Protocol of the Session on August 30, 2006

Dass derartige Vorhaben nicht übers Knie gebrochen werden sollten und deshalb auch ihre Zeit brauchen, hat das Bundesverfassungsgericht mit der Bemessung der Übergangsfrist bis Ende 2007 anerkannt. Eine zusätzliche Aufforderung des Landtags an die Landesregierung ist insoweit nicht nötig. An der Umsetzung der MPKBeschlüsse wird bereits mit Konzentration und Nachdruck gearbeitet.

Wir, die CDU-Fraktion, gehen davon aus, dass der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zügig umgesetzt wird. Dazu bedarf es nicht des Antrags der SPD, der insoweit eine Selbstverständlichkeit beinhaltet und deshalb von uns abgelehnt wird. Es macht keinen Sinn, Beschlüsse des Landtags über Selbstverständlichkeiten zu fassen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Warum denn nicht? Es ist doch gut, wenn wir den Minis- terpräsidenten unterstützen! – Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, Herr Jäger.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Dr. Vesper das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute bräuchte ich eine Zweitstimme.

(Dr. Michael Vesper [GRÜNE] klingt stark er- kältet.)

Wir sollten wirklich über die Einführung des Zweitstimmenwahlrechts in Nordrhein-Westfalen nachdenken. Ich hoffe, meine Stimme trägt mich durch diese Debatte.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Aber klar! – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Deine Stimme klingt sexy, Michael!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wendung, die die Rede von Herrn Schmitz am Ende genommen hat, hat mich doch sehr überrascht. 90 % seiner Rede hat er damit zugebracht, die Richtigkeit des Antrags zu belegen und zu unterstreichen. Und dann sagt er am Ende: Aber wir

stimmen diesem Antrag nicht zu. – Ich darf Sie, lieber Herr Schmitz, an frühere Zeiten erinnern, in denen Sie ein solches Verhalten massiv gegeißelt hätten. Jetzt muss es Ihnen doch eigentlich peinlich sein, hier eine solche Vorstellung abzuliefern.

(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: Ihnen sollte es peinlich sein, solche Anträge zu stellen!)

Meine Damen und Herren, wir werden dem Antrag zustimmen, auch wenn ich nicht verhehlen kann und will, dass er ein bisschen kurz greift. Er protokolliert auf anderthalb Seiten die Ministerpräsidentenkonferenz. Ich weiß nicht, Herr Jäger, ob Sie anwesend waren und mitgepinnt haben oder ob Sie das irgendwo abgeschrieben haben. Um ein Protokoll der Ministerpräsidentenkonferenz hier noch einmal wiederzugeben, brauchen wir eigentlich keine Beschlüsse zu fassen.

Dann kommt der Satz, dass wir deren Ergebnisse begrüßen und unterstützen. Ich erinnere an unsere Debatte über die Frage der Fortführung des Monopols im April. Damals ist relativ unklar geblieben, wie sich der Innenminister zu dieser Frage stellt. Wir wissen alle, meine Damen und Herren, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht so leicht umzusetzen ist, wie sich das manche vorstellen. Das ist eine außerordentlich differenzierte Angelegenheit.

Es wäre schön, wenn wir hier eine sehr heile Welt hätten. Aber so heil ist die Welt, in der wir leben, im Lotteriebereich nicht. Deswegen sage ich: Der Antrag schadet nichts; was drinsteht, ist auch nicht falsch. Aber letztlich nützt er auch nichts bei den Arbeiten der kommenden Monate zur Zukunft des Lotteriewesens. Wir haben nämlich eine Beschäftigung Europas mit dem deutschen Wettmonopol vor der Brust. Wir werden eine europäische Stellungnahme bekommen. Es gibt eine ganze Reihe von anhängigen Gerichtsverfahren, die bisher zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben.

Ich will auch noch einmal deutlich machen, meine Damen und Herren, dass es ohne den Sport keine Sportwetten gäbe. Deshalb hat der Sport natürlich einen Anspruch darauf, an den Einnahmen zu partizipieren.

Ich finde es problematisch, wenn in der Öffentlichkeit gelegentlich der Eindruck erweckt wird, es handele sich um „Abzocke des Staates“. Nein, es geht nicht um Abzocke. Es geht darum, dass ein Teil der Wetteinnahmen – jedenfalls der staatlichen Lotterien – für gute, für gemeinnützige Zwecke verwendet wird. Dadurch haben die privaten Wettanbieter einen Wettbewerbsvorteil, denn sie

haben diese Abgaben bislang nicht zu leisten. Das führt zu Ungleichgewichten, die so nicht hinnehmbar sind.

Deswegen ist die Fortführung des staatlichen Monopols – wenn sie denn auch europarechtlich durchsetzbar wäre – grundsätzlich ein richtiger Weg. Wir können diesem Antrag also zustimmen, wenngleich ich sicher bin, meine Damen und Herren, dass wir uns in diesem Hohen Hause weiterhin mit diesem Thema werden beschäftigen müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Vesper. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Kollege Rasche das Wort.

(Christof Rasche [FDP] trinkt versehentlich aus dem Wasserglas seines Vorredners. – Ralf Jäger [SPD]: In diesem Glas ist der grü- ne Virus! – Allgemeine Heiterkeit)

Dann muss ich das Manuskript völlig umdrehen, Herr Jäger. Ich nehme vorsichtshalber noch einmal einen neuen Schluck.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ist das die neue Form des Brüderschaftstrinkens?)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann ab und zu ruhig mit den Grünen anbändeln, das schadet nicht. Das habe ich gerade auch überlebt. Aber man darf das nicht ausufern lassen. Ich glaube, das wäre für uns Liberale sehr schädlich.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Keine Sorge!)

Herr Vesper, Sie haben gesagt, der Antrag der SPD schadet nicht, aber er nützt auch nicht. Ich habe das Gefühl, das war auch in der vergangenen Legislaturperiode und insgesamt in den vergangenen zehn Jahren der ganze Anspruch, den Sie an Ihren alten Koalitionspartner hatten: Die stellen Anträge und haben Ideen, die zwar nicht schaden, aber auch nichts nützen. – Wenn das Ihre Ansicht von vernünftiger Koalitionsarbeit oder auch heute von Oppositionsarbeit ist, Anträgen zuzustimmen, weil sie nicht schaden, ist das ein bisschen wenig und ein bisschen schwach. Anträgen stimmt man zu, weil man sie und ihre Ziele inhaltlich ebenso unterstützt. Das tun Sie in diesem Fall aber in keiner Weise. Trotzdem wollen Sie zustimmen.

Das Bundesverfassungsgericht, meine Damen und Herren, hat am 28. März dieses Jahres unter

anderem den Gesetzgeber aufgefordert, den Bereich der Sportwetten bis zum 31. Dezember 2007 neu zu regeln. Dieses Urteil und auch die Vorgehensweise des Gesetzgebers sind natürlich für den Sport und für die Sportförderung von großer Bedeutung. Will der Gesetzgeber an einem staatlichen Wettmonopol festhalten – Herr Vesper hat gerade gesagt, das ist europarechtlich vielleicht gar nicht so einfach –, muss er es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung von Wettleidenschaft ausrichten.

Meine Damen und Herren, Gesundheits-, Jugend- und Spielerschutz sowie die Suchtprävention haben für uns eine hohe Priorität. Deshalb hat das Innenministerium bereits im Frühjahr einen Erlass auf den Weg gebracht. Zudem hat Innen- und Sportminister Dr. Ingo Wolf in den vergangenen Wochen wiederholt zu diesem Thema und den entsprechenden Maßnahmen in den zuständigen Ausschüssen berichtet, zuletzt im Hauptausschuss in der vergangenen Woche. Ein Vollzugsdefizit, Herr Jäger, wie es die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag unterstellt, ist absolut nicht vorhanden. Der Antrag ist deswegen völlig überflüssig.

Meine Damen und Herren, ich vermisse im SPDAntrag jeglichen Ansatz, um das schwierige Spannungsfeld unterschiedlicher Ziele aufzulösen. Ist Suchtprävention nämlich unser oberstes Ziel, müssten wir jegliche Art von Glücksspiel umgehend verbieten. Toleriert der Staat allerdings Sportwetten oder ähnliche Wettangebote, so benötigt er für die Aufrechterhaltung seines staatlichen Monopols eine sehr gute Begründung, die zudem dauerhaft mit EU-Recht konform sein muss. Duldet der Staat die Sportwetten – in welcher Form auch immer –, so geht er letztendlich auch davon aus, dass die Bürger in der Lage sind, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob sie dieses Angebot annehmen werden. Der Staat hat automatisch ein Argumentationsproblem, wenn er die Einnahmen aus dem Glücksspiel mit Freude annimmt, im gleichen Atemzug seine eigene Veranstaltung aber als Teufelszeug deklariert, das folglich schon gar nicht in die Hände von privaten Veranstaltern gehört.

Wir dürfen in diesem Zusammenhang auch nicht die Entwicklungen ignorieren, die uns in den kommenden Jahren bevorstehen: Unabhängig vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht dem kaum zu kontrollierenden internationalen Online-Wettenmarkt nach Expertenmeinung ein kräftiges Wachstum bevor. In Deutschland ist der Umsatz um 35 % auf 3,3 Milliarden € gestiegen. Bis zum Jahr 2010 wird mit einer Verdreifachung des Marktes gerechnet. Experten sind sich einig,

dass eine restriktive nationale Gesetzgebung nicht zwangsläufig zu einer Kontrolle der Minimierung der Spielsucht führt, sondern sogar mit einer Abwanderung der Spieler in den ausländischen Graumarkt zu rechnen ist.

Die Landesregierung wird die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes an ein zukunftsweisendes und mit dem Urteil zu vereinbarenden System zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erfüllen.

Meine Damen und Herren, Herr Jäger, es tut mir leid: Der Antrag der SPD ist inhaltlich schwach, mit dem schwierigen Spannungsfeld – an der Stelle hat Herr Dr. Vesper Recht – befasst er sich überhaupt nicht, zudem ist er überflüssig, da kein Vollzugsdefizit besteht, wie es die SPD unterstellt. Deshalb wird die FDP-Fraktion diesen Antrag ablehnen. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion enthält zwei Elemente. Zum einen wird gefordert, gegen illegale Sportwettenanbieter vorzugehen, zum anderen sollen die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz begrüßt und umgesetzt werden. Beides vollzieht die Landesregierung bereits. Von daher braucht man überhaupt keine Phantasie, um sich vorzustellen, warum ein derartiger Antrag schlichtweg abzulehnen ist.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Zum Vollzug sind klare Worte gefunden worden. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass in der derzeitigen Form das in Bayern bestehende Monopol nicht haltbar ist und deswegen eine Neuregelung erforderlich ist. Für die Übergangszeit hat das Bundesverfassungsgericht den Ordnungsbehörden ausdrücklich keine Duldungsverpflichtung gegenüber nicht zugelassenen Wettveranstaltern aufgegeben. Vielmehr soll gegen diese ordnungsrechtlich vorgegangen werden. Die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist zur Neuregelung der politischen Rahmenbedingungen bezieht sich ausschließlich auf die Frage der zukünftigen Ausgestaltung der Sportwetten.

Diese Ausführungen betreffen auch die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen. Das Oberverwal

tungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat festgestellt, dass die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügungen der Glücksspielaufsichtsbehörden auch mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

Das Innenministerium hat einerseits mit Erlass vom 19. April 2006 den staatlichen Anbieter von Sportwetten, die Firma West-Lotto, angehalten, die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts zur Bekämpfung der Wettsucht und Begrenzung der Wettleidenschaft umzusetzen. Die Einhaltung dieser Auflagen wird fortlaufend überwacht. Andererseits wurden die Bezirksregierungen mit Erlass vom 31. März 2006 über die neue Rechtlage unterrichtet und dazu aufgefordert, die ausgesetzten Ordnungsverfügungen zügig zu vollstrecken.

Insofern gibt es vonseiten der Regierung überhaupt keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Verfügungen vollstreckt werden sollen.

(Unruhe)

Allerdings liegt die Zuständigkeit für die Umsetzung dieser ordnungsbehördlichen Verfügungen bei den Ordnungsbehörden, also den Städten. Völlig klar ist doch, dass in einem Rechtsstaat, in dem es Rechtsbehelfe gibt und am Ende die unabhängige Justiz entscheidet, auch unterschiedliche Ergebnisse herauskommen können. Genau das ist der Punkt.

Wir haben einige Fälle, in denen die Gerichte zugunsten der Betreiber entschieden haben. Diese Verfahren sind zum Teil noch anhängig. Deswegen ist es völlig klar, dass es im Land auch kein einheitliches Bild geben kann.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Remmel?

Von Herrn Remmel? – Ja.

Bitte, Herr Remmel.