Protocol of the Session on June 18, 2008

Frau Ministerin, bitte.

Sie sprechen mich an. Meine Vorstellung von individueller Förderung ist – und das trifft auf jede Schülerin und jeden Schüler zu –, dass Stärken gestärkt werden. Es gibt Schülerinnen und Schüler, die in der Hauptschule oder im Gymnasium oder in der Gesamtschule oder in der

Realschule sind, die besondere Stärken haben. An diesem Punkt setzen wir an.

Vielen Dank. – Frau Kollegin Löhrmann hat sich zu einer Nachfrage gemeldet. Bitte schön.

Frau Sommer, ich finde es bezeichnend, dass Sie sich in Ihrer Lage um meinen Adrenalinspiegel sorgen. Ich würde mir an Ihrer Stelle andere Sorgen machen.

Sie haben im Kern die Frage, die ich schriftlich gestellt hatte, nicht beantwortet, nämlich: was der Ministerpräsident meint, wenn er Kinder mit Zuwanderungsgeschichte vorrangig den Hauptschulen zuordnet.

Frau Ministerin.

Der Ministerpräsident ordnet Jugendliche und Kinder mit Zuwanderergeschichte sicherlich nicht einer Schulform zu.

Im Übrigen, sehr geehrte Frau Löhrmann, hatte ich gedacht, wir könnten kommunizieren. Ich wusste nicht, dass Sie neuerdings an Humorlosigkeit leiden.

Vielen Dank. – Frau Kollegin Schäfer hat sich zu einer Nachfrage gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin.

Verlassen wir die Zuwanderungsgeschichte und wenden wir uns einmal der praktischen Begabung zu, die auch seitens des Ministerpräsidenten immer mit der Hauptschule gleichgesetzt wird. Würden Sie mir zustimmen – wissend, dass die Übergangsquote zu den Hauptschulen zum Beispiel im Sauerland im Schnitt zwischen 30 und 40 % und im Ruhrgebiet zwischen 5 und 15 % liegt –, dass es im Sauerland mehr praktisch Begabte gibt als in den Städten des Ruhrgebiets?

Frau Ministerin, bitte.

Ich lehne es ab, heute mit Ihnen zu definieren und diskutieren, was ein praktisch Begabter ist.

(Lachen und Beifall von SPD und GRÜNEN)

Für mich hat eine Schülerin, ein Schüler Stärken. Das kann auch eine praktische Begabung sein. Das können auch andere Fertigkeiten sein. Eine praktische Begabung ist eine Stärke, die wir auch in anderen Bereichen finden, auch bei Schülerinnen und Schülern in der Hauptschule.

Was die Übergangsquoten anbelangt, so freue ich mich natürlich, dass in einigen Bereichen gerade die Hauptschule durchaus Zuwächse hat. Das Anmeldetief der Hauptschulen haben wir angehalten. Wir haben Zuwächse von 10 %. Das zeigt, dass unsere Hauptschulen eine gute, eine hervorragende Arbeit leisten. Darüber bin ich sehr froh, und darauf bin ich auch stolz.

Herr Kollege Moron hat sich zu einer Nachfrage gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Ministerin, könnten Sie dem Hohen Haus den Prozentsatz der Hauptschülerinnen und Hauptschüler nennen, die mit einem Migrationshintergrund ein Jahr nach Ende der Hauptschule einen Ausbildungsplatz gefunden haben?

Frau Ministerin.

Ich würde Ihnen, weil das nicht mehr unbedingt in das Ressort des Ministeriums für Schule und Weiterbildung fällt, gerne diese dezidierte Frage schriftlich beantworten.

Was ich Ihnen aber beantworten kann, ist, dass mehr und mehr Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss in Lehrstellen vermittelt werden. Ich glaube, darüber müssen wir immer nachdenken, Herr Moron – ich bitte Sie auch, das in Ihre Fragestellung einzubeziehen –: Wir haben durchaus Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss auch in einem sehr hohen Prozentsatz an Gesamtschulen. An dieser Stelle müssen wir uns um die Kinder kümmern. Das ist eine wichtige Frage. Ich bin sehr sicher, dass wir in Zukunft noch bessere Prozentzahlen melden, was den Anschluss von Schule an Ausbildung anbelangt.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Frau Kollegin Steffens hat als Nächste eine Nachfrage. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, dass Sie dieses Einsortieren in praktisch begabte Kinder und nicht praktisch begabte Kinder so nicht wollen. Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund dieser Aussage ihre Auslassung, dass Kinder mit Zuwanderungsgeschichte vorrangig praktisch begabt sind? Wenn Sie sagen, man kann das so nicht sortieren, dann stimmt die Aussage doch nicht.

Frau Ministerin.

Frau Steffens, es ist doch so, dass Kinder unterschiedlich begabt sind und auch eine praktische Begabung haben. Aber man kann doch nicht – das gibt auch das Zitat des Ministerpräsidenten überhaupt nicht her – diese beiden Verbindungen koppeln.

Wir gehen von der individuellen Förderung und vom Einzelnen und seinen Stärken aus. Das ist der Ansatz. Es geht dabei nicht darum, ob ein Kind Deutsch als Muttersprache hat oder nicht – das ist für mich an der Stelle weniger wichtig –, sondern es ist wichtig, die Stärken zu stärken.

Darum – wir haben auch eben schon in einem anderen Zusammenhang darüber diskutiert – ist es wichtig, mit der sprachlichen Förderung so früh wie möglich zu beginnen. Die Unterrichtssprache Deutsch in den Mittelpunkt zu rücken, sodass jedes Kind in der Lage ist, beim Eintritt in die Schule die Kompetenz erreicht zu haben, dem Unterricht zu folgen, ist an der Stelle wichtig.

Frau Kollegin Löhrmann, bitte.

Frau Sommer, ich finde das eine positive Abgrenzung Ihrerseits vom Ministerpräsidenten. Das will ich hier gerne festhalten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich frage Sie, wo die Kinder, die überwiegend praktisch veranlagt sind oder eine Zuwanderungsgeschichte haben – Originalzitat Ministerpräsident –, in den Bundesländern bleiben, die gar keine Hauptschule mehr haben.

Frau Ministerin.

Sehr geehrte Frau Löhrmann, zum

Glück haben wir die Hauptschule, und wir sind dankbar dafür, dass wir viele erfolgreiche junge Menschen durch dieses System zu einem Abschluss führen. Das ist die eine Frage.

Ich bitte, das im Protokoll nachzusehen. Ich habe gesagt: Ich lehne heute mit Ihnen eine Definition des Begriffes, was praktische Begabung anbelangt, ab. Sie haben mich persönlich gefragt. Das hat überhaupt nichts mit der Aussage des Ministerpräsidenten zu tun. Ich habe, glaube ich, genau abgeklärt, wie der Zusammenhang zu sehen ist.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich habe eine zweite Nachfrage vom Kollegen Moron.

Frau Ministerin, hatte ich Sie vorhin so verstanden, dass ich auf meine sehr konkrete Frage, zu der ich von Ihnen doch eine sehr allgemeine Antwort erhalten habe, eine konkrete schriftliche Antwort erhalten werde?

Herr Moron, Sie bekommen die schriftliche Antwort in Bezug auf die Übergangsquoten. Sie hatten „nach einem Jahr“ gefragt.

(Edgar Moron [SPD]: Sie können das weiter differenzieren, wenn Sie wollen! Also nach ein, zwei oder drei Jahren, bitte!)

Die Antwort ist ja.

(Edgar Moron [SPD]: Danke!)

Aber ich möchte aus meiner Sicht ergänzen, was ich zu diesem Problembereich zu sagen habe. Oder war das nicht intendiert?

(Edgar Moron [SPD]: Frau Ministerin, ich ha- be eine konkrete Frage gestellt!)

Herr Kollege Moron,

(Edgar Moron [SPD]: Das geht nicht, was ich hier mache! Ich weiß!)

ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Sie die Möglichkeit der zweiten Zwischenfrage schon hatten. Frau Ministerin hat Ihnen eine Antwort gegeben.

Ich darf mir an dieser Stelle einen freundlichen kollegialen Hinweis auf die Instrumentarien erlauben, die wir im parlamentarischen Verfahren haben, zum Beispiel Kleine Anfrage und Ähnliches.

(Edgar Moron [SPD]: Sie müssten nur das Mikrofon ausschalten! – Heiterkeit und Beifall von der SPD)

Herr Kollege Moron, vielen Dank für den kollegialen Hinweis Ihrerseits. Ich werde sehen, dass ich das bei besonders wertgeschätzten Kollegen in besonderer Weise beherzige.

Jetzt hat zunächst Frau Kollegin Beer das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herzlichen Dank. – Frau Ministerin, ich bin in der Tat sehr erfreut, dass Sie sich hier einer Definition der praktischen Begabung nicht öffnen wollen und das auch zurückweisen. Nun sieht das Schulgesetz allerdings ein begabungsgerechtes Schulsystem und sogar die zwangsweise Zuordnung von Kindern aufgrund praktischer Begabung an eine Schulform vor, nämlich die Hauptschule. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch, wenn Sie sagen: „Ich weise das zurück, dass praktische Begabung in dieser Form zu definieren ist“?