Protocol of the Session on August 30, 2006

Warum? – Weil Ihre Schuldenpolitik gegen alle Grundwerte verstoßen hat, weil sie unmoralisch war und ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie haben die Freiheit in den Schuldenturm gesteckt. Sie haben Gerechtigkeit verletzt; denn die Zinsen werden von den Schwächeren an die Reichen gezahlt. Sie haben auch die Solidarität verletzt, weil Sie die Saat unserer Kinder zu großen Teilen verbraucht haben.

Ihre Finanzpolitik, die Finanzpolitik von Rot-Grün, war verfassungswidrig. Ich behaupte: Sie war auch gewissenlos. Sie war in den Jahren 2001 und 2002 verfassungswidrig. Das hat der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen in einem Urteil festgestellt. 2004/2005 war sie ebenfalls verfassungswidrig. Damals haben Sie sich unter Hinweis auf die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nur dünn retten können. Aber auch darüber hinaus – darauf komme ich noch – waren diese Haushalte verfassungswidrig.

(Gisela Walsken [SPD]: Wer hat das festge- stellt, Herr Kollege?)

Frau Kraft, wenn Sie die Chuzpe haben, hier unserem Finanzminister vorzuwerfen, er frisiere Bilanzen, dann sage ich Ihnen: Bilanzen frisiert – das haben die Herren Steinbrück und Dieckmann getan. Die müssten nach den Regeln ehrbarer Kaufleute dann im Knast sitzen beziehungsweise angeklagt werden.

(Beifall von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Vorsicht!)

Ich belege das. Sie haben in jedem Jahr seit 2000 wider besseres Wissen die Steuereinnahmen höher geschätzt, als sie tatsächlich eintraten. In jedem Jahr! Dieser Trick hat es Ihnen ermöglicht, die Ausgaben hoch zu halten und echter Konsolidierung zu entgehen. Sie hatten keine Kraft zur Konsolidierung. Insgesamt haben Sie sich über die letzte Legislaturperiode bei den Steuereinnahmen um 10 Milliarden € – in Anführungszeichen – verschätzt. Für diese 10 Milliarden € müssen jetzt alle Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen pro Jahr etwa 0,5 Milliarden € Zinsen- und Schuldendienst aufwenden. Dieses Geld steht uns für andere wichtige Zwecke nicht mehr zur Verfügung. Das ist Ihre Verantwortung.

(Beifall von CDU und FDP)

Ihre Verantwortung ist auch, dass absehbar ist, dass im Jahr 2010 der Schuldenstand des Landes – das ist in der mittelfristigen Finanzplanung, die jetzt vorgelegt wurde, nachzulesen – bei etwa 130 Milliarden € liegen wird,

(Thomas Stotko [SPD]: Das ist allein Ihre Verantwortung!)

und dies trotz sinkender Kreditfinanzierungsquote. Das ist das Resultat Ihrer gewissenlosen Selbstgefälligkeit in der Finanzpolitik.

Es ist schlicht unseriös, wenn Sie hier vortragen, dass lediglich der Anspruch erhoben werde, dass dieser Haushalt ein Sparhaushalt sei, und auf eine Steigerungsrate von 1,2 bis 1,3 % bei den Ausgaben verweisen. Dabei verschweigen Sie, dass in dem Haushalt des kommenden Jahres die Kreditierungen für die Kommunen von 674 Millionen € nicht mehr enthalten sind und dies einen Großteil des Anstieges beim Haushalt 2007 erklärt. Wollen Sie etwa den Kommunen das Geld wegnehmen? Dann könnten wir flacher fahren.

(Martin Börschel [SPD]: Wenn Sie eines können, dann den Kommunen das Geld aus der Tasche ziehen! Das ist doch das Prob- lem!)

Es ist schlicht unseriös, wenn Sie hier kritisieren, dass wir – was nicht stimmt; am Ende wird die Bilanz es zeigen – in diesem oder im kommenden Jahr nicht die große Zahl von Lehrerinnen und Lehrern zusätzlich einstellen, die eingestellt werden müssen, während Sie verschweigen, dass

Sie selbst noch 2.000 Stellen kw gestellt haben, die also abgebaut werden müssen.

(Hannelore Kraft [SPD]: Sie können die kw- Stellung doch auflösen, Herr Stahl!)

Sie kritisieren also, dass aus Ihrer Sicht – die nicht zutreffend ist – zu wenige zusätzliche Stellen geschaffen werden, obwohl Sie 2.000 Stellen streichen wollten. Das ist um Himmels willen doch nicht seriös!

(Beifall von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Sie können das doch verändern! – Rainer Schmeltzer [SPD]: Warum machen Sie hier Sprüche, anstatt das zu ändern?)

Es bleibt dabei: Ihre Schuldenpolitik war Zukunftsgift. Sie haben keinerlei moralisches Recht, Kritik zu üben und sich auf die Grundwerte zu berufen. Dieses Recht haben Sie verspielt. Seit 1973 gab es in keinem Jahr einen Haushalt, bei dem der Schuldenstand im Vergleich zum Vorjahr niedriger war.

Wir gehen jetzt mit harter Konsolidierung und Verpflichtung auf unsere Grundwerte daran, den Haushalt zu konsolidieren. Wenn es uns hoffentlich gelingt, in der kommenden Legislaturperiode erstmals wieder Schulden zurückzuzahlen, dann haben sich die Bayern mit einiger Wahrscheinlichkeit bereits entschuldet. Welch gigantischer Vorteil ist es, nicht mehr Zinsen- und Schuldendienste leisten zu müssen, sondern das Geld in die Hand nehmen zu können, um für die Zukunft, für Kinder, in Wissenschaft und Forschung sowie in Infrastruktur zu investieren! Das ist doch ein unglaublicher Vorteil.

(Beifall von CDU und FDP)

Deshalb – das ist der tiefe Grund – haben Helmut Linssen und die Landesregierung unsere volle Unterstützung dabei, alle zusätzlichen Einnahmen, die uns aus Steuererhöhungen zuwachsen, in die Reduzierung der Kreditaufnahme, in die Entschuldung unseres Landes zu stecken. Das ist das, worum es geht. Das ist das, was wir brauchen. Alles andere ist unseriös.

(Beifall von CDU und FDP)

Wichtig ist auch – das sprachen Sie am Schluss an; darauf komme ich gerne zurück –, dass wir mit unseren knappen Ressourcen sorgfältig umgehen. Das gilt für NRW, aber auch bundesweit. Ich erinnere daran, dass unser Bundesland zum Länderfinanzausgleich beiträgt. Aus diesem Grund haben wir ein Interesse daran, dass auch andere Bundesländer sorgfältig mit diesen knappen Ressourcen umgehen.

(Christian Lindner [FDP]: So ist es!)

Dann regt es einen natürlich ein Stück weit auf, wenn in Berlin jetzt mit dem Versprechen Wahlkampf gemacht wird, Kindergärten freizustellen, obwohl dieses Land gleichzeitig beim Bundesverfassungsgericht klagt, dass es von seinen Milliardenschulden entlastet werden will. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall von CDU und FDP)

Dass Herr Beck im Wahlkampf den Menschen in Rheinland-Pfalz verspricht, ihnen Wohltaten zu geben, ist, da Rheinland-Pfalz vom Länderfinanzausgleich profitiert, ebenfalls nicht seriös. Das möchten wir auch nicht mehr mitmachen. Wir brauchen Mechanismen, die so etwas verhindern.

Ein Mechanismus ist – ich sprach es in der vorletzten Woche an –, eine Hintertür zuzumauern, die uns immer neu in die Verschuldung bringt. Diese Hintertür ist eine unbestreitbare und echte Lebenslüge vieler Finanzpolitiker insbesondere Ihrer Partei.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Hören Sie doch auf, von „Lebenslüge“ zu sprechen!)

Diese Lebenslüge erlaubte nämlich, einen schlanken Fuß zu machen, wenn es in die Verschuldung ging.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Da sind Sie doch voll dabei!)

Wenn Helmut Linssen jetzt sagt, dass es objektiv unmöglich ist, ohne Nettokreditaufnahme Gleichgewicht in den Haushalt zu bringen, dann ist das eine ehrliche Bestandsaufnahme. Würde er die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts unterlegen, stünde er unter einem unglaublichen Begründungszwang,

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Ein Bilanzfälscher ist das!)

einem Begründungszwang, unter dem Sie im Übrigen auch bei Ihrer Klage stehen. Ich nenne die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Hintertürchen in neue Verschuldung.

(Carina Gödecke [SPD]: Die musste man wenigstens belegen!)

Wir haben in diesem Jahr ein Wachstum unserer Wirtschaft von 2 bis 2,5 %. Gott sei Dank!

(Horst Becker [GRÜNE]: Damit habt ihr doch nichts zu tun!)

Wir haben Preisstabilität; die Teuerungsrate liegt bei 1,5 %. Wir haben außenwirtschaftlich große

Erfolge. Ich hörte gestern Abend im Radio, dass die Ausfuhr im zweiten Quartal um 10 % gewachsen sei. Wie will ich denn bei einer solchen Konstellation begründen, unsere Wirtschaft sei im Ungleichgewicht, um dadurch in die Lage zu kommen, Schulden aufnehmen zu können? Diese Hintertür müssen wir in Nordrhein-Westfalen zumachen. Wir müssen sie auch im Bund zumachen.

Deshalb bin ich dafür, sind wir dafür, eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, die die Abschaffung der Lebenslüge Stabilitäts- und Wachstumsgesetz vorsieht. Wir sind der Auffassung, dass es sinnvoll ist, im Grundgesetz entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Wir sind der Auffassung, dass es auch sinnvoll und notwendig ist, in unserer Landesverfassung dieses Schlupfloch, diese Hintertür zuzumachen, Schulden zu machen aus Gründen einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die sowieso niemand nachvollziehen kann, die niemand je nachvollziehen konnte.

Da kommen wir gerne auf Sie zu, Frau Kraft. Wir können auch darüber reden, wie wir gemeinsam mit dem Solidarpakt II umgehen. Da sind wir offen. Lassen Sie uns über diese beiden Punkte miteinander sprechen. Ich lade ein zu der Initiative, die ich gerade ansprach. Sie laden zu anderen ein. Lassen Sie uns darüber sprechen!

Abschließend will ich etwas tun, was mir Spaß macht. Wenn ich auf die Bänke der Landesregierung gucke, dann fällt mir auf, dass die Landesregierung jetzt realiter ein Jahr „on the job“ ist. Sie hat jetzt ein Jahr gearbeitet. Und ich finde, sie hat unglaublich gut gearbeitet.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP – Wi- derspruch von der SPD)

Ich sage bei aller Kritik, die wir auch untereinander haben, ein herzliches Wort des Dankes. Ich sage ein herzliches Dankeschön Ihnen, Herr Minister Wolf.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich sage Ihnen Dank für Ihre gute, zukunftsgestaltende Arbeit, tatkräftig unterstützt von Ihrem Parlamentarischen Staatssekretär Palmen.

(Martin Börschel [SPD]: Kriegt jetzt jeder ein Zeugnis?)

Ich sage Ihnen Dank für die gelungene Ausrichtung und die Sicherheit bei den Weltmeisterschaften sowie für Tatkraft und Konsequenz bei der notwendigen Verwaltungsstrukturreform. Vielen Dank!

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von der SPD)