Protocol of the Session on December 16, 2009

Dass der Bund durchaus einen Beitrag leisten könnte, um den Bologna-Prozess über bessere Betreuungsrelationen in seiner qualitätvollen Umsetzung zu begleiten, insbesondere an den Universitäten, ist eine Forderung von Grünen und SPD gewesen, die ihnen die Hochschulrektorenkonferenz mit Einführung des Bologna-Prozesses Anfang dieses Jahrzehnts immer wieder vorgetragen hat. Nur: Frau Bulmahn, eine der Umsetzerinnen des BolognaProzesses, war nicht bereit, zusätzliche Mittel in die Hand zu nehmen.

Und Sie haben mit Einführung des BolognaProzesses in Nordrhein-Westfalen den Hochschulen nicht mehr Geld gegeben, sondern die Hochschulmittel gekürzt. Das ist Ihre Bilanz.

(Beifall von der CDU)

Deswegen wollen wir Kurs halten. Wir wollen Finanzierungssicherheit geben. Wir wollen, wo immer möglich, auch noch bessere Finanzierungsmöglichkeiten geben. Aber dann nehmen wir die Hochschulen, die Hochschullehrerinnen und -lehrer in die Pflicht, mit den Mitteln auch dafür zu sorgen, dass unsere jungen Menschen ein qualitätvolles Studium bekommen. Das haben sie verdient. Wir haben in den Hochschulen die Voraussetzungen dafür geschaffen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion hat direkte Abstimmung erbeten. Wir stimmen also erstens über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/10139 ab. Wer ist für diesen Antrag? – SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Enthaltung des

fraktionslosen Kollegen Sagel. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Zweiten zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/10195. Wer ist für diesen Antrag? – Grüne und SPD. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Herr Sagel enthält sich. Damit ist auch der Entschließungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zu:

6 Nordrhein-Westfalen braucht weiter Vielfalt statt Einfalt – Kleine Fächer erhalten und fördern

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10375

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Dr. Mazulewitsch-Boos das Wort.

Ich darf die Kolleginnen und Kollegen bitten, den Saal leise zu verlassen, damit die Kollegin sofort weitermachen kann. Wir sind ein bisschen über der Zeit, und ich wäre schon dankbar, wenn wir wenigstens zügig vorankommen könnten. – Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die kleinen Fächer sind gut in der Lehre, teilweise Spitze in der Forschung und absolut unverzichtbar für unsere Unis und unsere Gesellschaft.

(Beifall von der SPD)

Dieser schöne Satz stammt leider nicht von mir, sondern ist ein Zitat von Minister Pinkwart aus einer Pressemitteilung des Ministeriums vom 7. Juli dieses Jahres. Wenn der Satz von Minister Pinkwart ernst zu nehmen ist, freue ich mich sehr über den breiten parteiübergreifenden Konsens, den wir bei diesem Thema gefunden haben. Es wäre gut, wenn wir dann unseren Antrag gleich einstimmig beschließen würden. Schließlich sind wir alle der Meinung, dass die kleinen Fächer, auch Orchideenfächer genannt, nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Hochschullandschaft in unserem Land leisten, sondern auch zum Diskurs in unserer Gesellschaft.

(Beifall von Karl Schultheis [SPD])

Sie stellen andere Perspektiven bereit, nehmen andere Standpunkte ein, stellen andere Fragen, als dies die großen Fächer manchmal können. Die kleinen Fächer sind damit für uns alle eine wichtige Bereicherung. Ganz knapp kann man so auch die Evaluation der Expertenkommission zusammenfas

sen, die sich unter dem Vorsitz von Professor Dr. Hans-Joachim Gehrke mit diesem Thema beschäftigt hat.

In ähnlicher Form haben wir über das Thema bereits vor knapp anderthalb Jahren beraten. Um die Ergebnisse der Expertenkommission mit aufzunehmen, legen wir nun diesen Antrag vor, der um einige wesentliche Punkte erweitert ist. Die Sorge um die Existenz vieler kleiner Fächer im hochschulinternen Gerangel um Studiengänge ist im Übrigen seitdem nicht kleiner geworden. In einem Land wie NRW sollte jedes Fach einmal vorkommen. Diesen Anspruch haben wir; dafür setzen wir uns ein.

Unsere sehr geschätzte und leider verstorbene Kollegin Ulrike Apel-Haefs hat im vergangenen Jahr einen Satz zur Bedeutung der kleinen Fächer gesagt, den ich an dieser Stelle gerne aufgreifen möchte – Zitat –:

Gerade die kleinen Fächer tragen in Ihrer Vielfalt dazu bei, die Komplexität menschlichen Denkens und Handelns sichtbarer und begreifbarer zu machen.

In diesem Satz schwingt mit, dass die wissenschaftliche und kulturelle Bedeutung dieser Fächer oft nicht mit ihrer ökonomischen Zugkraft einhergeht. Sie haben es sehr viel schwerer, Drittmittelprojekte einzuwerben.

Auch ein weiterer Punkt macht es ihnen schwerer: Durch ihre mangelnde Größe sind sie deutlich schneller Ziel von Sparmaßnahmen, da die potenzielle Gegenwehr bei ihnen natürlich auch geringer ausfällt.

Dazu kommt – dies wurde auch im Expertengespräch ganz deutlich –, dass die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses in den kleinen Fächern schwierig ist. Bei der geringen Zahl von Professuren ist die Bedeutung jeder einzelnen Stelle viel höher als in den großen Fächern; denn das Expertenwissen geht ganz schnell verloren. Abwanderungen in andere Länder sind jedoch an der Tagesordnung.

Wir fordern deshalb eine „Förderinitiative Nachwuchs Kleine Fächer“, um gerade auch die Zukunftsperspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses in den kleinen Fächern zu verbessern.

Abgesehen davon, dass die Frage der kleinen Fächer weit über NRW hinausreicht, haben wir es hier aber mit der altbekannten Frage der Verantwortung zu tun. Daher fordern wir die Landesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass für die kleinen Fächer bundesweit angemessene Leistungsparameter erarbeitet werden. Sie müssen andere Maßstäbe haben als bloße Ökonomie. Quantitative Bewertungen werden den kleinen Fächern nicht gerecht. Wir sind der Meinung, dass es die Aufgabe der Politik ist, hier zu steuern.

Herr Professor Gehrke hat das an einem Beispiel ganz deutlich gemacht. Beim Leistungsparameter Lehre kann es für die kleinen Fächer zum Beispiel kein Bewertungskriterium sein, wie viele Studierende in der Menge durchgeschleust werden können.

Meine Damen und Herren, zurzeit lebt NRW noch von seiner guten Substanz. Dafür, dass die Hochschullandschaft in unserem Land in ihrem Angebot weiterhin breit aufgestellt bleibt und jedes kleine Fach in NRW einmal vorkommt, steht die Landesregierung – damit Sie, Herr Rüttgers, und Sie, Herr Minister Pinkwart – in der Verantwortung. Die Landesregierung muss durch Zielvereinbarungen mit den Hochschulen sicherstellen, dass die bestehenden Strukturen erhalten bleiben.

Herr Minister Pinkwart, ich weiß natürlich, dass Sie einzelne Hochschulen, unter anderem die Universität Münster, wegen Zielvereinbarungen zu kleinen Fächern besucht haben. Wir fordern aber, dass nicht nur vereinzelt, sondern insgesamt der Erhalt der bestehenden Strukturen durch Zielvereinbarungen gesichert wird.

Zum Strukturerhalt ist auch eine bedarfsdeckende Finanzierung aus Landesmitteln nötig. Hierauf hat Professor Gehrke deutlich hingewiesen.

Wir sind der Meinung, dass die Expertenkommission gute Arbeit geleistet hat. Diese Arbeit wird aber entwertet, wenn die Landesregierung jetzt nicht handelt.

Die zentralen Forderungen unseres Antrags entsprechen den Ergebnissen der Expertenkommission. Uns geht es um bessere Nachwuchsförderung und Zielvereinbarungen mit dem Ziel des Strukturerhalts. Zusätzlich sollten die kleinen Fächer eine zentrale Förderlinie bei der Weiterführung des Hochschulpakts 2020 werden.

Das sind die Hausaufgaben, die die Landesregierung von der Expertenkommission bekommen hat. Entsprechend zielt unser Antrag darauf ab, die Vielfalt an den Hochschulen in NRW weiter zu erhalten und kleine Fächer zu fördern. Wir wollen nicht, dass die Orchideenfächer austrocknen. Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Professor Dr. Dr. Sternberg das Wort.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Meine Kollegen von der SPD, als ich Ihren Antrag auf den Tisch bekommen habe, habe ich gedacht: Repetitio est mater studiorum – warum nicht einmal wiederholen, was wir doch am 27. Mai

2009 schon ziemlich ähnlich und teilweise sogar mit genau den gleichen Formulierungen gesagt haben?

(Svenja Schulze [SPD]: Sie können doch klü- ger geworden sein!)

Frau Dr. Boos, Sie haben gerade gesagt, zurzeit lebe NRW noch von seiner guten Substanz. Das ist keineswegs der Fall. Im Zusammenhang mit unserer damaligen Diskussion hatten Sie nämlich eine ziemlich schlechte Presse. So schrieb die „Westfälische Rundschau“ am 30. Mai 2008 zu den Kürzungen bei den kleinen Fächern an der RuhrUniversität Bochum in Form von Einsparungen bei Skandinavistik und Musikwissenschaft, das Ganze gehe wesentlich auf den Qualitätspakt 2010 zurück, der Ende der 90er-Jahre vom Landtag NordrheinWestfalen verabschiedet worden ist. Damals hieß die Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft. Das darf man nicht vergessen. Übrigens ist dieser Pakt in Universitätskreisen als Qualpakt bekannt.

(Heike Gebhard [SPD]: Bei Ihnen heißt es doch Zukunftspakt!)

Seit 2005 machen wir eine andere Wissenschaftspolitik in diesem Land. Die Ruhr-Universität Bochum musste nicht mehr weiter einsparen. Vielmehr sind die Mittel für ihren laufenden Betrieb von 239 Millionen € im Jahr 2005 auf heute 252 Millionen € gestiegen. Außerdem kann sie zur Verbesserung der Lehre Studienbeiträge in Höhe von über 25 Millionen € einsetzen. Damit ist sie deutlich besser gestellt. Das gilt auch für die kleinen Fächer.

Frau Dr. Boos, dass uns die kleinen Fächer wichtig sind, brauchen wir nicht mehr klar zu machen. Wir sind uns alle einig darüber, dass sie einen ganz wichtigen Bereich an den Universitäten darstellen.

So schlimm steht es um die kleinen Fächer allerdings auch nicht. Bereits 2007 hat es eine Arbeitsgruppe der Hochschulrektorenkonferenz gegeben, die dieses Thema intensiv aufgearbeitet hat. Bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft existiert auch eine Arbeitsgruppe zu dieser Frage.

Außerdem haben wir hier im Land unter Federführung von Herrn Minister Pinkwart eine Studie erstellen lassen, bei der unter Leitung von Herrn Professor Gehrke – Sie haben darauf hingewiesen – acht Persönlichkeiten vor allen Dingen die Universitäten Bochum, Bonn, Duisburg-Essen, Köln und Münster untersucht haben. Der Bericht ist im September 2008 veröffentlicht worden.

Am 1. Oktober dieses Jahres haben wir noch einmal mit dem Verantwortlichen der Studie, Herrn Professor Gehrke, im Ausschuss debattiert. Wir waren uns in allen Fraktionen einig, dass die Stützung der kleinen Fächer wichtig ist, und konnten feststellen, dass der Minister dies in den Zielvereinbarungen mit den Universitäten umsetzt.

Wir legen eben großen Wert darauf, dass die kleinen Fächer nicht bedroht werden. Das erkennen Sie auch in Ihrem Antrag an.

Ich komme aber einmal auf die einzelnen Punkte zu sprechen. In Punkt 1 geht es um eine Förderinitiative mit einer bundesweiten Realisierung. Punkt 2 betrifft eine Arbeitsgruppe auf Bundesebene. Die Punkte 3 und 4 beziehen sich auf die Zielvereinbarung und die Finanzierung. Sie hängen systematisch eng zusammen. Darüber haben wir schon gesprochen. Bei Punkt 5 – Hochschulpakt 2010 – geht es wieder um eine Anfrage an den Bund.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle frage ich Sie: Wer soll in unserem Land eigentlich noch den Föderalismus verteidigen, wenn wir als Abgeordnete eines so riesigen Landes nicht mehr auf unseren ureigenen Kompetenzfeldern tätig werden?

(Heike Gebhard [SPD]: Hat der Minister den Bund aufgefordert, mehr Geld zur Verfügung zu stellen?)