Kinder- und Jugendförderplan des Landes 68 Millionen €, dann 80 Millionen €, jetzt 100 Millionen €. Das begrüßen wir, wunderbar. Tun Sie aber doch nicht so, als wären Sie vorher so gut gewesen. Sie haben seinerzeit 68 Millionen € bereitgestellt, wir haben dann 80 Millionen € bereitgestellt. Jetzt stellen Sie 100 Millionen € zur Verfügung. Wenn schon die Wahrheit, dann bitte auch vollständig.
Wenn Sie Ihre Arbeit in der Enquetekommission wirklich ernst nehmen würden, würden Sie einmal in den Bericht der Enquetekommission „Chancen für Kinder“ von 2008 hineinschauen. Welche Handlungsempfehlungen haben SPD und Grüne da auf Seite 170 gegeben? – 2010 haben Sie die Verantwortung in diesem Lande übernommen. Haben Sie von den Handlungsempfehlungen, wie man die Armut von Kindern, Jugendlichen und Familien überwinden könnte, auch nur ansatzweise etwas umgesetzt?
Sie haben seinerzeit auch noch Sondervoten abgegeben; damals waren Sie in der Minderheit! Auf Seite 171 schreiben Sie in Ihren Sondervoten, was alles zu tun wäre – ich will das alles gar nicht zitieren –: vom kostenfreien Mittagessen bis hin zu kommunalen Arbeitsgemeinschaften.
Was haben Sie eigentlich von dem umgesetzt, wovon die Enquetekommission gesagt hat: „Damit könnte man sehr wahrscheinlich die Kinderarmut reduzieren“? Diese Empfehlungen wurden von Fachexperten, Wissenschaftlern und Praktikern niedergeschrieben. Jetzt lese ich mir das durch und denke: Sechs Jahre Regierungsverantwortung müssen doch dazu geführt haben, dass hier einige Dinge umgesetzt worden sind. – Es ist nichts umgesetzt worden.
Deshalb fordern wir Sie nochmals auf: Handeln Sie endlich! Machen Sie vernünftige Sachen und stellen Sie die Tatsachen nicht immer so da, nach dem Motto: Wenn auf einem Briefkopf „CDU“, „FDP“ oder irgendein Privater steht, kann das nur schlecht sein, wenn aber „SPD“ und „Grüne“ darauf steht, dann ist alles gut, und alles andere wird plattgemacht. So macht man keine vernünftige Kinder- und Jugendpolitik. Da muss man ab und zu auf gute Ratschläge hören und die dann auch umsetzen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte jetzt einmal den Kolleginnen und Kollegen und auch den Zuhörerinnen und Zuhörern zugute, dass wir alle ein hohes Interesse daran haben Kinderarmut zu verhindern und zu bekämpfen. Darüber hinaus halte ich allen zugute, dass die Berichte und Gutachten, die in den letzten Tagen an die Öffentlichkeit gekommen sind, alle mehr oder weniger betroffen machen. Was aber sicherlich nicht in Ordnung geht, ist der Versuch, hier ein politisches Geplänkel zu betreiben, bei dem möglicherweise am Ende die Ernsthaftigkeit verloren geht.
Ich möchte ein paar Unterschiede herausarbeiten, die heute in der Debatte für mich deutlich geworden sind. Das betrifft zunächst den Armutsbegriff und die Frage, wie Armut wahrgenommen wird. Hier sind heute eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen angetreten und haben gesagt: Ja, wenn wir zum Beispiel so etwas wie die Beitragsbefreiung in der Kita machen, profitieren davon nur die Reichen, weil dies den Armen ohnehin als Transferleistungsempfänger finanziert wird.
Damit fängt das Ganze schon an. Armut ist keine Sache, die sich nur monetär messen lässt, nach dem Motto: Wenn ich im SGB-II-Bezug bin, werde ich sogleich als arm definiert. Armut lässt sich vielmehr – jedenfalls aus Sicht der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hier im Hause – vor allem an Teilhabe festmachen. Da geht es nicht nur allein um die Frage: Bin ich Transferleistungsempfänger – ja oder nein?
Ich kann Ihnen aber sagen, wie Kinderarmut tatsächlich wahrgenommen wird, nämlich vielfach an der Postleitzahl – an der Postleitzahl der Wohnorte oder der Grundschule der Kinder und Jugendlichen. Das spielt eine Rolle, wenn sie sich bewerben. Die kann ich Ihnen für meinen Wahlkreis nennen: 45127, 45128, 45143. Das sind die drei Stadteile, in denen Menschen in ganz besonders schwierigen Lebenslage leben und in denen Kinder in sehr schwierigen Lebenslagen aufwachsen.
Die Eltern dieser Kinder sind zum Teil noch nicht mal im Transferleistungsbezug, aber die Kinder wachsen in Lebensverhältnissen und Umständen auf, die ihnen Teilhabechancen schlechterdings nicht in gleichem Umfang bieten wie anderen Kindern.
Herr Hafke, mir ist heute aufgefallen, wie Sie zum Beispiel zu einem Thema wie der 24-Stunden-Kita stehen. Das ist ein sehr interessanter Aspekt gewesen. Bei den 24-Stunden-Kitas kann es doch nicht nur darum gehen, dass Menschen, die in prekären Beschäftigungsverhältnissen stehen, eine Rund-umdie-Uhr-Betreuung für ihre Kinder brauchen, damit sie in diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen überhaupt ihr Geld verdienen können.
Vielmehr wird doch umgekehrt ein Schuh daraus. In Wahrheit ist es doch so, dass sich das Arbeitsleben
verändern muss, dass sich die Arbeitsverhältnisse für die Eltern verändern müssen, damit es eben nicht notwendig ist, dass Kinder über Nacht in einer Kita bleiben. Das sind die Schmerzen, die wir dabei haben.
(Norwich Rüße [GRÜNE]: Genau richtig! – Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Wir sind mit dem Projekt „Kein Kind zurücklassen!“ in diesem Land ein erhebliches Wagnis eingegangen. Das wird mir heute deutlich; denn hier im Landtag entsteht ja fast der Eindruck, dass, wenn man solch ein Projekt auflegt, bei dem 18 Modellkommunen unterstützt werden, mit dem Erscheinen des Evaluationsberichts alles vorbei und damit die Kinderarmut bekämpft wäre.
Das Gegenteil ist doch der Fall. Das Projekt ist so angelegt, dass unsere Partnerinnen und Partner, die wir zur Bekämpfung von Kinderarmut sowie zur Vorbeugung dagegen brauchen, nämlich die Kommunen, unterschiedliche Wege für sich ausprobieren können, um im sogenannten Roll-out-Verfahren zu überlegen, welche Kommune welchen Ansatz wählt.
Das Wagnis besteht darin, dass wir uns heute nicht einfach hinstellen und sagen können: „Schalter umgelegt, alles wird gut“, sondern dass wir uns eingestehen müssen: Es gibt unterschiedliche Wege und unterschiedliche Möglichkeiten, Kinderarmut zu bekämpfen. Deshalb glaube ich, dass man hier nicht so kurz springen sollte.
Herr Hafke, das ist doch sogar unter Ihrem Niveau für Sie als Fachpolitiker. Es kann doch nicht wahr sein, dass Sie hier hinstellen und einfach sagen: Es ist doch nichts passiert; wir haben noch nichts erreicht. – Herr Hafke, das ist doch wirklich ein bisschen wenig. Sie wissen ganz genau, wie dieses Projekt angelegt ist. Sie haben sogar zwischendurch in einem Nebensatz gesagt, das Projekt sei eigentlich ganz gut. Und heute sagen Sie: Da wurde ja nichts erreicht, wie die Gutachten zeigen.
Projekte wie KeKiz, aber auch Mo.Ki – Monheim für Kinder, ein Projekt, das ich immer wieder nennen will – leben davon, dass sie zur Bekämpfung von Armut ganz früh ansetzen, am Ende aber zu Regelangeboten werden, und zwar für alle Kinder. Denn es kann auch nicht sein, dass wir einzelne Projekte für Kinder in Armutssituationen auflegen und damit, weil man das Gute will, die Kinder letzten Endes zusätzlich stigmatisieren.
Wir waren wir uns immer darüber im Klaren: Vorbeugende Sozialpolitik wirkt auf der Strecke. Deshalb finde ich die heutige Debatte auf der einen Seite ganz
interessant, weil sie gezeigt hat, wie unterschiedlich die Ausgangsdiskussionspunkte der einzelnen Fraktionen hier sind. Aber auf der anderen Seite bedeutet eine vorbeugende Sozialpolitik Langfristigkeit und einen langen Atem sowie das Vertrauen in die Menschen, dass sie tatsächlich gemeinsam mit der Politik an ihrer Lebenssituation etwas verändern wollen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Altenkamp. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, und ich schließe die Aktuelle Stunde.
zum Haushaltsplan des Landes NordrheinWestfalen für das Haushaltsjahr 2016 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2016)
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Landesregierung Herrn Minister Dr. Walter-Borjans das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich lege Ihnen heute einen Nachtrag zum Haushalt des Jahres 2016 vor, der eine Folge der Ereignisse in der Silvesternacht in Köln und in anderen Städten des Landes ist. Die Ministerpräsidentin hat unmittelbar nach den Ereignissen schon am 14. Januar 2016 hier im Landtag einen 15-Punkte-Plan zur Stärkung der inneren Sicherheit und zur besseren Integration vor Ort angekündigt. Das bildet sich jetzt in Positionen ab, die unserem Haushaltsgesetz 2016 in einem Nachtrag hinzuzufügen sind.
Wir reden von insgesamt 42,6 Millionen € und rund 61,9 Millionen € Verpflichtungsermächtigungen, mit denen wir 796 Stellen und vier zusätzliche Einstellungsermächtigungen schaffen wollen.
Punkte konzentriert – Mehrausgaben für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Silvesternacht 2015“ und für die Eingangssicherung am Landtagsgebäude aufgenommen. Die Eingangssicherung ist ein Provisorium, das wieder auf einen neuen, sicheren Stand zu bringen ist.
Die Mehrausgaben von insgesamt 46,9 Millionen € sollen komplett durch Einsparungen im laufenden Haushaltsverzug aufgefangen werden. Damit wird sich die Nettoneuverschuldung in Höhe von 1,83 Milliarden € nicht verändern.
Es geht einmal um den Block für die Stärkung der inneren Sicherheit. Das bedeutet: verstärkte Präsenz der Polizei auf der Straße. Zur Überbrückung des Zeitraums, bis zu dem sich die insgesamt 860 zusätzlichen Einstellungsermächtigungen für Kommissaranwärterinnen und -anwärter in den Jahren 2015 bis 2017 umsetzen lassen, sollen möglichst schnell 500 zusätzliche Polizisten zur operativen Aufgabenwahrnehmung an Kriminalitätsbrennpunkten eingesetzt werden.
Zum Zweiten werden wir uns weiter verstärkt daran beteiligen, mehr Ordnung in die Asylverfahren zu bringen, und zwar gemeinsam mit dem Bund. Hier geht es darum, zukünftig auch die Kommunen bei dem steigenden Rückführungsaufkommen stärker zu unterstützen. Deswegen wird bei der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld eine zentrale Rückkehrkoordination eingerichtet. Hier gibt es – ebenso wie bei den insgesamt drei Zentralen Ausländerbehörden – eine personelle und eine sächliche Ausstattung in Höhe von insgesamt 1,2 Millionen €.
Wir sorgen zudem für eine konsequente und effektive Strafverfolgung. Deswegen ist in diesem Nachtrag zugesagt, die Justiz rasch und nachhaltig zu verstärken. Mit dem Nachtragshaushalt werden 100 zusätzliche Planstellen für Richterinnen und Richter und weitere 100 zusätzliche Planstellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte geschaffen.
Vor allem aber wollen wir die Integration vor Ort stärken. Als erstes und bisher einziges Bundesland investiert Nordrhein-Westfalen erhebliche Mittel, um zunächst 3.600 zusätzliche Plätze in Basissprachkursen zu den Angeboten des Bundes zu schaffen. Dazu kommen weitere Mittel im Wissenschaftsetat und im Weiterbildungsbereich, um auch Dozenten und Institutionen zu stärken und zu unterstützen, die für diese Sprachkurse notwendig sind.
Ich finde es gut, dass schon in den ersten Äußerungen vonseiten der Opposition deutlich gemacht worden ist, dass wir diesen bewusst herausgelösten Teil, der sich nur mit den 15 Punkten beschäftigt, jetzt schnell auf die Straße bringen wollen. Das ist ein wichtiges Signal.
Ich bin etwas enttäuscht, wenn das sofort mit einer Begleitmusik nach dem Muster verbunden wird, hier sei in den vergangen Jahren nicht die richtige Vorsorge getroffen worden, um die absehbaren weiteren Herausforderungen, vor denen wir stehen, abzubilden.
Ich sage es noch mal – die heutige Debatte hat es ja gezeigt –: Wer hier sagt, dass etwa die Verschuldung des Landes immer größer geworden sei und dass man mit Prävention, ohne zu wissen wofür, gehandelt und Mittel zur Verfügung gestellt habe, hat offenbar nicht mehr die Kenntnis darüber, dass wir 2010 mit einer Verschuldung in Höhe von 6,6 Milliarden € angefangen haben und jetzt bei einem Stand von 1,8 Milliarden € sind.