Protocol of the Session on May 31, 2006

Die europaweit anerkannten Lärmkriterien werden nicht angewandt.

Der Gesetzentwurf bietet keine Rechts- und Planungssicherheit – auch nicht für die Luftverkehrswirtschaft.

Die Auszahlung der Entschädigung für Fluglärmbetroffene dauert übermäßig lange.

Die Beteiligungsrechte von Kommunen und Umweltverbänden werden nicht gestärkt, teilweise sogar ausgehebelt.

Die Siedlungssteuerung in der Umgebung von Flughäfen – das ist Fakt – ist mit diesem Gesetz nicht vernünftig möglich.

Wir haben diesen Antrag eingebracht und heute zur Abstimmung gestellt, weil das Land Nordrhein-Westfalen mit seiner besonderen Flughafendichte, einer Dichte, wie es sie in der Bundesrepublik nirgendwo anders gibt, das Land sein sollte, das sich zum Fürsprecher der Anwohnerinnen und Anwohner macht, sich für eine vernünftige Grenzwertediskussion, für Siedlungsbeschränkungen im Umfeld von Flughäfen einsetzen und insgesamt einen notwendigen Ausgleich zwischen Anwohnerinnen und Anwohnern sowie der Flughafenwirtschaft sicherstellen sollte. All das leistet dieser Gesetzentwurf nicht. Deswegen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Als nächster Redner hat für die CDU-Fraktion Kollege Schulte das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Becker ist nach Berlin gefahren, um an einer Anhörung im Deutschen Bundestag teilzunehmen. Vielleicht hat er nicht richtig zugehört; denn er hat in seinem Antrag einige Folgerungen aus dieser Anhörung niedergeschrieben, die für Nordrhein-Westfalen nicht unbedingt von Vorteil sind.

(Horst Becker [GRÜNE]: Ich war da!)

Unbestritten ist die Notwendigkeit, das Fluglärmschutzgesetz zu novellieren. Die derzeit geltende Fassung stammt aus 1971 und wurde zuletzt 1984 geändert. Die Rechtsprechung der letzten Jahre hat die geltenden Regelungen überholt. Dem Auftrag des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung, eine Novellierung dieses Gesetzes zu erarbeiten, wurde Anfang 1998 nachgekommen, und ein von der letzten rot-grünen Bundesregierung im Mai 2005 vorgelegter Entwurf fiel der Diskontinuität zum Opfer. Man muss feststellen, dass der von der neuen Bundesregierung eingebrachte Entwurf im Wesentlichen auf der alten Fassung aufbaut.

Notwendig ist in der Tat ein zeitgemäßer und gesetzlich klar geregelter Interessenausgleich zwischen Anwohnern und Luftfahrtwirtschaft. Dazu gehört, dass Lärmschutzstandards nach aktuellen Erkenntnissen der Lärmforschung notwendig sind. Die Anpassung an aktuelle technische Entwicklungen muss erfolgen. Denn es gibt heute gegenüber 1971 um rund 30 dB leisere Flugzeuge, lärmmindernde An- und Abflugverfahren sowie optimierte Flugroutenplanungen.

Eine Anpassung an den drastisch wachsenden Flugverkehr, bei dem man von einer Verdoppelung in den nächsten 20 Jahren ausgeht, ist ebenso erforderlich wie Planungs- und Rechtssicherheit für die Flughafenbetreiber. Die Wettbewerbsfähigkeit der Flughäfen und der deutschen Luftfahrtwirtschaft muss gesichert werden. Auch den zunehmenden Bedürfnissen der Mobilität und der wachsenden Luftfracht ist Rechnung zu tragen. Das sind viele Faktoren, die in einen solchen gerechten Interessenausgleich einfließen müssen.

Dem wird der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht gerecht. Am 10. Februar 2006 wurde das im Deutschen Bundestag deutlich, als die Vertreter aller Regierungsfraktionen erheblichen Diskussions- und Korrekturbedarf gegenüber diesem Gesetzentwurf angemeldet haben.

Beispielhaft ist die Ausnahmeregelung bei Bauverboten zu nennen. Es kann nicht sein, dass immer näher an Flughäfen herangebaut wird und

anschließend passive Lärmschutzmaßnahmen von den Betreibern finanziert werden müssen. Es ist ferner festzustellen, dass der Gesetzentwurf eine Aufblähung des Beauftragtenwesens mit sich bringt und dass die Erweiterung von Verbandsklagerechten nicht dazu führt, Planungs- und Rechtssicherheit für Betreiber von Flughäfen zu schaffen.

Wir sehen auch das von der Bundesregierung vorgeschlagene Verfahren kritisch und bezweifeln, dass die Novelle zum Fluglärmgesetz nicht zustimmungspflichtig ist. Die Bundesregierung argumentiert in einer Weise, die nicht berücksichtigt, dass mit dieser Novelle Vollzugsaufgaben für die Länder im Zuge der Bundesauftragsverwaltung ausgeweitet und neu begründet werden. Schon allein das begründet die Zustimmungspflicht durch den Bundesrat. Wir werden auch darauf bestehen.

Den Antrag der Grünen lehnen wir klar ab, und zwar mit zwei wesentlichen Begründungen. Zum Ersten ist aus dem Beratungsverfahren des Deutschen Bundestages ein deutliches Korrektur- und Nachbesserungsergebnis zu erwarten. Diesen Beratungen wollen wir nicht durch eine festgezurrte Beschlussfassung hier im Landtag vorgreifen, sondern uns mit dem geläuterten Entwurf befassen, der aus den Beratungen in Berlin hervorgeht. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulte. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Wißen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich erlaube mir, von hier aus der Bundesregierung und insbesondere dem zuständigen Umweltminister Sigmar Gabriel meinen herzlichen Glückwunsch auszusprechen;

(Christof Rasche [FDP]: Hat er Geburtstag?)

denn er hat am 10. Februar 2006 etwas zustande gebracht, was seit vielen Jahren auf seine Vollendung wartete: die Gesetzesnovelle zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm. Sie ist nun endlich in den Bundestag eingebracht worden. Immerhin stammt das Gesetz – wir haben es gerade schon gehört – aus dem Jahr 1971 und ist damit etwas älter als ich. Man darf annehmen, dass sich seit dieser Zeit in der Luftfahrttechnik einiges getan hat. Eine Novellierung war also nötig.

Dass der Verhandlungsprozess zur Novellierung so lange gedauert hat, hat mit der Suche nach einem der Demokratie innewohnenden Kompromiss in einem schwierigen Abwägungsprozess zu tun. Dabei zeigt sich der klassische Konflikt, der auch in Nordrhein-Westfalen seit der Industrialisierung anhält: Die Vorteile des technischen Fortschritts sind nicht selten mit Nachteilen für bestimmte Gruppen von Menschen verbunden – so leider auch bei der Luftfahrt. Dabei gilt es zu bedenken, dass Nordrhein-Westfalen wie kein zweites Bundesland auf das Funktionieren einer leistungsfähigen Luftverkehrsinfrastruktur angewiesen ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gilt, widersprüchliche Interessen in Einklang zu bringen – einerseits die derjenigen, die zu jeder Zeit mit dem Flugzeug möglichst weit fliegen wollen, und andererseits die derjenigen, die vom Fluglärm betroffen sind und verständlicherweise weitestgehende Lärmminderung fordern. Kein Mensch wird ihre Bedenken unberücksichtigt lassen. Das zu unterstellen wäre unzulässig. Es kann also nicht darum gehen, die eine Seite gegen die andere Seite auszuspielen und sich dann einen schmalen Fuß zu machen, wenn man in der Opposition angekommen ist. Das geht so nicht.

(Beifall von SPD und FDP)

Dazu passt ein Zitat. In der entsprechenden Bundestagsdebatte äußerte sich für die Grünen der Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann mit folgenden Worten – ich zitiere –:

„Wir Grünen begrüßen es außerordentlich, dass der jetzige Bundesumweltminister Gabriel den unter Rot-Grün erarbeiteten Gesetzentwurf, den Jürgen Trittin durch das Kabinett und in den Bundesrat gebracht hat, hier einbringt.“

Etwas später führt er aus:

„Wir werden uns nicht aus der Verantwortung stehlen, wie es andere machen.“

Der im Bundestag zur Beratung anstehende Gesetzentwurf gibt 1:1 den Kompromiss der alten Bundesregierung wieder. Er ist nach wie vor der Versuch, das sich inzwischen frei entwickelt habende Richterrecht in Sachen Fluglärm als Parlament wieder einzufangen und eine verlässliche gesetzliche Grundlage zu schaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Antrag der Grünen-Fraktion ist eine weitgehende Kopie des Grünen-Antrags auf Bundesebene – Bundestagsdrucksache 16/551 vom 7. Februar 2006.

(Horst Becker [GRÜNE]: Ja, was denn nun?)

Damit wollen die Grünen die parlamentarische Debatte auf Bundesebene in diesen Landtag tragen und ihre Position, die sie bereits beim vorliegenden Gesetzentwurf in der damaligen Koalition nicht durchbringen konnten, wieder vertreten. Die Grünen versuchen also, in der Opposition des Düsseldorfer Landtags das durchzubringen, was sie auf Bundesebene in Regierungs- und ausdrücklich auch in Ressortverantwortlichkeit nicht geschafft haben.

Herr Kollege Wißen, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Kollegin Löhrmann?

Ja, gerne.

Verehrter Herr Kollege Wißen, könnten Sie mir bestätigen, dass die SPD-Fraktion unlängst einen Antrag, den sie gemeinsam mit der CDU in Berlin zur Abstimmung gebracht hat, auch hier im Landtag zur Abstimmung gestellt hat?

Ich sehe da prinzipiell keinen Widerspruch. Ich sehe aber den Widerspruch zwischen dem Bundestagsabgeordneten, der Sprecher für diesen Bereich ist, und dem, was Sie hier aufführen.

(Beifall von SPD und FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Grünen, auch hier in Nordrhein-Westfalen sollten Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Herr Kollege Wißen, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, diesmal des Abgeordneten Becker?

Nach meinen Ausführungen gerne. – Wenn es Ihnen ernsthaft um eine inhaltliche Debatte gegangen wäre, hätten Sie für Ihren Antrag mehr Redezeit und keine direkte Abstimmung, sondern Überweisung in die Fachausschüsse festlegen sollen. Daher möchte ich auf die Details Ihrer vorgeschlagenen Änderungen zum Fluglärmschutzgesetz des Bundes nicht eingehen; denn diese stehen im Bundestag genauso zur Debatte.

Die SPD-Landtagsfraktion lehnt Ihren Antrag gegen den von Ihrem damaligen Bundesminister Trittin erarbeiteten Gesetzentwurf ab. – Vielen Dank. – Jetzt können wir vielleicht zu der Frage kommen.

Herr Kollege Becker, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Wißen, würden Sie mir denn bestätigen, dass zwischen dem, was Sie eben kritisiert haben, insofern ein Widerspruch besteht, als Sie zunächst Herrn Hermann – wenn auch unvollständig – mit einem Lob zitieren, dann aber die Bundestagsfraktion der Grünen dafür kritisieren, dass sie einen Ergänzungsantrag macht, und kritisieren, dass wir Ähnliches tun? Ist dieser Kritikstil nicht widersprüchlich?

Herr Becker, ich kann doch hier für die Widersprüchlichkeit der Bundesgrünen nichts. Danke.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Sie hörten den Kollegen Wißen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollegen Rasche das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es besteht in diesem Haus Einigkeit, dass das geltende Fluglärmgesetz dringend novelliert werden muss. Denn den heutigen Ansprüchen wird das Gesetz aus dem Jahre 1971 in keinerlei Hinsicht mehr gerecht. Die Grenzwerte des Fluglärmgesetzes beruhen teilweise auf Untersuchungen aus den 50er-Jahren und entsprechen nicht mehr den heutigen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung.

Tatsächlich wird heute an den meisten Flughäfen mehr für den Schallschutz getan, als es das veraltete Fluglärmgesetz verlangt, freiwillig oder aufgrund von Auflagen der Betriebsgenehmigungen.

Die alte rot-grüne Bundesregierung, meine Damen und Herren, hat sieben Jahre lang immer wieder vollmundig eine Neuregelung im Fluglärmgesetz angekündigt; eingehalten hat sie diese Versprechungen allerdings nicht. Für die Betroffenen hat dies gravierende Folgen: Die Anwohner in den Einflugschneisen müssen schon viel zu lange darauf warten, dass die gesetzliche Lage an die aktuellen Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung angeglichen wird und sie damit einen modernen und effektiven Lärmschutz erhalten.