Protocol of the Session on August 22, 2007

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie packen Posten zusammen, die nicht zusammengehören. Und wenn man das einmal gegenrechnet, dann ist das unter dem Strich weniger, als es vorher gewesen wäre, nämlich über 100 Millionen €.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die fehlende Berücksichtigung des Aufkommens aus der erhöhten Gewerbesteuerrücklage mit einer Summe von wohl 200 Millionen € – ich hatte es eben schon in dem Zusammenhang gesagt – ist ebenfalls zu nennen.

Hinzu kommen die zusätzlichen Risiken aus dem Kinderbildungsgesetz, die nicht exakt zu beziffern sind, weil sie Ausführungsbestimmungen hinter die Gesetzesverabschiedung packen! Sie sind aber insofern grob zu greifen, als eine Reihe von Kommunen das durchgerechnet haben. Ich höre, dass in Köln mit ungefähr 11 Millionen € gerechnet wird. Ich höre, dass es in Münster ungefähr 2 Millionen € sind. Ich höre, dass es im Rhein-SiegKreis für die sieben kleinen kreisangehörigen Kommunen 1,5 bis 2 Millionen € sind. Und in meiner Heimatstadt mit 30.000 Einwohnern sind es 430.000 € bis 500.000 €. Diese Zahlen sind ungefähr ein Anhaltspunkt dafür, warum Sie nicht die Karten mit den Ausführungsbestimmungen auf den Tisch legen, bevor Sie das Gesetz verabschieden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das machen Sie nämlich genau deswegen, damit keiner weiß, was da letztlich auf die Kommunen kommt.

Meine Damen und Herren, addiere ich diese strukturellen Effekte und die Lastenverschiebungen aus den letzten Jahren mit dem, was Sie für das GFG 2008 vorsehen, dann kommen wir strukturell für jedes Jahr in der Summe auf 1,1 Milliarden €, die Sie den Kommunen entziehen. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für eine Partei, die hier jahrzehntelang über die Meile gelaufen ist und sich als Kommunalpartei dargestellt hat.

(Beifall von den GRÜNEN – Sigrid Beer [GRÜNE]: Das war mal!)

Meine Damen und Herren, es ist aber nicht nur ein Ärgernis für die Kommunen, sondern es ist auch ein Punkt, der insgesamt volkswirtschaftlich und gesamtstaatlich in die Irre führt.

Ich will es Ihnen noch einmal darlegen, wie ich es schon an verschiedenen Stellen gemacht habe. Herr Engel, ich bitte Sie, da gut aufzupassen; denn Sie haben ja vor einiger Zeit in einem Anflug von liberaler Mathematik geäußert, es sei schön, dass es zum Schuldenabbau der Kommunen gekommen sei. Sie haben sich damals auf die Absenkung um 0,5 Milliarden € bei den investiven Schulden bezogen und die Kassenkredite außen vorgelassen, die gleichzeitig um 2,5 Milliarden €

angestiegen sind. Das heißt, in der Summe sind die Schulden um 2 Milliarden € angestiegen – die investiven Schulden sind in der Tat um eine halbe Milliarde Euro gesunken, die Kassenkredite um zweieinhalb Milliarden Euro gestiegen.

Warum sage ich Ihnen das? Mal abseits des Ärgernisses, dass Sie feiern, obwohl in der Summe die Schulden bei den Kommen gestiegen sind, unter anderem durch die Landespolitik, ist es natürlich doppelt fragwürdig, eine solche Rechnung zu feiern, weil die Kassenkredite – das wissen alle Kommunalexpertinnen und Kommunalexperten hier im Haus – dazu führen, dass man bedeutend mehr an Zinsen bezahlt als für die langfristig laufenden Investivkredite.

Ich will Ihnen noch ein weiteres Ärgernis nennen: Es ist natürlich so, dass die Kommunen, insbesondere die großen Städte, die kreisfreien Städte, die in einer strukturellen Finanznotlage liegen und die sich schon lange nur noch mit Kassenkrediten über Wasser halten können, genau bei der Daseinsvorsorge, bei den Kindergärten und bei alledem, was wichtig ist und was Sie ja angeblich auch immer im Auge haben, sparen müssen. Da beginnt das nächste Problem: Die Kluft zwischen den Kommunen wird größer, und die soziale Kluft wird größer – auch in den Kommunen, durch Ihre Politik.

(Beifall von den GRÜNEN)

Lassen Sie mich auch das dazusagen: Es ist ja kein Zufall, Herr Lux – Sie können sich ja gleich noch einmal hier hinstellen und gerne einmal auf die Zahlen eingehen –, dass allein die Sachinvestitionen in den Kommunen im letzten Jahr erneut um 6 % nach unten gegangen sind – eine Strecke, die sich seit vielen Jahren fortgesetzt hat. Aber zu Ihrer These über Kehrtwende, über Trendwende, Herr Engel, lässt sich aus den Zahlen absolut nichts ablesen.

Meine Damen und Herren, der Landeshaushalt muss ohne Zweifel saniert werden, aber die Landesregierung darf das nicht zulasten der Kommunen tun. Da bitte ich Sie, sich nun endlich einmal nach zweieinhalb Jahren ein Stück von dieser tibetanischen Gebetsmühle zu lösen, sie könnten einen irgendwie besonders gearteten Akt von Abbau der Nettoneuverschuldung hier im Hause aufzeigen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Gegenteil ist der Fall. Wenn man die Steuermehreinnahmen, von denen Sie behaupten, Sie könnten etwas dafür – ich glaube, die Mehrzahl der Fachleute würde das bezweifeln –, abzieht

und das abzieht, was Sie den Kommunen genommen haben und was ich Ihnen eben vorgerechnet habe, dann bleibt von Ihrem Abbau der Nettoneuverschuldung nichts übrig. Der Abbau der Nettoneuverschuldung, den Sie behaupten, ist Raubzug bei den Kommunen und ist Lotteriespiel bei den Steuereinnahmen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich wünsche Ihnen und dem Land, dass Sie nicht das Pech haben, dass die Steuereinnahmen so einbrechen wie das in den Zeiten, wo Rot-Grün regiert hat, in den letzten Jahren der Fall war. Ich wünsche es dem Land, aber Ihnen wünsche ich es nur mit einem weinenden Auge. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Passen Sie gut auf, dass Sie und das Land mit Ihrem Glücksspiel für die nächsten zweieinhalb Jahre nicht gehörig auf den Bauch und auf die Nase fallen! Wir alle sehen hier im Lande ganz schlecht aus, wenn die Steuermehreinnahmen nicht mehr in diesem Ausmaß fließen, wie das im Moment der Fall ist.

Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang gerne noch einmal zwei Aspekte ansprechen, die ein deutliches Augenmerk darauf werfen, wie Sie mit den Kommunen umgehen. Lassen Sie mich den ersten Aspekt, sozusagen die Wolf-Opfer, in die Unterpunkte 1 a und 1 b unterteilen.

Zunächst einmal: Das Land Nordrhein-Westfalen ist eines der Bundesländer, das sich durch Innenminister Wolf und andere massiv dafür einsetzt, dass es zu einem Wegfall des steuerlichen Querverbundes kommt. Das ist hochgefährlich. Es gibt parallel dazu auch die Bemühungen der Gerichte; aber es ist hochgefährlich, dass aus ideologischen Gründen ein solcher Kurs aus dieser Landesregierung kommt und in der Innenministerkonferenz auch immer wieder vorgetragen wird.

Es ist doppelt gefährlich – damit komme ich zu 1 b – vor dem Hintergrund, dass Sie den § 107 der Gemeindeordnung ändern wollen und damit den Kommunen eine weitere Chance nehmen, sich wirtschaftlich vernünftig aufzustellen, und das allein aus ideologischen Gründen. Herr Engel, wenn Sie in einem solchen Vortrag wie eben, der phasenweise überhaupt nichts mehr mit Kommunen zu tun gehabt hat, wieder nichts anderes machen, als Ihrem Primat – oder soll ich sagen: den Primaten? – „Privat vor Staat“ vorzutragen, dann geht das an der Problemlage der Kommunen vorbei, dann raubt das den Kommunen ein wesentliches weiteres Standbein. Ich glaube, dass Sie das auch wollen.

Es ist Ihnen sehr egal, wie es den Kommunen geht, Hauptsache Sie setzen Ihre Ideologie durch.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Dann sind wir beim nächsten Punkt, den ich heute ein wenig umfangreicher ansprechen möchte, als ich mir das eigentlich vorgenommen hatte, insbesondere nach der Rede des Ministerpräsidenten heute Mittag, nämlich den Punkt Sparkassengesetz und den Zusammenhang mit der WestLB.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich habe mir diese Passage sehr genau angehört. Ich habe sie vorhin noch einmal im Internet nachgehört, weil ich sicher sein wollte, dass ich mich nicht verhört habe. Wer das genau angehört hat, kann die Äußerungen des Ministerpräsidenten nur als Drohung an die Sparkassen verstehen.

Ich sage das vor dem Hintergrund, dass Sie und wir alle darauf angewiesen sind, die WestLB, von der ich glaube, dass sie in sehr unruhigem Fahrwasser ist – in den nächsten Wochen und Monaten können wir froh sein, wenn es nicht noch deutlich unruhiger wird –, mit den Sparkassen zusammen aus diesem Fahrwasser herauszuholen.

Vor diesem Hintergrund tritt ein Ministerpräsident so auf und macht sich damit quasi zum Sprecher des Fraktionsvorsitzenden der FDP, der am Montag bereits angekündigt hat: Fusion mit der Landesbank Baden-Württemberg brauchen wir nicht, wollen wir nicht, das ist dumm, Privatbanken vielleicht, aber eigentlich – da kam die Katze wieder einmal aus dem Sack – wollen wir die vertikale Struktur mit den Sparkassen. – Das heißt, die wollen Sie in den Haftungsverbund zwingen für ein Gesamtrating angesichts des Zustandes der WestLB, an dem Sie – das unterstelle ich Ihnen jetzt – in der Tat nicht ganz unbeteiligt sind, denn der Finanzminister hätte besser aufpassen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Berater der Landesregierung heißt übrigens Gerlach vom westfälischen Sparkassen- und Giroverband. Da fragt man sich: Wie früh hat er Bescheid gewusst? Wie spät hat er Bescheid gewusst? Man muss gut aufpassen, warum Sie ihn zurzeit noch schonen und aus welchem Grund Sie ihn ein bisschen an der langen Leine laufen lassen wollen.

Wenn Sie vor diesem Hintergrund eine solche Drohung in Richtung vertikaler Struktur aussprechen, dann kann das nur den Grund haben, dass Sie befürchten, dass Sie ansonsten in den Büchern der NRW.BANK Verluste deswegen gene

rieren, weil Sie Erlöse aus einem Verkauf nicht ansatzweise so erzielen können, wie Sie sie erzielen wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist das, was ich Ihnen unterstelle. Insofern freue ich mich darauf, aufklärerisch zu wirken und die Passagen aus der heutigen Rede des Ministerpräsidenten wörtlich weiterzugeben.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen:

Erstens. Diese Regierung ist nicht kommunalfreundlich, sie ist kommunalfeindlich.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Zuruf von Parl. Staatssekretär Manfred Palmen)

Ach, Herr Palmen ist wieder da. Er ruft mal wieder von der Regierungsbank dazwischen.

(Ralf Jäger [SPD]: Eintrag ins Klassenbuch, würde ich sagen!)

Diese Regierung – ich wiederhole es gerne noch einmal, damit Herr Palmen es noch einmal kommentieren kann – ist nicht kommunalfreundlich, sie ist kommunalfeindlich. Sie hat den Kommunen gegenüber dem, was ihnen strukturell pro Jahr zustand, 1,1 Milliarden € genommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zweitens. Diese Regierung ist nicht kommunalfreundlich, sondern sie ist kommunalfeindlich, weil sie den Kommunen die Gelegenheit nehmen will, aus ideologischen Gründen, vor allen Dingen wegen der Damen und Herren der FDP, an den Stellen, wo sonst die Privaten das Geld machen würden, Geld zu verdienen und damit Verluste auszugleichen, die zum Beispiel in Bereichen wie dem ÖPNV entstehen.

Folge: Die Privaten würden die Gewinne machen, und im ÖPNV bezahlen die Bürgerinnen und Bürger eine höhere Zeche. Folge: Die vier großen Stromkonzerne werden bessere Geschäfte machen, weil sich die Stadtwerke nicht mehr anpassen können. Folge: Die kommunalen Wohnungsunternehmen können nur noch vermieten und können nicht mehr Bauträgergeschäfte machen, mit denen sie Stadtentwicklungspolitik betreiben können, um nur wenige Folgen zu beschreiben.

Drittens. Selbst an Stellen, wo ruhige, kluge Diplomatie und Gemeinschaftsarbeit mit Sparkassen aus NRW hoch geboten wäre, um die WestLB, die in sehr schwerem Fahrwasser ist, wieder auf einen vernünftigen Weg zu bringen, und zwar mit einem starken Partner, mit dem badenwürttembergischen Partner, machen Sie aus ideo

logischen und rein eigennützigen Gründen diesen Weg ein Stück kaputt. Das heißt, Sie schädigen die Kommunen, Sie schädigen die Sparkassen, und Sie schädigen die WestLB.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch da sind Sie kommunalfeindlich. Sie sind übrigens auch feindlich gegenüber ihrem eigenen Landeshaushalt und seinen Interessen. Ich sage Ihnen voraus: Wenn Sie an der Stelle nicht wenigstens wieder ein Stück weit zur Vernunft kommen, werden Sie in den nächsten Monaten noch vor einem ganz schweren Weg stehen.