Protocol of the Session on September 13, 2006

Ich habe mich gefreut, dass aus allen Fraktionen der Wunsch formuliert wurde, zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Deshalb wollen wir uns nach der erfolgten Überweisung möglichst schnell darüber verständigen und schon in der nächsten Schulausschusssitzung zu einer gemeinsamen Abstimmung kommen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Beer. – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Ratajczak das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet in seiner Ausgabe vom 19. Juni 2006 von einer Werbeeinladung für Lehrerinnen und Lehrer an hessischen Schulen. Unverfänglich wurde zur Eröffnung eines Nachhilfezentrums geladen. Bei Kaffee und Kuchen sollten sich die Pädagogen ein Bild von der Nachhilfeeinrichtung machen. Gleichzeitig wurden auf dem Schulhof Werbeblättchen verteilt mit dem Versprechen: Bei sofortiger Anmeldung gibt es zwei Gratisstunden.

Erst später stellte sich heraus, dass das Institut von Scientologen betrieben wird. Das hessische Beispiel ist leider kein Einzelfall. Inzwischen soll es in Deutschland mehr als 30 Einrichtungen geben – Frau Beer sagte es gerade –, die als Nachhilfeinstitute von Scientologen betrieben werden. Manche von ihnen bekennen sich ganz offen zu Scientology.

Bundesweit gibt es rund 4.000 private Nachhilfeinstitute, davon in Nordrhein-Westfalen 1.000, von denen weniger als zehn von Scientologen geführt werden. Hierzu gehören laut einem Artikel in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift „Profil“ des Deutschen Philologenverbandes das Zentrum für individuelles und effektives Lernen, die „Applied Scholastics“ und das „Ziel-Concept“.

Nur als Hintergrundinformation sei kurz erwähnt, dass Scientology in den USA bereits zu den großen Anbietern auf dem privaten Bildungsmarkt gehört.

Problematisch sind diese Nachhilfezentren deshalb, weil es in der Regel nicht bei normaler Lernhilfe bleibt. Zum einen werden sehr schnell Angebote für weitere Kurse unterbreitet, die die Kinder, aber auch deren Eltern an die Philosophie von

Scientologygründer Ron Hubbard heranführen sollen. Zum anderen werden während der gesamten Wissensvermittlung spezielle Lernmethoden von Scientology verwendet.

Uns allen muss bewusst sein, egal wie viele Hollywoodstars versuchen, die Öffentlichkeit von der Harmlosigkeit ihrer Organisation zu überzeugen, die Scientologyorganisation wird seit vielen Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet. Ziel der Organisation ist es, schleichend und flächendeckend die gesamte Gesellschaft – die Wirtschaft eingeschlossen – zu unterwandern.

Das Niederlassen von Scientology auf dem Bildungsmarkt ist nur ein kleiner, aber in den Augen von Scientology ein sehr vielversprechender Zweig des gesamten Apparats, für den Kinder und Jugendliche eine sehr wichtige Zielgruppe bilden.

Gerade in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft haben Kinder und Jugendliche in der prägenden Phase ihrer Persönlichkeitsentwicklung Anspruch auf den besonderen Schutz vor totalitären Einflüssen wie von Scientology. Dieser Schutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht nur von der Politik, sondern auch von den Eltern, Lehrern und Medien gestemmt werden muss. Aktivitäten der Scientologyorganisation, die außerhalb der Schule im Bereich der gesellschaftlichen Einflussnahme auf Erziehung und privaten Nachhilfeunterricht stattfinden, werden von der staatlichen Schulaufsicht nicht erfasst. Das ist auch nicht möglich. Sie unterstehen einzig dem Beobachtungsauftrag des Landesamts für Verfassungsschutz.

Hierbei ist Folgendes zu unterscheiden:

Erstens. Soweit es sich um Nachhilfeeinrichtungen handelt, die sich offen dazu bekennen, nach den Lehrmethoden von Science-Fiction-Autor und Gründer von Scientology Ron Hubbard zu arbeiten, liegt es ganz allein in der Verantwortung der Eltern, ob sie ihre Kinder anmelden und dorthin schicken oder nicht.

Zweitens. Ist die Scientologyverknüpfung eines Instituts indes nicht offengelegt, sondern die Einrichtung als normales Nachhilfezentrum getarnt, ist es problematisch. Hier sind wir gefragt, Lösungen und Möglichkeiten zu finden, um unsere Kinder zu schützen.

Es ist unser Ziel, über die Parteigrenzen hinweg – darüber sind wir uns wohl alle einig – alle Anstrengungen zu unternehmen, um alle Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher und weiteren Berufsgruppen, die mit Bildungsprozessen von Kindern und Jugendlichen befasst sind,

umfassend über die Aktivitäten von Scientology zu informieren.

Wir müssen Eltern so weit sensibilisieren und auch informieren, dass sie sich über die Anbieter von privatem Nachhilfeunterricht für ihre Kinder vorher sehr gut informieren.

Wir sind aber auch gehalten, die Kinder selbst aufzuklären und das Thema Scientology im Unterricht zu behandeln. Dafür müssen wir den Lehrern entsprechende Hilfen für die Unterrichtsgestaltung an die Hand geben. Schülerinnen und Schüler müssen hier einbezogen werden. Ich denke, das ist auch selbstverständlich.

Denkbar ist zudem auch, dem bayerischen Ansatz zu folgen, indem man ein Verfahren entwickelt, bei dem die im Bereich der schulischen Nachhilfe tätigen Einrichtungen und Personen auf freiwilliger Basis eine Art Schutzerklärung abgeben können, dass sie nicht in Verbindung mit Scientology stehen und keine entsprechenden Lehrmethoden anbieten. Durch dieses Gütesiegel würde das nötige Vertrauen geschaffen, damit Eltern ihre Kinder mit ruhigem Gewissen in ein privates Nachhilfeinstitut schicken können.

Es muss das Ziel sein, einen für alle akzeptablen und finanzierbaren Weg zu finden. Ich denke, das ist wichtig, Frau Beer: Es muss wirklich für alle akzeptabel sein, fraktionsübergreifend den Schutz der Kinder zu gewährleisten; denn das wollen wir alle.

Darüber hinaus bin ich felsenfest davon überzeugt, dass es durch das neue Schulgesetz, insbesondere durch die Verankerung der individuellen Förderung im Gesetz, gelingt, dass immer weniger Schüler auf externe Nachhilfeangebote angewiesen sein werden.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Nichtsdestotrotz freue ich mich auf die weiteren Vorschläge und eine lebhafte Diskussion im Ausschuss und sage herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ratajczak. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Stotz das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Antrag der

Grünen wird ein Thema aufgegriffen, das im Verlauf des Sommers an der einen oder anderen Stelle in den Medien bereits behandelt wurde.

Dem Antrag ging eine Kleine Anfrage der Grünen voraus. Während die Grünen in ihrer Kleinen Anfrage davon ausgehen, dass sich auch in Nordrhein-Westfalen Nachhilfeinstitute ausbreiten, die der Scientology nahe stehen, stellt die Landesregierung in ihrer Antwort fest, dass eine im Mai dieses Jahres erfolge Abfrage durch das Informations- und Beratungsnetzwerk NRW keine Hinweise auf eine verstärkte Ausbreitung der scientologischen Nachhilfeinstitute zulässt.

Auf meine Anfrage bei der Leiterin des Institutes „Sekteninfo“ in Essen wurde mir bestätigt, dass die Situation in Nordrhein-Westfalen sicherlich nicht als bedrohlich anzusehen sei. Es sei zurzeit kein Anstieg von scientologischen Instituten zu verzeichnen, was sich insoweit mit der Antwort auf die Kleine Anfrage durch die Landesregierung deckt.

Allerdings wurde mir von der Sektenstelle in Essen auch gesagt, dass die scientologischen Nachhilfeinstitute heute anders als früher verstärkt verdeckt arbeiten, und zwar in dem Sinne, dass es für die Eltern meist kaum erkennbar ist, wenn sie mit ihrem Kind an ein solches Institut geraten sind. Das ist das eigentliche Problem, um das es geht.

Angesichts der Brisanz, die dieses Thema gerade für den Bildungsbereich beinhaltet, begrüßen wir deshalb den Antrag der Grünen und halten es auch für sinnvoll, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um Eltern besser als bisher über die Gefahren und die perfiden Methoden der Scientologen aufzuklären. Denn nicht zuletzt durch die aktuelle Berichterstattung sind die Eltern sehr verunsichert, sodass die geforderten Maßnahmen sicherlich sehr sinnvoll sind.

Andererseits geht uns der Antrag nicht weit genug. Deshalb freuen wir uns, dass über ihn nicht, wie zunächst vorgesehen, heute direkt abgestimmt wird, sondern dass er in den Fachausschuss überwiesen wird und somit Gelegenheit besteht, dieses Thema tiefer gehend zu bearbeiten.

Das Thema ist gerade auch deshalb ernst zu nehmen, weil hier mit lernschwachen Kindern und Jugendlichen eine Gruppe besonders leicht zu beeinflussender junger Menschen über die Nachhilfe angesprochen wird.

Wir sind uns sicher alle einig, dass jedwede Einflussnahme von dubiosen Instituten und Organisa

tionen oder scheinreligiösen Vereinen, die zweifelhafte Weltanschauungen vertreten und diese an junge Menschen herantragen, mit allen Mitteln, die der Rechtsstaat bietet, bekämpft werden muss.

Mich würde in diesem Zusammenhang auch interessieren, inwieweit das Schulministerium in Fragen der Scientology überhaupt mit dem Innenminister koordiniert zusammenarbeitet. Presseberichten zufolge – das haben wir gerade schon von Frau Beer gehört – hat das Innenministerium sehr gelassen auf Medienanfragen reagiert. Ich möchte einmal zitieren:

„Die Bestrebungen sind uns bekannt. Wir sehen aber keinen Grund, einzuschreiten und etwa unsere nachrichtendienstlichen Mittel zu verschärfen,“

wird eine Sprecherin des Innenministeriums am 27. Juli in der „Welt“ zitiert. Für das Verschärfen der Beobachtung durch Verfassungsschützer fehle den Scientology-Aktivitäten die politische Komponente. – So die Auffassung im Innenministerium.

In Bayern sieht man das ganz anders. Innenminister Beckstein hat in der „Münchner Abendzeitung“ am 8. August 2006 der Scientology Gehirnwäsche vorgeworfen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Mir geht es nicht um Panikmache, sondern unabhängig von einer Ausbreitung der Scientology einzig um die Klärung der Frage, ob wir in Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle aufmerksamer sein müssen als bisher, ob die vorhandenen Instrumente ausreichen oder ob es weiterer Anstrengungen bedarf.

Ebenfalls unabhängig davon, ob es in NordrheinWestfalen verstärkte Aktivitäten der Scientology auf diesem Feld gibt, stellt sich schließlich auch die Frage der Qualität der Nachhilfeinstitute generell. Mehr als 4.000 Institute bundesweit tummeln sich auf dem Nachhilfemarkt. Jeder vierte Schüler in Deutschland hat laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung schon einmal Nachhilfe erhalten. Das ist Grund genug, wie wir meinen, den Nachhilfemarkt einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und die Institute auf Qualität und Effektivität ihrer pädagogischen Arbeit hin zu überprüfen.

Bislang jedenfalls gibt es weder ein Gütesiegel noch bestimmte Richtlinien, nach denen die Nachhilfeinstitute arbeiten müssten und an denen sich auch die Eltern orientieren könnten. Auf den Punkt gebracht: Es existiert keine nachvollziehbare Qualitätskontrolle.

Die Haltung der Landesregierung, bei den Nachhilfeinstituten handele es sich generell um Angebote privatwirtschaftlicher Natur und somit lägen sie außerhalb der Reichweite des Ministeriums, können wir überhaupt nicht nachvollziehen. Darin sind wir uns einig mit den Grünen. Unabhängig von Scientology sehen wir hier generell Handlungsbedarf für das Ministerium. Diesen Handlungsbedarf werden wir in den Beratungen im Fachausschuss näher konkretisieren.

Der Überweisung stimmen wir natürlich zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Stotz. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Pieper-von Heiden das Wort.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Beer, Frauen wird generell ja nachgesagt, dass sie über bessere intuitive Kräfte verfügen als Männer.

(Widerspruch bei männlichen Abgeordneten)

Kompliment, Frau Beer, mit Ihrem Antrag liefern Sie uns keinen schlechten Beweis dafür, denn Ihre gefühlte Bedrohung durch Scientology wurde nun richtig schnell Realität in Ihrer eigenen politischen Familie. Ja, manchmal grasen die schwarzen Schafe auch im eigenen Garten. Und noch etwas: Die „taz“ berichtet, dass SPD, CDU und auch die FDP auf Bundesebene einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit Scientology haben. Aber bei den Grünen gibt es dergleichen nicht, soweit ich informiert bin.