Protocol of the Session on December 3, 2009

Jetzt saust die Gewerbesteuer in den Keller, und das Elend ist angesagt. Ja, wenn eine solche volatile Steuer immer gewünscht ist, dann muss man doch in guten Zeiten ansparen, damit man in schlechten Zeiten etwas hat.

(Gisela Walsken [SPD]: Das wäre mal was gewesen!)

Ja, Frau Walsken, so haben wir es doch hier gemacht. Das können Sie doch genau sehen. Wunderbar, ich meine, man muss die Kirche im Dorf lassen.

(Gisela Walsken [SPD]: Denen haben Sie auch noch die Grunderwerbsteuer genom- men!)

Ihr Antrag, meine Damen und Herren, ist übliches Oppositionsgehabe. Sie surfen auf einer Welle, die gerade aktuell ist. Sie wird genauso abebben wie immer. Dann werden Sie erleben, dass Wirtschaftspolitik zur Hälfte Psychologie ist – das wissen Sie – und dass wir über eine wachstumsorientierte Steuerpolitik die Anreize setzen werden, die dazu führen, dass es hoffentlich aufwärtsgeht.

Es ist – das sage ich Ihnen auch – ein riskanter Kurs, klar, aber wenn Sie eine bessere Alternative haben, dann tragen Sie sie vor.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Linssen. – Als Nächstes spricht nun Herr Peschkes von der SPD.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, Herr Finanzminister, dass Sie sich nach der Haushaltsberatung offensichtlich wieder gefangen haben.

(Gisela Walsken [SPD]: Ja, er hat durch- gehalten!)

Da ist ja ein bisschen der Gaul mit Ihnen durchgegangen.

Eine Frage aus der Haushaltsberatung ist noch offen geblieben: ob wir alle Tassen im Schrank haben. Ich habe bei Elisabeth Peschkes – das ist meine Frau – angerufen. Sie hat sofort nachgezählt, und seither weiß ich: Peschkes hat noch alle Tassen im Schrank.

(Zurufe von der CDU: Flach!)

Jetzt kommen wir zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Allein dieser Name ist schon ein Monster, und der Inhalt steht ihm nicht viel nach. Denn das ist ein Gesetz – ich kann das nur wiederholen –, das die eigene Klientel bedient, und daran ändert auch nichts der Unsinn, den Herr Weisbrich hier erzählt, den der Finanzminister schönreden will und den Frau Freimuth erklären will.

Fakt ist: Im nächsten Jahr sollen 21 Milliarden € und 2011 24 Milliarden € mehr gegeben werden. Nur, wer das finanzieren will, wird nicht gesagt. Frau Freimuth, Ihre Meinung, die Steuergeschenke würden sich von ganz alleine finanzieren, ist exklusiv der FDP vorbehalten. Sicher ist, dass Länder und Kommunen die Finanzierung unter sich ausmachen.

Wie verzweifelt die Länder sind, sieht man ja daran, wie sich einige Ministerpräsidenten verhalten. Herr Carstensen in Schleswig-Holstein droht mit seinem Rücktritt. Seit heute hat er die Unterstützung von Herrn van Beust, der öffentlich erklärt: Ich kann die Wut von Herrn Carstensen verstehen. – Das ist ja schon ein Ding.

Mir würde es ja auch nicht passen, wenn ich Hotelvergünstigungen finanzieren müsste. Das ist ein ausgesprochen klassisches Subventionsgesetz. Die FDP, die sich ja sonst als Vorkämpfer für den Subventionsabbau sieht, hat mit Herrn Seehofer an der Spitze – das will ich ja nicht verschweigen – beispielsweise diese geplante Mehrwertsteuersenkung für das Hotelgewerbe erfunden. Ein toller Weg, um einer bestimmten Klientel zu Gefallen zu sein!

An diesem Beispiel, an dieser Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen, wird die ganze Unzulänglichkeit dieses Gesetzes deutlich. Es sollte mit diesem Gesetz auch Bürokratie abgebaut werden, Herr Minister, aber hier wird Bürokratie aufgebaut.

Aber welche Stilblüten dieses Gesetz auch sonst noch treibt, konnten Sie gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ auf der ersten Seite lesen. Da heißt es: „Rabatt für die Lust – Steuerpläne der Koalition könnten Stundenhotels begünstigen“. Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“:

Eine ganz besonders heikle Abgrenzung hat nun insbesondere die Finanzexperten von CDU und CSU in Alarm versetzt. Es geht um Stundenhotels und damit um eine Dienstleistung, die ein ehrbarer Christenmensch lieber nicht von der Steuer begünstigt sehen möchte. Wie schnell käme der böse Veracht auf, ausgerechnet die

konservativ dominierte Koalition mache sich der Förderung von Prostitution schuldig.

Ursprünglich sollte die reduzierte Mehrwertsteuer von sieben Prozent nur für Lebensmittel, Bücher, Zeitungen und dergleichen gelten, also für Waren des täglichen Bedarfs und für Kulturgüter. Es ließe sich nun trefflich streiten, ob das Bett für den Akt darunterfällt.

Ich denke, hieran können Sie wirklich den gesamten Unsinn dieses Gesetzes erkennen. Herr Minister, ich frage Sie als ehrbaren Kaufmann vom Niederrhein: Wollen Sie denn so einem Gesetz im Bundesrat tatsächlich die Zustimmung geben? – Das kann doch nun wirklich nicht sein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Deswegen vertraue ich darauf – Sie haben eben gesagt, hier werden wir zu einem guten Kompromiss kommen –, dass Sie dieses Vorhaben im Bundesrat anhalten. Da haben Sie mein volles Vertrauen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Peschkes. – Für die CDU spricht noch einmal Herr Dr. Petersen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die zwei Anträge von SPD und Grünen stehen zur Diskussion, und vielleicht sagen wir erst einmal etwas Formales dazu.

Der Antrag der Grünen entspricht fast wortwörtlich einem Antrag der Bundes-Grünen. Sie hätten durchaus sagen können, dass Sie wegen Ihrer Landesdelegiertenkonferenz keine Zeit hatten, sich auf das Thema vorzubereiten, und ihn deshalb abgeschrieben haben. Dann hätten wir wenigstens gewusst, woher er kommt. Es wäre schon schön gewesen, wenn Sie hier im Land einen eigenständigen Beitrag zu diesem Thema geleistet hätten.

(Horst Becker [GRÜNE]: Abschreiben kann nur Ihr Koalitionspartner!)

Inhaltlich ist allerdings Folgendes dazu zu sagen: Sie werfen uns vor, wir würden Klientelbedienungspolitik machen. Es ist schon angesprochen worden: Familien sind für uns eine wichtige Klientel. – Sie können das qualifizieren, wie Sie wollen, aber wenn das für Sie eine Klientel ist, dann bedienen wir diese Klientel gerne. Die CDU und FDP sind in diesem Sinne Klientelparteien.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Löhrmann?

Ja, selbstverständlich.

Bitte schön, Frau Löhrmann.

Schönen Dank, Herr Kollege. Dann erklären Sie uns doch bitte einmal, wie viel von den Zuwächsen beim Kindergeld und aufgrund der Änderungen beim Kinderfreibetrag den armen Familien und insbesondere den Familien mit Hartz-IV-Bezug zukommt?

(Gisela Walsken [SPD]: Ganz genau! Antwor- ten Sie mal! Wir wollen Zahlen hören!)

Ich beantworte als Allererstes, wie viel von dem Gesamtbetrag der 8,5 Milliarden € den Familien zugute kommt. Vielleicht fangen wir einmal damit an.

Von den 8,5 Milliarden € kommen 4,6 Milliarden € den Familien zugute, und das ist nun wirklich ein spürbarer Beitrag für die Familien in diesem Lande.

(Gisela Walsken [SPD]: Und weiter? Und dann?)

Man kann sich ja darüber unterhalten, welche Familie mit welchem Einkommen wie viel Geld zusätzlich bekommen soll.

(Gisela Walsken [SPD]: Die Zahlen fehlen noch!)

Das ist völlig in Ordnung. Aber dann beginnt die Diskussion, wenn man als Erstes sagt: Gut ist es, dass wir den Familien in diesem Land mehr Geld lassen und in die Taschen geben.

(Ralf Jäger [SPD]: 7 Millionen Leistungsemp- fänger von Hartz IV!)

Zusätzlich kann man dann noch eine Erhöhung der Regelsätze bei Hartz IV fordern.

Außerdem sind Sie – das schreiben Sie in Ihrem Antrag, und das finde ich wirklich nicht akzeptabel – plötzlich gegen Schulden und gegen Schattenhaushalte. Warum sind Sie das eigentlich nur zu Oppositionszeiten? Zu Regierungszeiten hat Sie das nie gestört. Sie sagen, dabei gehe es um die soziale Frage und die Belastung der Kinder und Jugendlichen in den nächsten Jahrzehnten. Das hat Sie doch in diesem Land über Jahre nicht daran gehindert, in hohem Maße Schulden aufzunehmen. Insofern ist das natürlich in dieser Situation überhaupt nicht glaubwürdig.

(Zuruf von der SPD: Haben Sie damit aufge- hört?)

Hinzu kommt, dass Sie hier über gute Schulden und schlechte Schulden reden. Gute Schulden sind die, die Sie mit beschlossen haben – über Jahre und Jahrzehnte hier im Lande und bis unlängst auch in Berlin. Schlechte Schulden sind die, die jetzt gemacht werden. Erkennen Sie doch an,

dass hiermit ein Wachstumsimpuls auch für Menschen in Nordrhein-Westfalen gesetzt wird.

Offen gestanden halte ich es für absolut unangemessen, die Diskussion um die Verlängerung von AKW-Laufzeiten und um Stundenhotels in diese Debatte einzuführen. Das zeigt, dass es Ihnen um Klamauk geht; denn wenn es Ihnen um die Sache gegangen wäre, hätten wir uns darüber gestritten, wie Familien in diesem Land entlastet werden sollen. Die Verlängerung von AKW-Laufzeiten oder den von Herrn Kollegen Peschkes hier zuletzt angesprochenen Punkt anzuführen, ist aber in der Sache daneben.

Insofern werden wir Ihre Anträge ablehnen. Natürlich werden wir einer guten Lösung auf Bundesebene auch im Bundesrat zustimmen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)