Protocol of the Session on September 28, 2006

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Ich habe also in der Tat alle Rollen durch: zunächst außerparlamentarisch protestieren, dann im Parlament opponieren, anschließend zehn

Jahre regieren und schließlich als Vizepräsident – nicht nur, aber auch – repräsentieren. Und alle vier Rollen, meine Damen und Herren, haben mir Freude gemacht, und alle sind für unsere Demokratie wichtig.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Eine Lehre daraus, meine Damen und Herren: Man begegnet sich im Leben immer mehrfach.

(Edgar Moron [SPD]: Sehr richtig!)

Wer heute regiert, findet sich morgen in der Opposition wieder,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

und umgekehrt. – Ich habe das zweimal mitgemacht und rate allen, nicht allzu sehr an die Ewigkeit der erworbenen Position und Bedeutung zu glauben.

In diesen 6.000 Tagen aktiver Landespolitik, meine Damen und Herren, habe ich viel erleben und mitgestalten dürfen. Ich bin beeindruckenden Persönlichkeiten begegnet. Eine will ich hervorheben, nämlich Johannes Rau, dessen Stellvertreter ich drei Jahre als stellvertretender Ministerpräsident sein durfte. Johannes Rau hatte nicht nur einen unverwechselbaren Humor. So sagte er mir noch wenige Tage vor der Landtagswahl 1995, er hätte lieber ein Haus im Grünen als einen Grünen im Haus.

(Allgemeine Heiterkeit)

Dann hatte er aber nicht nur einen Grünen, sondern ein ganzes grünes Ufo im Haus der Bonner Landesvertretung Nordrhein-Westfalens.

(Ralf Witzel [FDP]: Wie schrecklich!)

Für ihn kamen wir anfangs wirklich von einem anderen Stern.

Er hat mir und uns allen viele Lebensweisheiten mit auf den Weg gegeben, so zum Beispiel diese – Frau Thoben, Sie kennen das –: Als Minister solle man tunlichst darauf achten, stets eine ungerade Zahl von Urkunden im Schrank zu haben. Bei jeder Wahl und jedem Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten erhält man zunächst eine Entlassungs- und dann – wenn man Glück hat – eine Ernennungsurkunde. Bis zur letzten Landtagswahl hatte ich sieben solcher Urkunden; seit Juni 2005 sind es acht. „Dä!“, würde der Rheinländer dazu sagen: Johannes Rau hatte wieder mal Recht.

Gab es einen roten Faden in meiner landespolitischen Tätigkeit? Sicherlich einen rot-grünen. Aber ich habe von Anfang an auch mit den Schwarzen gut zusammengearbeitet. Mit Helmut Linssen zum

Beispiel habe ich schon regelmäßig gegessen – übrigens gut gegessen –, als Schwarz-Grün allenfalls mit Borussia Mönchengladbach in Verbindung gebracht wurde und nicht wie das Ungeheuer von Loch Ness aus jedem Sommerloch auftauchte. Und selbst mit der FDP gab es bei allem politischen Konkurrenzkampf auch immer wieder Gemeinsamkeiten und freundschaftliche Beziehungen.

In der Sache ist der rote Faden meiner Tätigkeit das Ständehaus. Schon als Junge kam ich auf dem Schulweg jeden Morgen daran vorbei. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich an seinen Toren gerüttelt hätte, aber rein wollte ich in den Landtag schon damals, vielleicht auch deshalb, weil mein Vater Herbert Vesper lange Zeit diesen Wunsch verspürte, aber das in seiner eigenen Partei – ich will jetzt nicht sagen, welche das war –

(Allgemeine Heiterkeit)

nicht hinbekam. Er hat irgendwie nicht den Dreh bekommen. Als ich dann wirklich in den Landtag kam, war dieser gerade aus dem Ständehaus ausgezogen. Das Haus stand leer, verfiel.

Als junger Oppositionsabgeordneter wehrte ich mich mit vielen anderen dagegen, daraus eine Spielbank oder ein Hotel zu machen. Als Bauminister wurde ich dann plötzlich zuständig für den Umbau, um schließlich als Kulturminister einer der drei Hausherren dieses Gebäudes zu werden, das wie kein anderes die Geschichte unseres Landes symbolisiert.

Aber, meine Damen und Herren, auch anderes bleibt in der Erinnerung lebendig, zum Beispiel die Initiative „Stadtbaukultur“ und die RuhrTriennale, zwei Initiativen, die die Landesregierung weiterführt. Als künftiger Sportfunktionär weise ich natürlich auch auf die Olympiabewerbung von Düsseldorf/Rhein-Ruhr hin, die das ganze Land begeisterte und die Bewerberregion bis heute zusammenschweißt.

Im Rückblick verklärt man manches. Da gab es natürlich auch die eine oder andere Krise. Ich erinnere mich an Zeiten, als ich Wolfgang Clement morgens anrief und er ins Telefon bellte: „Haben wir eine Krise?“ Manchmal lautete die Antwort in der Tat Ja – als es etwa um Garzweiler II ging, den damals berühmtesten Braunkohlentagebau der Welt, um wasserrechtliche Erlaubnisse, um die 6. Durchführungsverordnung zum Landesplanungsgesetz, einen Sitz im Verwaltungsrat der WestLB und Ähnliches mehr.

Übrigens erlebe ich mit Vergnügen ähnliche Rituale mit allerdings verschiedenen Temperamenten auch in der neuen Koalition. Ich kenne ja all die Interpretationen und Girlanden, und ich weiß, was hinter Begriffen wie „offene Aussprache“ und ähnlichen Freundlichkeiten in Wahrheit steckt.

(Heiterkeit und Beifall von GRÜNEN und SPD)

Ich bin ziemlich sicher, meine Damen und Herren, dass ich mich in den kommenden Jahren als eifriger Zeitungsleser noch auf manch schöne Szenen einer Ehe in Düsseldorf freuen kann.

Ich habe dem Landtag sehr gerne angehört. Es fällt mir schwer, ihn zu verlassen, und das auch noch freiwillig. Aber ich freue mich auch auf den Seitenwechsel, den ich jetzt vollziehe. Ich finde, dass ein solcher Seitenwechsel nichts Außergewöhnliches sein sollte. Der Wechsel von der Politik in gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche und umgekehrt kann für beide Seiten fruchtbar sein. Lassen Sie uns ihn stärker zur Normalität machen – womit ich allerdings keineswegs androhen möchte, Sie nach fünf Jahren hier wieder zu beglücken.

(Allgemeine Heiterkeit)

Ich freue mich auf die Aufgabe im Sport. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Sportausschuss des Landtages, auch mit meinem Nachfolger Herrn Innen- und Sportminister Wolf und der gesamten Landesregierung.

Wie der Zufall es will: Am 16. Oktober tagt das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes hier im Hause, und wir machen unseren Antrittsbesuch beim Ministerpräsidenten.

„Niemals geht man so ganz“ singt Trude Herr. Einerseits gehe ich ganz und sage der Landespolitik als aktiv Gestaltender Adieu. Andererseits bleibt auch ein Stück von mir hier. Ich werde die Zeit in und mit dem Landtag nie vergessen – mehr noch: sie ist ein Teil von mir. – In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Lang anhaltender lebhafter allgemeiner Bei- fall – Die Abgeordneten aller Fraktionen er- heben sich von ihren Plätzen. Vizepräsident Dr. Michael Vesper werden Blumensträuße überreicht.)

Lieber Herr Kollege Dr. Vesper …

(Ralf Jäger [SPD]: Er hat die Redezeit über- zogen! – Gegenruf: Vier Minuten!)

Die Redezeit ist etwas überschritten worden. Aber in Anbetracht der doch außergewöhnlichen Situation glaube ich, im Einvernehmen mit allen Kolleginnen und Kollegen des Hauses gehandelt zu haben, das an dieser Stelle entsprechend großzügig zu handhaben.

Herr Kollege Dr. Vesper, ich wünsche Ihnen – sicherlich wird das gleich auch noch einmal ganz ausdrücklich von der Präsidentin gesagt – von meiner Seite aus und, wie ich glaube, auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Hauses für Ihre neue Aufgabe von Herzen alles Gute, viel Glück und Erfolg und dass alles so in Erfüllung geht, wie Sie es sich wünschen.

(Allgemeiner Beifall)

Zunächst geht jetzt aber in Erfüllung, was sich der Kollege Müller für die Fraktion der CDU wünscht. Er hat das Wort.

Frau Präsidentin! Zunächst wünsche ich mir, dass ich noch länger hier bleiben darf.

(Allgemeine Heiterkeit)

Seit Stunden prasselt auf mich herab, man solle nicht so streng sein.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Dr. Vesper, ich werde mir Mühe geben. Da Sie ja auch nicht so viel zu dem Antrag gesagt haben,

(Allgemeine Heiterkeit)

wird das auch bei mir nicht überhand nehmen.

(Allgemeiner Beifall)

Ich habe den Antrag aber mehrfach durchgelesen

(Allgemeine Heiterkeit)

man weiß ja nie, was passiert –, und mir ist klar geworden: Die Überschrift muss ganz, ganz anders heißen, nämlich: Lobet den Meister!

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Und dann die Schlichtheit dieses Antrags –