Protocol of the Session on May 3, 2006

Dass wir einer Zusammenlegung von Polizeibehörden nicht zustimmen können, die dem Prinzip „vom Pensionsalter zur Organisation“, aber nicht dem Grundsatz „von der Aufgabe zur Organisation“ folgt, ist selbstredend.

(Beifall von der SPD)

Herr Innenminister, Ihr Motto lautet: Fahnden statt verwalten. – Aber die Realität ist: Sie fahnden nach Konzepten und verwalten weiterhin eine überholte Behördenstruktur.

(Beifall von der SPD)

Ihre Reformpläne – auch das haben wir gesehen – sind in einer beispiellosen Art und Weise in der Anhörung des Innenausschusses untergegangen. Die Kollegen von der CDU haben immerhin in Aussicht gestellt, über die Änderungen noch einmal nachzudenken. Herr Kruse hat unter anderem versprochen, dass die Kritik der Experten nicht folgenlos ist.

Weil ich glaube, dass eine schlüssige Neuordnung der Polizeiführung und der Polizeiverwaltung eine breite parlamentarische Basis braucht, appelliere ich heute von dieser Stelle aus erneut an Sie,

mit uns in konkrete und konstruktive Gespräche über eine schlüssige Polizeireform einzutreten.

(Beifall von der SPD)

Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kollegen, keine zwölf Monate nach dem Regierungswechsel ist die Düsseldorfer Innenpolitik unberechenbar geworden. Die Sicherheitsarchitektur in unserem Land wankt – und dies zum Schaden Nordrhein-Westfalens und seiner Bürger, die ein Recht auf Sicherheit haben.

Nordrhein-Westfalen nimmt im Konzert der Länder keine Schlüsselrolle mehr ein. NordrheinWestfalen wird unter einer Regierung Rüttgers auf der bundespolitischen Ebene in der Innenpolitik nicht mehr wahrgenommen. Aus der besonderen Stellung, die sich der einzige liberale Innenminister in Deutschland noch nach dem Wahlsieg in NRW erhofft hatte, ist nichts geworden.

In der Konstellation der B-Länder gehen seine Initiativen regelmäßig unter, und in der Konstellation einer großen Koalition ist der sogenannte liberale Innenminister in eine Außenseiterposition geraten. Deshalb ist der Niedergang der nordrheinwestfälischen Innenpolitik auch anhand der Haushaltszahlen mit Händen zu greifen.

Die Regierung Rüttgers – das ist unser Vorwurf – betreibt den Abbau der inneren Sicherheit. Sie agiert unüberlegt und unzuverlässig und treibt so ständig neue Unruhe in den Polizeibetrieb. Sie besitzt weder einen zeitgemäßen Begriff von einer wirksamen Kriminalpolitik, noch entfaltet sie ein Gespür für sensible Fragen der Sicherheitsarchitektur.

Ihre Flüchtlingspolitik ist unter dem Strich illiberal. Ihre Bleiberechtsinitiativen sind in der Innenministerkonferenz liegen geblieben, nicht wieder aufgegriffen worden. Die konzeptionelle Weiterentwicklung des Katastrophenschutzes interessiert Sie, Herr Minister, nur am Rande. Zur wirksamen Bekämpfung des Rechtsextremismus fällt Ihnen nichts Besonderes ein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt sicherlich viele Gründe, den Einzelplan 03 abzulehnen. Ich habe Ihnen nur einige der wichtigsten genannt. Betrüge die Redezeit 20 Minuten statt 10 Minuten, hätte ich noch viele Argumente aneinander reihen können. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Rudolph. – Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Kruse.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Entwurf für den Landeshaushalt 2006 verdeutlicht die neue Landesregierung, dass sie der Konsolidierung des Haushalts höchste Priorität einräumt.

Zu dieser Grundausrichtung gibt es, ernsthaft diskutiert, keine Alternative. Da die Möglichkeiten zur Generierung zusätzlicher Einnahmen für eine Landesregierung begrenzt sind, muss die Konsolidierung des Landeshaushalts konsequenterweise über eine Reduzierung der Ausgaben erfolgen. Auch im Einzelplan 03 des Innenministeriums wird dieser Weg deutlich. So sinken die Gesamtausgaben um 4,2 % und die Personalausgaben um 1,2 % auf 4,08 Milliarden € beziehungsweise auf 3,03 Milliarden €.

Die CDU-Fraktion trägt diese Ansätze ausdrücklich mit. Mit der moderaten Reduzierung zumal der Personalausgaben verdeutlichen wir, dass die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit als grundlegende Voraussetzung für die individuelle Freiheit der Bürgerinnen und Bürger eine zentrale Aufgabe der neuen Landesregierung ist. Denn die Erblast, meiner sehr verehrten Damen und Herren, die wir von der alten Landesregierung auch im Bereich der inneren Ordnung, der inneren Sicherheit insgesamt übernommen haben, ist gewaltig. Herr Kollege Rudolph, wir nehmen nach wie vor im Ländervergleich einen Abstiegsplatz ein.

Für mich ist es vollkommen unverständlich, dass der ehemalige Finanzminister – er ist leider heute nicht da – und der heutige SPD-Landesvorsitzende, Jochen Dieckmann, diese Vergangenheit vollständig ausblendet – so heute exakt vor einer Woche auf dem GdP-Landeskongress. Frau Kollegin Düker, Herr Rudolph, wir waren dabei, als Herr Dieckmann in nahezu klassenkämpferischer Manier – das bedeutet für Herrn Dieckmann schon etwas – die Personal- und Finanzpolitik der neuen Landesregierung kritisierte.

Wofür ist Herr Dieckmann in den letzten Jahren eigentlich verantwortlich gewesen? Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor dem Hintergrund der Fehlentwicklungen und falschen politischen Entscheidungen in der Vergangenheit kann nicht erwartet werden, dass innerhalb kurzer Zeit eine Trendwende herbeigeführt wird. Wir werden viele Jahre und sicher mehr als eine Legislaturperiode benötigen, bis auch in diesem sensiblen

Themenbereich der inneren Sicherheit bessere Ergebnisse erzielt werden. Hierzu sind viele kleine Schritte, aber vor allen Dingen Mut und Tatkraft erforderlich.

Herr Kollege Rudolph, Sie haben es angesprochen, und ich bekenne es in schonungsloser Offenheit: Ja, es ist richtig, wir haben im Landtagswahlkampf vor circa einem Jahr und auch in unserem Wahlprogramm anderes und auch mehr für diesen Themenbereich versprochen. Natürlich sind weder die Innen- noch die Rechtspolitiker darüber begeistert, dass ihre Fachbereiche von Sparmaßnahmen nicht verschont bleiben.

(Monika Düker [GRÜNE]: Dann ändern Sie es doch!)

Gleichwohl, Frau Kollegin Düker, stellen wir uns den damit verbundenen besonderen Anstrengungen ausdrücklich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu anderen Flächenländern eine unterdurchschnittliche Aufklärungsquote. Wenn es gilt, die Zahl der Straftaten zu reduzieren und die Aufklärungsquote zu verbessern, um damit insgesamt das Niveau der Sicherheit zu erhöhen, muss die Polizei in Nordrhein-Westfalen effizienter ausgerichtet werden, als sie es heute ist.

Wir diskutieren zurzeit auch auf Bundesebene – alle Volksparteien machen dies –, was sich der Staat überhaupt noch leisten kann. Brauchen wir mehr oder brauchen wir weniger Staat? Da es keine Alternative zu einer nachhaltigen Konsolidierung des nordrhein-westfälischen Landeshaushaltes über eine Begrenzung und Reduzierung der Ausgaben gibt, wird es in den kommenden Auseinandersetzungen auch um Antworten auf die Fragen gehen: Was sind und wie erfüllt der Staat, in diesem Fall das Land NordrheinWestfalen, seine klassischen hoheitlichen Aufgaben?

Wann nun die Funktionsfähigkeit eines Landes in welchem Ausmaß beeinträchtigt ist und zu welchen Konsequenzen ein weiter schwindendes Staatsvertrauen der Bürgerinnen und Bürger führt, das ist schwer zu beantworten. Allerdings würde eine weitere und stetige Steigerung der Nettoneuverschuldung das Land in absehbarer Zeit in eine außerordentlich ernste Notlage führen.

(Carina Gödecke [SPD]: Mit anderen Wor- ten: Es bleibt bei Versuch und Irrtum!)

Von daher bleibt es richtig, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Für die Union bleibt es Priorität, dass die Gewährung von Sicherheit für die Bürger

und die Verhinderung von Straftaten nicht dem Finanzdiktat der desolaten öffentlichen Haushalte zum Opfer fallen dürfen. Die neuen Koalitionspartner und die neue Landesregierung wollen, dass wieder mehr gefahndet statt verwaltet wird. Ja, wir wollen die Polizei von Verwaltungsaufgaben entlasten. Wir treten ein für Bürokratieabbau und die Straffung der Strukturen sowohl bei der Binnenmodernisierung als auch im äußeren Bereich.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Das schauen wir uns aber an!)

Über das von Ihnen angesprochene Polizeiorganisationsgesetz, Herr Rudolph, reden wir nächste Woche und darüber hinaus.

In den letzten 15 Jahren sind zu viele Führungs-, Stabs- und Innendienststellen geschaffen worden. Deswegen muss die interne Organisationsstruktur der Behörden optimiert und die Aufgabenwahrnehmung der Polizei insgesamt gesteigert werden. Wir wollen Personal aus Verwaltungsbereichen in die operativen Bereiche zurückgewinnen – im Übrigen schon eine von der CDU in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre gestellte Forderung, die allerdings von der rot-grünen Mehrheit damals abgelehnt wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur effizienteren Ausrichtung der polizeilichen Arbeit gehören auch Veränderungen und Verbesserungen der Bildungsmaßnahmen. Sie sind notwendig. Wir werden die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Polizei reformieren und spezialisieren, nicht zuletzt wegen der Kriminalitätsentwicklung und zahlreicher neuer Aufgaben, die die Polizei zu bewältigen hat. Natürlich gilt es auch, die Internationalisierung der Aufgabenwahrnehmung und die Entwicklung der Polizeiwissenschaft im Blick zu behalten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Zusammenhang mit den Haushaltsplanberatungen möchte ich auch die Stärkung des Ehrenamtes ausdrücklich erwähnen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Dafür kürzen Sie im Flüchtlingsrat!)

Sie ist der CDU-Landtagsfraktion ein besonderes Anliegen. Warum? – Wir kennen die zahlreichen Hilfsorganisationen, die im Zivil- und Katastrophenschutz und bei der Feuerwehr wirkungsvoll zusammenarbeiten. Deutschland und seine Sicherheitsarchitektur sind ohne die Mitarbeit seiner Bürgerinnen und Bürger im Bevölkerungsschutz schlechterdings nicht vorstellbar.

Wir können alle dankbar dafür sein, dass wir in Nordrhein-Westfalen ein leistungsfähiges Notfallvorsorge- und Gefahrenabwehrsystem haben. Die Struktur der inneren Sicherheit in Deutschland wird gerade auch in der Vorbereitung auf die Fußballweltmeisterschaft auf die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen setzen können. Wir vertrauen auf die Einsatzbereitschaft und die Mitarbeit der ehrenamtlich getragenen Hilfsorganisationen im Bevölkerungsschutz. Die Koordination der vorhandenen Ressourcen und der Ausbau der Fähigkeiten stehen auf der Tagesordnung der neuen Landesregierung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Rudolph und wahrscheinlich gleich auch Frau Kollegin Düker, Sie kritisieren die Kürzungen im Landeshaushalt bei Landesmaßnahmen für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge. Lassen Sie mich in aller Deutlichkeit sagen: Ihre Ausländer- und Asylpolitik ist insgesamt gescheitert. Ihre Vorstellungen einer multikulturellen Gesellschaft waren eine Lebenslüge. Das Dogma, das schon alles gut werde, wenn man sozusagen bis zur Aufgabe der eigenen Werte und Ordnungssysteme tolerant und antiautoritär sei,

(Sören Link [SPD]: Wer hat denn so etwas gesagt?)

bezog sich bei Ihnen freilich nicht nur auf die Ausländerpolitik, sondern auch auf die Schul- und Bildungspolitik. Auch in diesem Themenbereich ist die Erblast, die Sie uns hinterlassen, erdrückend und hat sowohl zu einer Verfestigung von Parallelgesellschaften in Nordrhein-Westfalen als auch zu erheblichen Integrationsdefiziten in unserer Gesellschaft geführt.

(Beifall von der CDU)

Nicht zuletzt deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat die neue Landesregierung erfreulicherweise ein Integrationsministerium geschaffen, welches auch die Fehlentwicklungen der vergangenen Perioden aufzuarbeiten hat.

(Monika Düker [GRÜNE]: Wo denn?)

Wir wissen, dass die Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes in die Zuständigkeit der Länder fällt. Hier gibt es Unterschiede. Die CDU-Fraktion hat schon vor ca. anderthalb Jahren gefordert, die Asylverfahren in NRW zu beschleunigen, weil die Vorgehensweise zum Beispiel in Bayern, in Baden-Württemberg und auch in Rheinland-Pfalz unter Ministerpräsident Beck deutlich schneller und kürzer ist. Wir setzen uns für ein entschlossenes Vorgehen bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht ein. Ein generelles Bleiberecht und eine

umfassende Altfallregelung sozusagen für alle vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer lehnen wir vom Grundsatz her ab.

Lassen Sie mich auch in aller Klarheit sagen: Die Integration in Nordrhein-Westfalen, die Integration in unsere Gesellschaft wird nur dann gelingen, wenn sie dem zu Integrierenden erstrebenswert erscheint. Darum muss, wenn die Eltern dazu nicht willens oder in der Lage sind, der Staat durch umfassende Maßnahmen dafür sorgen, dass den Ausländerkindern der Weg in ein erfülltes Leben geöffnet wird. Der Staat muss die jungen Leute, ob ausländischer oder deutscher Herkunft, aber auch spüren lassen, dass er die Verletzung der Regeln des zivilisierten Zusammenlebens nicht hinnimmt. Das unterscheidet die neue Ausrichtung in der Sicherheitspolitik von der der alten Landesregierung.

Frau Präsidentin! Es wird angezeigt …

Herr Kollege, noch bin ich männlichen Geschlechts.

Sehr geehrter Herr Moron, ich bitte um Nachsicht.