Protocol of the Session on January 27, 2016

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/10903

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/10904

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion Frau Kollegin Lück das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute stimmen wir über den Gesetzentwurf der Landesregierung über die klinische und epidemiologische Krebsregistrierung sowie zur Änderung des Gesundheitsdatenschutzgesetzes ab. Für uns in NRW ist die Krebsbekämpfung eines der vorrangigen Gesundheitsziele. 218.000 Todesfälle pro Jahr infolge einer Krebserkrankung und die Tatsache, dass Krebs damit die zweithäufigste Todesursache in Deutschland ist, zeigen uns den Handlungsbedarf.

Obwohl es bereits erhebliche Fortschritte in der Krebsbehandlung gibt, stehen wir weiterhin vor wachsenden Herausforderungen bei der Krebsbekämpfung. Mit der Einrichtung des Krebsregisters, das die klinische und die bereits bestehende epidemiologische Krebsregistrierung zusammenführen wird, werden die Bemühungen beim Kampf gegen diese schwere und meist tödlich verlaufende Krankheit verstärkt.

Durch die verpflichtende Meldung der behandelnden Ärzte über die Häufigkeit, die regionale Verbreitung, die Überlebensraten und den Erfolg von Behandlungsmethoden wird eine umfangreiche Datenbasis geschaffen. Mithilfe dieser Daten und deren Analyse wollen wir eine Verbesserung der Prävention, der Versorgung und der onkologischen Behandlung Krebserkrankter erreichen sowie der wissenschaftlichen Forschung gerecht werden, um die Qualität der Tumortherapie zu heben.

Im Ausschuss haben wir uns intensiv mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung über die klinische und epidemiologische Krebsregistrierung beschäftigt. Insbesondere die Expertenanhörung hat uns wertvolle Erkenntnisse geliefert.

Mit dem gemeinsamen Änderungsantrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP wurden die Ergebnisse der Expertenanhörung und der Beratungen im Ausschuss aufgegriffen.

Darin wird die Frage der regionalisierten Arbeitsweise des Krebsregisters präzisiert und die Größe des Fachbeirates erhöht, damit alle betroffenen Verbän

de und Krankenkassen vertreten sein können. Es werden eine Berichtspflicht gegenüber dem Landtag festgeschrieben, der Zeitpunkt des Inkrafttretens auf den 1. April 2016 festgelegt und noch einige redaktionelle Änderungen vorgenommen.

Die wissenschaftliche Verarbeitung, Auswertung und Erforschung der im Landeskrebsregister gesammelten Daten sind für die betroffenen Patientinnen und Patienten, ihre Angehörigen, aber auch für die behandelnden Ärztinnen und Ärzten von großer Bedeutung.

Mit unserem Entschließungsantrag wollen wir die Patientenorientierung des Landeskrebsregisters

stärken. Die Arbeit des Krebsregisters ist für die breite Öffentlichkeit von hoher Bedeutung. Wir wollen ausdrücklich darauf hinwirken, dass vor allem die breite Öffentlichkeit über die Arbeit, die Entwicklung und die Forschungsergebnisse in zielgruppenspezifischen Veröffentlichungen verständlich informiert wird und diesbezüglich abrufbare Instrumente und Publikationen zur Verfügung gestellt werden.

Wir sind überzeugt, dass der Antrag der Fraktion der Piraten nicht ausreichend ist, da öffentliche Sitzungen der Beiräte für die Allgemeinheit nicht verständlich und nur für Fachpublikum nachvollziehbar wären.

(Zuruf von den PIRATEN: Oh!)

Bereits in der Anhörung hatten sich das Krebsregister und auch die Ärztekammern dazu bereit erklärt, die Arbeit, Entwicklungen und Forschungsergebnisse auch für medizinische Laien und die interessierte Öffentlichkeit aufzubereiten. Die Bereitschaft dazu ist da. Deshalb laden wir die Fraktion der Piraten ein, unserem Entschließungsantrag zu folgen.

Insgesamt werden die Änderungen zum Gesetzentwurf von der Fachebene außerordentlich begrüßt. Ich lade alle Fraktionen ein, dem Gesetzentwurf mit den angesprochenen Änderungen heute in der zweiten Lesung ihre Zustimmung zu geben. Damit kommen wir in Nordrhein-Westfalen in der Krebsbekämpfung einen guten Schritt vorwärts. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Lück. – Nun spricht für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Birkhahn.

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Meine Herren, meine Damen! Wir stimmen heute in zweiter Lesung über einen Gesetzentwurf ab, den Frau Lück gerade schon sehr richtig umrissen hat. Wir haben heute zum zweiten Mal das Thema Krebsbekämpfung auf der Tagesordnung des Plenums. Deswegen kann man es sehr holzschnittartig darstellen.

Es ist ein vorrangiges Gesundheitsziel in NordrheinWestfalen, dass Krebs bekämpft wird. Die Vorgaben, die jetzt durch das SGB V aufgestellt worden sind, das epidemiologische Register und das klinische Register zusammenzuführen, sind ein Weg, um dieses Landeskrebsregister zu einer Grundlage für die Verbesserung der Situation der Erkrankten zu machen.

Was erwarten wir von diesem Landeskrebsregister? Es ist zum einen die Hoffnung auf die Verbesserung der onkologischen Versorgungsqualität. Wir hoffen, dadurch Therapien bewerten zu können. Wir hoffen, dadurch die Therapien vor Ort besser einschätzen zu können. Wir hoffen auch, dass wir Informationen über die Wirksamkeit von Früherkennungsprogrammen erhalten können. Zudem bietet so ein Landeskrebsregister eine ganz fundierte und umfassende Grundlage für Forschung und Wissenschaft.

An dieser Stelle ist die Meldepflicht sehr hilfreich. Da steht die CDU-Fraktion gegen den Antrag der Fraktion der Piraten, wonach man im Grunde eine Zustimmung einfordern muss. Wir brauchen eine breite Datengrundlage, um die Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Insgesamt kann man sagen: In der Sache gibt es im Grundsatz keine Streitigkeiten. Es gibt eine positive Einschätzung dieses Anliegens. Wir hoffen sehr, dass auch der Ertrag dieses Registers für die Erkrankten von großer Bedeutung sein wird und den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen stärken wird.

Die CDU-Fraktion hat aber an drei Punkten Bedenken, die ich kurz skizzieren möchte.

Der eine Punkt ist – das ist auch in der Anhörung sehr deutlich geworden – die Regionalisierung, die im Gesetz, so würde ich es sehen, sehr schwach formuliert wird. Gewiss, das SGB V lässt dem Land Ausgestaltungsfreiraum. Aber auch in der Anhörung ist deutlich geworden, dass der Erfolg der Regionalisierung steht und fällt mit dem Engagement und mit der Vernetzung der handelnden Personen. Das aber ist außerordentlich vage. Das Prinzip Hoffnung trägt, aber es ist nicht fest umrissen, wie wir da wirklich sicher zum Erfolg kommen können. Meines Erachtens muss man so etwas erst einmal anlaufen lassen. Die Evaluation möchte ich aber schon gern abwarten.

Die zweite Unwägbarkeit ist mir heute beim Entschließungsantrag wieder aufgefallen. Auch da werden die Berichterstattung und die Zusammenfassung der Ergebnisse in Aussicht gestellt. In welchen Strukturen das geschehen soll, bleibt aber relativ offen. Da wünschten wir uns doch eine größere Klarheit und Verbindlichkeit.

Zwei weitere Gedanken: Eine Schwäche in der Formulierung möchte ich im Zusammenhang mit dem Zugriff auf Daten aufgreifen. Da steht: For

schungsvorhaben können auf die Daten zugreifen. – Das ist auch wichtig, damit die Forschung und die Wissenschaft nach vorn arbeiten können. Sie müssen sie aber unverzüglich löschen, wenn die Arbeit abgeschlossen ist. Da muss man doch einmal genau hinschauen, wie die Überprüfbarkeit des wissenschaftlichen Arbeitens sichergestellt ist, wenn die Datengrundlage nicht mehr da ist. Das ist eine Ungenauigkeit, die uns sehr stark bewogen hat, an dieser Stelle nicht vorbehaltlos zuzustimmen.

Letztlich frage ich mich als Münsterländerin, wie das mit der Registerführung an fünf Stellen sein soll. Wir haben eine Datenannahmestelle, eine Kontrollnummernstelle, eine Datenvalidierungs- und -speicherstelle, eine Datenauswertungsstelle und eine Geschäftsstelle. Bei all diesen Stellen ist es notwendig, dass man sie in Bochum zusammenführt und den Stellenwert des epidemiologischen Registers in Münster als Struktur zerstört, dass man es unbrauchbar macht? Da müssen Sie mir als Münsterländerin zugestehen, zu fragen: War es denn nicht möglich, die Stelle in Münster zu erhalten?

(Zuruf von Serdar Yüksel [SPD])

Diese Bedenken wollte ich äußern. Danke, dass Sie mir zugehört haben. Das war wirklich sehr schön. – Wegen dieser Bedenken werden wir den Anträgen und auch diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, sondern uns der Stimme enthalten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Frau Birkhahn. – Für die Fraktion der Grünen spricht nun Herr Kollege Ünal.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen haben dargestellt, dass Krebs heutzutage die zweithäufigste Todesursache in der Bundesrepublik ist. Dadurch ist es dringend notwendig, dass wir auf der Landesebene die Krebsregistrierung noch einmal verabschieden. Deswegen war es erforderlich, neben dem epidemiologischen Krebsregister ein klinisches Krebsregister zu errichten.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch dem Geschäftsführer des epidemiologischen Krebsregisters, Dr. Heidinger, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich für ihre gute Arbeit danken. Wir haben in NRW mit 8,5 Millionen Meldungen europaweit das beste epidemiologische Krebsregister. Das ergänzen wir jetzt noch einmal mit dem klinischen Krebsregister. Damit wollen wir die onkologische Versorgung der an Tumoren erkrankten Menschen verbessern.

Meine Damen und Herren, wir haben sowohl in der Anhörung als auch im Ausschuss mehrmals dar

über diskutiert. Trotzdem kommen diese Bedenken von der CDU.

Die Verlagerung des epidemiologischen Krebsregisters von Münster nach Bochum ist 2009 beschlossen worden. Mehrmals haben wir auch im Aufsichtsrat darüber diskutiert, wie diese Verlagerung sozialverträglich gestaltet werden kann. Heutzutage ist dies weder bei den Mitarbeitern noch bei der Fachöffentlichkeit ein Thema. Deswegen bitte ich Sie, noch einmal darüber nachzudenken, ob diese Bedenken tatsächlich Sinn machen oder nicht.

Mit dieser Neuregelung wollen wir nicht nur die Verteilung bestimmter Krebserkrankungen erfassen, sondern Behandlungsmethoden und Behandlungsverläufe festhalten. Wir hoffen, dadurch eine bessere Versorgung zu bekommen, damit sowohl behandelnde Ärztinnen und Ärzte als auch Patientinnen und Patienten selber von diesen Behandlungsmethoden profitieren können.

Bei unserem Änderungsantrag haben wir auch die in der Anhörung erwähnten Regionalisierungen in Betracht gezogen. Darin sagen wir, dass wir in NRW fünf verschiedene Regionen bilden werden. In der Anhörung habe ich aber – vielleicht erinnern Sie sich daran – die Experten selber gezielt gefragt, ob diese Regionalisierung unbedingt fünf verschiedene Geschäftsstellen benötigt oder ob sie im Gesundheitscampus angesiedelt sind und bestimmte Teams für diese Regionen zuständig sind. Alle Expertinnen und Experten in der Anhörung haben zugestimmt. Mit dieser Lösung können sie leben. Insofern ist diese Regionalisierung mit unserem Änderungsantrag erledigt. Darüber gibt es keine Diskussionen mehr. Alle beteiligten Fachreferenten haben diesem Modell zugestimmt.

Mit unserem jetzigen Antrag wollen wir auch die Öffentlichkeit daran teilnehmen lassen. Wir haben sehr großes Interesse, dass die Ergebnisse der Krebsregister nicht nur den Behandelnden, sondern auch den Patientinnen und Patienten zielgruppenspezifisch zukommen. Deswegen haben wir in unserem Entschließungsantrag gefordert, die Öffentlichkeit verständlich zu informieren und ihr zielgruppenspezifische Informationen zukommen zu lassen.

Diese Anhörung hat gezeigt, dass die Beratung über dieses Krebsregister sehr konstruktiv und beteiligungsfreudig abgelaufen ist. Alle Experten haben gesagt: Wir diskutieren seit Monaten mit der Ministerin bzw. mit den Fachabteilungen darüber, wie wir diese Krebsregistrierung in NRW besser gestalten können.

Meiner Ansicht nach sind alle offenen Fragen, die in der Anhörung thematisiert wurden, damit erledigt. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, im Interesse der Patientinnen und Patienten in NRW diesem Krebsregister zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Ünal. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau Schneider.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits 1982 forderte die Gründerin der Deutschen Krebshilfe, Dr. Mildred Scheel, den Aufbau von klinischen Krebsregistern. Der FDP-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister im April 2013 die flächendeckende Einrichtung klinischer Krebsregister auf den Weg gebracht.

Ich freue mich – wir haben schon sehr viel gehört –, dass sich die Beratungen im Ausschuss an der Sache orientierten und nicht nur von Ideologie geprägt waren.

Die Anhörung war für uns Anlass, gezielte Korrekturen, auch gemeinsam mit der Regierungskoalition, umzusetzen. So haben wir eine Reihe von Anregungen aufgenommen, zum Beispiel eine stärkere Verankerung der Regionalisierung oder eine ausgewogene Zusammensetzung des Beirates.

Der FDP-Fraktion war es besonders wichtig, im § 13 die Informationspflicht gegenüber den Patientinnen und Patienten nicht nur auf die Ärzte zu beschränken, sondern auch eine Delegation an qualifiziertes nichtärztliches Personal zu ermöglichen. Hier geht es nicht um medizinisch-diagnostische Aufklärung, sondern um die Erläuterung eines technischen Meldevorgangs mit rechtlichen Folgewirkungen, wie uns insbesondere von Ärztekammern und Krebsgesellschaft dargestellt wurde.