Protocol of the Session on March 3, 2016

Jetzt sind wir, glaube ich, an einem Punkt angelangt, wo wir das wirklich durchziehen können. Es gibt bei den unterschiedlichen Anträgen, die hier vorliegen, viele Gemeinsamkeiten. Es gibt ein paar Vorschläge, die ich gut finde, Frau Güler. Das heißt, was Sie über die Antragsfristen für die Kitaplätze sagen, finde ich gut; darüber können wir reden. Das finde ich vernünftig; das sollten wir tun. Es gibt bei der FDP den Vorschlag, niedrigschwellige Spielgruppenangebote zu machen, aber auch den Vorschlag – das finde ich auch sehr gut, Herr Stamp –, Nachverhandlungen mit den Krankenkassen zur Gesundheitskarte zu führen. All das ist völlig okay. Lassen Sie uns darüber reden. Vielleicht schaffen wir es ja, an der Stelle zu einer gemeinsamen Offensive zu kommen.

Ich habe nicht den Eindruck, dass eine der Fraktionen, die hier im Landtag vertreten sind, ernsthaft vorhat, die Integration der Flüchtlinge zu einem Thema zu machen, aus dem man parteipolitisch Kapital schlagen will. Den Eindruck habe ich nicht. Wir sollten eigentlich daran arbeiten, dass das so umgesetzt wird, dass wir versuchen, gemeinsam zu Lösungen zu kommen; denn viele von denen, die jetzt da sind, werden bleiben.

Frau Löhrmann hat es gerade noch einmal angesprochen: Die Fehler der 60er, 70er sollten wir nicht wiederholen. Ich kenne aus eigener Erfahrung die Fehler, die damals gemacht worden sind, und zwar von beiden Seiten; das sage ich an der Stelle immer sehr deutlich. Es sind Fehler von der aufnehmenden Gesellschaft gemacht worden, aber auch von denjenigen, die zu uns gekommen sind, die nämlich nicht frühzeitig genug erkannt haben, dass sie hierbleiben werden, und die deswegen für Bildung und für Integrationsmaßnahmen keinen Sinn hatten, was aus dem Blickwinkel derjenigen heraus, die da waren, völlig verständlich ist. Aber diese Fehler sollten wir auf gar keinen Fall wiederholen.

Ich finde, nach einem Jahr, nach einem sehr schwierigen Jahr, sind wir jetzt an einem Punkt angekommen, wo wir über Integrationskonzepte diskutieren können. Ich finde nicht, dass der Zeitpunkt schon zu spät ist; vielmehr ist er genau richtig. Wir haben die Menschen erst einmal versorgt und können jetzt darüber reden, wie wir sie bei uns integrieren.

Ich will Ihnen zum Schluss sagen, Herr Stamp, liebe CDU: Unser Leitmotiv, das der SPD, ist,

(Armin Laschet [CDU]: Mit „d“ geschrieben!)

dass wir bei unserer Politik nicht zwischen dem „Wir“ – das heißt, den bereits hier lebenden Men

schen – und den Flüchtlingen unterscheiden, sondern dass wir eine Politik für alle gesellschaftlichen Gruppen machen, für Arbeitnehmer, für Familien, für junge Menschen, also für alle, die in diesem Land leben. Das geschieht aus dem Blickwinkel heraus, dass die Menschen, über die wir jetzt reden, irgendwann auch einer dieser Gruppen zugehörig sein und zu uns gehören werden. Deswegen erhoffe ich mir, dass wir eine Gemeinsamkeit herstellen können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Güler.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Umarmungsstrategie der Landesregierung und vor allem der SPD ist sicher pressewirksam. Da nehme ich ausdrücklich das Engagement von Frau Löhrmann aus, die uns hier schon sehr ernsthaft vermittelt hat, dass die Grünen an einer gemeinsamen Integrationspolitik sehr wohl nach wie vor Interesse haben. Diesen Eindruck haben wir bei der SPD nicht.

(Britta Altenkamp [SPD]: Frau Güler, das ist doch auch durchsichtig, oder?)

Diesen Eindruck haben wir bei der SPD nicht. Wir fragen uns, warum es denn im Vorfeld nicht möglich gewesen ist, aus diesem Antrag einen gemeinsamen Antrag im Sinne des Integrationskonsenses von 2001 zu machen, zumal Herr Yetim jetzt sogar von „gemeinsam“ sprach. Die Frage müssen Sie sich gefallen lassen;

(Beifall von der CDU und der FDP)

denn inhaltlich finden wir uns an mehreren Stellen in Ihrem Antrag wieder. Viele Ihrer Forderungen sind ja jene, die wir in der Vergangenheit an Sie gestellt haben und die hier von Ihnen abgelehnt worden sind.

Frau Altenkamp, wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen, lassen Sie uns bei dem Thema auf parteipolitische Spielchen verzichten, dann muss ich wirklich lachen.

Konkretes und recht aktuelles Beispiel: Noch in der letzten Plenarsitzung hat meine Fraktion zusammen mit der FDP hier einen Antrag eingebracht. Da ging es um das Thema Wertevermittlung. Ein zentraler Bestandteil dieses Antrags war die Aufstockung der Orientierungskursstunden innerhalb der Integrationskurse. Ein Minister Schmeltzer hat sich hier hingestellt und gesagt: Brauchen wir alles nicht. Dafür ist der Bund zuständig, nicht wir, Frau Güler; wir sind die falschen Adressaten. – Herr Yetim hat sich hier hingestellt und gesagt: Ist doch schon alles auf dem Weg. Wir machen doch; wir tun doch.

Sie lehnen unsere Anträge immer wieder ab – das ist nur ein Beispiel –, bringen es dann selbst als eigene Anträge ein und fordern von uns, keine parteipolitischen Spielchen zu betreiben. Das finde ich schon bemerkenswert.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Dieser Umgang, Frau Altenkamp, macht vor allem eines deutlich:

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Vorschläge der Opposition interessieren Sie nicht im Geringsten, und das ist nicht unbedingt die nötige Vertrauensbasis für eine gute Zusammenarbeit.

(Beifall von der CDU – Britta Altenkamp [SPD]: Sie sind weder kompromissfähig noch kom- promisswillig!)

Sie bekunden hier, dass Ihnen die gute Tradition in Nordrhein-Westfalen im Sinne des integrationspolitischen Konsenses wichtig sei. Herr Römer hat uns über die Presse wissen lassen, dass der Konsens mit der Opposition für ihn wichtig sei, weil dieser die Akzeptanz von Flüchtlingen stärke. – Dies ist zwar erfreulich, spiegelt aber nicht die Realität im federführenden Integrationsausschuss wider. Dort hat uns Herr Kollege Yetim deutlich gemacht, dass er an einer Gemeinsamkeit nicht interessiert ist. Alles, was die Opposition vorschlage – das hat Herr Stamp gerade auch schon gesagt –, sei entweder bereits erledigt oder schon auf dem Weg.

Wenn sich Herr Yetim jetzt hierhin stellt und sagt: „Frau Güler, ich habe Ihnen doch noch letztens im Ausschuss gesagt: ,Lassen Sie uns doch über die Dinge reden, die noch nicht auf dem Weg sind‘„, dann stimmt das nicht; denn weder Frau Brand noch Herr Stamp noch meine Person oder sonst jemand von den Oppositionsparteien haben das von Herrn Yetim in dieser Weise im Ausschuss in letzter Zeit mitbekommen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das kam von Frau Velte! Sie hat es gesagt!)

Das ist, glaube ich, schon deutlich geworden.

Wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben: „Mit unserem Integrationsplan machen wir uns auf den Weg“, dann heißt das doch erst einmal, dass vieles anscheinend doch nicht erledigt ist.

Herr Yetim, wenn ich Ihre Auslegungen jetzt einmal wirklich positiv bewerte, dann muss ich sagen,

(Britta Altenkamp [SPD]: Dass es Ihnen schwerfällt!)

dass Sie von Ihrer eigenen Integrationspolitik keine Ahnung haben. Sie wissen selbst nicht, was schon alles auf dem Weg ist, was schon alles erledigt wurde

und was nicht. Ahnungslosigkeit lasse ich noch gelten. Wenn ich es allerdings böse bewerte, dann muss ich sagen, dass Sie es zwar besser wussten, Ihre Mehrheit hier im Haus aber dafür eingesetzt haben, gute Ideen abzubremsen, und zwar nur, weil sie von der Opposition stammen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Umso erstaunlicher ist es, wenn Sie sich jetzt hierhin stellen und sagen: Lasst uns alle gemeinsam an einem Strang ziehen. – Glauben Sie mir, das ist nicht glaubwürdig.

Sie haben bisher alle Bemühungen, zu gemeinsamen Anträgen zu kommen, trotz der wirklich ernst gemeinten Vermittlungsbemühungen des Aus

schussvorsitzenden Arif Ünal abgelehnt, bei dem ich mich noch einmal herzlich bedanken möchte.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deshalb lautet meine Bitte an Herrn Römer, an Frau Altenkamp, dass Sie sich vielleicht erst einmal untereinander einig werden, welchen Kurs Sie hier als SPD-Fraktion fahren möchten. Ob es eine Gemeinsamkeit mit der Opposition geben soll oder nicht, müssen Sie erst mit Herrn Yetim klären. Dann sind wir gern zu Gesprächen bereit.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir erwarten allerdings bei einer Gemeinsamkeit auch, dass auf die Belange der Opposition eingegangen wird. Zu sagen: „Hier haben wir eine Liste von Forderungen, jetzt macht mal mit“, ist mit uns nicht zu machen.

Deshalb haben wir auch einen eigenen Antrag in die heutige Sitzung eingebracht, in dem wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Ein wichtiger Punkt für uns ist dabei die Verbindlichkeit. Auch Sie schneiden das in Ihrem Antrag an. Dort heißt es – Zitat –: „Wir fordern diese Bereitschaft auch ein.“ Was allerdings folgt, wenn diese Bereitschaft nicht vorhanden ist, bleibt in Ihrem Antrag offen. Wir setzen uns deshalb ganz konkret für Integrationsvereinbarungen ein, die ein fester Bestandteil eines gemeinsamen Integrationsplanes werden müssen.

Ein Zweites kommt hinzu: Ein Landesintegrationsplan braucht eine Konzentration auf die Zuständigkeiten des Landes. Der Schwerpunkt muss auf dem liegen, was wir als Land leisten können und was unsere Aufgabe ist; denn dafür sind wir schließlich alle hier, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der größte Unterschied zwischen dem Aktionsplan Integration der schwarz-gelben Landesregierung und einem Integrationsplan, wie Sie ihn sich vorstellen, ist jetzt schon offensichtlich: Der Aktionsplan konzentrierte sich auf das, was wir selbst zu meistern in der Lage waren. Er war nicht auf den Bund angewiesen. Ihr Plan hingegen wird nur aufgehen, wenn der Bund mehr Mittel zur Verfügung stellt; denn eine

ganze Reihe von Forderungen in Ihrem Antrag richtet sich an den Bund.

Ein Integrationsplan für NRW braucht auch die Konzentration auf das Wesentliche. Ein erweitertes Angebot der Verbraucherberatung ist schön. Die Vermittlung von Kompetenzen in der Umwelt- und Verbraucherbildung ist zweifelsohne wichtig, aber nicht prioritär. Denn ob die Integration der Flüchtlinge gelingt, entscheidet sich nicht an einem Handytarif oder daran, dass die Neuankömmlinge frühzeitig lernen, ob sie ihre Cola-Dose nun in die gelbe, grüne oder blaue Tonne schmeißen müssen, sondern vielmehr daran, ob sie beispielsweise eine Ausbildungsstelle bei uns bekommen. Denn spätestens seit gestern wissen wir – darauf ist Herr Stamp bereits eingegangen –, dass Nordrhein-Westfalen auch auf dem Ausbildungsmarkt die rote Laterne hält, weshalb ein breites Bündnis die Landesregierung jetzt zum Handeln aufruft.

Ein weiterer wichtiger Punkt – insofern freuen wir uns, dass Sie das selbst als zentralen Aspekt dargestellt haben – ist die Wertevermittlung: Was sind unsere Werte? Was hält unsere Gesellschaft zusammen?

In diesem Zusammenhang denke ich an Frau Kampmann, die sich in der letzten Plenarsitzung hierhin stellte und sagte: Das machen wir schon. Die Landeszentrale für politische Bildung hat mehrere Angebote, wenn es um die Wertevermittlung für Flüchtlinge geht.

(Werner Jostmeier [CDU]: Nichts! Gar nichts!)

Wir haben uns das einmal angeschaut. Ja, Frau Kampmann, unter diesen Angeboten finden sich in der Tat auch ein NRW-Puzzle, eine Broschüre zum sicheren Babyschlaf sowie ein Angebot der Forstämter für Flüchtlingskinder, das es ihnen ermöglichen soll, die Wälder unseres schönen Bundeslandes kennenzulernen.

Das alles mag wichtig sein, aber lassen Sie uns, um wirklich voranzukommen, uns auf das Wesentliche konzentrieren. Wir sind für Gespräche bereit. Aber gerade die Beispiele zum letzten Thema, der Wertevermittlung, machen deutlich, dass wir anscheinend doch andere Vorstellungen haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Güler. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.