Protocol of the Session on August 23, 2007

(Zuruf von der SPD)

Deshalb werbe ich auch dafür, den Gedanken von Frau von Boeselager aufzugreifen, damit wir keine unterschiedliche Wertigkeit zwischen den einzelnen politischen Ebenen bekommen. Wir haben für die Bundestagswahl ein Wahlalter von 18 Jahren. Das galt bislang auch für die Landtagswahl, im Übrigen auch für die Europawahl. Die Kommunalwahlen haben eine Sonderfunktion, weil sie keine Wahlen zu staatlichen Parlamenten sind.

(Zuruf von der SPD: Das ist konstruiert!)

Es handelt sich um Entscheidungsgegenstände und Sachverhalte, die im unmittelbar örtlichen Umfeld andere Lebenswirklichkeiten und Bezüge repräsentieren, als das bei übergreifenden Parlamentswahlen der Fall ist.

(Zuruf von der SPD)

Ich glaube, gerade für uns als Landtagsabgeordnete ist eine wichtige Einsicht – ich wäre froh, Herr Kuschke, wenn Sie auch für diesen Gedanken offen wären –, dass es nicht unser Anliegen sein kann, psychologisch nach außen zu vermitteln: Eine Bundestagswahl und eine Europawahl sind etwas so Wichtiges, so Hochstehendes, so wenig Antastbares, dass es richtig ist, dass das Wahlalter hier bei 18 Jahre liegt.

(Zuruf von der SPD: Das können wir auch ändern!)

Bei der Landespolitik können wir aber ohne Weiteres ein Wahlalter von 16 Jahren einführen. – Ich glaube, wenn man über diese Frage redet, muss man ehrlicherweise auch von unserem originären eigenen Interesse und von unserer Selbstachtung unserer parlamentarischen Tätigkeit her zu einer gemeinsamen Regelung für alle staatlichen Parlamentsebenen kommen. Dafür werbe ich.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Wir alle wünschen uns, dass Jugendliche stärker an demokratischen Entscheidungsprozessen partizipieren sollen. Ich hätte mir von Herzen gewünscht, Herr Kuschke, dass die Wahlbeteiligung durch die Absenkung des Wahlalters bei der letzten Kommunalwahl 2004 auf 16 Jahre im Vergleich zur Kommunalwahl von 1999 gestiegen wäre. Leider geben die Zahlen der repräsentativen Untersuchung der Demoskopen das nicht her. Es hätte mich außerordentlich gefreut, wenn das als richtig neue Chance aufgenommen worden wäre – gerade auch in Verbindung mit dem Effekt des Neuen zu Beginn. So war es leider nicht. Insofern muss man auch das – ohne dass wir es ändern wollen – im Nachhinein differenzierter sehen.

(Zuruf von Ilka von Boeselager [CDU])

Wenn ich noch einen letzten Gedanken in die Debatte einbringen darf: Die Shell-Studien der letzten Jahre haben sich sehr umfangreich mit der Orientierung Jugendlicher beschäftigt. Demnach sagt immerhin die Hälfte der Jugendlichen, dass sie dieses neue Recht für sich – nämlich die Absenkung des Wahlalters – nicht richtig finden würden, weil sie diese Entscheidung selber gerne erst zu einem späteren Zeitpunkt treffen würden.

Das heißt nicht, dass man nicht denjenigen mehr zutrauen darf, die sich dazu in der Lage sehen, die Entscheidung zu treffen. Gerade als Liberaler will ich nicht, dass der Staat diejenigen restringiert, die sich mehr zutrauen. Ich weise nur darauf hin, dass die Themen auch innerhalb der Jugendlichen sehr differenziert gesehen werden. Deshalb glaube ich, dass es zielführender ist, sich darüber Gedanken zu machen, wie man die demokratische Partizipation Jugendlicher durch die Möglichkeit einer konkreten kommunalen Mitgestaltung verbessern kann. Das bringt mehr als die doch eher theoretisch und abstrakt geführte Diskussion nach dem Wahlalter, die wir basierend auf Ihrem Antrag führen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für Bündnis 90/Die Grünen erhält Frau Kollegin Asch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht überraschen, dass wir als Bündnis 90/Die Grünen dieses Anliegen, das Sie mit diesem Gesetzentwurf formulieren, teilen. Wir haben bereits im Herbst 2006 einen Antrag mit dem Titel: „Zukunft für die Demokratie – Kinder und Jugendliche stärker beteiligen“ vorgelegt. Ein Teil dieses Antrags war, das Wahlalter auf 16 zu senken. In den Beratungen hierzu in diesem Frühjahr hatte die SPD ihre Position noch nicht gefunden. Deswegen freue ich mich, und ich bin dankbar, dass Sie nun auch zu dem Schluss gekommen sind, dass das sinnvoll und gut ist.

Ich möchte auch noch einmal auf die guten Erfahrungen verweisen, die wir bei den Kommunalwahlen mit der Senkung des Wahlalters gemacht haben.

Herr Witzel, Ihrem wortreichen Hinweis war zu entnehmen, dass Sie für eine Einheitlichkeit über alle parlamentarischen Ebenen hinweg plädieren. Daraus ergibt sich logisch, das Wahlalter bei den Landtagswahlen und bei den Bundestagswahlen analog zu den Kommunalwahlen zu senken.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das wäre die logische Schlussfolgerung, wenn Sie eine Konsistenz über die verschiedenen Ebenen hinweg fordern.

Jugendliche sind heute sehr gut informiert – Herr Kuschke hat eben kurz darauf hingewiesen –; das erleben wir alle, wenn wir mit Jugendlichen in Kontakt sind. Das bin ich in meiner Funktion als

jugendpolitische Sprecherin und über meine Kinder sehr oft. Sie informieren sich vor allen Dingen auch übers Internet. Die Grenzen des Internets sind nicht Kommunalwahlbezirke, sondern sie informieren sich ebenfalls über landes- und bundespolitische Themen, und das ist gut so.

Gerade aus diesem Grund kann man ihnen nicht erklären, warum sie bei den Kommunalwahlen offenbar die Mündigkeit schon haben, ihre Stimme abgeben zu dürfen, aber bei den Landtags- und Bundestagswahlen nicht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das können Sie keinem Jugendlichen wirklich glaubhaft nahebringen.

Der Vertreter des Landesschülerrats, Horst Wenzel, hat bei der Anhörung in der letzten Woche sehr eindrücklich darauf hingewiesen: Jugendliche wollen ihre demokratische Verantwortung wahrnehmen; sie wollen sich einbringen – vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Immer mehr älteren Menschen stehen immer weniger Jugendliche gegenüber. Die Jugendlichen wollen ihre Zukunft mitgestalten und das nicht nur den älteren Menschen überlassen.

Es ist wichtig, dass sie das tun, weil wir sie als Stärkung der Demokratie, als verantwortliche mündige demokratische Bürgerinnen und Bürger brauchen. Deshalb müssen wir sie möglichst früh in diese Rolle hineinbringen und ihnen möglichst früh diese Verantwortung zugestehen.

Eben ist noch einmal gesagt worden – ich glaube, Sie waren es, Frau von Boeselager –, es gibt kein anderes Land, in dem Jugendlichen dieses Wahlrecht über die Kommunalwahlen hinaus gewährt wird. – Österreich hat das Wahlrecht für die Jugendlichen eingeführt – nicht nur für die Länderwahlen, sondern seit der letzten Wahl auch auf Bundesebene. Wir haben also ein gutes europäisches Beispiel, dem wir uns anschließen können.

Die Jugendphase heute beginnt sehr viel früher als vor Jahrzehnten. Jugendpsychologen nennen das Entwicklungsakzeleration. Die Jugendphase beginnt heute bei Mädchen mit elf und bei Jungen mit zwölf Jahren. Das bedeutet, Jugendliche sind früher reif, bringen sich stärker ein, informieren sich besser. Deswegen muss man auf diese Veränderungen reagieren und den Jugendlichen die Gestaltungsmöglichkeiten und die Verantwortung zugestehen.

Alles spricht dafür, das, womit wir gute Erfahrungen bei den Kommunalwahlen machen, auch bei den Landtagswahlen und dann bei den Bundes

tagswahlen – das fällt nicht in unseren Kompetenzbereich – zu ermöglichen. Ich bin froh, dass die SPD noch einmal diesen Vorstoß unternommen hat. Meine Fraktion ist mit dabei. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Wolf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 28. März dieses Jahres haben wir uns schon einmal mit der Herabsetzung des Wahlmindestalters bei Landtagswahlen auf 16 Jahre anlässlich eines Antrags der Grünen beschäftigt. Damals hat die SPD im Gegensatz zu den anderen Parteien diese Forderung im Redebeitrag von Frau Kollegin Hack nicht einmal erwähnt. Da muss schon die Frage erlaubt sein, ob es der SPD mit der Herabsetzung des Wahlalters wirklich ernst ist. Eine Verfassungsänderung kann einem nicht mal so eben in den Sinn kommen, sondern muss ein begründetes Anliegen sein.

Ein substanzielles Anliegen ist sicherlich nicht zu erkennen, wenn Ihnen das nach zwei Jahren Opposition einfällt. Sie hatten vorher 39 Jahre Zeit, das in Ihrem Sinne zu regeln, wenn es denn schon immer ein Herzensanliegen war.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kuschke?

Ich möchte vortragen. – Es ist auch nicht ersichtlich, dass es einem dringenden und von einer breiten Mehrheit unterstützten Wunsch entspricht, das Wahlalter bei Landtagswahlen auf 16 Jahre herabzusetzen. Man darf dabei nicht dem Irrtum verfallen, das Wahlalter 16 bei Landtagswahlen müsse es schon deshalb geben, weil es dieses Wahlalter bei unseren Kommunalwahlen gibt. Ein solcher Automatismus wäre ein Trugschluss.

Im kommunalen Raum geht es für junge Menschen um sachlich und räumlich begrenzte und zugleich unmittelbar erfahrbare Entscheidungen. Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind eher überschaubar als komplexe Fragen, die das Land als Teil des föderativen Bundesstaats im Kontext der Europäischen Union zu lösen hat. Somit erfordert das Wahlalter bei Landtagswahlen im Vergleich zum Wahlalter bei Kommunalwahlen eine unterschiedliche Betrachtung.

Die Gewährung des aktiven Wahlrechts für 16- und 17-Jährige bei Kommunalwahlen stellt eine besonders begründete Ausnahme von dem der Volljährigkeitsgrenze entsprechenden Mindestwahlalter von 18 Jahren im Bundeswahlrecht und im Landtagswahlrecht aller Länder dar. Selbst im Kommunalwahlrecht sehen elf von 16 Ländern noch ein Wahlalter von mindestens 18 Jahren vor. Die Landesregierung hält es daher für richtig, an dem Mindestalter von 18 Jahren für die Ausübung des aktiven Wahlrechts bei Landtagswahlen, wie es seit 1969 in unserer Verfassung steht, festzuhalten.

Das Wahlrecht zum Landtag ist ein sehr hohes Gut. Mit ihm wird darüber entschieden, welche Vertreterinnen und Vertreter das Volk repräsentieren und über die uns alle bindenden Gesetze entscheiden dürfen. Es geht nicht nur um Dinge von Bedeutung nur für die eigene Person wie die Religionsmündigkeit, die schon ab 14 Jahren besteht.

Daher erscheint es nur konsequent, das Wahlrecht bei Landtagswahlen an die volle Geschäftsfähigkeit zu knüpfen. Denn mit diesem Wahlrecht wird die volle Verantwortung für weitreichende Entscheidungen mit Auswirkungen auf die Allgemeinheit übernommen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/4867 an den Hauptausschuss. Wer ist dafür? – Ist jemand dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist die Überweisung vom Plenum einstimmig beschlossen.

Wir kommen zu:

8 Fragestunde

Drucksache 14/4875

In dieser Drucksache liegen die vier Mündlichen Anfragen 128 bis 131 vor.

Ich rufe die

Mündliche Anfragen 128

auf, die der Abgeordnete Remmel, der im Saal ist, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt hat: