Jetzt ist die Phase der Aufklärung – und die betreiben wir gründlich. Danach, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir daraus die notwendigen Schlüsse für die Zukunft ziehen.
Wir haben – das wissen Sie, Sie haben es ja schon zwischendrin immer wieder kritisiert – bereits bei der Übernahme der Landesregierung damit begonnen, das Fördergeschehen und die Förderkultur in Nordrhein-Westfalen auf eine neue Grundlage zu stellen. Dieser Vorgang zeigt, wie dringend notwendig das ist.
Keine Frage: Man kann auch betrogen werden. Gegen kriminelle Energie ist man nicht gefeit. Aber der Landesrechnungshof sagt ja nicht, dass die von Ihnen geführten Ministerien bloß Opfer waren. Lassen Sie mich Vorwürfe, die im Rechnungshofbericht stehen, noch einmal schlaglichtartig aufzählen: fehlende Sorgfalt bei der Bewertung der Anträge, fehlende Abstimmung innerhalb der rot-grünen Landesregierung, ein System der organisierten Verantwortungslosigkeit, sodass Lücken im Kontrollsystem zumindest in Kauf genommen wurden,
deutlich zu hohe Kosten bei diversen Abrechnungen, erkennbar unzulässige Verwendung von Fördermitteln.
Eben ist schon deutlich geworden, dass das ganz große Projekt über eine Zuweisung erfolgt ist. Man könnte, wenn man es einfach ausdrücken wollte, sagen: Die Anlage, auf deren Grundlage die Zuweisung erfolgte, enthält einen Finanzplan, der gerade mal auf einen Bierdeckel passt. Und damit wurden seinerzeit 5,1 Millionen € gefördert, meine sehr verehrten Damen und Herren.
und dies zumal dann, wenn man zeitgleich den Landeshaushalt in die Verfassungswidrigkeit getrieben hat. Das ist das Versagen bei einem Ihrer politischen Kernanliegen,
nämlich bei der Strukturhilfe im Ruhrgebiet. Dieser Fall steht exemplarisch dafür, was der RWIBericht, den Sie wohlweislich in der Schublade versteckt gehalten hatten, bereits im Jahr 2004 festgestellt hat. Ich zitiere:
„Im Falle des Ruhrgebiets hat, so scheint uns, das ausgleichspolitisch motivierte Bestreben, möglichst alle Teileinheiten der Region in glei
cher Weise zu berücksichtigen, dazu geführt, auch solche Raumbranchenkonstellationen zu befördern, die eigentlich die nötige kritische Masse für bedeutsame Restrukturierungsprozesse im wirtschaftlichen Strukturwandel gar nicht aufweisen.“
Dies ist der politische Ansatz, mit dem Sie im Kabinett festgelegt haben, Inkubatorzentren nach Gelsenkirchen zu geben – und nicht, weil ein wohlbegründeter, überzeugender Antrag vorgelegen hätte.
(Bodo Wißen [SPD]: Sieht das Herr Wittke genauso? – Gisela Walsken [SPD]: Haben Sie mit dem gesprochen?)
Halten wir fest: Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von SPD und Grünen, haben das Inkubatorzentrum, das Gegenstand des Rechnungshofberichts ist, bewilligt, bezahlt und eingeweiht.
Darüber hinaus gibt es staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, in deren Verlauf uns Namen von Personen und Unternehmen bekannt geworden sind. Hier sind wir froh, größeren Schaden vom Land haben abwehren zu können, indem wir neue Projekte rechtzeitig stoppen und Auszahlungen aus alten Projekten der Vorgängerregierung zumindest teilweise noch zurückhalten konnten. Hätten wir hier nicht umgehend gehandelt, dann hätten Sie uns zu Recht kritisieren können.
(Gisela Walsken [SPD]: Haben Sie gar nicht! Zwei Monate lang haben Sie gar nichts ge- tan! – Weitere Zurufe von der SPD)
Die Aufregung bei Ihnen ist groß; das kann ich verstehen. – Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben gehandelt und sind damit unserer Verantwortung gerecht geworden. Sie hingegen versuchen, sich aus Ihrer Verantwortung herauszustehlen, die Sie nachweislich des Landesrechnungshofsberichtes haben. Und Sie tun das in einer beispiellosen Weise.
Damit aber werden Sie nicht durchkommen. Wir haben ein hohes Interesse – Frau Walsken, Sie können das noch dreimal sagen – an lückenloser Aufklärung; denn das ist der einzige Weg, deutlich zu machen, wer hier Verantwortung getragen hat und wer in Zukunft die Dinge für unser Land besser machen will. – Herzlichen Dank.
Danke schön, Herr Minister Pinkwart. – Zur Geschäftsordnung hat sich Frau Löhrmann zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist insgesamt ja schon ein etwas schwierigerer Vorgang, wie wir feststellen. Es ist auch ein ungewöhnlicher Vorgang, dass die Kolleginnen und Kollegen nicht in der Lage sind, zu einem Eilantrag, der seit Montag, 12 Uhr, vorliegt, während der Debatte und noch nicht einmal, bevor abgestimmt wird, einen Entschließungsantrag schriftlich vorliegen zu haben. Das möchte ich hier als Allererstes feststellen.
Da es aber auch unsererseits ein Interesse gibt, in der Sache genau zu wissen, worüber wir heute abstimmen, und um dies nicht zu einer Farce verkommen zu lassen, möchte ich mich ausdrücklich dagegen aussprechen, dass der Entschließungsantrag hier, wie es möglich wäre, vorgelesen wird und wir dann darüber abstimmen. Ich bitte daher darum, dass wir die Abstimmung über die Anträge hinter den Punkt „Kyrill“ verlegen; dann haben wir sowieso eine Abstimmung, die kontrovers sein wird. Bis dahin können wir prüfen und beraten, wie wir verfahren. Gleichzeitig möchte ich darum bitten, dass wir dann auch noch zwei, drei Sätze zu dem Entschließungsantrag, den wir erst dann kennen, sagen dürfen. Das wäre, finde ich, das Mindeste, was die Regierungsfraktionen der Opposition zubilligen müssten. – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, wir reden jetzt nur noch zur Geschäftsordnung. Leider kann ich die Beratung nicht wieder aufnehmen. Dazu hatte sich Frau Ministerin Thoben zu Wort gemeldet. – Peter Biesenbach zur Geschäftsordnung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es entspricht gutem parlamentarischem Brauch, dass man Zeit hat, zu den Dingen, zu denen man Stellung nehmen soll, Stellung nehmen zu können. Wir haben uns abgestimmt und sind damit einverstanden, dass wir die Abstimmung zu diesem Punkt nach dem Punkt „Kyrill“ durchführen. Wenn dann auch noch zwei Sätze dazu gesagt werden sollen, wird sich sicherlich niemand dagegen wehren.
Meine Damen und Herren, es gibt den Vorschlag, nach Punkt 9 über den Eilantrag und über den Entschließungs
antrag, der zu Punkt 6 eingebracht worden ist, abzustimmen. Wer mit diesem Vorschlag einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist zumindest das einstimmig beschlossen.
Die verabredeten Redezeiten betragen jeweils fünf Minuten. – Ich gebe das Wort an Herrn Trampe-Brinkmann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht ganz einfach, nach der ersten mir bekannten habilitierten Nebelkerze zu sprechen, aber ich versuche es trotzdem.
Das Schulsystem in Deutschland erfährt derzeit einen grundlegenden Wandel. Alte Strukturen des dreigliedrigen Systems lösen sich nach und nach auf, und neue, oftmals ganz unterschiedliche Systeme werden in vielen Bundesländern etabliert. Besonders tragen die Entscheidungen in Schleswig-Holstein, Hamburg und jetzt auch in Hessen dazu bei, verkrustete Strukturen endlich aufzubrechen und den Weg für neue Schul- und Lernstrukturen freizumachen.
Allein in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen beharrt man auf Landesebene auf der Dreigliedrigkeit des Schulsystems, ignorierend, dass viele kommunale Vertreter von CDU und FDP ihren Landesfürsten in Bildungsfragen oftmals schon die Gefolgschaft verweigert haben. Dies ist nicht nur dem demografischen Wandel in unserem Land geschuldet, sondern entsteht vielmehr durch den Druck der Eltern vor Ort, die gegen Ihre Politik mittlerweile mit den Füßen abstimmen. Dieser Effekt war insbesondere in Schleswig-Holstein zu beobachten. Ich bin mir sicher, dass gerade die CDU auch in unserem Lande eine hausinterne Revolte von unten erfahren wird.
Meine Damen und Herren, der Lehrerausbildung kommt eine zentrale Bedeutung in unserem Bildungssystem zu. Wir müssen heute Lehrer für das 21. Jahrhundert ausbilden, tun dies mit den Methoden des 20. Jahrhunderts für ein Schulsystem des 19. Jahrhunderts. Gerade die Vielzahl
der Publikationen zu diesem Bereich macht deutlich, welchem Veränderungsdruck wir ausgesetzt sind. Vor diesem Hintergrund ist es geradezu fahrlässig, wenn man heute nur über Arbeitszeit und Gehaltsstruktur von Lehrern redet. Gerade das Interview mit Prof. Terhart in der Zeitschrift „forum schule“ beweist nochmals eindrucksvoll, welche fachlichen, didaktischen und pädagogischen Kompetenzen Lehrerinnen und Lehrer heute besitzen müssen. Dabei geht es nicht alleine um guten Unterricht, sondern auch um Elternarbeit und Schulentwicklung im weitesten Sinne.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der BolognaProzess ist unaufhaltbar. Wir in NordrheinWestfalen haben uns trotz der vielfältigen Kritik dieser Aufgabe gestellt und an den Universitäten in Bielefeld, Bochum, Münster, Wuppertal und Dortmund konsekutive Lehramtstudiengänge eingerichtet.
Obgleich die Diskussionen gerade zu dem Themenbereich „Polyvalenz versus Professionalisierung der Lehrerausbildung“ teils heftig geführt werden und sicher nicht abgeschlossen sind, bietet uns die derzeitige Situation aber auch eine einmalige Chance, Lehrerbildung neu zu denken.
An dieser Stelle geht es um Genauigkeit und nicht um Schnelligkeit. Wenn die Landesregierung zum Wintersemester 2008/2009 landesweit die Lehrerausbildung auf die BA/MA-Struktur umswitchen will, dann fragen wir uns, wie dies – nicht nur aufgrund der parlamentarischen Begleitung, sondern auch aufgrund der strukturellen Veränderung – an den Hochschulen möglich sein soll.
Meine Damen und Herren, mit dem Einsetzen der Baumert-Kommission hat die Landesregierung in einer Pressemitteilung vom 22. September letzten Jahres angekündigt, dass die Erfahrungen der bisherigen Modellversuche Ausgangspunkt der Kommissionsarbeit sein sollen. Nun fragen wir uns, warum Sie, Frau Ministerin, im Dezember 2005 die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Modellversuche, die bis 2009 erfolgen sollte, ohne Grund gekündigt haben.
Wir haben den Eindruck, dass es nicht um Fachlichkeit, sondern um politisches Umsteuern des Systems ging und geht. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn ein Abteilungsleiter Ihres Hauses am 18. Oktober 2006 in einer Pressemitteilung zur Tagung „Forum Lehrerbildung“ in Münster schreibt:
„Die Entscheidung über die Reform der Lehrerausbildung bleibt eine politische, auch wenn wir uns die Expertise eines exzellenten und
Vor diesem Hintergrund haben viele Menschen im Land große Sorgen vor Ihren Reformschritten und vor Ihren ideologischen Fesseln. Wir fordern Sie auf: Hören Sie auf das, was Ihnen alle Fachleute ins Stammbuch schreiben. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.