Protocol of the Session on December 17, 2009

Das war Ihre Schulministerin, die dieses Chaos beim Turbo-Abitur zu verantworten hat.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn das im Schulsystem alles so toll wäre, frage ich mich doch: Nehmen Sie eigentlich zur Kenntnis, dass der Nachhilfemarkt in diesem Land boomt bis zum Gehtnichtmehr und schon bei der Grundschule Nachhilfelehrer eingesetzt werden?

(Beifall von der SPD)

Nehmen Sie das eigentlich zur Kenntnis? Sind Sie noch vor Ort? Ich weiß es nicht.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Herr Stahl ist schon in Pension!)

Wir haben Studiengebühren eingeführt, ja: nach 14 Semestern. Sie sagen, das wäre ungerecht. Sie haben sie ab dem ersten Semester eingeführt, und das ist ungerecht.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Helmut Stahl [CDU])

Denn wir haben damals versucht, ein Problem aus dem Weg zu räumen. Ich erinnere mich noch gut, Herr Stahl: Da gab es in Bochum ein Problem mit dem EDV-System, weil dort ein Student – der erste Student bundesweit – eine Semesterzahl von 100 erreicht hatte. Ich war damals für diese Langzeitgebühren; ich stehe auch heute noch dazu. Heute braucht man sie nicht mehr. Wir werden die Studiengebühren in NRW im Mai 2010 abschaffen. Das ist unser Versprechen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir werden den Hochschulen auch das Versprechen geben, dass ihnen die Gelder dafür nicht entzogen werden.

Noch eines zum Thema links; das will ich Ihnen auch nicht ersparen. Es gibt einen schönen Artikel in der „FR“ vom 17. Dezember unter der Überschrift „Die Genossen von der Union“. – Da sage ich nur: Packen Sie sich mal ein Stück an die eigene Nase! In Pirna gibt es jetzt den CDU-Kandidaten Frank Ludwig, ein ausgebildeter Lehrer, der mehrere Jahre SED-Mitglied war und im Dezember 1989 der CDU beitrat.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört! – Gisela Walsken [SPD]: Sehr schön!)

Oder in Mecklenburg-Vorpommern – es kommt noch besser –: In Mecklenburg-Vorpommern wählte der CDU-Kreisverband Neubrandenburg kürzlich Frank Benischke zum neuen Vorsitzenden. Der 45jährige Geschäftsführer einer Wohnungsbaugesellschaft war SED-Mitglied und Politoffizier bei der NVA gewesen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Hört, hört!)

Wer im Glashaus sitzt, Herr Stahl, sollte nicht mit Steinen werfen. Daran sollten Sie sich halten.

(Beifall von der SPD)

Abschließend möchte ich der Bilanz Ihrer Politik noch die Bewertung des Stils und des Umgangs miteinander hinzufügen. Sie sind mit hohen Ansprüchen angetreten und wollten auch auf diesem Feld alles besser und anders machen. Die ganze Zeit haben sich einige führende CDU-Politiker gerne als moralisches Gewissen aufgespielt, wenn es darum ging, andere zu beurteilen.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

„Null Toleranz gegenüber straffällig gewordenen Jugendlichen“, posaunte der schneidige schwarze Sheriff aus der Wasserstraße gerne ins Land. Jetzt ist er als Raffke enttarnt, und keinesfalls ist Ihr Fall mit denen der SPD vergleichbar.

(Widerspruch von der CDU)

Denn Sie, Herr Wüst, sind der Einzige, der von anderen Stellen mehr kassiert hat, als er für die Krankenversicherung je bezahlt hat. Das ist der entscheidende Unterschied.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn wir schon einmal bei der CDU sind: Ihre Unnachgiebigkeit gegenüber anderen bekommen jetzt auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der CDUZentrale zu spüren. Die Verantwortung liegt immer auch beim Parteivorsitzenden. Wenn Sie noch nicht einmal Ihren Laden in Ordnung halten können, wie wollen Sie dann dieses Land regieren?

(Anhaltender Beifall von der SPD – Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kraft. – Erlauben Sie mir, bevor wir mit der Debatte fortfahren, auf der Tribüne eine Regierungs- und Wirtschaftsdelegation, und zwar aus der Region Rostow am Don unter der Leitung des Vizegouverneurs Sergey Nazarov, zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Weisbrich gibt mir gerade ein Zeichen, dass er nicht mehr reden möchte. – Auch Frau Freimuth möchte nicht mehr reden. – Herr Laschet von der Landesregierung kommt etwas später. Dann frage

ich erst einmal bei den Grünen nach, ob Herr Becker noch reden will. – Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ein interessanter Morgen, allerdings mit teilweise sehr durchschnittlichen Reden. Das Interessante bestand im Wesentlichen darin, dass die Regierung seit einigen Wochen offensichtlich beginnt, nervös zu werden.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Ihret- wegen?)

Meinetwegen vielleicht nicht, aber möglicherweise wegen der Wähler, Herr Ministerpräsident. Dazu haben Sie auch allen Grund, und zwar nicht nur wegen der Umfragen, sondern vor allen Dingen aufgrund Ihrer Bilanz. Auf diese möchte ich gerne zu sprechen kommen. Allerdings kann ich Ihnen, wenn Ihr Koalitionspartner von Fußball und Champions League redet, nicht den Hinweis ersparen, dass Ihre Mannschaft von Ministerinnen und Ministern jedenfalls zu wesentlichen Teilen dringend auf die Auswechselbank gehört und dieses Kabinett eher einer Abstiegsmannschaft als einer Champions-League-Mannschaft entspricht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben das in den letzten Tagen bei der Justizministerin gesehen, bei dem Innenminister, der eigentlich auch ein Kommunalminister sein sollte, es aber nicht ist, und insgesamt, so meine ich, bei der Finanzpolitik und bei Herrn Linssen.

Ich will das anhand einiger Zahlen deutlich machen. Sie haben deutlich mehr Schulden angehäuft, als Sie es vorher offensichtlich geplant hatten. Sie sind am Ende dieser Wahlperiode bei über 25 Milliarden € mehr Schulden als zu ihrem Beginn, obwohl Sie in der gleichen Zeit – Frau Kraft hat heute Morgen schon darauf hingewiesen – etwas über 20 Milliarden € an zusätzlichen Steuereinnahmen hatten.

Wenn man sich das anschaut, sieht man aber noch nicht einmal die gesamte Diskrepanz. Denn in Wahrheit wird diese noch durch eine Tatsache vergrößert, die ich einmal deutlich machen möchte: Wir streiten uns hier immer wieder darüber, wie die Kommunen in Nordrhein-Westfalen finanziell ausgestattet werden. Deshalb haben wir uns einmal die Summe der Zuweisungen zwischen den Jahren 2000 und 2004 zum einen und 2005 und 2009 zum anderen angeschaut. Das ist ein sehr interessanter Zahlenvergleich, denn in beiden Perioden haben die Kommunen fast exakt die gleichen Summen – nämlich 34,4 Milliarden € – über das GFG zugewiesen bekommen. Auf gut Deutsch heißt das, dass Sie den Kommunen bei über 20 Milliarden € Steuermehreinnahmen in absoluten Zahlen nur so viel zugewiesen haben, wie Rot-Grün es bei deutlich weniger Steuereinnahmen getan hat.

Damit aber nicht genug. Sie haben den Kommunen darüber hinaus noch erhebliche Gelder entzogen. Ich erinnere nur an den Grunderwerbsteueranteil, an die Krankenhausfinanzierung und die Schülerbeförderungskosten.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Jedes Mal das Gleiche!)

Entschuldigung, das muss jedes Mal kommen. Wir rechnen jetzt Ihre fünf Jahre ab.

(Beifall von GRÜNEN und Gisela Walsken [SPD])

In die Abrechnung gehört das, was Sie den Kommunen entzogen haben. Das hören Sie nicht gerne, aber ich will noch einmal die Beträge nennen, damit Sie das genau wissen: 100 Millionen € alleine jährlich bei der Krankenhausfinanzierung, 180 Millionen € alleine jährlich bei der Grunderwerbsteuer, 40 Millionen € alleine jährlich bei den Schülerbeförderungskosten, 20 Millionen € alleine in mehreren Jahren bei den Weiterbildungskosten usw.

Aber auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Es kommt nämlich noch hinzu, dass Sie den Kommunen Geld für Leistungen, die sie übernommen haben, vorenthalten. Ich erinnere nur an das nicht ausfinanzierte KiBiz. Die Kinderförderungsgesetzmittel vom Bund werden nicht durchgereicht, sondern hier behalten, und dann rühmen Sie sich der Mittel im Haushalt. Aber Sie reichen sie nicht an die Kommunen durch.

Wenn man nicht nur das betrachtet, was in den letzten drei Jahren gestrichen wurde, sondern auch das, was nach dem alten System hätte ausbezahlt werden müssen, dann kommt man bei über 20 Milliarden € Steuermehreinnahmen und einem Verbundsatz von 23 % zu dem Ergebnis, dass Sie den Kommunen knapp 5 Milliarden € mehr hätten geben müssen. Und dabei sind noch nicht einmal die Mittel berücksichtigt, die Sie ihnen gestrichen haben. Sie haben den Kommunen in der Summe also nicht nur über 3 Milliarden € vorenthalten, die Sie ihnen in dieser Wahlperiode geraubt haben, sondern Sie haben ihnen darüber hinaus auch 5 Milliarden € vorenthalten, die ihnen nach dem alten Abrechnungssystem zugestanden hätten. Wenn man das noch auf die Steuermehreinnahmen, die Sie gehabt haben, und auf die Verschuldung drauflegt, kommt eine wahrhaft katastrophale Bilanz heraus.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe eben darauf hingewiesen, dass es hier offensichtlich darum geht, dass FDP und CDU die Grundmelodie für den Wahlkampf anlegen. Die Grundmelodie ist ganz offensichtlich: Wir waren auf einem guten Weg. Die Konsolidierung schritt voran – in Klammern: auf Kosten anderer. Dann kam plötzlich die Finanzkrise.

Das ist aber überhaupt nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist nämlich, dass Sie von einem Wirtschaftsaufschwung profitiert haben, den es im Wesentlichen deswegen gab, weil Rot-Grün im Bund vor dem Jahr 2005 Reformen durchgeführt hat,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

für die Rot-Grün abgestraft worden ist und für die Rot-Grün bei den Wahlen in der Tat die Quittung bekommen hat. Aber Sie haben davon sowohl im Bund mit einer Großen Koalition wie auch hier in Nordrhein-Westfalen mit Schwarz-Gelb profitiert.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie machen sich einen schlanken Fuß!)

So wie Sie sich das angezogen haben, obwohl Sie nichts dafür konnten, müssen Sie sich jetzt auch die katastrophale Lage dieses Landeshaushalts anrechnen lassen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Ralf Witzel [FDP]: Das ist eine selektive Wahrnehmung, Herr Kollege!)