Wir als SPD-Fraktion führen bereits seit drei Jahren erfolgreich Veranstaltungen zum Girls’ Day durch. Circa 400 bis 500 Mädchen kommen zu uns in den Landtag und können 15 bis 20 Berufe kennenlernen. Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Ich weiß, dass wir auch im Landtag Nordrhein-Westfalen damit nicht allein sind. Aber jede junge Frau, die am Girls’ Day in ein Unternehmen geht, um dort einen Arbeitstag zu erleben, muss erst einmal grundsätzliches Interesse für diesen Beruf haben. Sonst läuft gar nichts. Da gilt es anzusetzen. Genau das haben wir mit unseren Veranstaltungen getan. Wir bringen die Berufe zu den Mädchen, damit diese im Anschluss zu den Berufen gehen können.
Mädchen und junge Frauen machen hochwertige und gute Schulabschlüsse – das ist von jedem hier schon festgestellt worden – und sind auch an Berufsbildern interessiert, die jenseits der Klischees von typischen Frauenberufen liegen. Aber dieser sehr positive Trend hat sich noch nicht nennenswert auf die Berufswahl ausgewirkt. Mehr als die Hälfte junger Frauen, die eine betriebliche Berufsausbildung aufnehmen, sind in nur zehn von insgesamt 400 Ausbildungsberufen anzutreffen.
Das Berufsspektrum junger Migrantinnen ist noch eingeschränkter. Über die Hälfte dieser Frauen ergreifen nur vier von 400 Ausbildungsberufen.
Es zeigt sich aber auch, dass die Aufstiegschancen von Frauen, selbst wenn sie eine vergleichbare Ausbildung wie Männer absolviert haben, im weiteren Berufsverlauf deutlich geringer sind. Das mag zum einen an tradierten Rollenvorstellungen der überwiegend männlichen Vorgesetzten liegen, aber auch an fehlenden Frauenförderplänen und Personalentwicklungsmodellen in kleinen und mittleren Unternehmen.
Typisch für die Entwicklung ist die unterschiedliche Aufgabenzuweisung in diesem Berufsbild zwischen Männern und Frauen. Im Beruf Industriekaufleute werden Frauen überwiegend administrative und schreibtechnische Aufgaben, den Männern dagegen Sachbearbeitungsaufgaben übertragen. Diese Rollenzuweisung und die mangelnde Aufstiegsförderung zeigen sich gravierend beim Vergleich der Gehälter. So beträgt beispielsweise die Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen bei Industriekaufleuten bereits nach vier Jahren Beschäftigung mehr als 30 %.
Viele Unternehmen haben bereits erkannt, wie wertvoll die Ausbildung und Beschäftigung von Frauen für den Betriebserfolg sind. Die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen muss sich aber noch stärker als Bestandteil einer neuen Unternehmensstruktur durchsetzen. Es fehlt vielfach noch an positiven Signalen, an positiven weiblichen Vorbildern sowie an einer konkreten Frauenförderung und an Aufstiegsmodellen.
Es ist gut und richtig, dass die Evaluationsstudie zum Girls’ Day feststellt: Durch den Girls’ Day interessieren sich mehr Mädchen und junge Frauen für technische Berufe.
Im Lande wird der Girls’ Day vielfältig organisiert. In meiner Stadt, in Dortmund, wird zum Beispiel zurzeit am runden Tisch der Girls’ Day 2007 vorbereitet – wie fast überall im Land. Zum runden Tisch gehören die Agentur für Arbeit, der DGB, die Deutsche Telekom, die Fachhochschule. Sie bieten zum Girls’ Day eigene große Veranstaltungen in zukunftsweisenden Berufen und Studiengängen an.
Der DGB sensibilisiert Betriebs- und Personalrätinnen für den Girls’ Day, zum Beispiel, dass Eltern ihre Töchter an diesem Tag in den Betrieb mitbringen dürfen.
Unternehmen, die die Mädchen an diesem Tag einladen wollen, melden ihre Angebote direkt an die Regionalstelle, die sie an nachfragende Dortmunder Schulen, interessierte Mädchen oder Eltern weitergibt. In der Regionalstelle Frau und Beruf laufen die Fäden zusammen und die Telefone heiß: Unternehmen melden noch freie Plätze, Mädchen nennen ihre Wünsche. Sie möchten ihren Girls’ Day in einer Tischlerei, in einer Schlosserei, in einem Physiklabor, in einem IT-Betrieb verbringen. Meistens erhalten sie einen Platz nach ihren Wünschen.
In den letzten Jahren hat sich die Zahl der teilnehmenden Mädchen und anbietenden Betriebe kontinuierlich erhöht. Spätestens jetzt wird deutlich, wer den Girls’ Day in Nordrhein-Westfalen zum Erfolgshit macht, wer ihn koordiniert und organisiert: die Regionalstellen Frau und Beruf. Nur: Die wird es demnächst nicht mehr geben. Ich bin gespannt, wie die Landesregierung von Düsseldorf aus die Koordinierungs- und Organisations
aufgaben erfüllen wird, wie sie Partnerinnen und Partner kleiner und mittlerer Unternehmen vor Ort gewinnen und einzelne Mädchen und junge Frauen passgenau vermitteln will. Daher freue ich mich sehr auf die Beratung im Ausschuss. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Kieninger. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kollegin Barbara Steffens das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben als grüne Landtagsfraktion vor vielen Jahren sehr früh den ersten Girls’ Day hier bestritten und haben auch als Partei – ich habe eben überlegt, seit wie vielen Jahren – mittlerweile wohl seit zwölf Jahren ein eigenes Mentoringprojekt im Bund und seit 14 Jahren ein Mentoringprojekt in NordrheinWestfalen. Deshalb begrüße ich es, dass das Thema von der jetzigen Regierungskoalition aufgegriffen wird. In der Bewertung und Einschätzung der Situation, dass wir nach wie vor ein Problem haben, weil das Berufswahlspektrum von Mädchen so gering ist, gibt es eine breite Übereinstimmung.
Wenn ich mir den Antrag im Detail anschaue, dann stelle ich fest, dass die Überschrift das, was sie verspricht, überhaupt nicht hält, nämlich Konsequenzen aus der Studie zum Girl’s Day zu ziehen. Mir fehlt also, dass Konsequenzen gezogen werden.
Sie beschreiben die Scheu der jungen Mädchen, warum sie sich nicht für Naturwissenschaften entscheiden, aber die Frage nach den Ursachen, warum das denn so ist, beleuchten Sie nicht. Sie gehen beispielsweise nicht darauf ein, dass das zum Beispiel etwas mit der Struktur der Berufe zu tun hat.
Es gab für den IT-Bereich eine Analyse, in der festgestellt wurde, dass die hoch flexibilisierten Arbeitszeiten, mit denen es Frauen mit einer ITAusbildung hinterher im Berufsleben zu tun haben, nicht der Lebensplanung von Frauen entsprechen. In anderen Bereichen gibt es Frauen sehr konträr gegenüberstehende Strukturen. Auch hier muss es zu Änderungen kommen, damit Berufsbilder attraktiv und mit anderen Lebensperspektiven und Vorstellungen vereinbar werden. Das kommt in Ihrem Antrag gar nicht vor.
kundlich-technische Früherziehung in Kindertagesstätten und Grundschulen zu verbessern ist. Das begrüßen sicherlich alle. Natürlich macht es Sinn, dieses geschlechterübergreifend zu optimieren, aber auch hier müssen wir schon im Kindergarten anfangen und es geschlechterdifferenziert aufbereiten.
Zu den Forderungen im Schulbereich. Das Problem, das wir nach wie vor haben, ist, dass Schule und Schulbücher die tradierten Rollenzuweisungen immer wieder festschreiben. Schauen Sie sich einmal Schulbücher an. Wir finden immer noch die Situation vor, dass gerade in den naturwissenschaftlichen Bereichen Frauen klassische Rollen zugeschrieben werden. Das sind Sachen, die aufgebrochen werden müssen, aber in Ihrem Antrag überhaupt nicht vorkommen.
Ich gehe darauf ein, wie Sie sich das mit der Berufsberatung vorstellen. Sie, Frau Westerhorstmann, haben eben gesagt, die Regionalstellen Frau und Beruf hätten diesbezüglich nicht zum Erfolg beigetragen. Doch, die Regionalstellen haben zum Erfolg beigetragen. Die Situation beim Berufswahlverhalten von Mädchen wäre heute ein andere, wenn die Regionalstellen es nicht getan hätten.
Sie schlagen in Ihrem Antrag vor, wer diese Aufgabe in Zukunft wahrnehmen soll. Die Politikwissenschaftlerin Ostendorf von der FU Berlin hat gerade eine Analyse zur Berufsberatung der Bundesagentur für Arbeit vorgelegt, und sie kommt darin zu folgendem Schluss: Es muss eine grundlegende Revision geben, weil die BA in ihren Berufsberatungsverfahren, in ihren Materialien, in ihren Broschüren genau das festschreibt, was Sie in Ihrem Antrag nicht mehr wollen.
Also, den Bock zum Gärtner zu machen macht für uns hier keinen Sinn. Wir wollen vielmehr, dass es Perspektiven für die Mädchen gibt, und da brauchen wir etwas anderes als die BA an dieser Stelle. Wir brauchen Regionalstellen, wir brauchen Strukturen, die sich wirklich mit den Mädchen und ihrem Berufswahlverhalten auseinandersetzen.
Frau Steffens, Sie haben gerade gesagt, dass insbesondere in Schulbüchern ein sehr tradiertes Rollenverhalten vorzufinden ist. Ich kann mich nicht daran erin
nern, dass in Ihrer Regierungszeit in den letzten Legislaturperioden jemals ein Versuch unternommen worden wäre, das anzugehen.
Doch, das ist oft passiert. Es mag sein, dass das an Ihnen vorbeigegangen ist, da Sie in der letzten Legislaturperiode nicht im Landtag waren. Allerdings müssen Sie wissen, dass die Schulen auch in Ihrer Schulgesetzgebung ein großes Maß an Eigenbestimmung und eigener Kompetenz haben. Beispielsweise sind in der Grundschule, die mein Sohn besuchte, nicht nur Lehrbücher eingesetzt worden, sondern es sind diese kopierten Blätter von den Lehrkräften verteilt worden, und darauf hat man als Landesregierung überhaupt keinen Einfluss. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Ich könnte Ihnen die Mappen mit den Rollenbildern vorlegen, die mein Sohn in den Klassen 1 bis 4 vermittelt bekam. Das ist massiv, und darauf hat eine Landesregierung wenig Einfluss, weil man nicht jedes Blatt, das vor Ort verteilt wird, beeinflussen kann.
Da Sie wohl lieber Beispiele aus der praktischen Arbeit Ihrer Landesregierung hören möchten, werde ich einige bringen. Wir haben im letzten Jahr von Herrn Laumann, der heute leider nicht anwesend ist, das „Werkstattjahr“ als ein neues Konzept gerade für die Mädchen und die Jugendlichen, die schulmüde sind und den Berufseinstieg finden sollen, vorgelegt bekommen.
Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern, aber ich habe im Ausschuss nachgefragt, wie das mit dem Berufswahlverhalten von Mädchen ist. Denn wir wollen Mädchen mit dem Werkstattjahr den Einstieg in eine Berufsausbildung ermöglichen. Da kam die Antwort: Ja, wir haben da etwas Spezielles für Mädchen. Schauen Sie sich einmal das Faltblatt an. – Das spricht Mädchen überhaupt nicht an. Da ist zwar ein Mädchen auf dem Foto, wie mir gesagt wurde, aber das ist auch schon alles.
Dann habe ich gefragt, welche Berufsbilder das sind und ob das wirklich andere Berufsbilder sind. Da wurde mir gesagt: Nein. Wissen Sie, wir sind froh, wenn wir das jetzt mit den klassischen für Mädchen und von Mädchen auszuwählenden Berufen versuchen. Denn diese sind ja nicht für etwas anderes ansprechbar.
Ich sage Ihnen: Wenn das die Haltung und der Stil der Landesregierung ist, dann weiß ich, wo es mit den Konsequenzen aus Ihrem Girl’s Day hingeht, nämlich genau in die falsche Richtung. Wir müssen die Mädchen mit den Sachen abholen, die für
sie spannend sind. Das sind die neuen Berufe. Das sind die Berufe, die sie beim Girl’s Day vorfinden. Es wäre schön, wenn Sie dies in die praktische Politik quer durch die Landesregierung einziehen würden.
Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als nächster Redner hat nun Herr Minister Laschet für die Landesregierung das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hat der Bundespräsident seine Berliner Rede dem Thema Bildung gewidmet und die Tradition seines Vorvorgängers Roman Herzog fortgesetzt, der in diesen Berliner Reden grundsätzlich substanzielle Fragen der Politik des Landes in den Blick genommen hat. Ich zitiere einmal aus dieser Rede. Er hat gesagt: „Bildungschancen sind Lebenschancen. Sie dürfen nicht von der Herkunft abhängen.“ Ich denke, das gilt für die Politik generell. Das gilt aber insbesondere auch für die Frage, ob die eigenen Chancen davon abhängen, ob man als Mädchen oder als Junge geboren wird.
Ich denke, genau das ist der Punkt, wo der Antrag der Regierungsfraktionen ansetzt. Denn er berührt ein bekanntes Problem, nämlich die viel zu geringe Beteiligung von Mädchen und Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Berufen. Die Zahlen sind bis heute immer noch alarmierend: in den Fertigungsberufen 8 %, im Handwerk 22 %, Maschinenbau 13 % und in der Informatik 17 %.
Das Thema ist bekannt und zugleich brandaktuell, und es müsste die Gesellschaft eigentlich viel mehr aufrütteln, dass heute bereits 15.000 Ingenieure und Ingenieurinnen fehlen – wie uns die Wirtschaft sagt – und dass es uns trotzdem nicht gelingt, Männer und Frauen gleichermaßen für solche Berufe zu qualifizieren.
Schaut man – was manchmal ganz hilfreich ist – nach Europa, stellt man fest, dass der Frauenanteil in ingenieurwissenschaftlichen Berufen im EUDurchschnitt mit 22 % doppelt so hoch liegt wie in der Bundesrepublik Deutschland. Auch da haben wir einen großen Nachholbedarf.
Einige Rednerinnen haben darauf verwiesen, dass junge Frauen häufig überdurchschnittlich gute Schul- und Hochschulabschlüsse vorweisen, aber ihre geringe Beteiligung in technischen Berufsfeldern nicht an ihrer mangelnden Qualifikati
on liegt. Es muss also offensichtlich andere Barrieren geben. Eine Befragung beim Girls’ Day 2005 hat ergeben, dass Mädchen und junge Frauen sich dann stärker für technische, naturwissenschaftliche, informationstechnische oder handwerkliche Berufe interessieren, wenn sie frühzeitig mit diesen Berufen in Kontakt kommen. Deshalb begrüßt die Landesregierung den Antrag und die Aufforderung, Mädchen fit zu machen für die Zukunft.
Wir fördern als Landesregierung bereits heute die Berufswahlorientierung, und zwar auf allen Stufen des Bildungssystems. Das beginnt bereits mit der frühen Förderung im Kindergarten. Mit einem neu geplanten Gesetz zur Förderung von Kindern soll der Bildungs- und Erziehungsauftrag präzisiert und diese Thematik mit hineingenommen werden. Die offene Ganztagsgrundschule bietet neue Möglichkeiten zur speziellen Förderung von Mädchen und Jungen. Viele weiterführende Schulen haben bereits Module entwickelt, um gerade Schülerinnen für technische und naturwissenschaftliche Berufe zu sensibilisieren.
Vielfach ist der Girls’ Day fest in schulische Konzepte zur Berufswahlorientierung eingebunden. Die Landesregierung hat deshalb die Schulen zur Teilnahme am Girls’ Day aufgefordert und dafür auch den rechtlichen Rahmen geschaffen. Girls’ Day 2006 – das waren 25.000 Mädchen in rund 1.400 Veranstaltungen. Das ist eine große Leistung, die die Lehrerinnen und Lehrer und die Schulen vollbringen. Deshalb ist es nicht ganz fair gegenüber den vielen, die sich in den Schulen darum gekümmert haben, jetzt so zu tun, als fänden Girls’ Days nur statt, weil es die Regionalstelle Frau und Beruf gibt.