Protocol of the Session on September 20, 2007

Sie waren nicht auf der Regierungsbank. Im Übrigen habe ich von der Symbolik gesprochen. Nehmen Sie das doch nicht immer direkt so ernst!

(Lachen von der CDU – Josef Wilp [CDU]: Herr Remmel meint: Nehmen Sie mich doch nicht so ernst!)

Er regt sich immer furchtbar auf. Symbolik! Die Symbolik war an dieser Stelle treffend.

Ich habe schon seinerzeit bei der Debatte zur Verlagerung und Bündelung in den Bezirksregierungen angemerkt, dass der Umweltminister an dieser Stelle zu einem Minister ohne Unterleib wird. Dieser Prozess wird mit diesem Gesetz weitergeführt. Wir haben in diesem Land faktisch keinen Umweltminister und kein Umweltministerium mit Kompetenzen mehr. Das ist Ihre politische, ideologische Absicht. Die setzen Sie heute mit dem Beschluss Ihres Gesetzentwurfes um.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insoweit ist es folgerichtig, dass in Sachen Umweltbelange der Innenminister auftritt und die Gesetzentwürfe verkündet.

Welche Strategie verfolgen Sie? – Ich fasse das mit den Worten zusammen: zerlegt – zerhackt – pulverisiert.

Stufe 1, zerlegt: Mit dem ersten Gesetz wurde im Jahr 2006 die Umweltverwaltung zerlegt und dem Umweltminister weggenommen.

Stufe 2, zerhackt: Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wird die Umweltverwaltung zerhackt und ohne Sinn und Verstand auf die Kommunen verteilt.

Stufe 3, pulverisiert, wird noch folgen. Das kommt noch auf uns zu; denn Sie haben angekündigt, das Motto „Privat vor Staat“ tatsächlich weiter umzusetzen. Von daher erwarten wir, dass der Bereich Umwelt und Verbraucherschutz privatisiert werden soll. Das ist die Strategie, wie Sie mit wertvollen Belangen der Landesverwaltung umgehen wollen. Dies sollten wir alle im Kopf haben, wenn wir über diesen Gesetzentwurf zu beraten und abzustimmen haben.

(Beifall von Andrea Asch [GRÜNE] und Wolf- ram Kuschke [SPD])

An dieser Stelle ist ausgesprochen auffällig, dass dieses Vorhaben schon im Vorfeld der tatsächlichen Beratung in breiter Übereinstimmung kritisiert wird. Es gibt ja überhaupt noch keine Anhörung, noch nicht einmal eine konkrete Einladung zu einer Anhörung. Im Übrigen rege ich an, dass wir die anderen Ausschüsse, die fachlich betroffen sind, bei der Terminfindung mit einbeziehen.

Obwohl noch gar keine Vorlagen für eine solche Anhörung erstellt worden sind, gibt es bereits ein breites Votum – von den Umweltverbänden bis hin zu Vertreterinnen und Vertretern von mehreren IHKs, des VCI und der Bauwirtschaft. Sie sagen in großer Übereinstimmung – eine so breite Kritik der Fachwelt hat es in diesem Land im Übrigen noch nie gegeben –: Dieses Gesetz erfüllt die Anforderungen nicht; es ist nicht sinnvoll und sollte vom Landtag zumindest in dieser Form nicht beschlossen werden.

Weil man Gesetzentwürfen eine Begründung zugrunde legt, muss es ja einen Grund geben. Ich frage Sie: Was ist der eigentliche Grund für dieses Gesetz? Gibt es tatsächlich ein fachliches Problem mit der Umweltverwaltung? – Weder bei der Dauer der Genehmigung noch bei der Tiefe der Genehmigung noch bei der Fachlichkeit der Genehmigung gibt es Beschwernisse in der Praxis. Ich konstatiere also: Es gibt keinen fachlichen Grund, zu einer Änderung des Status quo zu kommen.

Zweite Fragestellung: Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, ein solches Gesetzgebungsverfahren anzustrengen?

(Holger Ellerbrock [FDP]: Ja!)

Ich sage eindeutig Nein, Herr Ellerbrock. Bedenken Sie bitte: Auf Bundesebene wird zurzeit intensiv an der Erstellung eines einheitlichen Umweltgesetzbuches gearbeitet. Wir können damit rechnen, dass dieses Gesetzbuch in spätestens anderthalb bis zwei Jahren auch neue und andere Anforderungen an Landesverwaltung und Umweltverwaltung formulieren wird. Im Rahmen der Debatte um dieses Umweltgesetzbuch wird intensiv über integrierte Genehmigungen – das heißt, dass verschiedene Medien integriert genehmigt werden – nachgedacht.

Ich bin sicher, dass sich das an der einen oder anderen Stelle auch in der Gesetzesrealität wiederfinden wird. Das wird es notwendig machen, dass wir erneut über die Struktur unserer Umweltverwaltung in Nordrhein-Westfalen und auch über die Ansiedlung auf den verschiedenen Ebenen nachdenken.

Deshalb sage ich: Es ist der falsche Zeitpunkt. Diese anderthalb bis zwei Jahre hätten Sie auch noch ins Land gehen lassen können, um dann möglichen Veränderungsbedarf aus einem Guss zu formulieren.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es ist schon bezeichnend, dass die Kommunen, die Umweltverbände und die Wirtschaftsvertreter diese Kritik so einhellig formulieren. Sie werden damit Spaß bekommen – insbesondere was die Kritik der Kommunen angeht. Das ist heute noch nicht ausreichend dargestellt worden.

Das Konnexitätsprinzip, das Sie immer hochgehalten haben und das seinen jetzigen Status nicht zuletzt Ihren Initiativen verdankt, wird nach Ansicht der Kommunen massiv verletzt. Wenn man sich die Zahlen anschaut, wird auch klar, warum das so ist. Es geht um die Verteilung der Stellen und um Quoten. Dabei wird schnell deutlich, dass die Verteilung, die Sie vorsehen, in keiner Weise dem Konnexitätsprinzip gerecht wird. Von etwa 1.600 Stellen im Land werden aus Sicht der Kommunen zu wenige Stellen, nämlich nur 296, auf die Kommunen verlagert. Würde man den Aufgaben das Personal tatsächlich folgen lassen, müssten es mindestens zwei bis drei Mal mehr Stellen sein. Das entspricht nicht dem Konnexitätsprinzip und wird den Unmut der Kommunen und auch – Sie haben das schon angekündigt – das Ausschöpfen der rechtlichen Möglichkeiten,

die die Kommunen an dieser Stelle haben, nach sich ziehen. Da, glaube ich, müssen Sie sich warm anziehen.

Unter dem Strich: Dieses Gesetz erfüllt die Anforderungen nicht, ist fachlich nicht nötig, kommt zum falschen Zeitpunkt und findet die eindeutige Ablehnung aller Sachverständigen. Man muss sich fragen, warum ein solches Gesetz überhaupt debattiert wird. Ich komme zu der Erkenntnis, dass das an dieser Stelle aus rein ideologischen Gründen passiert. Ich habe die Hoffnung, dass die Parlamentarier und Parlamentarierinnen den ideologischen Tätern aus dem Ministerium hier nicht folgen werden und wir im Gesetzgebungsverfahren vielleicht noch zur Vernunft kommen. – In diesem Sinne herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Als nächster Redner hat nun für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit das auch für Herrn Remmel klar ist: Die Zuständigkeit liegt deswegen beim Innenministerium, weil es sich um einen Vorgang des Bürokratieabbaus handelt. Dennoch ist das Gesetz im engen Zusammenwirken mit dem Umweltminister zustande gekommen. Das ist das Schöne in unserer Landesregierung: dass wir das partnerschaftlich machen und insofern auch der eine für den anderen spricht.

(Svenja Schulze [SPD]: Das liest man in der Presse!)

Meine Damen und Herren, wir haben schon im Koalitionsvertrag deutlich gemacht, dass wir bei der Aufgabenerledigung in diesem Lande eine Priorisierung haben. Wir fragen zunächst einmal, ob eine Aufgabe überhaupt noch notwendig ist. Wenn ja, dann schauen wir, ob sie privatisiert werden kann. Danach kommt die Frage der Kommunalisierung. Erst am Ende steht die staatliche Erledigung. Diese Reihenfolge bedeutet, dass wir der Kommunalisierung Vorrang vor der staatlichen Erledigung geben. Es ist sehr bedauerlich, dass die SPD, die ja immer behauptet, sie sei eine Kommunalpartei, die Kommunalisierung nun überhaupt nicht mehr hochhalten will. Wir wollen eine saubere Abgrenzung zwischen kommunaler und staatlicher Zuständigkeit.

Ich finde es ziemlich unverständlich – um es vorsichtig zu formulieren –, dass den Kommunen

ständig die Kompetenz für eine entsprechende Aufgabenerledigung abgesprochen wird.

(Beifall von Rainer Lux [CDU])

Die Kommunen sind in ganz vielen Fällen schon heute gerade auch für die Erledigung von Umweltaufgaben zuständig. Sie tun das in großer Verantwortung, mit hoher Kompetenz.

Deswegen ist aus meiner Sicht die Anmerkung von Herrn Abgeordneten Remmel nur dahin gehend zu verstehen, dass jede Aufgabe nur staatlich verantwortet werden kann. Die Kommunalen könnten gar nicht mehr mitspielen. Nach seiner Definition müsste jede Fachverantwortung automatisch immer in eine Landesbehörde hinein. Wir gehen den umgekehrten Weg und sagen: Nur das, was unbedingt in der staatlichen Behörde bearbeitet werden muss, kommt auch dorthin. Die Kommunalisierung steht für uns ganz vorne.

Warum tun wir das, meine Damen und Herren? Wir tun das – neben Herrn Uhlenberg und mir ist noch ein Dritter im Bunde, nämlich der Finanzminister –, um es insgesamt für das nordrheinwestfälische Verwaltungsgebilde günstiger zu machen. Natürlich wollen wir eine Effizienzrendite, die daraus resultiert, dass manches zugleich erledigt werden kann. Das haben wir im Zusammenhang mit der Versorgungsverwaltung mit Ihnen diskutiert, und das tun wir hier. Das hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern das hat damit zu tun, dass wir im Unterschied zur Vorgängerregierung nicht nur rechnen können, sondern auch rechnen müssen, weil wir Ihren Schuldenberg übernommen haben. Wir müssen einfach schlanker werden, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich will aber auch sehr deutlich sagen, dass wir zugleich natürlich den Wunsch haben – und das auch erwarten –, dass der Umweltschutz in gleicher, wenn nicht sogar in besserer Art und Weise gewährleistet wird, gerade weil er näher am Bürger ist, weil die Interessen unten verortet sind und weil natürlich die Ergebnisverantwortung aus einer Hand in Rede steht. Der Landrat, der Oberbürgermeister muss geradestehen für einen effizienten, effektiven Umweltschutz. Ich glaube, da ist das gut aufgehoben, denn er ist urgewählt, er muss sich verantworten.

Letzter Punkt, meine Damen und Herren: zum Konnexitätsausführungsgesetz. Das haben wir nun jedes Mal gehört: Wir verhandeln über Monate hinweg mit den kommunalen Spitzenverbänden, und Sie wissen hinterher besser, wie was zu verteilen ist. Das Konnexitätsausführungsgesetz

ist kein Wunschkonzert. Das Konnexitätsausführungsgesetz funktioniert nach gewissen Regeln. Da gibt es gewisse Annahmen, Personalstärken, Finanzausgleiche. Das alles ist natürlich im Einzelnen zu verhandeln. Aber es kann nicht so sein, dass auf diese Art und Weise die kommunale Übertragung für das Land am Ende teurer wird. Das kann nicht das Ergebnis einer Verwaltungsstrukturreform sein.

Deswegen: Ihre apokalyptischen Vorstellungen, die Sie bei all unseren VerwaltungsstrukturreformÜberlegungen ins Feld führen, gehen in die Irre. Wir werden diesen Gesetzentwurf natürlich sorgfältig beraten. Nur: Wir haben ihn über viele Monate vorbereitet und viele Interessen abgewogen. Entscheidend für die Frage, welche speziellen Dinge nur beim RP vorgehalten werden sollen, ist, wer was am besten kann. Wir sind überzeugt davon, dass wir an dieser Stelle Gutes tun – im Sinne der Kommunalisierung und im Sinne des Umweltschutzes. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächster hat für die Fraktion der SPD der Kollege Kuschke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erste Anmerkung. Herr Kollege Ellerbrock, wir kennen uns ja nun auch schon ein paar Tage. Es war schon erstaunlich und amüsant, zu hören, wie schwer es Ihnen fiel, für dieses Gesetz Ihrerseits eine positive Begründung zu finden.

Zweite Anmerkung. Es ist das „Zaunprinzip“ angesprochen worden, das keine Erfindung der Koalition der vermeintlichen Erneuerung ist. Aber Oberbürgermeister Schramma hat in dem schon angesprochenen Brief darauf verwiesen, dass der beste Zaun nichts hilft, wenn der Zaun große Löcher hat. Damit meinte er den vorliegenden Gesetzentwurf.

Dritte Anmerkung. Herr Innenminister, es ist ja nicht so, dass wir den Kommunen Kompetenzen absprechen, sondern die Kommunen selbst wollen diese Aufgabe nicht. Herr Umweltminister, ich lese Ihnen jetzt – mit Genehmigung der Präsidentin – aus einem Schreiben im Nachgang zum Konsensgespräch vor:

Der Gesetzentwurf sollte deshalb sowohl im Hinblick auf die Neuordnung der Umweltverwaltung als auch angesichts der völlig ungenügenden Kostenfolgerungen von den Städten abgelehnt werden.

Zu Beginn des Schreibens heißt es:

In den wichtigsten Fragen der finanzwirtschaftlichen Folgen der Kommunalisierung des Umweltrechts konnte kein Konsens erzielt werden.

Das ist die Auffassung der Kommunen zu diesem Vorhaben.

Dritte Anmerkung: Nur ganz kurz, aber es lohnt sich, das bei anderer Gelegenheit zu vertiefen. Sie haben ein völlig falsches Verständnis von Kommunalisierung. Das hat sich schon bei der Umstrukturierung der Versorgungsverwaltung gezeigt, und das setzt sich jetzt im Umweltrecht fort. Wer weiß, wo das Ganze noch enden wird.

Vierte Anmerkung: Es ist eigentlich kein Gesetzentwurf, sondern das, was dort auf den Weg gebracht worden ist, kann man nur noch als Streubombe bezeichnen.