Protocol of the Session on August 27, 2008

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Wir haben im zweiten Quartal das erste Mal eine Schrumpfung des Wirtschaftswachstums. Im Grunde ist klar: Das ist der starke Euro, das ist die Situation auf den Energiemärkten, das ist die amerikanische Finanzkrise. Aber auch da gibt es noch einen zweiten Punkt. Der Aufschwung hat eine ja unglaublich wichtige Wirkung: Nach all

dem Auf und Ab im Konjunkturbereich ist es seit Langem zum ersten Mal wieder gelungen, die Sockelarbeitslosigkeit auf jetzt 3 Millionen zu senken.

Nun haben wir wahrscheinlich – so sagen die Fachleute – eine Verlangsamung des Beschäftigungsaufbaus, vielleicht sogar angebotsbedingt ein Ende des Beschäftigungsaufbaus. Jetzt darf es nicht passieren, dass, wenn eine Konjunkturschwankung kommt, auf diese Sockelarbeitslosigkeit wieder aufgebaut wird. Gerade bei der Sockelarbeitslosigkeit müssen wir weiter herunterkommen, nicht nur damit die Menschen mit ihrer Arbeit eine Chance haben, ihr Leben selber zu gestalten, sondern auch damit Zahlungen in die Sozialkassen erfolgen,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Deswegen haben Sie die Arbeitslosenzentren zerschlagen!)

die dann wiederum dafür sorgen, dass wir mit all den Problemen leichter fertig werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung verbessern. Und deshalb habe ich die Vorschläge gemacht. Sie sind natürlich ein Stück weit auch mit der Frage verbunden: Was ist in einem nationalen Konsens denn vielleicht machbar, nicht nur zwischen den Parteien der Großen Koalition in Berlin, sondern auch darüber hinaus. Da gibt es ein paar Dinge.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Frau Löhrmann, es ist nicht okay, was Sie da gemacht haben. Es gibt eine Liste – Helmut, wie viele sind es? – mit 15, 16, 17 Vorschlägen aus dem Finanzministerium, die Sie auch kennen. Da geht es nicht um irgendwelche Einzelpunkte, sondern es ist gefragt worden, und zwar nicht irgendein Fachmann, nicht irgendein Professor, sondern die Steuerbeamten sind gefragt worden: Welche Vorschriften könnt ihr überhaupt nicht umsetzen, welche sind nicht administrierbar?

Diese Vorschläge haben wir jetzt in die Debatte eingebracht. Da geht es jetzt nicht in erster Linie um die große Frage, ob Geld für Steuersenkungen usw. da ist, sondern es geht darum – wenn man es richtig macht, bekommt man es so hin, dass es nicht viel Geld kostet –, dass wir das Steuerrecht einfacher machen. Ich garantiere Ihnen: Allein ein einfacheres Steuerrecht – das ist nicht der Bierdeckel, es sind konkrete Sachen – würde etwa im Mittelstand, wo die Arbeitsplätze entstehen, als Befreiung empfunden. Man würde

wenigstens mal wieder verstehen, wie manche Vorschriften anzuwenden sind.

(Beifall von CDU und FDP)

Genauso geht es um die Frage des Energiemix. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen behandeln. Mir ist zuerst einmal wichtig, dass wir bei uns in Nordrhein-Westfalen den Konsens erhalten, das Kraftwerkerneuerungsprogramm umsetzen zu wollen. Das ist keine Banalität.

(Michael Groschek [SPD]: Die CDU in Köln muss noch überzeugt werden!)

Es gibt keine vertraglich verbindlichen Verabredungen. Wir brauchen daher Rahmenbedingungen, die es den Vorständen der Investoren ermöglichen, Milliarden aufzuwenden.

Ich glaube, dass es in dem Zusammenhang auch möglich sein müsste, wenn man sich schon bei der Kernenergie nicht verständigen kann – ich verstehe das ja: bei der Kernenergie ist es wohl nicht möglich, sich schnell zu einigen; eben wurde gesagt, es sei eine Übergangsenergie, denn in dem Ausstiegsvertrag stehe, dass sie auslaufe –, einmal gemeinsam darüber nachzudenken – ist das wirklich so unvernünftig? –, zumal wir Kernkraft auf jeden Fall noch 15, 16, 17 Jahre in Deutschland haben werden, ob wir den Beginn des Abschaltens von Kraftwerken nicht ein Stück hinausschieben sollten, um die zentralen Fragen gemeinsam zu beantworten: Was ist mit dem Energiemix? Wie bekommen wir das mit den erneuerbaren Energien hin?

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wenn wir stän- dig warten und nicht anfangen?)

Das ist jetzt Ideologie: Wenn wir warten, passiert nichts. – Nein! Wir könnten uns zum Beispiel darauf verständigen, dass das Geld, das die Firmen dadurch mehr verdienen, dass die Kraftwerke nicht stillgelegt werden, in Alternativenergie investiert werden muss. Das wäre ein Punkt.

(Beifall von der CDU)

Nicht für zehn Jahre! Es würde für den politischen Prozess reichen, wenn wir versuchen, das – wenn wir über die Wahlen hinweg sind – in zwei oder drei Jahren zu erledigen. Jedenfalls wäre es möglich.

(Zurufe von der SPD)

In einer Situation, in der wir sowieso schon zu hohe Energiepreise haben, durch eine Verknappung des Angebotes noch einmal die Strompreise für die kleinen Leute zu erhöhen, das ist ökonomisch wohl das Falscheste, was man machen kann.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Gleiche gilt für die Frage des nationalen Rohstoffkonzepts.

(Zuruf von der SPD)

Das Gleiche gilt für die Frage der Finanzmärkte. Das Gleiche gilt – da sind wir natürlich massiv gefordert – für die Frage des Ingenieurmangels. Es ist eben schon gesagt worden, dass wir stolz darauf sind, dass die Zahlen der Studienanfänger in den MINT-Fächern und in Mathematik gestiegen sind.

Wir werden uns in einer der nächsten Debatten, um nicht immer Äpfel mit Birnen zu vergleichen, darauf verständigen müssen: Die Anzahl der Studierenden wird aus demografischen Gründen sowieso zurückgehen. Aber lassen wir das jetzt einmal weg.

Wir wollen drei Fachhochschulen gründen. Wir wollen Fachhochschulen erweitern. Ich glaube, dass das auch ein Thema sein wird, das auf dem Bildungsgipfel, der aus Anlass der Ministerpräsidentenkonferenz stattfinden wird, zwischen Bund und Land behandelt werden muss, genauso übrigens wie das Thema eines nationalen Stipendiums.

Werte Kolleginnen und Kollegen, noch einige Bemerkungen zum Thema Haushaltskonsolidierung: Ökonomisch ist jedenfalls klar – das haben die letzten drei Jahre gezeigt –, dass Konsolidierung, also weniger Schulden, mehr Wachstum schafft. Wir wollen den Haushaltsausgleich so schnell wie möglich in der nächsten Legislaturperiode, aber eben nicht nur auf dem Papier, sondern durch entsprechende strukturelle Veränderungen. Das wird noch eine schwierige Sache. Danach werden wir – auch das ist wahr – an den Schuldenberg herangehen müssen.

Jetzt höre ich – das war der Hauptvorwurf –, das könnten wir alles schneller machen. Jeder, der sich ein bisschen mit Ökonomie beschäftigt, weiß, dass wir früher solche Debatten immer mit Inbrunst geführt haben. In den Zeiten der Regierung Kohl wurde der Vorwurf erhoben, sie spare die Konjunktur kaputt, sie spare auf dem Rücken der kleinen Leute. Inzwischen wissen wir, dass jede Konsolidierungspolitik, wenn sie intelligent gemacht wird, auf der einen Seite durch strukturelle Maßnahmen die Verschuldung zurückführt und auf der anderen Seite zugleich in Zukunft investiert. Beides fördert Wachstum, schafft neue Einnahmen und sorgt dafür, dass es sowohl der Wirtschaft als auch den öffentlichen Haushalten besser geht.

Dann muss man noch die von vielen noch nicht wahrgenommene Situation hinzunehmen, dass heute unter den Bedingungen der Globalisierung, der Wissensgesellschaft und der Demografie Wirtschaft und Sozialpolitik keine Gegensätze mehr sind, sondern zusammengehören: Wirtschaftspolitik ist Sozialpolitik, und Sozialpolitik ist immer auch Wirtschaftspolitik. Dass dies richtig ist, kann man am Beispiel Bildung gut erkennen. Ökonomen haben jetzt festgestellt, dass die Länder mit den besten PISA-Ergebnissen auch die höheren Wachstumsraten haben. 50 zusätzliche PISA-Punkte bedeuten 0,6 Prozentpunkte zusätzliches Wachstum pro Jahr.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das erzählen wir Ihnen doch seit der ersten Stunde!)

Also ist es doch richtig, nicht wie auf einen Fetisch darauf zu sehen, ob man in diesem Jahr auf einen ausgeglichenen Haushalt kommt, sondern es eigentlich immer zusammen mit den Investitionen zu sehen, und da zuvörderst mit den Bildungsinvestitionen. Da geht es um Wirtschaftspolitik, um Sozialpolitik und um Bildungspolitik. Alle drei Politikbereiche gehören zusammen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich habe am Wochenende einen interessanten Aufsatz gelesen,

(Gisela Walsken [SPD]: Ach ja? Lesen las- sen?)

in dem ein Wirtschaftswissenschaftler aus Nordrhein-Westfalen uns noch einmal darauf hingewiesen hat, dass das Problem unseres Arbeitsmarktes – natürlich gibt es auch die Sockelarbeitslosigkeit; ich habe davon gesprochen – nicht ein Mangel an Flexibilität ist – das haben wir inzwischen weitgehend und im Konsens zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften und Betriebsräten in unserer Wirtschaft gut geregelt –, sondern ein Überschuss an unqualifizierten Kräften.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sieht man an der Landesregierung!)

Wenn das richtig ist, dann müssen wir uns natürlich mit den Fragen beschäftigen, wie wir möglichst früh mit Bildung anfangen, wie wir es schaffen, dass jeder genügend Deutsch spricht, um dem Unterricht in der Schule folgen zu können, wie wir es schaffen, dass es bessere Ganztagsangebote sowohl im vorschulischen als auch im schulischen Bereich gibt, und wie wir die Übergänge besser organisiert bekommen. Das alles, werte Kolleginnen und Kollegen, ist ungeheuer wichtig. Weil dies von bestimmter Seite gefordert worden ist, sage ich: Deshalb kann und wird es

auch keine Reformpause im Bildungsbereich geben,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Es wäre schön, wenn es mal richtige Reformen gäbe!)

sondern die klare Strategie der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen lautet konsolidieren und gleichzeitig in Bildung, in Innovation und in Infrastruktur investieren. Nur auf diese Weise entsteht Wachstum.

(Beifall von CDU und FDP)

Mit dem Haushaltsplanentwurf für das kommende Jahr werden wir im Bereich von Schule, Kinder, Jugend insgesamt 2,3 Milliarden € an zusätzlichem Geld zur Verfügung gestellt haben, die eben schon angesprochenen 6.915 zusätzlichen Lehrerstellen geschaffen haben, im Bereich der U3Plätze ein Plus von 44.600 und bei den Ganztagsplätzen ein Plus von 198.300 erreicht haben und die Ausgaben für die Ganztagsplätze um mehr als 300 Millionen € gesteigert haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Die Sie ursprüng- lich verhindern wollten!)

Hier mögen wir uns jetzt noch über die Frage unterhalten, wo und in welcher Form man das macht. Hier wird in den nächsten Jahren sicherlich noch manches – der Prozess läuft noch – weiter zu bedenken und zu steuern sein. Aber eines ist völlig klar: Das, was da passiert, ist die größte Veränderung unseres Bildungssystems, an die zumindest ich mich erinnern kann. Und darauf bin ich stolz.

(Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Die größte Veränderung zulasten der sozial Schwächeren!)

Das Ziel dieser Anstrengungen ist, jedem Kind in diesem Land eine Chance zu geben. Wir wollen, dass in Nordrhein-Westfalen sozialer Aufstieg möglich ist, egal, ob man in einem schwierigen großstädtischen Umfeld, im ländlichen Bereich oder in einer Universitätsstadt geboren und aufgewachsen ist. Wichtig ist, dass man in diesem Land eine Chance bekommt.

(Michael Groschek [SPD]: Warum tun Sie dafür nichts Praktisches?)

Der zweite Schwerpunkt ist Innovation. Im nächsten Jahr wird es im Bereich des Innovationsministeriums Steigerungen von gut 4 % geben. Wir tun etwas bei den Hochschulen und Kliniken; dort beträgt das Plus 2,9 %. Für den Ausbau der Fachhochschulen stehen 3,5 Millionen € und eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 72 Millio