Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie sind gerade die Richtigen: liefern eine verheerende Bilanz in fast allen Politikfeldern ab, werden vom Wähler deshalb mit Karacho in die Opposition geschickt und stellen dann umgehend einen Antrag, der sich so zusammenfassen lässt: In der Energiepolitik muss alles so bleiben wie bisher.
Genau das meinen wir nicht. Wir halten das für falsch. Wir wollen deshalb Kurskorrekturen. Die sind notwendig. Wir wollen Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit in der Energiepolitik in eine neue Balance - frei von Wirklichkeitsverweigerung und Ideologie - bringen. Dazu ist ein nationaler Konsens notwendig. Das war übrigens auch in der Vergangenheit so. Die Verteilung der Energieerzeugungsstrukturen in Deutschland war nicht die Folge kleinteiliger landespolitischer Entscheidungen. Es war immer eine große nationale Verabredung, die dazu geführt hat, dass wir besondere Strukturen hier und andere Strukturen in anderen Bundesländern haben.
Wir brauchen unter veränderten Weltmarkt- und technologischen Bedingungen - übrigens auch wirtschaftlichen Bedingungen - die Verabredung eines neuen nationalen Konsenses. Wir werden, weil wir Rücksicht auf Weltmärkte und technologische Veränderungen nehmen müssen, nicht bei den alten Antworten stehen bleiben können. An einer ganzheitlichen Lösung werden wir mitarbeiten. Herr Horstmann, Sie können beruhigt sein: Die Interessen des Landes sind bei uns dabei in guten Händen.
Ein wichtiger Bestandteil wird die Erneuerung des Kraftwerksparks sein. Die angekündigten Investitionen hier im Land von 5 Milliarden € liegen uns mindestens so am Herzen wie Ihnen. Wir werden alles dafür tun und darauf drängen, dass diesen Ankündigungen Taten folgen. Nordrhein-Westfalen soll als weltweit modernster Standort für hocheffiziente Kraftwerkstechnik ausgebaut wer
Nun behaupten Sie aber in Ihrem Antrag, eine mögliche Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken - da kennen Sie genau die Konsequenzen - schade dem Standort NordrheinWestfalen.
- Doch, so haben Sie es formuliert. - Sie gefährde den Einsatz regenerativer Energien. Die zugesagten Investitionen in Höhe von 5 Milliarden € würden später oder gar nicht erfolgen.
Eigentlich müssten Sie wissen, dass keines der geplanten Vorhaben in Nordrhein-Westfalen als Ersatz für ein stillzulegendes Kernkraftwerk dienen soll. Seit zehn Jahren haben wir in NordrheinWestfalen keine Kernkraftwerke mehr.
Zweitens, was die Chancen regenerativer Energien angeht: Sie berufen sich in der SPD normalerweise sehr gerne auf Aussagen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Warum nicht in einer solch zentralen Frage? Die Abteilungsleiterin lässt sich nachdrücklich so zitieren:
„Es muss ein zukunftsfähiger Kraftwerkspark entstehen, mit mehr dezentralen Anlagen … Dass dieser Umbau wesentlich verzögert wird, wenn die AKW länger laufen, sehe ich nicht.“
„Der Umbau läuft am Ende eventuell sogar schneller, wenn die neuen Technologien sich dann dank niedrigerer Kosten schneller durchsetzen.“
Warum finden solche Überlegungen bei Ihnen überhaupt keinen Niederschlag? Sie malen gern ein rosiges Bild vom Einsatz regenerativer Energien in Nordrhein-Westfalen. Dabei wird selten vorgetragen, was hier wirklich los ist, und zwar wegen nationaler Verabredungen. Ich muss Ihnen die Struktur doch nicht nennen: dass wir in Nordrhein-Westfalen anders als andere Bundesländer nur 2 % Stromerzeugung aus regenerativen Energien haben, bundesweit 10 bis 12 %. Außerdem haben wir hier ein Ausmaß fossiler Brennstoffe, das es uns ohne Erneuerung des Kraftwerksparks schwer machen würde, dem KyotoZiel näher zu kommen.
Malen Sie doch nicht Dinge an die Wand, die bei gemeinsamer Verabredung ohne unsere Mitwirkung so gar nicht stattfinden können! Ich verstehe Sie im Grunde genommen nicht. Wir haben in Nordrhein-Westfalen unsere Energiepolitik nie mit
Alleingängen durchtragen können. Vergessen Sie bitte nicht, dass all das, was Sie bisher zur Steinkohlepolitik vertreten haben, zu 80 % in einem nationalen Konsens finanziert wird. Wenn wir jetzt aus den nationalen Überlegungen zur Neuausrichtung der Energiepolitik ausscheren, gefährden Sie viel mehr, als wir verantworten wollen. Das sage ich Ihnen mit großem Nachdruck.
Wir möchten, dass wir diese gesamthafte Lösung verabreden. Herr Priggen, Sie haben Recht: Das wird nur auf Grundlage sehr detaillierter Informationen gerade auch der RAG gehen. Da haben Sie vollständig Recht. Aber warum stellen Sie diese Fragen an uns? Hat Ihr Koalitionspartner Ihnen diese Fragen nicht beantworten wollen oder können? Was ist denn in den Jahren passiert, in denen Sie hier regiert haben?
Ich komme sofort zum Schluss. - Ich empfehle Ihnen und uns also, nicht mit Glaubensbekenntnissen die Zukunft zu organisieren, sondern Sachverhalte auszutauschen und darauf basierend einen neuen energiepolitischen Konsens zu suchen. Die Landesregierung wird Ihnen selbstverständlich mit allen dazu nötigen Auskünften zur Verfügung stehen. - Danke.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Beratung.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages Drucksache 14/17 an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer stimmt dieser Überweisungsempfehlung zu? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist diese Empfehlung einstimmig angenommen.
11 Einsetzung einer Kommission zur Reform der Nordrhein-Westfälischen Verfassung (Verfassungskommission)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute an der ein oder anderen Stelle mächtig gestritten. Das gehört auch in dieses Haus. Aber es gibt auch Punkte, bei denen wir vielleicht zu Gemeinsamkeiten kommen können. Das möchte ich mit diesem Antrag versuchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesverfassung Nordrhein-Westfalens wird am 11. Juli 2005 55 Jahre alt. Sie war für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes gerade in der schwierigen Zeit des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg identitätsstiftend. Vieles, besonders die Sprachgebung, mutet uns jetzt aber überkommen an.
Deshalb schlägt meine Fraktion die Überarbeitung der Verfassung vor. Unter Achtung von Wertentscheidungen, die sich in der Verfassungswirklichkeit bewährt haben, sollte eine vom Landtag einzusetzende Kommission einen Vorschlag für die Überarbeitung der Verfassung machen. Es geht uns dabei nicht um Modernismus, sondern um eine Überarbeitung, die Bewährtes achtet, aber Rechtsentwicklungen und neue Wertentscheidungen der Gesellschaft in Verfassungsrecht gießt.
Meine Damen und Herren, in unserer Landesverfassung gibt es so manches Fossil zu entdecken. Eine Kostprobe - ich zitiere -:
„Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.“
Würden wir diesen Wortlaut des Art. 27 Abs. 1 unserer Verfassung ernst nehmen, so hätten wir im Hinblick auf die immer stärkere Unternehmenskonzentration einen konkreten Handlungsauftrag zu erfüllen: Wir müssten Enteignungen vornehmen.
Der zitierte Art. 27 Abs. 1 findet sich auch im „Ahlener Programm“ der CDU von 1948. Es war der Versuch der Sozialisierung von Bergbau und Schwerindustrie. Dieser Versuch - insofern hat das Ganze durchaus interessante Verbindungen zu den heutigen Debatten - ist dann auch bereits im August 1948 im Landtag gescheitert.
Staatliche Monopole sind in den letzten Jahren privatisiert worden. Es sieht auch nicht so aus, Herr Ministerpräsident, als wolle die neue Landesregierung die RAG verstaatlichen.
Denkt man an die hohen Subventionen, könnte man sowieso auf den Gedanken kommen, dass das Unternehmen bereits dem Staat gehört. Leider partizipiert die öffentliche Hand nicht an den Gewinnen. Verluste hingegen werden häufig sozialisiert.
Meine Damen und Herren, dies ist nur ein Beispiel einer überkommenen Regelung aus der Landesverfassung, die offensichtlich keinen Bezug mehr zur Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts hat.
Die Verfassung eines Staates ist aber der Inbegriff der geschriebenen oder ungeschriebenen grundlegenden Rechtssätze über Organisation und Funktionsweise der Staatsgewalt und die Rechtsstellung der oder des Einzelnen. Sie soll die Verfassungswirklichkeit widerspiegeln, Staatsziele definieren und in staatliches Tun oder auch Unterlassen münden.
Die Bürgerinnen und Bürger - das ist der Grundgedanke einer demokratischen Verfassung - sollen sich mit dem grundlegenden Regelungswerk ihres Landes identifizieren können. Wie wichtig das ist, haben wir bei der Abstimmung über die europäische Verfassung erleben müssen. Deshalb schlagen wir vor, dass der Arbeitsprozess der Kommission von einem Höchstmaß an Transparenz und Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gekennzeichnet sein soll. Dazu sollten die Vorschläge der Kommission zeitnah zugänglich gemacht werden. Ferner sollen Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger in den Prozess einfließen können.
Eine solche unmittelbare Beteiligung - Herr Jostmeier strahlt mich an -, für die wir da gemeinsam geworben haben, ist mithilfe der elektronischen Kommunikationstechniken heute ohne großen Aufwand und ohne große Kosten möglich.
Am Ende des Prozesses sollen die Bürgerinnen und Bürger über die geänderte Verfassung entscheiden. Damit ist eine hohe Identifizierung der Menschen mit einer neuen Landesverfassung möglich. Die Bürgerinnen und Bürger sollen bei dem wichtigsten Reformwerk ihres Landes unmittelbar gestalten und entscheiden können.
Nur wer die Menschen bei Prozessen und Entscheidungen, die unsere Gesellschaft ausmachen und gestalten, mitnimmt, kann nachhaltig gestalten. Dies gilt auf Landes-, Bundes- und auch auf europäischer Ebene.
Meine Damen und Herren, wir haben in der vergangenen Legislaturperiode interfraktionell vier Verfassungsänderungen gemeinsam und im Sinne der Sache auf den Weg gebracht: Volksbegehren/Volksentscheid, Kinderrechte und Tierschutz sowie das Konnexitätsprinzip.
Dabei haben wir oft gesagt: Wir machen das jetzt, weil uns das fachpolitisch wichtig ist, aber eigentlich müssten wir uns auch einmal das Ganze ansehen. - Insofern werbe ich dafür - anknüpfend an diese gute Zusammenarbeit im Hauptausschuss -, dass die anderen Fraktionen unsere Initiative für eine solche Verfassungskommission wohlwollend aufgreifen, diskutieren und wir gemeinsam ein solches zentrales parlamentarisches Vorhaben in dieser Wahlperiode gestalten und abschließen können. Damit könnte NRW einmal mehr eine Vorreiterrolle - wie bereits bei der Diätenreform - einnehmen. Ich glaube, das wäre das schönste Geschenk, das wir unserer Verfassung sowie den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes zum Geburtstag machen könnten. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die weiteren Beratungen heute und im Hauptausschuss. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Löhrmann. - Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Keller, CDU-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Löhrmann, an einer guten Zusammenarbeit im Hauptausschuss sind wir natürlich sehr interessiert; das ist selbstverständlich. Aber dass Sie diesen Antrag auf Einsetzung einer Verfassungskommission ausgerechnet jetzt stellen, gleich am Anfang dieser Legislaturperiode deutliche Veränderungen und Korrekturen in unserer Landesverfassung vornehmen wollen, das hat uns - mit Verlaub gesagt - doch sehr erstaunt, haben Sie doch seit zehn Jahren hier jegliche Chance der Veränderung gehabt. Warum gerade jetzt und das auch noch deutlich gemacht am Beispiel des Kleingartenvereins? Das fanden wir doch ein bisschen erstaunlich.