Protocol of the Session on March 2, 2016

Die FDP kann sich vielleicht erlauben, bei dieser Debatte Klientelinteressen in den Blick zu nehmen. Wir als Länder haben aber die Pflicht, dieses Gesetz in der Praxis umzusetzen, und zwar im Sinne des Kulturgutschutzes, und genauso die Verantwortung ge

genüber den Künstlerinnen und Künstlern, gegenüber den Eigentümern und gegenüber den Sammlern wahrzunehmen.

Dabei muss das, was Frau Grütters fordert, natürlich auch in der Praxis funktionieren. Das ist heute schon oftmals angeklungen. Es handelt es sich um ein Bundesgesetz, und die Länder haben dazu bereits ausführlich Stellung genommen.

Einig sind wir uns, dass es noch Änderungen am Gesetzentwurf geben muss, damit dieser seine Wirkung auch so entfalten kann, wie es eigentlich vorgesehen ist. Deswegen freue auch ich mich auf einen weiteren konstruktiven Dialog und auf jeden weiteren Beitrag, der zu einem wirksamen Kulturgutschutz in Deutschland beiträgt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 16/10915 an den Ausschuss für Kultur und Medien; die abschließende Beratung und Abstimmung sollen dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. Wer kann dem nicht folgen? Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

9 Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen

beenden – Klare gesetzliche Regelungen schaffen

Eilantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/11287

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/11311

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom 29. Februar 2016 fristgerecht diesen Eilantrag eingebracht.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktionen dem Kollegen Bischoff das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Missbrauch von Leiharbeit und der Missbrauch von

Werkverträgen wird seit Jahren beklagt. Er wird zu Recht beklagt.

Um die Dimension auf NRW-Ebene deutlich zu machen: Allein in NRW haben wir 186.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Leiharbeitsbasis im Jahre 2014 gehabt. Es gibt Schätzungen, dass jede dritte selbstständige Tätigkeit, jeder dritte Vertrag von Selbstständigen auf einem Werkvertrag beruht. Damit wird die Dimension deutlich und auch, dass beide Instrumente offensichtlich nicht nur als Ausnahmeinstrumente gelten, sondern in hohem Maße auch ein Missbrauch der Instrumente stattfindet.

Um es am Anfang gleich deutlich zu machen: Wir wenden uns nicht gegen die Instrumente selbst, sondern gegen den Missbrauch der Instrumente. Leiharbeit und Werkverträge können sinnvoll sein für kurzfristige Arbeitsvergaben, für kurzfristige Aufträge, die man bekommen hat, aber eben nicht als Regelinstrumente. Das wollen wir nicht. Sie wären dann sinnvoll, wenn sie ein Regularium hätten, wenn die Rahmenbedingungen gesetzlich hundertprozentig geklärt wären. Das ist derzeit nicht der Fall. Deswegen gibt es die breite und berechtigte Missbrauchsdebatte.

Die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag, unterschrieben von CDU, CSU und SPD, festgelegt, dass auf Bundesebene die gesetzliche Regelung erfolgen soll, damit die Missbräuche, die in der Regel darin bestehen, dass Löhne unterlaufen werden, dass Arbeitnehmerschutzrechte und Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten ausgehöhlt werden, eben nicht mehr passieren.

Dieser Koalitionsvertrag auf Bundesebene sieht vor, dass in dieser Legislaturperiode die Rahmenbedingungen zu regeln sind – übrigens auch im Sinne der nicht missbrauchenden Unternehmen. Denn das verändert die Konkurrenzsituation, zum Beispiel dann, wenn ein Unternehmen bei einer Auftragsvergabe per Lohndumping durch Leiharbeit bessere Bedingungen hat als andere. Das ist eine Möglichkeit. Wir sehen im Bereich der Fleischindustrie aber auch, dass eine Sogwirkung entstehen kann: dass dann, wenn sich der Branchenführer dieser Instrumente bedient, die anderen Unternehmen das auch tun. Wir haben eine Untersuchung des MAIS, die ganz klar aufzeigt, dass die ganze Branche offensichtlich infiziert ist und diese Instrumente missbräuchlich benutzt. Alles das wollen wir verhindern, und das ist das Ziel der Koalitionsvereinbarung im Bund.

Unser Antrag spricht sich in seinem Forderungskatalog ganz deutlich dafür aus, dass wir mindestens die Bedingungen des Koalitionsvertrages erfüllt sehen wollen. Das ist wichtig; denn wir als Sozialdemokraten und insbesondere ich als Gewerkschafter haben durchaus weitergehende Forderungen als die, die im Koalitionsvertrag stehen. Das, was im Koalitionsvertrag von Berlin vereinbart worden ist, war ein Kompromiss. Man sieht das auch ein Stückchen an dem

Entschließungsantrag der Piraten. Herr Sommer, über das, was Sie dort hineinschreiben, würde ich gerne mit Ihnen diskutieren. Aber der Charakter dieses Antrages ist eben ein anderer. Wir wollen deutlich machen, dass der Bund, bitte schön, das erfüllen möge, was er in seinem Koalitionsvertrag festgelegt hat, was ja eindeutig ein Kompromiss war.

Ich möchte es noch einmal inhaltlich ausführen. In der Koalitionsvereinbarung steht, dass die Höchstüberlassungsdauer auf 18 Monate begrenzt werden soll, dass die gleiche Bezahlung des Leiharbeiters, verglichen mit der Stammbelegschaft, nach dem neunten Monat einzuführen ist und dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer nicht als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Das sind die wesentlichen Punkte unserer Forderungen.

Die Koalitionspartner in Berlin, also CDU und CSU, haben das unterschrieben. Insofern sind wir gleich höchst gespannt auf den Redebeitrag der CDU. Bei Herrn Alda habe ich nicht die Hoffnung, dass uns die FDP da gewaltig unterstützen wird, aber die CDU als Partei hat das in Berlin unterschrieben.

Ich weiß, dass nach der Redeliste gleich Herr Bergmann sprechen wird, was mich ein wenig verwundert. Es ist das zweite Mal hintereinander, dass in einer arbeitsmarktpolitischen Debatte, in der übrigens auch kein CDU-Mitglied des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales anwesend ist, kein Arbeitsmarktpolitiker redet. Ich spreche Herrn Bergmann überhaupt keine Kompetenz ab, aber das ist schon ein bisschen verwunderlich. Das haben wir bei Mindestlohn auch schon erlebt, als Herr Wüst gesprochen hat, und die Arbeitsmarktpolitiker durch Abwesenheit geglänzt haben.

Nichtsdestotrotz hoffe ich darauf, Herr Bergmann, dass Sie sich gleich auf Vertragstreue besinnen und für die CDU deutlich erklären werden, dass die CDU den Vertrag, den sie unterschrieben hat, auch einhalten wird. – Mit dieser Hoffnung bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und fürs Zuhören.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. – Für die grüne Fraktion hat nun Frau Kollegin Maaßen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Teilhaben – das geht nur mit gerechten Löhnen und guter Arbeit für alle. Deshalb wollen wir prekäre Arbeitsverhältnisse eindämmen, Minijobs ersetzen, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen verhindern und das Tarifvertragssystem stärken.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Leiharbeiter fast verdreifacht. Ende 2014 waren 824.000 Menschen als Leiharbeiter beschäftigt.

Meine Damen und Herren, Wirtschaft und Unternehmen benötigen Flexibilität. Sie benötigen Flexibilität, um Personalengpässe und Auftragsspitzen zu bewältigen. Leiharbeit und Werkverträge können hier eine Lösung sein.

Aber es gibt auch Missbrauch – Herr Bischoff sprach es schon an –, den es einzudämmen gilt, nämlich dann, wenn mit diesen Instrumenten ausschließlich Lohnkosten gesenkt werden, wenn für die gleichen Tätigkeiten, die das Stammpersonal verrichtet, schlechtere Löhne gezahlt werden. Leiharbeitskräfte und Werkvertragsnehmer müssen fair und gerecht entlohnt werden und mehr Planungssicherheit erhalten.

Durch die 2012 eingeführte Lohnuntergrenze und den Mindestlohn haben sich die Bedingungen bei der Leiharbeit verbessert. Dies reicht uns jedoch nicht aus. Es wird der besonders geforderten Flexibilität und dem Schutzbedürfnis der Leiharbeitskräfte nicht gerecht. Zudem sind Leiharbeiter häufiger von Arbeitslosigkeit bedroht. Mehr als 50 % der Beschäftigungsverhältnisse in der Leiharbeitsbranche enden bereits nach drei Monaten, und viele Beschäftigte werden wieder arbeitslos. Gleichzeitig wird von der Arbeitsagentur und den Jobcentern mit mehr als 30 % überdurchschnittlich häufig in die Leiharbeitsbranche vermittelt. Festzustellen ist: Hier entstehen Drehtüreffekte, die wir so nicht zulassen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass allein im zweiten Halbjahr 2013 rund 500 000 Leiharbeitsverhältnisse neu geschlossen, dafür aber auch 547 000 beendet wurden. Nur ein geringer Teil der Beschäftigten findet eine Festanstellung im Entleihbetrieb. Es sind – je nach Untersuchung – zwischen 7 und 10 %. Mit einer nachhaltigen Arbeitsintegration hat der hohe Anteil an Vermittlungen in Leiharbeit nichts zu tun.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Höhe der Eingliederungszuschüsse an Leiharbeitsfirmen hinweisen. Allein drei Leiharbeitsfirmen, bei denen in 2013 zusammen knapp 120 000 Leiharbeiter beschäftigt waren, erhielten 2013 und 2014 fast 10 Millionen € an Eingliederungszuschüssen. Aus grüner Sicht sind hier mehr Qualifizierung und Begleitung Langzeitarbeitsloser und weniger Eingliederungszuschüsse für Zeitarbeitsfirmen notwendig.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Beifall von Torsten Sommer [PIRATEN])

Im dritten Quartal 2015 lagen die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne für Leiharbeiter bei 13 €. In der Folge ist das Verarmungsrisiko von Leiharbeitern besonders groß. Ein überdurchschnittlich hoher Anteil muss aufstocken und zusätzlich zum Verdienst Grundsicherungsleistungen beantragen. Die aus

Steuermitteln getragenen Aufstockungskosten bei Leiharbeitern sind beträchtlich. Sie betrugen 2014 fast 350 Millionen €.

Ich komme nun kurz zu den Werkverträgen. Klassische Werkverträge, mit denen Arbeitsaufträge mit gelegentlichem Charakter und spezialisierten Tätigkeiten extern vergeben werden, sind nicht zu kritisieren. Problematisch ist, wenn Stammbelegschaften durch Beschäftigte von Werkvertragsunternehmen ersetzt werden. Manche Unternehmen haben zweifelhafte Werkvertragskonstruktionen entwickelt. Extreme Beispiele finden sich in der Fleischbranche: Solo-Selbstständige, die ohne Anrecht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz ausschließlich mittels Werkvertrag für einen Arbeitgeber arbeiten.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Der vorliegende rot-grüne Antrag ist für uns Grüne ein erster Ansatzpunkt, den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen einzudämmen, ein erster Ansatzpunkt, weil wir Grünen hier nicht stehen bleiben wollen. Wir wollen eine weitere politische Debatte: gleiche Arbeit für gleichen Lohn ab dem ersten Tag auch für Leiharbeiter.

(Beifall von den GRÜNEN und Torsten Som- mer [PIRATEN])

Wir wollen eine Prämie für Leiharbeiter als Ausgleich für höhere Risiken und Flexibilitätsanforderungen. Wenn gleicher Lohn und Prämie umgesetzt werden, kann auf eine Höchstüberlassungsdauer verzichtet werden. Leiharbeitskräfte sollten nicht in bestreikten Betrieben eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Informations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Betriebsräte gestärkt werden müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Beifall von Torsten Sommer [PIRATEN])

Vielen Dank, Frau Maaßen. – Für die CDU-Fraktion geht nun Herr Dr. Bergmann ans Pult.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ende 2013 schlossen CDU, CSU und SPD in Berlin einen Koalitionsvertrag. Dieser Vertrag sieht auch Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, dem AÜG, vor, die von der zuständigen Ressortministerin, Frau Nahles, vorzubereiten sind.

Einen ersten Entwurf für Änderungen am AÜG legte die Frau Ministerin bereits im November 2015 vor. Leider bildete dieser – um es einmal vorsichtig zu formulieren – die getroffenen Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag nicht richtig ab. Die Bundeskanzle

rin gab ihr daher die Gelegenheit, den Entwurf nachzubessern. Diese Chance scheint Frau Nahles jedoch nicht konsequent genutzt zu haben. Folge: Auch der im Februar 2016 vorgelegte zweite Arbeitsentwurf des Ministeriums deckte sich leider nicht mit den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag.

Deshalb hat sie von CDU/CSU und SPD jetzt noch einmal die Möglichkeit bekommen, den zweiten Arbeitsentwurf nachzubessern. Wir finden, wir sollten der ehemaligen SPD-Generalsekretärin diese Möglichkeit auch zugestehen und sie hier nicht vorführen, so wie Sie von Rot-Grün das heute mit einem Eilantrag oder wie die Piraten es mit ihrem Antrag versuchen.

Mir scheinen die Gesetzesarbeiten – darüber haben Sie, Herr Bischoff, ja auch gesprochen; ich sage dies, damit ich Ihrer Erwartungshaltung auch gerecht werde – respektive die Abstimmungsgespräche im Bund doch auf einem guten Weg zu sein, sodass ich hier gar nicht näher auf die Inhalte eingehen möchte; da sollten wir auch nichts zerstreuen. Wenn Sie da ein Problem mit den Inhalten haben, sollten Sie auf Ihre Parteifreundin Frau Nahles noch einmal zugehen. Ich glaube, das wäre der richtige Weg; denn wir im Land Nordrhein-Westfalen bzw. der Landtag haben diesbezüglich überhaupt keine Entscheidungskompetenz.

Und noch eines: Ihr Antrag ist handwerklich schlichtweg nicht zu Ende gedacht. Da will ich Ihnen nur ein Beispiel nennen: Sie kritisieren, dass jeder dritte Selbstständige in Nordrhein-Westfalen auf Basis von Werkverträgen tätig ist. Liebe Kollegen, ganz viele selbstständige Handwerksmeister arbeiten auf Basis von Werkverträgen. „Was lernt uns das“, wie wir das bei uns am Niederrhein sagen würden? Werkverträge sind per se kein Teufelszeug und schon gar nicht der Untergang der sozialen Marktwirtschaft, sondern oftmals eine Voraussetzung dafür, dass Selbstständige in unserem Land Aufträge er- und behalten, Arbeitsplätze schaffen und somit auch Wohlstand für viele, für sich selber und viele Mitarbeiter, sichern.