Protocol of the Session on June 18, 2008

Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Die grundsätzliche Weiterentwicklung unseres Präventionskonzeptes in Richtung Geschlechtersensibilität ist notwendig. Wir hoffen, die heutige Diskussion bewirkt, dass bei der Umsetzung der Präventionsziele die gruppen- und geschlechterspezifischen Ansätze konsequent beachtet werden. Gerade die Gemeinsamkeit aller vier Fraktionen bezüglich dieses Antrages zeigt, dass wir ein wichtiges Thema konsequent angehen und wissenschaftliche Erkenntnisse gemeinsam umsetzen wollen zur Gesunderhaltung unserer Bürger und Bürgerinnen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Doppmeier. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Meurer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kann nicht die Rippe Adams gewesen sein, aus der Eva das Leben, entstand. Denn ein Klon hat das gleiche Geschlecht wie das Original. Da muss also noch etwas anderes gewesen sein, was zu den Unterschieden der Geschlechter führte. Dass das Leben in Form von Eva auf die Welt kam, war und ist eine Bereicherung. Nun ist es an uns, mit diesem Leben ordentlich umzugehen. Das ist die Aufgabe von Ihnen als ganz normaler Herr Laumann, von mir und von uns allen. Dazu brauchen wir die richtigen Hilfsmittel und manchmal auch die richtige Brille, die geschlechtergerechte Brille.

Von Mai 2001 bis Juli 2004 haben viele Kolleginnen aus dem Haus als sachverständige Mitarbeiterinnen in der Enquete „Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW“ gemeinsam gearbeitet, gelernt, diskutiert und gestritten. Frau Doppmeier, Sie haben es gerade gesagt. Einige sind noch da oder wieder da. Das sind Sie, Inge Howe, Helga Gießelmann und Gabriele Kordowski. Frau Steffens, Sie waren damals stellvertretendes Mitglied.

Sie haben sich zahlreiche Gutachten vorstellen lassen, Anhörungen und Fachveranstaltungen durchgeführt. Sie haben Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen wie das Kurhaus für Mutter und Kind wegen der Gesundheitsverbesserung von Schwangeren und Müttern besucht, das Brustzentrum der Bethesda-Klinik in Duisburg und das Internationale Zentrum für Frauengesundheit in Bad Salzuflen, die bereits in Ansätzen frauenspezifische Gesundheitsversorgung eingeführt hatten.

Sie bereisten das europäische Ausland, um dort fortgeschrittene Projekte zu besuchen.

Nach zahlreichen Sitzungen haben sie einen gemeinsamen Bericht vorgelegt. Alles, was Sie, Herr Minister, und das MAGS mit der Landesgesundheitskonferenz noch tun müssen, ist, den Bericht aufzuschlagen und mit der Umsetzung zu beginnen. Die Handlungsempfehlungen hinter jedem Artikel geben genügend Hinweise.

Schlagen Sie zum Beispiel die Seite 263 auf. Die Überschrift lautet: Belastungen und Ressourcen von Müttern. In Ihrem Präventionskonzept fordern Sie Gesundheit von Mutter und Kind. Hier stehen zum Beispiel die Empfehlungen, Beratungs- und Vermittlungsstellen des Müttergenesungswerks in NRW zu unterstützen oder besondere Assistenzmodelle für Mütter mit Behinderungen zu entwickeln und sich auf Bundesebene für deren ausreichende Finanzierung einzusetzen oder Ärztinnen für die spezifischen Krankheitsbilder und Versorgungsbedarfe bei Müttern durch Weiterbildungsangebote zu sensibilisieren.

Nehmen Sie die Seite 226. Dort steht, passend zur Initiative „Leben ohne Qualm“, die Empfehlung, unter besonderer Berücksichtigung des Themas Rauchen genderspezifische Konzepte zur Suchtprävention an Schulen zu entwickeln und umzusetzen. Dabei sollte entsprechend der Duisburger Vorarbeiten Prävention kein Sonderthema sein, sondern schulform- und altersgruppengemäß in geeignete Fächer integriert werden und die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen im Hinblick auf die Abgabe von alkohol- und tabakhaltigen Substanzen an Jugendliche stärker überwacht werden.

Herr Minister, Sie sehen, Sie hätten nur einmal dieses Buch, das Ergebnis der Arbeit meiner Kolleginnen und eines Kollegen, des Kollegen Kruse, in der vergangenen Wahlperiode aufschlagen brauchen, und Sie hätten ganz schnell erkannt, dass das Parlament weitblickend für Sie den Weg geebnet hatte. Sie müssen ihn nur noch gehen

(Barbara Steffens [GRÜNE] [an Minister Karl-Josef Laumann gewandt]: Das habe ich Ihnen sogar geschenkt!)

Die Enquete empfiehlt, geschlechtsspezifische Präventionsarbeit zu den Themen Alkohol, Rauchen, Essstörungen, Konsum und Missbrauch von Arzneimitteln, insbesondere von Schmerz-, Beruhigungs- und anderen psychotropen Arzneimitteln, in den Schulen durchzuführen. Dabei sollte zur Verhinderung von Nachahmungseffekten darauf geachtet werden, zu Essstörungen aus

schließlich unspezifische Präventionsmaßnahmen durchzuführen. – Alles ist also schon angedacht.

Zum Schluss noch einen Wunsch von meiner Seite an die gesamte Landesregierung. Für Sie alle soll gelten: Denk ich an Gender in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Meurer. – Für die FDP-Fraktion spricht Kollegin Freimuth.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Aus diesem Leitsatz kann man sich auf die Aussage festlegen, dass Gesundheit für jeden Menschen ein Wert an sich ist. Sie zu erhalten und zu bewahren ist deswegen nicht nur ein wichtiges Anliegen jedes Einzelnen, sondern auch der Politik, etwas zur Gesundheit beizutragen und sie zu unterstützen.

Gesundheit ist für jeden Menschen ein sehr individuelles zentrales Gut. Wir müssen uns aber auch damit auseinandersetzen, dass Krankheitsbilder, der Verlauf von Krankheiten, Therapie von und die Prävention vor Krankheiten zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen, Ethnien und Geschlechtern variieren. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Symptomatik, aber auch bei den biochemischen Stoffwechselprozessen im Zusammenhang mit der Verarbeitung und der Reaktion auf Pharmaka. Diese Probleme greift der vorliegende Antrag auf.

Da wir um die Unterschiede zwischen den Geschlechtern wissen, ist es auch wichtig, die Ansprache bei der Prävention zielgruppenorientiert auszugestalten. Es ist schwer, mit Präventionsangeboten auf die unterschiedlichen Bildungsniveaus einzugehen. Das wissen wir. Es ist aber auch schwer, adäquat auf Männer und Frauen einzugehen, weil wir uns mit Traditionen, mit dem Selbstverständnis und mit Rollenbildern intensiv befassen müssen. Männer sind – das belegen Studien – zum Beispiel für präventive Konzepte überproportional schwerer zu gewinnen. Deswegen ist es wichtig und sinnvoll, dass gesundheitliche Aufklärung nach Geschlechtern variiert und die Menschen dort abgeholt werden, wo man sie erreichen kann. Der Antrag stärkt diesen Aspekt der geschlechtergerechten Ausrichtung der Gesundheitsarbeit. Ich freue mich, dass wir da zu einer gemeinsamen Position hier im Hause gekommen sind.

Ich möchte auf einen weiteren, wichtigen Punkt hinweisen: Der Gesundheitssektor ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, der vielen Menschen ganz unmittelbar Arbeit und auch Einkommen sichert. Aber auch in mittelbarer Weise hat er für unsere Volkswirtschaft einen sehr hohen Stellenwert. In der Auseinandersetzung mit dieser Thematik werden wir sicherlich auch Fragen der Gesundheitsökonomie stärker als bisher in unsere Betrachtung einbeziehen müssen.

Ein Gesundheitssystem, das auf Kranksein fixiert ist, dessen Kosten mehr oder weniger unkontrolliert explodieren, das durch überbürokratische Fehlsteuerungen steigende Kosten verursacht, wird eher früher als später unbezahlbar. Das trifft dann alle Menschen in einem Kernbereich ihres Lebens, aber auch Aspekte von Lohnnebenkosten und dergleichen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir uns mit der Frage der Prävention stärker als bisher auseinandersetzen. Dabei wissen wir natürlich, dass Prävention nicht nur die Frage von ausgewogener Ernährung, Sport und Stressbewältigung ist, sondern dass wir mit vielen weiteren Initiativen, die wir ja schon gemeinsam beschritten haben, diesen Weg konsequent weiterverfolgen.

Beispielhaft will ich an dieser Stelle ausdrücklich erwähnen: Es gibt – von der Koalition initiiert – ein spezielles Programm zum Nichtrauchen von Mädchen und eine spezielle Sturzprävention von Senioren. Da haben wir auch feststellen müssen, dass insbesondere Seniorinnen, also Frauen, betroffen sind, vielfach hervorgerufen durch die Aufteilung der Familienarbeit zuhause.

Deswegen sage ich ausdrücklich ja. Mit dem zu beschließenden Antrag werden wir dafür gemeinsam Sorge tragen, dass zukünftig der geschlechterdifferenzierten Ansprache ein noch höherer Stellenwert zugesprochen wird, als es gegenwärtig schon der Fall ist.

Im Zentrum des politischen Wirkens sollte hierbei dann nicht nur eine Form der Gängelung der Bürgerinnen und Bürger und eine Verbotskultur liegen, sondern gerade der Bereich der Prävention muss stark mit den Maßnahmen des Angebots und auch der Belohnung und Anerkennung von eigenen Bemühungen arbeiten. Die nächste Belohnung ist hierbei natürlich ein längeres und vor allem gesünderes Leben. Aber, meine Damen und Herren, das wird sicherlich von uns nicht in einem parlamentarischen Antrag zu verordnen sein.

Mit der Einbringung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse wird es dann auch möglich, die Präventionsmaßnahmen geschlechtergerecht auszu

gestalten und anzubieten. Der Zugang der Angebote für beide Geschlechter muss dann dazu führen, auch weitere Probleme in die zukünftige Planung und Ausgestaltung aufzunehmen. Ich will hier einen deutlichen Hinweis auf die Präventionsarbeit im Hinblick auf HIV und Aids geben. Wir haben mit diesem Antrag auch die Grundlage gelegt, darüber eine unideologische Debatte zu führen.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Freimuth. – Frau Steffens spricht nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin ziemlich froh, dass wir heute hier stehen und einen fraktionsübergreifenden Antrag diskutieren und beschließen können. Der Anlass für diesen Antrag war der von uns vor mehr als einem Jahr, am 16.01.2007, eingebrachte Antrag. Ich habe mir in der Vorbereitung der heutigen Debatte die Plenarprotokolle von damals herausgeholt und festgestellt, dass Herr Laumann zu dem Zeitpunkt gesagt hat, ich wolle nur das Haar in der Suppe des Präventionskonzeptes suchen und finden.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ist auch so!)

Auch die Kollegin Monheim der CDU hielt unseren Antrag und die Geschlechterdifferenzierung in der Form, wie wir sie gefordert haben, für überzogen und überflüssig. Gerade die Kollegin der FDP, die damals dazu gesprochen hatte, nämlich Frau Pieper-von Heiden, zeigte überhaupt kein Verständnis für unseren Antrag und konnte die Intention unseres Antrages noch nicht einmal nachvollziehen. Das war die Plenardebatte von damals.

Ich bin froh, weil das Ergebnis von heute zeigt, dass die Expertinnenanhörung, der Prozess und die Diskussion im Frauenausschuss selbst feste, eigentlich vorgefasste Meinungen umgedreht haben. Alle Fraktionen haben sich den Zugang zu dem Thema – auch in Anlehnung an das, was in der Enquetekommission in der Legislaturperiode davor diskutiert worden ist – wieder verschafft und geguckt, wie weit das wirklich im politischen Alltagshandeln Einfluss nehmen muss.

Dass das passiert ist und dass wir mit einem Ergebnis hier stehen, das -auch wenn es etwas weniger ist als das, was wir gefordert haben – eine

klare Botschaft von allen Fraktionen ist, darüber bin ich froh und das finde ich auch gut.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dieser Antrag enthält, dass wir natürlich Geschlechterdifferenzierung in der Gesundheitspolitik im stärkeren Maße brauchen. Man muss sehr wohl überlegen, was das in der Konsequenz heißt.

Die Landesgesundheitskonferenz – das ist ja nicht nur das Ministerium, was das jetzt nicht umgesetzt hat – hat eine Entschließung zu dieser Präventionspolitik verfasst. Auf die Nachfragen von mir in der Gesundheitskonferenz, was mit der Geschlechterdifferenzierung ist und wie wir den Genderaspekt hereinbekommen, kam die Antwort: Der Aspekt ist enthalten, da steht ja die Zielgruppe drin.

Das haben wir in der Anhörung explizit erörtert. Wenn man nur die Zielgruppe aufführt, hat das in der Gesundheitspolitik überhaupt nichts mit Geschlechterdifferenziertheit zu tun. Es reicht bei Weitem nicht! Herr Laumann, wenn Sie sich das Protokoll der Expertinnenanhörung vielleicht einmal in einer stillen Stunde in der Sommerpause zu Gemüte führen, werden Sie feststellen: Es war vernichtend für das, was an Präventionskonzept auf dem Tisch liegt, weil ganz klar von allen gesagt worden ist, dass es nicht reicht. Ein Präventionskonzept, das nicht geschlechterdifferenziert ist, ist nicht effektiv.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist nicht erfolgreich und es wird das Ziel nie erreichen. Deswegen müssen wir über das hinausschauen. Ich möchte nicht in jedem Jahr zu jedem Ergebnis der Gesundheitskonferenz Anhörungen oder Expertinnengespräche durchführen und Anträge schreiben. Zur Entschließung vom letzten Jahr werde ich das noch einmal machen, damit wir auch an diesem Beispiel deutlich sehen können, wie es bei dieser Thematik war. Ich möchte es aber nicht dauerhaft machen. Das Leben wäre einfacher für alle und ökonomisch gesehen – auch für die Betroffenen – sehr viel effizienter, wenn man den Genderaspekt, die Geschlechterdifferenziertheit, von Anfang an mitdenken würde.

Im Landtag haben wir dazu fraktionsübergreifend Anforderungen an unsere gemeinsame Politik formuliert. Ich finde es wichtig, dass wir nicht müde werden, diese Gender-Anforderungen auch wirklich in der Praxis umzusetzen. Deswegen würde ich mir wünschen, Herr Minister, dass es an dieser Stelle nicht wieder nur ein Wegwischen ist in dem Sinne, wir haben genug getan und ma

chen halt noch ein bisschen mehr, sondern dass die Umsetzung von Gender-Mainstreaming in die Politik, wo es in diesen Bereichen so wichtig ist, Eingang findet. Ich denke, die entsprechenden Abteilungen des Frauenministeriums werden alle anderen gerade in der Gesundheitspolitik dabei gerne unterstützen.

Ich wünsche mir, dass wir das über den heutigen fraktionsübergreifenden Antrag hinaus gemeinsam perspektivisch angehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Steffens. – Das Wort hat nun Herr Minister Laumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im gemeinsamen Antrag aller Fraktionen wird unter anderem die Forderung erhoben, das vorliegende Präventionskonzept der Landesregierung geschlechtergerecht weiterzuentwickeln. Die Notwendigkeit einer geschlechterdifferenzierten Betrachtung auch im Gesundheitsbereich ist seit Jahren unumstritten.

(Kopfschütteln von Barbara Steffens [GRÜ- NE])

Ich teile daher grundsätzlich das Ziel einer solchen Ausrichtung des Präventionskonzeptes des Landes. Es ist vor allem im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Effektivität und Effizienz von Maßnahmen.

Deshalb ist durch die Bank in das Präventionskonzept, das auf der Grundlage des Beschlusses der 14. Landesgesundheitskonferenz vom Vorbereitenden Ausschuss erarbeitet wurde, eine geschlechterdifferenzierte Betrachtungsweise eingeflossen. Das gilt für alle fachlichen Entscheidungen und für die Ausrichtung aller Aktivitäten.