Protocol of the Session on August 22, 2007

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist schon fast eine Binsenweisheit, dass in Deutschland allgemein, aber auch in Nordrhein-Westfalen Politikerinnen und Politiker nicht den besten Ruf genießen. Daran sind wir teilweise selber schuld, teilweise sind es aber auch nur einzelne Kolleginnen und Kollegen, die einen ganzen „Berufsstand“ in Verruf bringen. Was müssen wir nicht alles für Schlagzeilen lesen: „Politikerinnen und Politiker machen sich die Taschen voll“, „Abgeordnete sind Marionetten der Lobbyisten und keine Volksvertreter“, „Abgeordnete vertreten die Interessen der Wirtschaft direkt im Parlament“.

Wir alle, meine ich, müssten ein Interesse daran haben, unseren Ruf zu verbessern. Dazu kann sicherlich beitragen, dass es bei den Nebeneinkünften absolute Transparenz gibt. Deshalb ist es so notwendig, den letzten Schritt auch im Landtag Nordrhein-Westfalen zu tun und diese absolute Transparenz auch hier herzustellen.

Jede Fraktion ist auch Arbeitgeber für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn sie außerhalb der Fraktionstätigkeit weitere Tätigkeiten ausüben, müssen sie diese Nebentätigkeit bei ihrem Arbeitgeber anzeigen und um Erlaubnis bitten. Um nichts anderes geht es hier: Unser Arbeitgeber, das Volk, soll davon Kenntnis bekommen, welchen Nebentätigkeiten wir nachgehen und welche finanzielle Entschädigung und welchen zusätzlichen Verdienst wir für diese Nebentätigkeiten bekommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Damit werben wir um Vertrauen bei unserem Arbeitgeber, den Bürgerinnen und Bürgern. Transparenz heißt für uns nicht, Kolleginnen und Kollegen öffentlich an den Pranger zu stellen, sondern Offenheit und selbstverständliche demokratische Grundlinien zu vertreten. Das bedeutet auch, durch eine solche Regelung im Vorfeld zu vermeiden, dass es zu Interessensverflechtungen kommt. Fehlende Transparenz bedeutet eben im Umkehrschluss dann auch die Verletzung der Souveränität der Wählerinnen und Wähler. Deshalb ist der vollständig informierte Bürger der politisch informierte Bürger. Deshalb sollten wir diese vollständige Information auch durch eine vollständige Transparenz herstellen.

Wir haben uns für den Weg entschieden, dann zu konkreten Angaben über die Zusatzverdienste zu kommen. Denn das erschien uns als der konsequenteste Weg. Wir haben nicht die Regelung des Bundestages gewählt, in Stufen zu einer entsprechenden Veröffentlichung zu kommen, sondern

wir wollen dann den Schritt auch bis zum Ende gehen.

Wir meinen, dass es dem Landtag von NordrheinWestfalen gut anstünde, hier die Vorreiterrolle in der Bundesrepublik zu übernehmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben das ja mit unserem Abgeordnetengesetz schon getan. Wir könnten, was die Transparenz von Nebeneinkünften betrifft, ebenfalls diese Vorreiterrolle übernehmen.

In diesem Sinne bitte ich um eine positive Beratung. Vielleicht können wir uns ja darauf verständigen, auch jenseits der Fraktionsgrenzen über diese Frage eine offene Debatte zu führen und eine offene Abstimmung zu gestalten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Remmel. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Biesenbach das Wort. Bitte schön.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Remmel, ich habe voller Spannung darauf gewartet, welche Begründung Sie denn für Ihren Antrag anbieten. Ich habe leider auch nicht viel mehr erfahren als Transparenz.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist ja schon mal etwas!)

Frau Löhrmann, was ist denn Transparenz? Hängt Ihre Transparenz, hängt das, was Sie wollen, davon ab, dass jeder weiß, wie viel wir möglicherweise auf dem Konto haben? Nichts anderes fordern Sie doch. Sie erleben in Berlin eine Diskussion, die auch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eigentlich zu nichts anderem geführt hat als dazu, dass die Experten mit 4:4Stimmen sagen: Das, was dort steht, hilft uns überhaupt nicht. Was wir wollen und was wir können, wissen wir nicht.

Wir haben aus Sicht meiner Fraktion in NordrheinWestfalen eine Regelung, die zu den besten Regelungen in Deutschland gehört. Es ist ganz einfach. Was soll dargestellt werden? – Abhängigkeiten. Wir wollen hier Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete haben, die nicht in versteckter Abhängigkeit stehen, damit sie in ihrer Entscheidung frei sind.

Darum sagt § 16 des Abgeordnetengesetzes, das wir uns im Dezember 2005 gegeben haben: Zwei Mal muss informiert werden.

Einmal ist öffentlich darzulegen – überall nachzulesen, im Handbuch, im Internet –, für wen wir neben der Landtagsarbeit irgendetwas tun. Wir müssen anzeigen, welche Tätigkeiten wir ausüben und für wen. Prima. Nur die Höhe wird nicht mitgeteilt. Viel wichtiger als die Höhe ist die Frage: Für wen tue ich denn etwas?

Parallel dazu haben wir weitere Informationen, die die Höhe betreffen, bei der Landtagspräsidentin abzugeben. Die Präsidentin weiß – wie alle anderen auch, wie die Öffentlichkeit auch –, für wen wir in diesem Raum nebenbei tätig sind. Sie erfährt, wenn Einkünfte, auch Einkommen, über 12.000 € liegen. Es ist pflichtgemäße Aufgabe der Präsidentin – der geht sie ja auch nach –, festzustellen, ob dadurch Abhängigkeiten entstehen können. Sie hat die Aufgabe, das mit einem Juristen zu prüfen. Die Landtagsverwaltung ist dazu gut qualifiziert besetzt. Sollten sich dann Bedenken ergeben, gibt es ein Eskalationsverfahren bis hin zu einer Veröffentlichung.

Jetzt frage ich mich: Was anderes soll das bringen, als wenn ich meine Steuererklärung auch noch ins Internet stelle? Das kann doch jeder tun. Aber wenn ich meine Abhängigkeiten verschweigen will, kenne ich auch Wege, wie ich dafür sorge, dass das nicht in die Steuerklärung kommt. Das ist keine Möglichkeit, hier in irgendeiner Form Abhängigkeiten aufzuzeigen. Dadurch, dass ich Anzeigen bei der Präsidentin habe, die das prüft, und das eskalieren kann, ist diese Wahrscheinlichkeit deutlich größer, weil ich dann nicht dieses Umgehungsverfahren wählen muss.

Die Berliner Regelung kann uns ohnehin nicht helfen. Selbst das Bundesverfassungsgericht war hilflos. Denn eine 4:4-Lösung zeigt nur, dass dort erstens keine Einigkeit bestand und man sich zweitens auch nicht über den richtigen Weg im Klaren war.

Darum glaubt meine Fraktion, dass das bisherige Verfahren, so wie es im Abgeordnetengesetz steht, völlig ausreichend ist. Wir werden im Hauptausschuss den Antrag natürlich beraten, ihm aber aus heutiger Sicht nicht zustimmen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD die Kollegin Gödecke das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit dem Stichwort „Nordrhein-Westfalen soll eine Vorreiterrolle einnehmen“ anfangen. Die, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir ja 2005 durchaus übernommen, als wir gemeinsam in diesem Haus unser Abgeordnetenrecht und unser Abgeordnetengesetz grundständig geändert haben. Damals haben wir mit Recht von uns behauptet – das ist auch so bestätigt worden –, dass wir Parlamentsgeschichte geschrieben haben. Denn wir haben ganz im Sinne dieser Vorreiterrolle sämtliche steuerfreien mandatsbezogenen Pauschalen abgeschafft. Wir haben die eigenfinanzierte Alterssicherung eingeführt. Wir haben unser Versorgungswerk gegründet. Wir haben letztlich die Abgeordneten mit allen anderen Steuerbürgern gleichgestellt.

Aber gleichzeitig – das geht vielleicht immer ein bisschen unter in dieser Debatte – haben wir vor rund zwei Jahren auch neue Regelungen zu den Fragen der Nebentätigkeiten von Abgeordneten eingeführt. Auch da haben wir 2005 eine durchaus beachtliche Vorreiterrolle für die gesamte Bundesrepublik übernommen. Denn wir haben seinerzeit die weitestgehenden Regelungen auf den Weg gebracht, zumindest was die Anzeigepflicht und die Möglichkeiten, gegen Verstöße vorzugehen, angeht.

Wir haben heute in unserem Abgeordnetenrecht eine Regelung, die deutlich macht, dass wir eine komplette Anzeigepflicht haben, was die Berufe angeht, die wirtschaftliche Tätigkeit und Tätigkeiten, die auf bedeutsame Interessenverknüpfungen von Abgeordneten hinweisen. Diese Anzeigepflicht gegenüber der Präsidentin umfasst auch die Art, Höhe und Herkunft der erzielten Einkünfte und kennt im Unterschied zu vielen anderen Regelungen, die es gibt, keine Ausnahmen. Diese Regelungen stellen den heutigen § 16 unseres Abgeordnetengesetzes dar. Damit haben wir unter anderem auch klargestellt, dass wir ein Verbot des sogenannten Arbeitsloseneinkommens wollen.

Wir haben das hier gemeinsam verabschiedet. Wir haben die Anzeigepflicht gemeinsam verabschiedet. Wir haben auch dem Grunde nach die Veröffentlichung gemeinsam verabschiedet.

Es gab damals wie auch heute nur einen einzigen Punkt, in dem wir uns unterscheiden und bei dem wir nicht einvernehmlich gehandelt haben. Das betrifft die Frage: Was muss nun veröffentlicht werden? – Wir haben uns damals für die Regelung, die heute in § 16 niedergeschrieben ist, entschieden.

Ich möchte daran erinnern, dass wir 2005 auch eine sehr qualifizierte und vielbeachtete Expertenanhörung, deren Protokoll heute noch nachlesenswert ist, zu den Veröffentlichungsmöglichkeiten durchgeführt haben. Auch in dieser Expertenanhörung ist das, was wir in § 16 niedergeschrieben haben – was in Nordrhein-Westfalen geregelt ist –, bestätigt und nicht etwa infrage gestellt worden.

Deshalb sage ich ganz klar, dass damals wie heute gilt: Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein gutes Gesetz verabschiedet, das seinen Zielsetzungen, nämlich das arbeitslose Einkommen zu verbieten, die Unabhängigkeit der Abgeordneten zu sichern, Missbrauch zu verhindern und größtmögliche Transparenz herzustellen, durchaus gerecht wird.

Zu dem Stichwort Transparenz: Ja, die Bürgerinnen und Bürger müssen möglichst viel von ihren Abgeordneten wissen. Sie müssen und wollen in erster Linie wissen, ob es Nebentätigkeiten gibt und ob diese zu Interessenverknüpfungen führen, die die Unabhängigkeit des Mandats und der im Mandat zu treffenden Entscheidungen gefährden können. All diese Zielsetzungen und Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger erfüllt unser Abgeordnetengesetz. Daran hat sich auch seit Mai 2005 nichts geändert.

Herr Kollege Remmel hat selbst die rhetorische Frage genutzt, die da lautet: Warum reden wir denn heute hier darüber? Was hat sich denn verändert? – Im Grunde genommen nichts. Es gibt auch keine Missbrauchsfälle, wie sie 2005 die Schlagzeilen bestimmt und sicherlich noch einmal einen akuten Handlungsbedarf ausgelöst haben.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Deshalb haben die Grünen einen uns nicht überraschenden – weil angekündigt – und auch schon bekannten Gesetzentwurf, der bereits 2005 einmal vorlag, erneut auf die Tagesordnung gesetzt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Verbessert!)

Kollege Remmel hat recht: Der Anlass dafür ist das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Juli dieses Jahres. Er hat recht: Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Veröffentlichung von Nebeneinkünften nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht die Klage der Antragsteller zurückgewiesen.

Aber genauso richtig ist, dass sich das Bundesverfassungsgerichtsurteil mit der Regelung des Deutschen Bundestags beschäftigt. Genauso richtig ist, dass die Regelung des Deutschen Bundes

tags nicht 1:1 mit unseren Regelungen in Nordrhein-Westfalen zu vergleichen ist.

Deshalb möchte ich noch einmal daran erinnern: Der Bundestag veröffentlicht nicht exakt die Höhe der Nebeneinkünfte, sondern es gibt drei Stufen, und die Veröffentlichungen, die man jetzt im Netz und im Handbuch nachlesen kann, sind diesen drei Stufen zugeordnet. Ob das wirklich so aussagekräftig ist, mag jeder Einzelne für sich beurteilen.

Kollege Remmel sagt, genau das seien aber die Gründe, aus denen die Grünen den Gesetzentwurf, in dem die 1:1-Veröffentlichung gefordert wird, jetzt wieder einbrächten.

Wir sehen das nicht so. Wir sagen: Wer weit über die Bundestagsregelung hinausgehen will, muss das ganz deutlich kundtun, und zwar nicht nur in einem Redebeitrag, sondern er muss es auch in die Gesetzesbegründung schreiben. Für die Sozialdemokraten will ich deshalb noch einmal zusammenfassen:

Erstens. Aus unserer Sicht ist unser Abgeordnetengesetz gut und im bundesweiten Vergleich nach wie vor ausreichend, weil es sehr weitreichend ist.

Zweitens. Einer Bewertung und auch einer Überprüfung, ob es an einzelnen Stellen Präzisions- und Konkretisierungsbedarf gibt, verschließen wir uns nicht.

Drittens. Die Ziele, die wir 2005 mit der Neuregelung verbunden haben und die zu der Formulierung des § 16 geführt haben, sehen wir erreicht.

Viertens. Es gibt für uns keinen automatischen Handlungsbedarf, der sich aus dem Verfassungsgerichtsurteil ableiten lässt.

Fünftens. Kollege Remmel, wir freuen uns auf die Ausschussberatung, denn die Problembeschreibung und die Herleitung des vorgelegten Gesetzentwurfs der Grünen verdienen es durchaus, an der einen oder anderen Stelle mit mehr Zeit

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Frau Präsidentin, ich habe es gehört – noch einmal kritisch unter die Lupe genommen zu werden. Deshalb ein Ja zu der Überweisung, aber mit Sicherheit kein Ja, sondern eher ein Nein zu dem, was auf den Weg gebracht werden soll.