Sie, Herr Minister Groschek, haben vergangene Woche gefordert, dass die Länder enger am Zügel gehalten werden sollen. Das nenne ich einmal eine angemessene Selbstkritik, Herr Minister; denn vor al
lem Nordrhein-Westfalen bedarf wegen seiner Versäumnisse im Bundesfernstraßenbau einer straffen Führung von oben.
Hier Ihre ernüchternde Bilanz der rot-grünen Verkehrspolitik: Im Jahre 2013 – hören Sie gut zu, Herr Kollege! – gingen 48 Millionen € wegen fehlender Planungen an den Bund zurück.
Im Juli 2015 bekam Nordrhein-Westfalen nicht einmal 5 % der 2,7 Milliarden € Bundesmittel für neue Bundesfernstraßen der nächsten Jahre. 2015 flossen aus dem Sonderprogramm des Bundes für den Brückenbau nur 70 Millionen € nach Nordrhein-Westfalen. Traurige Bilanz des Jahres 2015: NordrheinWestfalen konnte viel weniger Bundesmittel abrufen als noch im Jahr zuvor.
So werden Sie in einer dpa-Meldung vom 24. Februar 2016 zitiert. Ich hoffe, das ist richtig. Ja, Sie haben recht; die Kuh ist in Nordrhein-Westfalen wirklich auf dem Eis. Demgegenüber stehen aber die Kühe in Hamburg, in Hessen und in Bayern mitten auf der Wiese, wo die Bundesmittel in Ruhe abgegrast werden können.
Wenn Sie, Herr Minister, jetzt sagen, Planungsverfahren dauerten zu lange und müssten gestrafft werden, dann haben Sie unsere volle Zustimmung. Aber andere Länder können mit der gleichen Rechtslage einen Planungsvorrat anlegen, Sie eben nicht.
Eine weitere Forderung unseres Antrags ist, ÖPPFinanzierungsangebote der Bundesregierung anzunehmen. Auf Antrag der SPD-Fraktion hatten wir dazu eine Anhörung. Die Mehrheit der Sachverständigen – ich betone: die Mehrheit – kam zu folgendem Schluss: ÖPP-Projekte sind weder mittelstandsfeindlich noch teurer. Sie sind auch nicht intransparent, sondern sie werden im Bundeshaushalt ausgewiesen.
ÖPP-Modelle im Bundesfernstraßenbau sind eine sinnvolle, notwendige Ergänzung zu den konventionellen Planungs- und Baukapazitäten des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Betonung liegt dabei auf „Ergänzung“. Mehr wollen wir ja gar nicht.
Herr Kollege Voussem, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass in Ihrem Antrag stehen würde, man solle die Bundesförderung bei ÖPP doch annehmen. Ist es richtig, dass Folgendes in Ihrem Antrag steht?
Das heißt: Sie wollen nicht nur, dass man das annimmt, sondern Sie wollen dieses Instrument ganz bewusst weiter ausdehnen.
Herr Kollege Ott, das haben Sie vollkommen richtig gelesen. Kompliment dafür! Dann tun Sie es doch endlich einmal.
Nehmen Sie den Antrag an, und fördern Sie ÖPP. Legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen in diesem Hause endlich ab!
Im Übrigen hat auch Ihr Herr Bodewig letzte Woche noch gesagt: ÖPP nicht flächendeckend, sondern für einzelne singuläre Projekte.
Die sechsstreifige Erweiterung der Autobahn A1 von der Anschlussstelle Münster-Nord bis zum Autobahnkreuz Lotte/Osnabrück auf 41 km Länge ist doch nichts anderes als ein singuläres Projekt.
Allerdings ist es ein besonders wichtiges Unternehmen, weil es um die Beseitigung eines Nadelöhrs auf der wichtigen Nord-Süd-Magistrale in unserem Land geht.
Darum noch einmal: Legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen gegenüber ÖPP ab. Lassen Sie sich bei diesem Punkt nicht weiter von Ihrem grünen Koalitionspartner treiben. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Damen und Herren! Bei Herrn Voussem weiß man ja leider nie so genau, welcher Voussem gerade spricht.
Das war jetzt eben auch aus grüner Sicht ein Stück nachvollziehbar und mittragbar; denn auch wir würden ja sagen: ÖPP macht in Einzelfällen Sinn; wenn, dann muss das vernünftig durchgerechnet und durchgeplant sein.
Aber es gibt auch die andere Variante von Herrn Voussem. Wir kennen es von Pressemitteilungen und von gemeinsamen Diskussionen, vor Kurzem noch hier beim Verband Spedition und Logistik Nordrhein-Westfalen, wo Sie breit dafür geworben haben, dass die Finanzierungsperspektive im Straßenbau ÖPP zu sein hat. Da sind wir ganz klar auseinander.
(Jochen Ott [SPD]: Wer ist jetzt ideologisch? – Gegenruf von Christof Rasche [FDP]: Diejeni- gen, die keine vernünftige Leverkusener Brü- cke machen!)
Wenn es vernünftige Straßenverkehrsprojekte geben würde, bei denen man sagen könnte, von der Planung bis zur Umsetzung und zur Wartung habe eine ÖPP-Finanzierung bzw. ein ÖPP-Projekt funktioniert – und zwar nicht nach 30 Jahren unter der Formulierung „volkswirtschaftlich“, sondern es hat sich gerechnet, weil es für die Steuerzahler günstiger war, weil es schneller fertig war und weil es auch in der Wartung vernünftig war –, dann könnten wir sagen:
Okay. Da können wir auch mitgehen. Aber es gibt in Deutschland von den zehn bis zwölf Projekten, die bisher mit ÖPP finanziert worden sind, kein einziges Straßenprojekt, dessen Kosten sich nicht deutlich gegenüber der Planung verteuert haben, das nicht langsamer umgesetzt worden ist und das letztlich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht mehr gekostet hat.
Deswegen haben wir hier einen klaren Spalt. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie sich nicht bei den Länderverkehrsministern – einige aus Reihen der CDU oder aus CDU-geführten Koalitionen oder auch aus der CSU – einreihen, die letzte Woche bei der Verkehrsministerkonferenz noch 16:0 entsprechend entschieden haben.
Es gibt gute Argumente, die bisherige Finanzierungsstruktur grundsätzlich beizubehalten, nach Effizienzmöglichkeiten zu schauen, das Ganze zu beschleunigen und die Länder – das hat der Verkehrsminister in der Pressekonferenz erwähnt – bei ein paar Punkten auch straffer an die Zügel zu nehmen.
Aber bei einem grundsätzlichen Systemwechsel machen wir nicht mit. Und das steckt bei Herrn Dobrindt dahinter. Das steckt auch hinter Ihren Formulierungen: Wir wollen weg von der öffentlichen Finanzierung und von der öffentlichen Kontrolle. Wir gründen eine Bundesfernstraßengesellschaft, finanzieren sie über Mauteinnahmen und geben das Geld in diese eigenständige Gesellschaft. Dann wird in einer Mammut-Mega-Behörde auf Bundesebene entschieden, was in den Ländern an Straßenbau zu laufen hat, entzogen jeglicher parlamentarischer Kontrolle. – Da werden wir nicht mitgehen. Das ist ganz klar.
Deswegen haben wir gegen Ihren Antrag – wir haben ihn nicht nur schon einmal hier im Plenum debattiert, sondern hatten auch die entsprechende Anhörung dazu – unseren Entschließungsantrag gesetzt. Wir wollen an der öffentlich-rechtlichen Straßenverkehrsplanung festhalten.