Protocol of the Session on August 28, 2008

Mit unserem Antrag fordern wir Sie deshalb auf: Legen Sie einen transparenten Bericht vor, in dem nachzulesen ist, wie und in welchen Fächern der Fachlehrermangel sich wie auswirkt, und schaffen Sie hier und heute einen neuen und angepassten Mangelfacherlass. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Trampe-Brinkmann. – Als nächste Rednerin hat für die weitere antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Beer das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation ist in der Tat dramatisch. Zu Beginn dieses Schuljahres konnten an den nordrhein-westfälischen Schulen

700 ausgeschriebene Stellen nicht besetzt werden. Insbesondere schlagen die beruflichen Schulen Alarm, weil sogar ein Drittel der Stellen nicht besetzt wurde.

Ich möchte Ihnen dazu aus dem Brief eines Berufskollegs von vor den Ferien zitieren: Aufnahme in die Fachschule für Technik, Abendform, im Schuljahr 2008/2009 – Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir Sie trotz Ihrer hohen Qualifikation für das Schuljahr 2008/09 nicht in die Fachschule für Technik aufnehmen können. Bedauerlicherweise kann ich Ihnen keinen positiveren Bescheid geben, da wir aufgrund akuten Personalmangels keine ausreichende Unterrichtsversorgung sicherstellen können. Sollte sich die Situation in den kommenden Monaten entspannen, werden wir versuchen, zeitnah eine zweite Klasse einzurichten, und Sie darüber in Kenntnis setzen.

Das ist ein Offenbarungseid, was die Unterrichtsversorgung angeht!

Frau Ministerin, diese Schule hat Ihnen bereits im April einen Brief geschrieben. Diese Schule hat bereits im April dem Ministerpräsidenten einen Brief geschrieben.

(Zuruf von Minister Armin Laschet)

Und persönlich adressiert, Herr Laschet! Vielleicht sollte man Ihnen das zur Sicherheit auch gleich noch mitgeben, damit in der Landesregierung noch mehr davon wissen.

Interessant ist, dass nicht agiert werden konnte. 50 Schülerinnen und Schülern musste abgesagt werden, obwohl die Wirtschaft händeringend auf diese Fachkräfte wartet. Das ist unglaublich.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es besteht ein deutlicher Handlungsbedarf, aber die Landesregierung duckt sich mal wieder weg. Selbst Alarmsignale aus den Schulen, wie gerade vorgelesen, werden ignoriert. Und auch an den Gymnasien bleiben Stellen unbesetzt, obwohl ja dort die Einstellungsbedingungen besonders attraktiv sind. Was bedeutet das denn für die anderen Schulformen in diesem Land?

In NRW herrscht Lehrermangel, und wir steuern auf einen noch viel größeren Mangel zu. Das bedeutet für die Schulen: Unterrichtsausfall, große Klassen, Zusammenlegung von Klassen und noch mehr fachfremder Unterricht. Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren wie auch schon Rot-Grün weitere zusätzliche Lehrerstellen geschaffen. Das ist gut. Es muss nur allen klar sein: Lehrerstellen, die nicht besetzt werden kön

nen, sind die Sparkasse des Finanzministers. Sie nutzen den Schulen überhaupt nichts.

Wir bilden in NRW junge Lehrerinnen und Lehrer aus, die dann aber nach dem Referendariat in andere Bundesländer abwandern, weil die dortigen Bedingungen attraktiver sind. Sie, Frau Ministerin, negieren das, lassen das außen vor, reagieren nicht und reden es klein, und das angesichts der Tatsache, dass Hessen besonders aggressiv wirbt und für den 1. Februar 2009 schon die nächste Kampagne angekündigt hat.

Die Landesregierung sieht aber dieser Abwanderung nicht nur tatenlos zu; sie hat einiges selbst dazu beigetragen, dass es überhaupt dazu kommen konnte. Im vergangenen Jahr wurde der Mangelfacherlass ohne vorherige Ankündigung einfach im vollen Lauf aufgehoben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die betroffenen Lehramtsanwärterinnen und anwärter wurden von der Landesregierung im Regen stehen gelassen. Bei ihnen wurde mitten im Referendariat die Geschäftsgrundlage geändert, und sie hatten keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Stattdessen hatten sie erhebliche finanzielle Einbußen zu verkraften und sind vielfach in andere Bundesländer abgewandert. Einige haben sich juristisch gewehrt und auch Recht bekommen.

Was macht das Schulministerium? – Fehlanzeige! Das Finanzministerium geht in die nächste Runde und nimmt sehend in Kauf, dass wir auch noch den Rest dieser gut motivierten ausgebildeten Leute verlieren. Die Lehrer weiter in diese Revision zu schicken ist schäbig angesichts der Rechtslage und angesichts der Situation, die in den Schulen herrscht.

Wir fordern von der Landesregierung, die Zusagen einzuhalten, die bei der Aufhebung des Mangelfaches den betroffenen Lehrern entzogen worden sind. Wir halten das aus Gründen des Vertrauensschutzes für eine notwendige und faire Maßnahme.

Um aber eines klarzustellen: Wir Grüne wollen nicht am Beamtenstatus für Lehrkräfte festhalten. Unsere Position ist hier eindeutig. Aber Lehrerinnen und Lehrer, denen man die Verbeamtung zunächst zugesagt hat und die unter diesen Bedingungen ihr Referendariat angetreten haben, haben ein Recht darauf, dass sich die Landesregierung an ihre Zusagen hält.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Angesichts des Lehrermangels, der in den kommenden Jahren auf NRW zukommt, ist es höchste Zeit, dass die Landesregierung den Lehrerberuf in Nordrhein-Westfalen attraktiver macht. Aus unserer Sicht ist das auch ohne den Beamtenstatus möglich. Dieser Herausforderung, den Lehrerberuf attraktiver zu machen, müssen Sie sich auch in Bezug auf die Schulleitungen stellen.

(Zuruf: Heute stellen!)

Ganz genau: schon heute stellen. Wenn Sie das weiter verzögern, werden wir auch hier in eine noch katastrophalere Situation geraten.

Frau Ministerin, Sie sollten jetzt handeln!

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Lassen Sie den Vertrauensschutz wirken, und holen Sie die Leute, die motiviert sind, die wir ausgebildet haben und die gut für die Schulen geeignet sind, bitte wieder zurück in unser Land!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Bollenbach das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bildungsmonitor, den das „Institut der deutschen Wirtschaft“ Anfang der vergangenen Woche vorgestellt hat, zeigt anhand der Zahlen bis 2006, dass in Nordrhein-Westfalen viele Schüler eine Studienberechtigung erhalten und NRW viel an Sachmitteln investiert hat. Auf der anderen Seite werden zu große Klassen kritisiert.

Meine Damen und Herren, der Studie liegen Zahlen bis 2006 zugrunde. Seitdem haben wir viel getan. Zusätzlich geschaffene Lehrerstellen bei rückläufigen Schülerzahlen sorgen für eine verbesserte Unterrichtsversorgung und verbessern zunehmend die Schüler/Lehrer-Relation. Daher kann man nicht pauschal von einem Lehrermangel sprechen. Dort, wo Handlungsbedarf besteht, haben wir zum Beispiel im Bereich der Berufskollegs den Seiteneinstieg für Diplom-Physiker, Diplom-Mathematiker und Diplom-Informatiker erleichtert. Zwei Einstellungstermine für den Vorbereitungsdienst ermöglichen einen nahtloseren Übergang von der Universität zur Schule. Zudem wurden zusätzliche Stellen im Vorbereitungsdienst geschaffen. Dadurch können die Referendare ihren Dienst antreten und erreichen schneller die Befähigung, als Lehrer zu arbeiten.

Optimaler Unterricht bedeutet die Vermeidung von Unterrichtsausfall. Die Landesregierung hat den Unterrichtsausfall seit Amtsübernahme mehr als halbiert. Optimaler Unterricht braucht gute Fachlehrer, die sich um jedes einzelne Kind bemühen. Die Landesregierung hat mit dem Schulgesetz Grundlagen geschaffen, zum Beispiel für die regelmäßige Weiterbildung der Lehrerschaft, die individuelle Förderung jedes einzelnen Schülers und die konsequente Ausweitung des Ganztags. Wir werden weitere Maßnahmen treffen, welche die Startbedingungen und die Chancen in den Schulen in Nordrhein-Westfalen verbessern.

Wir arbeiten auch an einem neuen Weg in der Ausbildung der Lehrer, der den fachdidaktischen, pädagogischen und praxisbezogenen Anteil stärkt und den Lehrerberuf insgesamt attraktiver macht. Wir sorgen dafür, dass der Lehrerberuf ein moderner Beruf wird, für den sich junge Menschen entscheiden und begeistern, weil ihnen die Arbeit mit Kindern und Heranwachsenden liegt. Wir wollen engagierte Lehrer, die mit modernen Unterrichtsmethoden und modernen Lernmitteln Schüler für den Lernstoff begeistern können. Dafür schaffen wir neue Ausbildungswege auf dem Weg hin zum Lehrerberuf. Auch die Schulen gehen neue Wege, die ihnen eine schülernahe und verantwortungsvolle Arbeit ermöglichen.

Die Verbeamtung, auch im höheren Lebensalter, sollte nicht ausschlaggebend für die Ergreifung des Lehrerberufes sein. Wenn Sie von Vertrauensbruch gegenüber Seiteneinsteigern reden, dann sprechen Sie auch über die Motivation, die der Entscheidung, Lehrer zu werden, zugrunde liegt. Die Landesregierung schöpft die Möglichkeiten, betroffene Seiteneinsteiger in der höchstmöglichen Entgeltgruppe nach TV-L einzugruppieren, großzügig aus, um finanzielle Einbußen gegenüber dem BAT zu mindern. Aber, meine Damen und Herren, eine lebenslange Versorgung als Beamter muss während der aktiven Dienstzeit auch erdient werden und in einem gesunden Verhältnis dazu stehen. Das ist aus haushaltstechnischer Sicht nicht gewahrt, wenn wir – im Übrigen im Unterschied zu vielen anderen Beamtengruppen in Nordrhein-Westfalen – bei Lehrern Ausnahmen bis zum Lebensalter von 45 Jahren zulassen.

Die Landesregierung ist nicht verantwortlich für die Abwehrpolitik anderer Bundesländer. Außerdem zeigen die Zahlen, dass Nordrhein-Westfalen auch für Referendare aus anderen Bundesländern attraktiv ist. Alle von uns getroffenen Maßnahmen im Ressort Schulen und Hochschulen wirken sich positiv auf das Gesamtarbeitsfeld Schule aus und

werden das auch weiterhin tun. Jedoch sind manche Auswirkungen noch nicht in Zahlen messbar.

Zu den alten Zöpfen zurückzukehren, statt den neuen Weg hin zu einem modernen und flexiblen Schulsystem weiterzugehen, ist eine typische Forderung der Opposition. Wir brauchen keinen neuen Mangelfacherlass, sondern Maßnahmen, die von vornherein verhindern, dass bestimmte Fächer überhaupt zur Mangelware werden. Daran arbeiten wir. Wir wollen die Ursachen beheben und nicht nur die Symptome oberflächlich behandeln. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bollenbach. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Kollegin Piepervon-Heiden das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Beer, an Dreistigkeit sind Sie wirklich nicht zu übertreffen. Darin sind Sie Weltmeisterin. Nicht passend und bedarfsgerecht ausgebildet, nicht eingestellt, keine Lehrerbedarfsprognose erstellt, falsch identifizierte Mangelfächer, achtzehnmonatige Beförderungssperre bei Schulleitungen – alles unter der Verantwortung von Rot-Grün!

FDP und CDU haben bis zu diesem Schuljahr bereits 5.084 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Was sagen Sie den Berufskollegen in Köln?)

Bis zum Ende der Legislatur werden es nahezu 7.000 sein, Frau Beer. In diesen Zahlen sind die Demografiegewinne von mehr als 4.000 noch nicht einmal enthalten. Das ist unsere bisherige Bilanz in der Bildungspolitik.

SPD und Grüne dagegen haben 2004 beschlossen, bis 2013 16.000 Stellen zu streichen. Die damalige Schulministerin Ute Schäfer war 2004 auch noch stolz darauf, dass es nicht noch mehr waren. Das bedeutet: Am Ende der Legislaturperiode werden wir insgesamt 23.000 Lehrer mehr in den Schulen haben, als es nach Rot-Grün der Fall gewesen wäre.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Wir stellen also zusätzlich massiv Lehrer ein, was sich selbstverständlich auch auf das Angebot am Lehrermarkt auswirkt. Es ist aber die beste Maßnahme, die man für individuelle Förderung, für den Ausbau des Ganztags und gegen den Unterrichtsausfall ergreifen kann. Uns ist es in kurzer

Zeit gelungen, den Unterrichtsausfall nahezu zu halbieren. Dass ausgerechnet Frau Schäfer vor massivem Unterrichtsausfall warnt, ist schon skurril. Schließlich hätte man Sie zu Ihrer Zeit als Bildungsministerin zur Königin des Unterrichtsausfalls krönen können.

(Beifall von der FDP)

Damals sind alljährlich 5,8 Millionen Unterrichtsstunden ausgefallen, den Schülern entgangen. Dass ausgerechnet die SPD fordert, den Fachlehrermangel endlich zu bekämpfen, ist schon verlogen. Denn Sie wollten, wie gesagt, die 16.000 Stellen, die uns die Demografie schenkt, streichen.