Protocol of the Session on March 28, 2007

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben den Sachverhalt schon mehrfach – auch in den Ausschüssen – diskutiert. Ich will es hier aber auch noch einmal tun, damit klar ist: Wir reden nicht über die generelle Frage der Sondermüllverbrennung in Nordrhein-Westfalen. Wir reden auch nicht über die Notwendigkeit, gewisse Verbrennungskapazitäten für Sondermüll wie Herbizide und Pestizide aus – ich sage einmal – sehr armen Staaten bereitzuhalten, diese Stoffe einzusammeln und hier zu verbrennen. Wir reden auch nicht über die Notwendigkeit, Sondermüll im europäischen Kontext grenzüberschreitend zu verbrennen.

Wir reden hier über den Transport von Sondermüll aus Australien über 16.000 km, über den Transport aus einem Industrieland in ein anderes. Das ist unser Thema. Und wir reden über die Menschen an den verschiedenen Standorten in Nordrhein-Westfalen, die dieses nicht wollen – und dieses auch berechtigt nicht wollen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn damit wird dem, was das Baseler Abkommen eigentlich verhindern will, Tür und Tor geöffnet. Das Baseler Abkommen besagt, dass Sondermüll an Ort und Stelle behandelt und verbrannt werden soll. Wir wollen, dass das Baseler Abkommen auch umgesetzt wird. Wir haben uns darüber gestritten, inwieweit das möglich ist. Und wir meinen, dass es nur eine eindeutige Interpretation gibt.

Der Kern unserer heutigen Debatte ist, dass „Ja, ja“ gesagt, aber „Nein, nein“ getan wird. Wir haben den Eindruck, dass die Landesregierung Ja sagt, aber Nein tut. Denn in allen Verlautbarungen der Landesregierung sagt der Minister: Wir wollen diesen Müll in Nordrhein-Westfalen nicht, aber wir können gar nicht anders, weil wir durch europäische Verordnungen gebunden sind. – Das war die erste Aussage.

Dann gab es von der europäischen Seite den Hinweis: Nein, nein, ihr habt schon einen Ermessensspielraum. – Da ist die Landesregierung dar

auf verfallen zu sagen: Ja, wir haben fachlichen Ermessensspielraum, aber den eigentlichen politischen Ermessensspielraum hat die Bundesregierung.

Dann gab es den Hinweis von der Bundesregierung: Nein, nein, Nordrhein-Westfalen hat Ermessensspielraum. – Und da stehen wir heute.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen der Landesregierung mit unserem Antrag helfen, den Ermessensspielraum, den die Landesregierung hat, den die Abfallbehörden des Landes haben, tatsächlich zu nutzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb gilt nicht „Schön reden, aber anders handeln“, sondern es geht darum, das Reden mit dem Handeln in Einklang zu bringen. Wenn Sie den Müll in Nordrhein-Westfalen nicht haben wollen, wofür es gute Gründe gibt und worin wir mit Ihnen übereinstimmen, dann handeln Sie entsprechend und nutzen Sie den Ermessensspielraum, den Ihre Behörden, den Sie als Minister haben.

Wir haben das – Sie haben ja angekündigt, dass es in Kürze einen Abfallwirtschaftsplan für den Bereich Sondermüll geben wird – noch mit möglichen Leitlinien für einen solchen Plan unterfüttert. Wenn ein solcher Antrag heute hier im Landtag verabschiedet würde, würde das Ihren Ermessensspielraum ausreichend begründen. Wir sind sicher, dass dieser Ermessensspielraum positiv im Sinne des Postulats ausgefüllt werden kann.

Herr Abgeordneter Remmel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ortgies von der CDU?

Sehr gerne.

Herr Remmel, ich habe nur eine ganz kurze Frage: Können Sie mir sagen, seit wann es solche Giftmüllimporte gibt?

Es gibt schon lange Giftmüllimporte: seit es die Kapazitäten in Nordrhein-Westfalen gibt, seit es diese Kapazitäten in der Bundesrepublik gibt. In der Tat sind diese Importe in den letzten Jahren stark angestiegen. Aber wir müssen deutlich unterscheiden zwischen Importen aus Übersee und anderen. Gegenüber dem, was in den letzten zehn Jahren aus Übersee importiert worden ist, ist die Zahl von 22.000 t Import in die Bundesrepublik und 11.000 t nach Nordrhein-Westfalen exorbitant und insofern auffällig.

Es gibt begründete Ängste, dass das kein Einzelfall bleibt,

(Beifall von den GRÜNEN)

sondern dass man mit diesem Import die Tür für weitere Länder öffnet, die sich eigentlich Behandlungskapazitäten leisten könnten, die diese auch aufbauen müssten, dies aber nicht tun, weil sie auf die Kapazitäten in Europa, insbesondere in Deutschland, aber auch in anderen industrialisierten Staaten schielen. Diese Tür gilt es zuzumachen, Herr Ortgies. Ich hoffe, das ist auch in Ihrem Interesse. Die Menschen im Lande jedenfalls würden Sie und uns sehr dabei unterstützen. Meine Damen und Herren, ich hoffe deshalb auch auf Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Remmel. – Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Kress das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig und wichtig, dass Sie, Johannes Remmel, Stephan Gatter, meine Damen und Herren von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die grundsätzliche Ausrichtung der Abfallwirtschaftspolitik von Minister Eckhard Uhlenberg genauso unterstützen wie CDU und FDP, die dies im Fachausschuss auch begründet haben.

In der Tat: Zum ersten Mal seit über zehn Jahren hat die Politik der Landesregierung dazu geführt, dass die Abfallimporte insgesamt reduziert wurden. 1997 war die Gesamtmenge der Exporte mit 270.000 t noch doppelt so hoch wie die Müllmenge der Importe. Unter Rot und Rot-Grün veränderte sich die Bilanz: Die Importe sind von 470.000 t in 1999 kontinuierlich auf 2,9 Millionen t in 2004 gestiegen. Erstmalig in der Geschichte von Nordrhein-Westfalen gab es 2005 einen Rückgang auf 2,39 Millionen t.

Wenn wir heute bei der Abfallbilanz von einer erfreulichen Trendumkehr bei den Importen sprechen, dann hat das schon etwas mit der Regierung Rüttgers und der Abfallwirtschaftspolitik unseres Umweltministers zu tun. Die Eignung der HightechSondermüllverbrennungsanlagen zur umwelt- und sachgerechten Verbrennung von POPs wie Hexachlorbenzol wird kaum noch infrage gestellt. Das haben ja auch meine Vorredner nicht gemacht.

Im Gegensatz dazu wird der Transport als Gefahrenquelle angesehen. Bereits am 17. Januar habe ich in diesem Hause im Namen meiner Fraktion

ausgeführt, dass wir es insgesamt für besser halten, dass Abfälle wie Hexachlorbenzol sachgemäß und umweltgerecht verbrannt und nicht auf Deponien scheinentsorgt oder für unsere Enkelkinder auf Halden zwischengelagert werden. Abfallstoffe dieser Art dürfen nicht sublimieren und müssen zeitnah der Biosphäre entzogen werden.

Natürlich ist es wünschenswert, dass Abfälle jedweder Art dort vernichtet werden, wo sie entstehen. Wir bekommen schon Magenschmerzen – das haben wir immer wieder gesagt –, wenn wir uns die Strecke von Australien bis nach Nordrhein-Westfalen ansehen. Diese Sorgen haben auch unsere Bürgerinnen und Bürger, und wir nehmen sie sehr ernst. Ich sage das ausdrücklich auch im Namen meiner Landtagskollegen Ursula Monheim und Lothar Hegemann, die genauso wie ich die Diskussionen vor Ort begleiten.

Aber ich sage auch sehr deutlich, dass die von den Oppositionsparteien im Rahmen dieses Verfahrens betriebene Verängstigung der Bürgerinnen und Bürger absolut unverantwortlich ist.

(Beifall von CDU und FDP – Svenja Schulze [SPD]: Es gibt Bürgerinitiativen der SPD!)

Nach unseren Informationen fehlt zur abschließenden Genehmigung der Notifizierungsanträge nach wie vor die Angabe der australischen Regierung über fehlende Entsorgungsmöglichkeiten im eigenen Land. Das muss ich akzeptieren. Eine von der australischen Regierung eingesetzte Expertenkommission soll eine eingehende fachliche Prüfung vornehmen. Dieser Bericht, Johannes Remmel, muss dann natürlich sorgfältig bewertet werden.

Genauso sorgfältig habe ich mir im Entsorgungsbericht 2004 angesehen, was alles an Sonderabfallimporten von der Vorgängerregierung genehmigt und akzeptiert wurde; schließlich werden Hexachlorbenzole sowie andere chlorierte Kohlenwasserstoffe schon seit über 20 Jahren routinemäßig, kontinuierlich in den Sondermüllverbrennungsanlagen in Nordrhein-Westfalen verbrannt – übrigens auch 2004, als bekanntermaßen noch Frau Höhn für diesen Bereich zuständig war, wie Sie sich sicherlich erinnern.

Nordrhein-Westfalen hat unter Rot-Grün in 2004 aus 34 Staaten 533.000 t Sonderabfälle importiert, unter anderem, Johannes Remmel, aus Süd- und Nordamerika oder auch aus Thailand. Das waren zum Teil überlagerte Wirkstoffe, die nur in einer Sondermüllverbrennungsanlage auf hohem technischem Niveau entsorgt werden durften. In entgegengesetzter Richtung wurden über 67.000 t gefährliche Sonderabfälle wie halogenierte Che

mikalien aus Nordrhein-Westfalen zur Vernichtung oder Aufbereitung ins Ausland exportiert.

Mit der im August 2003 einvernehmlich geänderten 17. Bundes-Immissionsschutzverordnung müssen deutsche Anlagen die weltweit schärfsten Emissionswerte einhalten; das ist in der Tat Spitze. Das heißt aber auch, dass wir nicht nur erste Wahl bei der Entsorgung sind, sondern auch, dass deutsche Unternehmen unsere Entsorgungstechnik heute schon weltweit verkaufen, siehe Indien und China.

Bei Kosten von über 100 Millionen $ pro Drehofenanlage ist dieser Export in der Tat übersichtlich, und wir werden den Verkauf dieser sehr speziellen Anlagen auch nicht per Beschluss fördern können.

Das Erstellen eines Sonderabfallwirtschaftsplans hat ebenfalls keinerlei Auswirkungen auf die laufenden Notifizierungsverfahren.

Weiterhin glaube ich nicht, dass wir den Bundesumweltminister quasi per Beschluss, wie Sie es im Antrag gefordert haben, in seinem Handeln beeinflussen können. Die rechtlichen Grundlagen und die rechtlichen Möglichkeiten sind in der Vergangenheit immer klar und präzise von Herrn Minister Uhlenberg erläutert worden.

Herr Kollege.

Letzter Satz: Danach handeln der Minister und sein Haus nach dem zitierten Basler Abkommen und nach der von Rot-Grün erst 2004 ratifizierten Stockholmer Konvention. Dabei haben sie unsere uneingeschränkte Unterstützung. Wir lehnen den vorgelegten Schauantrag ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kress. – Für die FDP-Fraktion spricht Kollege Ellerbrock. Ich erinnere ein bisschen an die Zeit.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Ich renne ja schon!)

Sie können noch schneller, wie ich Sie kenne.

(Heiterkeit von der SPD)

Das ist richtig; aber lassen wir das. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Anmerkungen zum vorgelegten Antrag:

Erstens. Eine Sondermüllverbrennungsanlage oder eine Sondermüllbehandlungsanlage ist für mich nichts anderes als eine chemische Fabrik, die zum Industriestandort Nordrhein-Westfalen gehört.

Zweitens. An der Sinnhaftigkeit von Ferntransporten von Australien hierher – damit da überhaupt keine Diskussion aufkommt – kann man zu Recht zweifeln.

Drittens. Wir müssen die rechtliche Position und die rechtlichen Möglichkeiten des Landes betrachten, die hier schon einmal ausführlich dargestellt worden sind. Ich gehe davon aus, dass diese Position nach wie vor gültig ist. Der Minister wird vielleicht gleich noch einmal darauf zu sprechen kommen.

Der gemeinsame Antrag der Opposition geht wohl im Kern von einem Missverständnis aus. Im Antrag wird die Position der EU-Kommission zitiert:

„… bei Abfalleinfuhren aus Australien kann die Behörde praktisch frei entscheiden, ob sie die Einwandsgründe geltend machen will oder nicht.“