dienstleistungen und anderen Menschen, die quasi Zuarbeit liefern.

Deshalb weiß ich auch, dass die Stahlindustrie in der Vergangenheit wichtige Fortschritte gemacht hat in Bezug auf Ressourceneffizienz, in Bezug auf CO2Reduktion. Diese Leistung ist auch anzuerkennen. Sie ist auch die Voraussetzung dafür, dass die funktionierenden Stahlstandorte bei uns in NordrheinWestfalen tatsächlich auch eine gute Prognose haben. Aber diese Anstrengungen reichen nicht.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Es muss weitergehen. Die Projekte zur CO2Minimierung, die angestoßen worden sind, sind deshalb so wichtig. Ein Kernstück ist, dass wir darüber reden, wie wir CO2 reduzieren können, indem wir Kohlendioxid als Produkt benutzen, und zwar in neuen Industrieverbünden aus Chemie und Stahl. Unsere Aufgabe wird es sein, diesen Aufbruch der Stahlindustrie in eine klimafreundliche Zukunft auch vernünftig zu begleiten.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wie gesagt, Voraussetzung ist ein fairer und freier Handel. Und die Sorgen der deutschen Stahlindustrie, bezogen auf die Dumpingproblematik, sind berechtigt. Aktuell wird auch bereits über das Herannahen eines neuen Handelskrieges gesprochen. Befeuert wird das Ganze auch dadurch, dass die EU bis Ende des Jahres wirklich zu einer Lösung kommen muss, ob man China einen Marktwirtschaftsstatus verleiht.

Unsere grüne Position ist es, dieses nicht zu tun. Denn nur eine wirksame Bekämpfung von Dumping trägt gleichzeitig auch zum Erhalt der Innovationskraft bei. Wir brauchen einen fairen Wettbewerb. Dazu gehören die Bekämpfung von Dumping, aber auch Preise, die die ökologische Wahrheit sagen und widerspiegeln. Und das gelingt nur, wenn man Klimaschutz als einen wichtigen Innovationsfaktor, einen wichtigen Innovationstreiber begreift.

Ich weiß, dass die Stahlstandorte in Nordrhein-Westfalen diese Herausforderungen bereits angenommen haben. Deshalb freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Beisheim. – Herr Hovenjürgen für die CDUFraktion hat nun das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dr. Beisheim! Ja, das eine ist die Sichtweise Richtung Dumping, Richtung China und die dortige Überproduktion, die definitiv 60 % unterhalb des Preisniveaus, was eigentlich weltmarktnotwendig wäre, liegt und damit auch unsere Stahlindustrie einer deutlichen Konkurrenzsituation aussetzt, der sie sich so nicht erwehren kann. Da wäre es natürlich wünschenswert, lieber Kollege Sundermann, dass die Verfahren bei der EUKommission deutlich schneller gingen.

Richtig ist auch: Wenn man mit den Betroffenen, mit der Unternehmensleitung, mit dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden spricht, der bei uns zu Gast in der Fraktion war, dann hört man auch noch die andere Seite. Es gibt natürlich die großen Sorgen über die Pläne der EU-Kommission bei der Neuregelung des

ETS-Handels. Da müssen wir sehr genau gemeinsam hinschauen.

Wenn ich dann sage, wir sind solidarisch mit dem Bereich Stahl, dann müssen wir diese Solidarität auch wirklich leben. Dann müssen wir sie auch nach vorne bringen, und dann müssen wir auch sagen: Was macht eigentlich unseren Stahl aus?

Unser Stahl, unsere Unternehmen hier vor Ort, gerade das Duisburger Unternehmen als beispielhaft dargestellt, hat eine Energieeffizienz von 61 %. 61 % der dort eingesetzten Energie werden auch genutzt. Das ist phänomenal.

Das ist hervorragend, macht aber auch deutlich – da hat der Kollege Sundermann auch wieder recht –, dass ich so viel da nicht mehr erreichen kann und dass eine Verschärfung in den Ansprüchen an diese Unternehmen natürlich die Unternehmen in Schwierigkeiten bringt, wenn dies technisch nicht mehr darstellbar ist. Und das ist – das wird glaubhaft versichert – technisch eben nicht mehr darstellbar.

Deswegen, meine Damen und Herren, haben wir unseren Unternehmen da zu helfen, ihnen beizustehen und den Stahlstandort zu sichern. Wir haben ihn auch deshalb zu sichern, weil in der Produktion von Stahl nicht nur die Sicherung von Arbeitsplätzen liegt, meine Damen und Herren, sondern es liegt dort auch Innovationskraft. Wenn man sich in der Forschungsabteilung von ThyssenKrupp Steel umschaut, wenn man sieht, wie innovativ man dort ist, wie man mit Blechen arbeitet, wie man mit neuen Formungstechniken arbeitet, welche Innovationskraft dort liegt, dann wissen wir auch, welche Bedeutung die Stahlbranche für unsere Wirtschaft, für unsere Zukunft und für unsere Wertschöpfungsketten hat, meine Damen und Herren.

Wer weiß, dass 60 % der Produkte von ThyssenKrupp Steel in den letzten fünf Jahren entwickelt worden sind, also neue Produkte sind, die sich permanent mit den Unternehmen der Wirtschaft im Austausch befinden, und wer den Satz ernst nimmt, der dort gesagt worden ist: „Da, wo die Bleche sind, werden auch die Autos gebaut“, meine Damen und Herren, dem wird deutlich, wie wichtig die Stahlindustrie für unseren Standort sein wird.

Deswegen haben wir es nicht verstanden, dass es eine Initiative seitens der Bundesländer geben muss – drei Bundesländer im Übrigen, die Niedersachsen, die Saarländer und die Sachsen –, die sich im Bundesrat dafür einsetzen wollen, dass wir hier unserer Stahlbranche beispringen. Noch mehr irritiert hat uns, dass Brandenburg bereit ist, dieser Initiative beizutreten, aber nicht die Landesregierung.

Meine Damen und Herren, lieber Wirtschaftsminister Duin, wir erwarten, dass Sie, obwohl wir diese Anträge erst im Ausschuss beraten werden – Sie haben jetzt schon die Chance –, in der Bundesratsberatung

den Bundesländern beitreten, die initiativ werden zugunsten der Stahlstandorte. Wir erwarten, dass diese Landesregierung diesen Schritt geht, um auch das, was bei der großen Stahldemonstration deutlich geworden ist, nämlich Schulterschluss und Unterstützung für die Stahlwerker hier im Land, durch die Landesregierung im Bundesrat mitzutragen. Wir sind gespannt auf die Bundesratsdebatte und die Beratungen dort, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zusammenfassen und bewerten: Wir brauchen Arbeit in unserem Land. Wir brauchen Innovation in unserem Land. Wir brauchen die Stärkung von Wertschöpfungsketten. Und wir brauchen einen adäquaten Klimaschutz. Es muss kein Widerspruch sein. Aber im Mittelpunkt steht die Sicherung von Existenzen von Menschen, die arbeiten.

Frau Dr. Beisheim hat es gesagt: Die Belegschaft ist in Vorleistung getreten. Die Belegschaft hat eine Bereitschaft gezeigt, in gemeinsamer Solidarität ihre Arbeitsplätze zu sichern, und ist mit einem 31-StundenAngebot pro Mitarbeiter unterwegs. Eine weitere Absenkung ist nicht mehr darstellbar, weil das an die wirtschaftliche Existenz der Menschen geht.

Deswegen haben wir gemeinsam die Verantwortung. Wir sind sehr gespannt, wie das Verhalten dieser Landesregierung im Bundesrat zu diesem Antrag der drei Bundesländer sein wird. Wir haben die gemeinsame Verantwortung, unserer Stahlbranche zu helfen, bei der EU dafür zu sorgen, dass Dumping nicht mehr möglich ist, aber gleichzeitig auch, dass eine umwelttechnologische Überforderung unserer Stahlstandorte bei besonderer Leistungsfähigkeit nicht stattfindet.

Wir sind gespannt. Wir sind an Ihrer Seite, wenn Sie die Unterstützung gewähren. Wir werden Sie aber fürchterlich in die Ecke stellen, wenn es nicht klappen wird. Denn bei der Demo den Mitarbeitern Solidarität zusichern und sie dann schon im Bundesrat in Berlin vergessen zu haben – das wäre eine schlimme Entwicklung in diesem Land. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Hovenjürgen. – Für die FDP tritt nun ans Pult der Kollege Brockes und hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debattenbeiträge meiner Vorredner zeigen, dass es richtig und wichtig ist, dass sich der Landtag mit der katastrophalen Situation der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie beschäftigt. Nordrhein-Westfalen ist der Stahlstandort Nummer eins in Deutschland. Jährlich werden hier rund 16,5 Millionen t Rohstahl hergestellt. Das sind knapp

40 % der deutschen Produktion. Über die Hälfte der bundesdeutschen Arbeitsplätze in der Stahlindustrie befinden sich in Nordrhein-Westfalen. Die europäischen Stahlmärkte sind die offensten der Welt und deswegen auch besonders anfällig für subventionierten chinesischen Dumpingstahl. Hier, meine Damen und Herren, muss Brüssel schnellstmöglich tätig werden.

Nicht minder gefährlich für den Stahlstandort sind die Pläne der EU zu der Neufassung der CarbonLeakage-Maßnahmen beim Emissionshandel. Wenn die Maßnahmen für die Jahre 2020 bis 2030 so beschlossen werden, haben wir im Jahre 2030 wahrscheinlich keine Stahlindustrie mehr in NordrheinWestfalen. Wenn wir nicht handeln, werden wegen des Preisdrucks durch die chinesischen Überkapazitäten und die Energie- und Klimakosten, also durch den Emissionshandel und insbesondere durch das EEG, ab dem Jahr 2020 Investitionen Schritt für Schritt nicht mehr bei uns, sondern im Ausland getätigt. Das, meine Damen und Herren, dürfen wir sehenden Auges nicht hinnehmen.

(Beifall von der FDP)

Für uns Freie Demokraten ist deshalb klar: Benchmarks müssen sich nach dem technisch und wirtschaftlich Machbaren richten. Die effizientesten Anlagen, die 10 %, müssen vollumfänglich mit Zertifikaten ausgestattet werden. Das nämlich bietet Anreize zu modernisieren, um entsprechend aufzuschließen oder den Vorsprung zu wahren. Mit Kürzungsfaktoren Annahmen zugrunde zu legen, die rein physikalisch noch nicht einmal einhaltbar sind – das lehnen wir entschieden ab.

Es ist schon ein Armutszeugnis, dass wir uns mit diesem überaus wichtigen Thema nur deshalb beschäftigen, weil zwei Effekte – chinesische Dumpingmaßnahmen und die Reform des Emissionshandels – bei der Stahlindustrie so extrem und schädlich auf den Standort Nordrhein-Westfalen einwirken.

Herr Minister, meine Damen und Herren von SPD und CDU, es ist doch nicht nur die Stahlbranche, die von den geplanten Änderungen beim Emissionshandel massiv betroffen ist. Es sind sämtliche energieintensiven Industriezweige, für die beim Emissionshandel Mehrbelastungen in Millionenhöhe drohen. Ihre Anträge blenden die in Wirklichkeit viel größeren Probleme leider einfach aus.

Auch wenn die Situation, sagen wir, in der Chemie im Moment nicht konkret existenzgefährdend erscheint, wäre es nicht nur schlecht für das Klima, es wäre erst recht schlecht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen, wenn zu dem Carbon-Leakage noch das Investment-Leakage dazukäme. Dass gerade eine SPD-geführte Landesregierung den Erhalt der Arbeitsplätze in NordrheinWestfalens Industrie so geringschätzt, kann ich, ehrlich gesagt, beim besten Willen nicht nachvollziehen.

Es wäre ehrlicher gewesen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wenn am Stahl-Aktionstag am vorigen Montag nicht nur Ministerpräsidentin Kraft und Bundeswirtschaftsminister Gabriel vor den Stahlarbeitern aufgetreten wären, sondern auch die Bundesumweltministerin Frau Barbara Hendricks.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die nämlich sitzt in Brüssel mit am Verhandlungstisch. Dann hätte sie deutlich demonstrieren können, dass die NRW-SPD, Frau Kraft und Frau Hendricks, zwar an einem Strang ziehen, aber leider in zwei völlig unterschiedliche Richtungen an zwei völlig unterschiedlichen Enden; denn laut Frau Hendricks ist das, was dem Stahl und den anderen Branchen hier droht – ich zitiere –, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ambitioniertem Klimaschutz auf der einen Seite und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf der anderen Seite.

(Beifall von der FDP)

So ehrlich, meine Damen und Herren, hätten Sie als Sozialdemokraten den Stahlarbeitern auch entgegentreten müssen.

Ich komme zum Schluss. Sie machen es sich mit Ihren Anträgen auch aus einem weiteren Grund zu leicht, wenn Sie einfach mit dem Finger auf Brüssel zeigen. Es sind doch nicht allein die Chinesen und der Emissionshandel, die unsere Industrie belasten, sondern die energie- und klimapolitischen Alleingänge hier auf Landesebene und auf Bundesebene.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Meine Damen und Herren, die Belastung von industriellem Eigenstrom mit der EEG-Umlage zum Beispiel – all das wird in Ihren Anträgen leider verschwiegen. Und deshalb kann ich Ihnen nur raten: Machen Sie sich endlich ehrlich! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)