Protocol of the Session on May 4, 2006

(Beifall von der SPD)

Ich will an Ihren Start erinnern. Damals verkündeten Sie zum Erstaunen vieler, auch in den Regierungsfraktionen, dass die erfolgreiche Wirtschaftsförderung zukünftig bei den Kammern angesiedelt werden soll. Dann gibt es einen Aufschrei in den Regionen und in den Kommunen, und plötzlich ist alles nur ein großes Missverständnis. Und am Ende wird das fortgesetzt, was Ihr Vorgänger längst in Angriff genommen hatte: eine vernetzte, ortsnahe Beratung mit wenigen, mit kompetenten Ansprechpartnern. Willkommen in der Wirklichkeit, Frau Ministerin!

Es ist doch unbestritten: Die Schnittstellen zwischen den Beratungsinstanzen können, müssen selbstverständlich verbessert werden, und zwar laufend, denn das ist ja ein Prozess, in dem immer wieder dazugelernt wird, in dem auf neue Entwicklungen reagiert wird. Aber deshalb das ganze System abzuschaffen und durch ein neues zu ersetzen, nur um Ihre kaum noch zu überbietende Liebe zu den Kammern zu befriedigen, Frau Ministerin, das ist wirklich großer Quatsch. Das haben Sie inzwischen ja auch einsehen müssen.

Wichtig wäre allerdings, die Wirtschaftsförderung des Landes zu einer Standortmarketingagentur fortzuentwickeln: mit neuen Ideen, mit neuen Themen, auch mit neuen Kampagnen. Das wäre ein Feld, um mit Bayern, mit Baden-Württemberg, mit Rheinland-Pfalz mitzuhalten und deren erfolgreichen Standortaktionen eine von und für Nordrhein-Westfalen entgegenzusetzen, anstatt immer nur zu jammern und unser Land schlechtzureden. Das wäre, Frau Ministerin, handfeste Mittelstandsförderung. Aber was ist? Fehlanzeige auch hier, Frau Thoben! Schade! Chance vertan!

Dass Mittelstandpolitik bei Ihnen sogar noch schlechter gehen kann, haben Sie kürzlich selbst bewiesen; dafür haben Sie die Grundlagen gelegt. Zukünftig sollen die Handwerkskammern selbst darüber entscheiden, wer ohne Meisterbrief einen Betrieb führen darf und wer nicht, also nicht mehr die neutralen Bezirksregierungen, sondern die in dieser Frage parteiischen Kammern. Kammerliebe, Frau Ministerin! Bei aller Anerkennung der alles in allem guten Arbeit der Handwerkskammern: In diesem Fall sollten die Kammern auch im eigenen Interesse solche Aufgaben nicht wahrnehmen müssen; denn das nährt doch den Verdacht, dass solche Genehmigungen zukünftig ganz restriktiv erteilt werden. Was das mit der notwendigen Förderung von mehr Selbstständigkeit zu tun hat, das bleibt wirklich schleierhaft. Frau Ministerin, das Gegenteil wird der Fall sein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich will ein weiteres Beispiel für die glücklose Hand von Frau Thoben nennen. Sie vergrätzt ja nicht nur die Partner in den Regionen. Nicht nur die kommunalen Wirtschaftsförderer wenden sich mit Grausen von der Landesregierung ab. Es geht noch schlimmer. Die Wirtschaftsministerin hat bei Vertretern des Eifeltourismus einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Bei ihrem Besuch des Eifelstandes anlässlich der Internationalen Tourismusbörse in Berlin hat sie ihre Unterschrift unter das Konzept „Zukunftsinitiative Eifel“ verweigert. Das hat Überraschung, Betroffenheit, Unverständnis und Verärgerung ausgelöst – bei den betroffenen Gemeinden und Kreisen in der Eifel genauso wie bei den betroffenen Partnern in Ostbelgien. Frau Ministerin, das ist das Gegenteil von notwendiger Vertrauensarbeit. Das, was Sie getan haben, schadet den Städten und Gemeinden in der Eifel.

(Beifall von der SPD)

Ich komme zu einer weiteren sogenannten Kernbotschaft der Ministerin. Sie haben angekündigt, Frau Thoben, Sie würden den – ich zitiere – „Förderdschungel“ – schon wieder solch ein Wortungetüm aus Ihrer düsteren Beschreibung der Lage im Land – in Nordrhein-Westfalen lichten, Sie würden Doppelstrukturen ablösen, Sie würden dem – ich zitiere noch einmal – „Wirrwarr“ ein Ende bereiten. Was ist dann passiert? Jetzt ist die Abwicklung von Förderprogrammen bei der NRWBank platziert. Tolle Überraschung! Die vorherige Landesregierung hat dieses neue, wichtige Instrument NRW-Bank geboren und mit Leben gefüllt. Frau Thoben nutzt dieses Instrument und geht den vorbereiteten Weg weiter. Willkommen in der Wirklichkeit, Frau Ministerin!

Ich könnte die „Liste der glücklosen Hand“ fortführen. Sie ist eine einzige Offenbarung, große Sprüche, kleine Taten, viel Luft, wenig Substanz.

Von der politischen Gestaltung des Strukturwandels im Ruhrgebiet wollen Sie sich komplett verabschieden. „Kümmert euch selbst um die Lösung eurer Probleme“ heißt Ihre Botschaft an die Städte und Gemeinden, an die Menschen im Ruhrgebiet. Das ist unverantwortlich, das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Das werden wir überall deutlich herausstellen, damit die Menschen wissen, was von Ihren Sprüchen zu halten ist, das Ruhrgebiet stärken zu wollen.

Wir werden, Frau Ministerin, auch darauf drängen, dass die europäischen Strukturmittel für die nächste Förderperiode ausschließlich in die vom Strukturwandel betroffenen Regionen gehen. Dabei muss das Ruhrgebiet Empfängerregion Nummer eins bleiben. Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung in Brüssel erfolgreich verhandelt hat.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

Es ist gut, dass Frau Merkel da zusammen mit Peer Steinbrück erfolgreich war. Für NordrheinWestfalen gibt es mehr Mittel als in der zu Ende gehenden Förderperiode. Finanzminister Peer Steinbrück hat auch durchgesetzt, dass private Mittel zur Kofinanzierung eingesetzt werden können.

Das und anderes, Frau Ministerin, ist ein Erfolg, den die Bundesregierung in Kontinuität der Politik der rot-grünen Landesregierung erreicht hat. Der darf jetzt nicht durch Sie verspielt werden. Wir werden jedenfalls darauf achten, dass das vor allem dem Ruhrgebiet zugute kommt.

(Beifall von der SPD)

Ich fasse zusammen, Frau Thoben: Da, wo Sie die erfolgreiche Politik der bisherigen Landesregierung fortsetzen, da haben Sie unsere Zustimmung, da gibt es auch keine Reibungsverluste. Da, wo Sie Ihre Kammerliebe befriedigen, da gibt es Kopfschütteln, Widerstände und Reibungsverluste – auch und besonders in Ihren eigenen Reihen. Da, wo neue Ideen, neue Konzepte, neue Initiativen erforderlich sind, da ist Fehlanzeige.

Frau Ministerin, Sie verlassen sich ganz offensichtlich auf den begonnenen wirtschaftlichen Aufschwung. Sie unterstützen weder die wichtigen Anstöße der Bundesregierung zur Förderung von wirtschaftlicher Belebung und Beschäftigung noch entwickeln Sie eigene Aktivitäten. Keine einzige Initiative für zukunftsträchtige Wettbewerbe in einem der Wachstumsbereiche unseres Landes!

So, Frau Thoben, werden Sie jedenfalls kein gutes Klima für Aufbruch und Investitionen in Nordrhein-Westfalen schaffen können, was wir aber dringend brauchen.

Wir warten weiter auf Ihre neuen Ideen. Auch aus dem vorgelegten Haushalt für Ihr Haus lässt sich keine neue Idee ablesen. Das ist zu wenig für das Industrieland Nordrhein-Westfalen, und das ist zu wenig für eine Wirtschaftspolitik, die diesen Namen verdienen würde.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Römer. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Dr. Droste das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin heute eigentlich mit der Absicht hier hingekommen, eine sehr friedvolle Ansprache zu halten und habe mich auch so weit darauf vorbereitet,

(Marc Jan Eumann [SPD]: Hier werden Re- den gehalten, keine Ansprachen!)

aber, Herr Kollege Römer, gestatten Sie mir trotzdem – Frau Ministerin wird sicher gleich die Gelegenheit nehmen, da ist sie frau genug, auf Ihre Worten zu entgegnen – eine Bemerkung voranzusetzen: Sie sprechen davon, dass die CDU nicht nur vor, sondern sogar auch nach der Regierungsübernahme das Land schlecht- oder herunterrede. Das würde diesem Land nicht besonders gut tun.

Ich will Ihnen eines sagen: Es ist Maxime dieser neuen Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen, Klarheit und Wahrheit in den Vordergrund zu stellen.

(Lachen von der SPD)

Das, was Sie hier mit Herunterreden darstellen, würde ich eher mit der Überschrift etikettieren: Sie von der SPD und von den Grünen haben sich in den letzten zehn Jahren etwas in die Tasche gelogen,

(Beifall von CDU und FDP)

wenn es um die Beschreibung von NordrheinWestfalen und diesen Wirtschaftsstandort ging. Schauen Sie es sich an: Nicht umsonst sind wir im Wirtschaftsindex auf Platz 14 heruntergerutscht. Aber all das wird mit Gesundbeten und „Es wird hoffentlich besser“ abgetan. Da müssen Taten folgen.

Deshalb, Herr Römer: Ich habe hohes Verständnis, dass man sich in seine Aufgabe als wirtschaftspolitischer Sprecher der Opposition erst einmal einfinden und dass man eine gesunde Kritik üben muss. Es ist ja auch wichtig für eine Regierung, dass sie eine – sagen wir einmal – kluge Gegnerschaft in der Opposition hat. Das hält wach. Wie hat Napoleon immer gesagt? Lieber ein kluger Gegner als ein dummer Freund! – Aber ich muss gestehen: Davon sind Sie noch weit entfernt. Wir wünschen uns, dass Sie sich in dieser Frage verbessern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aufstellung des ersten Haushalts einer neuen Landesregierung bietet in der Tat Gelegenheit, Zwischenbilanz zu ziehen über das, was nach der Regierungsübernahme vorgefunden wurde, über das, was bereits auf den Weg gebracht wurde, und über das, was wir uns in näherer Zukunft vorgenommen haben.

Die gute Nachricht ist – darüber dürfen wir uns gemeinsam freuen –, dass wir hier heute über die Perspektiven nordrhein-westfälischer Wirtschaft und des Mittelstandes sprechen können – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Menschen in Nordrhein-Westfalen, aber auch in Gesamtdeutschland wieder mit wachsendem Optimismus nach vorne blicken. Ich denke dabei vor allen Dingen an die erfreulichen Prognosen der Wirtschaftsinstitute, die voraussagen, dass unsere heimische Wirtschaft an Fahrt aufgenommen hat und voraussichtlich in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,8 % zeitigen wird. Es ist das beste Wirtschaftswachstum, das wir seit sieben Jahren hatten.

Diese positive Entwicklung zeigt sich zum einen an den steigenden Auftragseingängen aus dem Ausland. Aber viel wichtiger ist, dass sich vor allen Dingen die Binnenkonjunktur und damit auch das Vertrauen unserer Verbraucher hier in Nordrhein-Westfalen offenbar deutlich verbessert haben.

Ich will annehmen – und darüber dürfte Konsens bestehen –, dass die Politik jetzt alle Voraussetzungen dafür schaffen muss, dass diese Entwicklung kein Strohfeuer bleibt, sondern von Dauer ist, sodass Unternehmensgewinne, Unternehmensgründungen im Ergebnis auch zu mehr Arbeitsplätzen führen, die unser Land so dringend benötigt. Wir werden das schaffen, wenn wir den eingeschlagenen Kurs zu einer Politik der sozialen Marktwirtschaft weiter konsequent umsetzen und dauerhaft durchhalten.

Der vorliegende Einzelplan 08 des Wirtschaftsministeriums verdeutlicht eindrucksvoll, was es bedeutet, wenn durch eine rückwärts gewandte Politik – Herr Römer, Sie haben sie gerade noch einmal eingefordert –, die der Vergangenheit dieses Landes nachtrauert, Handlungsspielräume eingeschränkt werden und keine Luft mehr da ist für eine Zukunft, die wir ausreichend gestalten können. In wohl keinem Einzelplan des vorliegenden Haushalts wird dies so deutlich wie im Einzelplan des Wirtschaftsministeriums – eindrucksvoll belegt durch die Tatsache, dass mehr als 50 % der Etatmittel des Bereichs Wirtschaft, das heißt 570 Millionen €, gezwungenermaßen allein für die Subventionierung der Steinkohle eingesetzt werden, also für einen Tätigkeitsbereich, dem für die Geschichte Nordrhein-Westfalens ohne Frage eine große Bedeutung zukommt, der aber eben der Vergangenheit angehört.

570 Millionen €, eine astronomisch hohe Summe, aktuell eingesetzt, um rund 30.000 Arbeitsplätze zu subventionieren, ein finanzieller Einsatz, der bei einer Million Arbeitslosen in diesem Land – da erfolgt also keine Subventionierung von Arbeitsplätzen – nicht mehr zu vertreten ist. Von diesem Geld lassen sich weitaus bessere Maßnahmen für die Zukunft des Landes finanzieren. Daher ist es das erklärte Ziel der Landesregierung und der sie stützenden Fraktionen, dieser Form der Subventionspolitik in Zukunft ein Ende zu bereiten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine gute Wirtschaftspolitik bemisst sich doch keinesfalls an der Höhe von Subventionen oder der großzügigen Ausstattung von Förderprogrammen, wie sie in der Vergangenheit häufig anzutreffen war. Eine gute Wirtschaftspolitik stellt sich der Realität, stellt Wahrheit und Klarheit in den Vordergrund des Handelns, weist klare Linien auf, ist berechenbar und schafft so langfristig Vertrauen. Eine gute Wirtschaftspolitik bemisst sich allein daran, wie man durch verlässliche Strukturen Menschen und Betriebe dazu bringt, zu investieren, eigenständig unternehmerisch tätig zu werden, wobei sich der Staat zurücknimmt und den Einzelnen wieder zur Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ermutigt. Weg von der Regelungspolitik hin zur Ordnungspolitik, das ist der wirtschaftspolitische Kompass dieser Landesregierung.

In diesem Zusammenhang begrüßen wir es ganz besonders, dass die Wirtschaftsministerin gerade den Mittelstand in den Fokus ihrer Politik gerückt hat. Durch die Erhöhung der Meistergründungsprämie zeigt sich deutlich, dass wir alle Möglichkeiten nutzen wollen, um neue Existenzen zu gründen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Eine

Insolvenzquote von lediglich 3 % in den ersten fünf Jahren verdeutlicht die Wirksamkeit dieses Programms. Auf diese Weise werden dauerhaft Existenzen geschaffen.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir wollen weg von der Symbolpolitik vergangener Jahre. Wir wollen weg von den Luftblasen einer Rhetorikpolitik. Als beredtes Beispiel dieser unnützen Rhetorik gilt das sogenannte Mittelstandsgesetz, das regelt, dass alle staatlichen und kommunalen Dienststellen verpflichtet sind, sich mittelstandsfreundlich zu verhalten. Solche Regelungen gehören der Vergangenheit an, sind vollkommen nutzlos, haben keinerlei praktischen Bezug und werden daher abgeschafft.

In diesem Zusammenhang auch ein klares Wort zur Abschaffung des Tariftreuegesetzes, das gestern den Kollegen Rainer Schmeltzer dazu veranlasst hat, sich in der Öffentlichkeit hervorzutun und in einer Pressemitteilung Folgendes zu postulieren – ich darf mit Einverständnis der Präsidentin zitieren –:

„Die von der Landesregierung beschlossene Abschaffung des Tariftreuegesetzes werde Tausende von Arbeitsplätzen kosten.“

Das ist der dummdreiste Versuch, sich immer noch an Altes zu klammern und die Realität nicht wahrhaben zu wollen.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Das Tariftreuegesetz, verehrter Kollege Eumann, ist ein bürokratisches Monstrum, das zu keiner Zeit von der Praxis angenommen, sondern immer wirkungslos war – das wissen Sie auch –, das niemandem genutzt, aber vielen geschadet hat.

(Widerspruch von der SPD)

Deswegen sagt die überwiegende Zahl der Sachverständigen: So etwas gehört nicht in das Reglement einer funktionierenden Wirtschaftspolitik.

(Beifall von der FDP)

Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen: Auch hier zeigt sich sehr deutlich, dass Sie noch weit zurück sind in dem Prozess der Erkenntnis, was der Wirtschaft wirklich hilft und was ihr im Ergebnis schadet. Symbolisch, rein rhetorisch und damit auch nutzlos war auch Ihre Institution des Mittelstandsbeauftragten mit einem großen Stab von Mitarbeitern, wo nicht klar war, was die eigentlich gemacht haben. Wir brauchen auf Landesebene kein ausuferndes Be

auftragtenwesen, mit dem die Politik Aktionismus vortäuscht, aber in der Sache nichts erledigt wird.