Protocol of the Session on March 28, 2007

„… bei Abfalleinfuhren aus Australien kann die Behörde praktisch frei entscheiden, ob sie die Einwandsgründe geltend machen will oder nicht.“

Hierzu hat die Landesregierung im Umweltausschuss Ausführungen gemacht. Sie wird prüfen, ob Einwandgründe bestehen. Die Einwandgründe sind eindeutig in der Abfallverbringungsverordnung aufgeführt.

Das Ermessen, das Sie immer vom Minister einfordern, besteht darin, ob die Behörde die tatsächlich vorhandenen Einwände erhebt oder davon absieht. Darin liegt Ihr Ermessen, Herr Minister. Das heißt aber ganz konkret: Nur wenn die in der Verbringungsverordnung aufgeführten Einwandgründe tatsächlich vorliegen, können Sie nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. So einfach oder so schwierig ist das.

Die Landesregierung und der Minister haben immer wieder bekundet, dass wir überhaupt kein gesteigertes Interesse daran haben, Sondermüll aus Australien nach NRW zu verbringen und hier zu bearbeiten. Die möglichen Einwandgründe sind unter diesen Gesichtspunkten sorgfältig zu prüfen. Das haben Sie, Herr Minister, immer wieder deutlich gemacht.

Da die Verbringung nicht gegen nationale Vorschriften verstößt – die Anlage ist technisch für die Beseitigung solcher Abfälle geeignet – und die Kapazitäten offenkundig vorhanden sind, weil die AGR diesen Auftrag als kommunales Unternehmen aktiv akquiriert hat, sind die Einwandgründe gar nicht vorhanden – es sei denn, was wir eben diskutiert haben, Australien kann nicht nachweisen, dass es dort so eine Anlage nicht gibt.

In diesem rechtlichen Rahmen bewegen wir uns. Ein Ermessen der genehmigenden Behörde – das weiß Kollege Gatter doch auch – ist nur dann zu erkennen, wenn tatsächlich Einwandgründe vorliegen. Dann kann man nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob man sie vorbringen will oder nicht.

Viertens. Auch darüber, ob es richtig ist, Sondermüll über so große Entfernungen zu transportieren, müssen wir politisch diskutieren. Wie können wir das vernünftig begrenzen? Man kann sagen, aus Sicherheitsgründen ist eine Begrenzung richtig. Und die Sinnfälligkeit solcher Transporte ist nicht sofort ersichtlich. Grundsätzlich müsste man aber, wenn wir auf eine regionale Entsorgung größeren Wert legen, die internationalen Abkommen, das Basler Übereinkommen, ändern. Auf der anderen Seite heißt das auch: Vorsicht an der Bahnsteigkante. Denn wir aus Nordrhein-Westfalen exportieren auch unseren Abfall in erheblichem Umfang woanders hin.

Deutschland darf sich natürlich seiner internationalen Verantwortung nicht entziehen. Darauf hat sogar Kollege Remmel hingewiesen. Selbst er hat nichts dagegen, wenn wir Stoffe aus sogenannten armen Ländern hier bei uns verarbeiten.

Den Grünen scheint allerdings ein solcher Antrag, der wieder auf Emotionen setzt, viel wichtiger zu sein als eine sachliche Auseinandersetzung mit den Themenkreisen, die wir eben genannt haben. Ich sage noch einmal deutlich:

Erstens. Der Industriestandort Nordrhein-Westfalen ist auf seine Sonderabfallentsorgungsanlagen mit größeren Kapazitäten – von mir als chemische Fabrik verstanden – angewiesen.

Zweitens. Die Sinnhaftigkeit des Ferntransports erschließt sich nicht sofort. Hier müssen wir gegebenenfalls die entsprechenden internationalen Abkommen ändern.

Drittens. Das rechtliche Ermessen der Landesregierung liegt darin zu entscheiden, die Einwände vorzubringen oder nicht. Die Einwandgründe sind eindeutig definiert. Sie können in diesem Fall nicht vorgebracht werden, weil die Anlagen geeignet sind, Kapazitäten da sind usw. Das hatte ich schon ausgeführt. Die entscheidende Frage, ob eine umweltgerechte Entsorgung in Australien möglich ist, ist derzeit noch offen.

Wir müssen deutlich machen, dass wir diese Kapazitäten bei uns haben, uns der Verantwortung nicht entziehen können, die Sinnhaftigkeit allerdings infrage stellen. Deswegen müssen wir

schauen, ob wir die internationalen Abkommen ändern können.

Das ist die Situation, die ich ganz unaufgeregt sehe. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und Karl Kress [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Herr Minister Uhlenberg hat das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme erfreut zur Kenntnis, dass Sie beantragen, der Landtag möge meine klare Position begrüßen. Für diese Unterstützung, die mir auch schon im Umweltausschuss von allen Fraktionen versichert wurde, danke ich ausdrücklich.

Sachstand ist, dass die Anträge der Firma Orica nicht beschieden werden können, solange die australische Regierung nicht erklärt, dass Australien nicht selber über geeignete Anlagen verfügt. Diese Erklärung liegt uns bis zur Stunde noch nicht vor.

Mit ihrem Antrag suggerieren SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die Landesbehörden hätten hier einen Ermessensspielraum, den es der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission zufolge gebe. – Diesen Dissens zwischen Ministerium und der Generaldirektion Umwelt gibt es aber nicht.

Die Kommission macht darauf aufmerksam, dass die Behörde, auch wenn Einwandgründe objektiv gegeben sind, auf deren Vortragen verzichten könnte. Das heißt aber auch: Wenn es keine Einwandgründe gibt, muss die Behörde genehmigen. Das deckt sich mit der Einschätzung der Landesregierung; das deckt sich auch mit der Einschätzung der Bundesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Soweit an das Parlament und an die Regierung von Australien appelliert werden soll, für die Schaffung ausreichender Entsorgungskapazitäten auch grenzüberschreitende Kooperationen mit Nachbarstaaten in Betracht zu ziehen, erlaube ich mir die Frage, inwieweit Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, es für angemessen halten, dass ein deutsches Bundesland über Staatsgrenzen hinaus andere Staaten belehren will, wie es seine Entsorgungsprobleme am besten löst.

Auch auf die Grundlagen für die grenzüberschreitende Abfallverbringung im Basler Übereinkommen und in der EG-Abfallverbringungsverordnung bin ich bereits ausführlich bei mehreren Debatten

eingegangen. Wesentliche Grundsätze im Basler Übereinkommen sind: der Schutz der Umwelt vor unsachgemäßer Entsorgung gefährlicher Abfälle durch strenge Kontrolle der grenzüberschreitenden Abfallverbringung, die Aufforderung zur Schaffung ortsnaher Entsorgungskapazitäten sowie die Eröffnung von Entsorgungsmöglichkeiten für gefährliche Abfälle auch für Entwicklungsländer.

Gerade bei diesem Punkt kann ich die Position von SPD und Grünen nicht nachvollziehen. Es gibt Staaten in der Dritten Welt, die eine Entsorgung gefährlicher Abfälle nicht selbst sicherstellen können. Diesen Staaten muss es erlaubt sein, für die Beseitigung von Abfällen geeignete Anlagen in anderen Staaten, auch in Nordrhein-Westfalen zu nutzen. Würde man dies verbieten, würde zwangsläufig einer umweltgefährdenden Abfallbeseitigung Tür und Tor geöffnet.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das haben wir doch eben gesagt!)

Verlieren Sie die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in den Ländern der Dritten Welt nicht aus dem Blick!

(Svenja Schulze [SPD]: Das haben wir doch gesagt! – Johannes Remmel [GRÜNE]: Das hat niemand bestritten!)

Ihre Forderungen nach Grundsätzen für einen Sonderabfallwirtschaftsplan geben lediglich Selbstverständlichkeiten wieder, die sich unmittelbar aus dem nationalen und internationalen Recht ergeben. Das Ziel eines Abfallwirtschaftsplans ist, die Entsorgungssicherheit im Lande aufrechtzuerhalten.

Rechtswidrig wäre hingegen die vorgeschlagene eigene Definition der illegalen Verbringung für den Abfallwirtschaftsplan. Eine solche Regelung stünde im Widerspruch zu den verbindlichen Bestimmungen der Abfallverbringungsverordnung. Bemerkenswert ist der Vorschlag, durch strenge Kontrollen umweltgerechte Entsorgungskapazitäten möglichst nah am Entstehungsort zu schaffen. Meine Damen und Herren, es wird so getan, als resultiere der Mangel an Entsorgungskapazitäten in Australien aus dem Fehlen solcher Kontrollen. Das ist jedoch unzutreffend.

Mit Herrn Gabriel habe ich, wie insbesondere Sie, meine Damen und Herren bei der SPD, wissen, wegen der Sonderabfallimporte aus Australien bereits korrespondiert. Die, um es vorsichtig auszudrücken, äußerst zurückhaltende Position des Bundesumweltministers in dieser Frage kennen Sie. Ich hatte in der letzten Woche, als Herr Gabriel bei uns im Landtag war, noch einmal die Mög

lichkeit, mit ihm zu sprechen. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie von der SPD mit Herrn Gabriel in dieser Frage einmal Kontakt aufgenommen hätten.

(Svenja Schulze [SPD]: Wir haben mit ihm gesprochen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich möchte die Fraktion der SPD auffordern, ihre offensichtlich ausgezeichneten Verbindungen zum Bundesumweltministerium zu nutzen, um die Kontakte entsprechend zu verstärken.

Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend feststellen: Anders als die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bekennt sich die Landesregierung zum Industriestandort NordrheinWestfalen und zu seiner hervorragenden Entsorgungsinfrastruktur.

(Lebhafter Beifall von der FDP)

Die Landesregierung betont erneut, dass sie einen Import von gefährlichen Abfällen aus einem weit entfernten und hoch industrialisierten Staat wie Australien nicht befürwortet.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Die Landesregierung lehnt aber auch die von SPD und von Bündnis 90/Die Grünen in diesem Verfahren betriebene unverantwortliche Instrumentalisierung der Ängste der Bevölkerung zum alleinigen Zweck der politischen Profilierung ab.

(Beifall von der CDU)

Die Landesregierung kritisiert, dass auf diese Weise wieder einmal die Entsorgungsinfrastruktur Nordrhein-Westfalens in ein negatives Licht gerückt und der Wirtschaftsstandort ein ums andere Mal ins Gerede gebracht wird.

Herr Minister.

Herr Präsident, ich bin sofort fertig. – Die Landesregierung hält sich mit der Beurteilung der Frage einer Zulässigkeit der Abfallimporte aus Australien an Recht und Gesetz. Sie wird die Zustimmung zu einer Verbringung versagen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Verbringung nicht erfüllt sind.

Meine Damen und Herren, das habe ich jetzt schon zum vierten Mal im Rahmen einer Plenardebatte oder einer Ausschusssitzung mitgeteilt, aber ich bin auch gern bereit, noch drei- oder viermal die gleiche Debatte zu führen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Beratung.

Die antragstellenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/4018. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Antrag in direkter Abstimmung abgelehnt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei Tagesordnungspunkt 10 hat unser Parlamentskollege Günter Garbrecht gegenüber einem anderen Mitglied des Hohen Hauses die Formulierung „Hetzer“ gewählt. Das ist ein unparlamentarischer Ausdruck. Ich bin gehalten, die Wahl dieses Ausdrucks zu rügen, und erteile dem Kollegen Günter Garbrecht hiermit einen Ordnungsruf. (Siehe hierzu PlPr 14/64, S. 7179)

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir kommen zu:

14 Konsequenzen aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes zum Instandhaltungsstau bei der Bahninfrastruktur ziehen: Das Schienennetz gehört auf Dauer in die Verantwortung des Bundes